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Kapitel 4 Rosenkrieg

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Vier Jahre später hatte sich die Mitarbeiterzahl der Firma Morning Star Enterprises auf über 300 Leute erhöht. Darin miteingerechnet waren die Beschäftigten des US-Kooperationspartners IT-Security Design (ITSD), mit denen zusammen man die gehärteten CPUs hergestellt und die ersten Lose der Serienfertigung im Zuständigkeitsbereich der europäischen FS-Agentur EUROCONTROL erfolgreich vermarktet hatte.

Der dazu notwendige Ankauf weiterer, von der Firma Siemens aufgegebener Laborgebäude im Ottobrunner Forschungspark und die hohe Anzahl an neu eingestellten Mitarbeitern war jedoch anfangs auf den vehementen Widerstand von Manuela Hofmann gestoßen.

Dies deshalb, weil sie meinte, aus Kostengründen auch mit deutlich weniger Personal und weniger Laborplätzen auskommen zu können. Doch am Ende hatten sich Hannes und ihr Mann Alexander gegen diese rein kaufmännisch begründeten Sparpläne durchgesetzt.

Und auch der rasche Gang an die Börse erwies sich als richtiger Weg, um die für die Serienfertigung benötigte Kapitaldecke zu ergattern, da sich die Aktien ihrer Start-Up Firma von Anfang an wie geschnitten Brot verkauften.

Dies nicht zuletzt auch deshalb, weil inzwischen selbst die amerikanische Bundesluftfahrtbehörde FAA zunehmendes Interesse an der von Morning Star und ihrem amerikanischen Kooperationspartner entwickelten neuen Hard- und Software zeigte.

„Wirst sehen, unsere amerikanischen Freunde von der FAA werden über kurz oder lang als Kunden zu uns kommen. Zumal sie nach Nine-Eleven schon lange den Umbau ihrer Sicherheitsarchitekturen vorantreiben“, hatte Alexander Hofmann als zum wiederholten Male wiedergewählter Firmen-CEO in einer Sitzung des geschäftsführenden Vorstands gesagt, in dem mit Mike Brennan mittlerweile auch ein Vertreter des US-Kooperationspartners ITSD als einer seiner Stellvertreter saß.

„Ich schätze mal, wir haben die Jungs bei der FAA wohl anscheinend bei unserem letzten Besuch in Washington ganz schön beeindruckt. Vor allem, weil wir ja mit den Airbus-Mustern und auch mit Flugzeugen kleinerer Hersteller nachgewiesen haben, dass sich unsere Onboard-Computer aufgrund der angewandten Nano-Chip-Technologie problemlos auch in kleinere Maschinen integrieren lassen“, hatte Mike Brennan ergänzt und sich zufrieden auf seinem Konferenzsessel zurückgelehnt.

„Nun ja, bis zum wirklich flächendeckenden Rollout in den USA dauert es zwar noch ein wenig – aber ich gebe Mike recht. Immerhin wollen die Amis ja in den Einrichtungen ihrer DARPA16 schon demnächst ein eigenes Testbed aufbauen, mit dem sie einen unserer Musterrechner vor allem auf Kompatibilität mit ihren militärischen Flugsicherungseinrichtungen auf Herz und Nieren prüfen wollen.“

Hannes Sturm setzte sich nach diesem Kommentar plötzlich ziemlich aufrecht hin, ehe er eine unerwartete Bombe platzen ließ.

„Ich muss euch heute Nachmittag leider etwas sehr Persönliches mitteilen, was euch vielleicht nicht allzu sehr gefallen wird. Ich habe mich nämlich entschlossen, nach dem Rollout des ersten europäischen Fertigungsloses aus unserer gemeinsamen Firma auszusteigen“, sagte er, während er in die völlig überraschten Gesichter seiner geschäftsführenden Kollegen blickte.

„Mach dir keinen Kopf, Alex – noch bin ich ja eine Zeitlang bei euch. Und dass ich im Vorfeld meines beabsichtigten Ausscheidens für eine geregelte Übergabe an eine geeignete Ersatzperson sorgen werde, steht außer Frage.

Es ist zwar richtig, dass ich die ständigen Memos, die deine Frau als oberste Hüterin unserer Firmenfinanzen bei jedem zu beschaffenden Kleinscheiß und bei jeder Personalentscheidung als zahlungsbegründende Unterlage von mir anfordert, gründlich satthabe.

Aber ehe du mich jetzt gleich anpfeifst, Alex – das ist spielt für meinen Entschluss eigentlich nur eine Nebenrolle. Auch wenn mich das gerade im Zuge unserer Firmenerweiterung so manches Mal gewaltig genervt hat und ich mich mit Manu noch immer nicht besonders gut verstehe“, ergänzte er gleich darauf mit einem versonnen lächelnden Blick auf die vor den Westfenstern des Ottobrunner Bürogebäudes untergehende Herbstsonne.

„Wir schreiben mittlerweile das Jahr 2015 und ich bin im April fünfundzwanzig Jahre alt geworden. Da gilt es, langsam mal an die Gründung einer eigenen Familie und über die private Zukunft nachzudenken.

Ihr habt wahrscheinlich noch nicht mal bemerkt, dass ich schon seit über fünfzehn Monaten eine feste Freundin habe, was sicher auch ein Stückweit meine Schuld ist. Denn wir haben unsere Beziehung bislang ganz bewusst nicht an die große Glocke gehängt.

Tja, und mit Dr. Hanna Jacoby, so heißt meine Verlobte, habe ich mich gestern Abend verlobt. Hanna hat mir gestern Abend jedoch unmissverständlich gesagt, dass sie meinem Antrag nur zustimmt, wenn ich ihr hoch und heilig verspreche, künftig in einen zeitlich geregelteren Job umzusteigen.

Hanna ist vier Jahre älter als ich und sie ist studierte Informatikerin und Kriminologin. Gegenwärtig arbeitet sie bei der Bundespolizei in München, wo sie seit gut einem Jahr für die Luftsicherheit am Münchner Flughafen verantwortlich ist.

Wir kennen uns jetzt, wie gesagt, schon seit fast eineinhalb Jahren, weil ich damals in deiner Vertretung an der Feier zu ihrer Amtseinführung als neue Leiterin der Bundespolizei am Flughafen teilnehmen musste. Vielleicht erinnerst du dich noch an diese Einladung, Alex, die du mir seinerzeit als Repräsentationspflicht aufs Auge gedrückt hast.“

„Aha, ich bin also mal wieder schuld daran, dass du uns verlassen willst“, knurrte Alexander Hofmann seinen Kompagnon jetzt an – ehe er gleich danach mit deutlich entspannterer Miene lächelnd hinzufügte:

„Aber ich freu‘ mich für dich, Hannes. Wirklich. Und ich kann es verstehen, wenn deine Verlobte großen Wert auf ein geregeltes Privatleben legt. Auch wenn du sie uns immer noch nicht vorgestellt hast. Bei uns bist du ja seit Jahren im täglichen 15-Stunden-Einsatz.

Aber was hast du denn berufsmäßig in Zukunft vor, mein Lieber? Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass du dich mit in deinem Alter bereits auf die faule Haut legen und den Hausmann spielen willst. Darüber müssen wir unbedingt noch reden, ehe du uns verlässt – okay?“

„Worum ich dich ohnehin noch gebeten hätte, mein lieber Alex, meinte Hannes Sturm jetzt erleichtert, als er nach einer kurzen Redepause nochmal fortfuhr:

„Und was deine Frage zu meiner beruflichen Zukunft angeht, im Moment nur soviel. Ich habe mich vor vier Wochen bei der DFS GmbH beworben – und die haben vor, mich zum leitenden IT-Koordinator in ihrer Unternehmenszentrale im hessischen Langen zu machen. Womit ich dann wohl auch zukünftig mit der Firma Morning Star in Kontakt bleiben werde.

Meine Bewerbung nach Hessen hat auch damit zu tun, dass Hanna im Frühjahr 2016 zum BKA17 nach Wiesbaden versetzt wird, um dort eine neue Aufgabe als IT-Direktorin dieser Behörde zu übernehmen.

Was danach kommt, weiß ich noch nicht. Aber Hanna und ich werden das Berufliche und das Private schon irgendwie zusammenpuzzeln. Da musst du dir keine Sorgen um deinen alten Jugendfreund machen.“

„Du bist und bleibst ein ewiger Spinner, Hannes. Nur wirst du künftig vielleicht weniger verdienen, als das heute noch der Fall ist. Ab wann also hast du dir deine Entlassung bei Morning Star denn vorgestellt?“

„Dass ich bei der DFS erstmal ein kleineres Einkommen haben werde, ist mir durchaus klar, mein lieber Alex. Ich muss in rund einem halben Jahr zwar ein paar Abstriche beim monatlichen Gehalt machen, aber um irgendwann mal eine Familie zu ernähren, dafür wird’s schon reichen.

Darüber hinaus – ganz unvermögend sind Hanna und ich ja schließlich auch nicht. Allerdings beabsichtige ich, meine Geschäftsanteile an unserer Firma erstmal an meine beiden Geschwister Klara und Matthias – sozusagen als stille Teilhaber – zu überschreiben. Denn als künftiger DFS-Mitarbeiter würde ich sonst ja als Miteigentümer von Morning Star in einen Interessenkonflikt geraten. Alles Weitere und auch den Termin für mein Ausscheiden bei euch klären wir dann morgen früh, sofern du gegen 10:00 Uhr Zeit für mich hast.“

„Was ist denn das für eine blöde Frage? Natürlich hab‘ ich morgen Zeit für dich. Von mir aus auch den ganzen Tag lang. Außerdem bin ich froh, dass du noch bis zum Ende des Jahres bei uns bleiben willst, weil ja zum 20. Oktober 2015 die Verhandlungen mit der FAA in Washington anstehen. Und da hätte ich dich als erfahrenes Softwaregenie natürlich gerne dabei.“

„Das wird sich sicher einrichten lassen, Alex. Versprochen. Zumal ich beabsichtige, nach unserem geplanten Umzug nach Hessen erst im März 2016 bei der DFS anzufangen. Und bis dahin ist ja auch noch genug Zeit einen neuen Computerfachmann als meinen Nachfolger einzuarbeiten.“

Als Hannes Sturm am nächsten Tag gegen 09:45 Uhr zusammen mit seiner gutaussehenden Verlobten das Büro der Geschäftsleitung betrat, waren dem Paar – und vor allem der attraktiven blondgelockten Polizistin – die neugierigen Blicke in der zuvor durchquerten Chefetage gewiss.

Vor allem Alexanders Ehefrau Manuela verfolgte den Auftritt des Paares mit stechenden Blicken. Doch als sie sich gerade von ihrem Bürostuhl erhob und Hannes vor ihrem Büro abfangen wollte, kam ihr Alex Partner umgehend zuvor.

„Manu – du hast mich heute Nacht zwar bereits mit unzähligen SMS genervt. Aber es bleibt dabei. Meine 20 Prozent an den Firmenanteilen gehen an meine Geschwister. Sie sind somit unverkäuflich. Lass es also – und nimm endlich zur Kenntnis, dass ich meine Aktien niemals – und schon gar nicht an dich – verkaufen werde. Ich weiß nämlich inzwischen ganz gut, wie du wirklich tickst und was du vorhast.“

Während sich Manuela Hofmann daraufhin wieder mit wütender Miene in den halboffenen Glaskäfig ihres Büros verzog, klopfte Hannes an der Vorzimmertür seines Jugendfreunds an, wo er und seine Verlobte von Alexanders Büroleiterin lächelnd in Empfang genommen wurden.

„Frau Doktor Jacoby, Herr Sturm – ich habe bereits auf Sie gewartet. Ich melde Sie beide sofort an. Mögen Sie einen Kaffee, oder doch lieber einen Tee, wie ihr Verlobter, Frau Jacoby?“

„Machen Sie sich keine Mühe. Tee ist schon in Ordnung“, erwiderte Hanna Jacoby umgehend, während sie noch in der Rückschau einen stirnrunzelnden Blick auf die Ehefrau des Menschen warf, den sie gleich zum ersten Mal treffen würde.

„Kommt rein, ihr zwei. Freut mich, endlich mal deine hübsche Polizistin kennenzulernen. Herzlich Willkommen bei Morning Star Enterprises, Frau Dr. Jacoby.“

Erneut an Hanna gewandt, fuhr er sogleich fort: „Dieser Filou von einem besten Freund hat dich ja lange genug vor mir versteckt, obwohl du ja – wie ich gehört habe – als gelernte Informatikerin ebenfalls vom Fach bist“, begrüßte Alexander Hofmann seine beiden Gäste mit einem zuvorkommenden Lächeln.

„Nehmt doch erstmal Platz. Darf ich euch einen Kaffee oder einen Tee anbieten?“, fragte er gleich danach.

„Danke, Alex. Deine Vorzimmerlöwin Monika kümmert sich bereits darum. Außerdem hast du recht – und ich entschuldige mich dafür, dass ich dir meine Verlobte erst heute vorstelle. Nur hatten wir in letzter Zeit ja kaum Zeit für Privates“, entgegnete Hannes Sturm, während sich sein aufmerksam zuhörender Freund in seinem Bürosessel zurücklehnte.

„Gut, dann stelle ich mich dir jetzt am besten erstmal mal ein wenig näher vor, damit du weißt, mit wem du es bei mir zu tun hast“, ergriff Hanna Jacoby in diesem Moment freundlich lächelnd das Wort.

„Übrigens kannst du gerne Hanna zu mir sagen und den Doktor weglassen. Hannes Freunde sind nämlich auch meine Freunde.

Also, was mich angeht, so hat mein Informatikstudium nur mittelbar etwas mit meinem derzeitigen Beruf zu tun, obwohl es auch in dem ganz hilfreich ist, etwas von Computern zu verstehen.

Vielmehr hat mich mein Zweitstudium der Kriminologie schon vor einiger Zeit zur Polizei geführt. Und inzwischen bin ich seit rund zwei Jahren als Leiterin der Bundespolizei am Flughafen München tätig.

Ich stamme ursprünglich aus Mainz in Rheinland-Pfalz, wo meine Eltern eine gutgehende Elektronikfirma für industrielle Informationstechnik führen, die vor allem auf mobile Anwendungsbereiche spezialisiert ist. Das erklärt auch, warum ich auf Anraten meines Vaters zuerst Informatik an der Uni Mainz studiert habe.“

„Jacoby Technical Solutions in Mainz – von der Firma JTS deiner Eltern habe ich schon des Öfteren gehört. Vor allem entwickelt und produziert man dort meines Wissens ja mobile Baugruppen für Hochgeschwindigkeitsnetzwerke, die im Straßen-, Schienen- und Schiffsverkehr genutzt werden.

Soweit ich weiß, hat JTS ja neuerdings auch die Ausstattung von Flugzeugen mit intelligenten Bordcomputern und deren Prozessoren in ihr Portfolio aufgenommen. Womit man die Firma deiner Eltern wohl zu unserer Konkurrenz rechnen muss.“

„Richtig, Alex. Ich weiß zwar nicht, was ihr bei Morning Star ganz genau treibt, aber dass es dabei um bodengebundene und Onboard-Flugsicherungskomponenten geht, das weiß ich schon.

Und insofern hast du recht – auch wenn die Teile, die bei JTS entwickelt werden, nichts mit der FS-Elektronik, sondern in erster Linie mit der Bord-Boden-Kommunikation der Passagiere per mobilen WLAN-Hotspots zu tun haben.“

„Weiß ich, Hanna. Eure JTS bietet in diesem Bereich wirklich exzellente High-Speed-Kommunikationstechnik an, die deine Eltern ja schon in ähnlicher Form ziemlich erfolgreich für den ICE und anderer Hochgeschwindigkeitszüge vermarkten.

Von daher ist es ganz gut, dass ich dich heute treffe, obwohl ich bis dato keine Ahnung hatte, wer deine Eltern sind. Ich wollte den Inhabern der JTS nämlich ohnehin demnächst einen Besuch abstatten, um über eine mögliche Kooperation zu sprechen. Dies nicht zuletzt deshalb, weil jede IT-Komponente an Bord eines Verkehrsflugzeugs flugsicherungsrelevant ist, wie du sicher weißt.“

„Nur zu – es würde mich sehr freuen, wenn es zu einer solchen Kooperation käme. Aber bei deinem beabsichtigten Besuch musst du dich in dieser Hinsicht an meinen jüngeren Bruder Thomas wenden. Meine Eltern sind nämlich momentan dabei, sich allmählich aus ihrer Firma zurückzuziehen.

Und da ich, sozusagen als schwarzes Schaf der Familie, für eine Nachfolge nicht zur Verfügung stehe, wird wohl mein Bruder im kommenden Jahr die alleinige Firmenleitung übernehmen. Damit bleibt ihm allerdings zu wenig Zeit, um sich hinreichend um unsere Eltern kümmern zu können.

Weshalb ich bei unserem letzten Familienrat zugestimmt habe, mich näher an den Wohnort meiner Familie im rheinhessischen Nieder-Olm versetzen zu lassen, um ihn bei der über kurz oder lang ins Haus stehenden Pflege unserer Eltern zu entlasten.“

„Damit wären wir auch beim eigentlichen Thema unseres heutigen Gesprächs. Hanna und ich wollen nämlich im kommenden Frühjahr in die Nähe ihrer Familie nach Nieder-Olm umziehen, wo wir beide mittlerweile ein kleines Haus mit Garten gekauft haben.

Dessen Bausubstanz gehört leider nicht zum Allermodernsten – daher müssen wir Haus und Garten bis zu unserem Einzug noch renovieren. Und dafür brauchen wir ein bisschen Zeit, weil wir viele notwendige Arbeiten selber machen wollen.

Deshalb bin ich dir auch sehr dankbar, Alex, dass du uns keine Steine in den Weg legen willst und mit meinem Ausstieg aus unserer Firma einverstanden bist.“

„Was ich zwar nicht gerne tue – aber, wie du schon sagtest, die Familie ist wichtiger als der Beruf. Und ich bin froh, dass du nicht den gleichen Fehler machen willst, wie ich. Bleib bei dieser Haltung, denn meine Ehe hat unter dem Aufbau unserer Firma sehr gelitten. Das ist mir inzwischen klar. Denn auch ich streite mich seit Monaten viel öfter mit Manuela, als du in deinen besten Zeiten. Und leider geht es dabei immer öfter um meinen missratenen Adoptivsohn.

Erst seit gestern weiß ich nämlich, dass er die Kurse in seinem Luzerner Internat des Öfteren schwänzt und lieber mit seiner Junkie-Clique abhängt. Nur will meine Frau das leider nicht wahrhaben, obwohl auch sie die diesbezüglichen Briefe des Internatsdirektors gelesen hat.

An dich habe ich allerdings vor deinem Ausstieg eine Bedingung, ohne die ich dich nicht ziehen lasse. Du hast erst neulich davon gesprochen, einen Ersatzmann für dich zu besorgen – und ich hoffe, dass das nicht nur Gerede war.“

„Wo denkst du hin, Alex? Wenn ich sowas sage, dann meine ich das auch genauso. Ich habe erst vorige Woche mit einem potenziellen Kandidaten telefoniert, der sich für eine Tätigkeit bei uns interessiert und den ich mir sehr gut als meinen Nachfolger vorstellen könnte. Es handelt sich um Wilhelm Hartwig, den du zumindest dem Namen nach kennen dürftest.“

„Wild Bill, der Hamburger Hackerfürst, den du schon in unseren Jugendzeiten so sehr bewundert hast. Ich glaub‘s ja nicht. Wie bist du denn gerade auf den gekommen?“

„Na ja, vielleicht, weil er ein genialer Programmierer und Softwareentwickler ist. Außerdem – nach seinen wilden Tagen hat der gute Bill seinen Lebenswandel zwischenzeitlich radikal geändert. Was wohl vor allem daran liegt, dass er inzwischen Frau und Kind hat, die er versorgen muss.

Deshalb ist er schon vor über fünf Jahren als Berater zum BSI gegangen, um auf diese Weise für seine früheren Missetaten zu büßen. Ist ja eigentlich nichts Neues, dass ein hochbegabter Hacker eine einschlägige Anstellung bei unseren Sicherheitsbehörden findet, anstatt eine Gefängnisstrafe abzusitzen.

Nur musste er dazu seinen früheren anarchistischen Ansichten abschwören und seine Tauglichkeit als Verfechter unserer einschlägigen IT-Gesetze nachweisen.“

„Und – ist ihm das gelungen? Woher kennst du ihn überhaupt so gut?“, fragte Alexander Hofmann umgehend.

„Nun ja, Alex. Das beantworte wohl besser ich“, mischte sich in diesem Moment Hanna Jacoby in das Gespräch ein.

„Wie du ja bereits von Hannes weißt, werde ich ja bald als künftige IT-Direktorin zum BKA nach Wiesbaden versetzt. Von daher kenne ich den gegenwärtigen Abteilungsleiter von Wilhelm Hartwig im BSI ganz gut.

Und soweit ich das bei meiner Einweisung verstanden habe, sind die Leute im BSI, wie auch im BKA nicht allzu begeistert darüber, dass Wilhelm Hartwig seine Behörde verlassen will.

Die hohe Aufklärungsrate bei einigen wichtigen Cyberangriffen geht nämlich größtenteils auf sein Konto. Jedoch wird man ihn wohl ziehen lassen – und wenn ich im nächsten Jahr erstmal als neue IT-Direktorin des BKA in Amt und Würden bin, werde ich den von ihm beabsichtigten Wechsel in eure Firma ebenfalls unterstützen.

Ich will dir auch sagen, warum. Will Hartwig persönlich kenne ich eigentlich gar nicht so gut, dafür kenne ich jedoch seine Frau Vivian umso besser, denn die ist in meiner Nachbarschaft in Nieder-Olm aufgewachsen und zusammen mit mir zur Schule gegangen.

Von daher kann ich dir sagen – Vivian Hartwig hat ihren Mann absolut im Griff. Vor allem, seit sie ihm eine süße Tochter geboren hat. Und da Vivians Eltern mittlerweile in Freising geerbt haben und noch dieses Jahr dorthin umziehen wollen, drängt sie ihren Ehemann bereits, dass er sich ebenfalls eine neue private, als auch berufliche Heimat in Bayern sucht.“

„Okay, das macht Wild Bills Wechselwunsch durchaus plausibel. Also schauen wir uns diesen tollen Burschen doch mal gemeinsam an, Hannes. Dass er tatsächlich etwas auf dem Kasten hat, weiß ich ja jetzt. Und dass du seine Vorgesetzten überreden willst, ihn trotzdem ziehen lassen, ist für unser Unternehmen mehr als erfreulich.

Schauen wir also mal, ob wir ihn als Hannes Nachfolger nutzbringend in unser Firmenteam integrieren können“, erwiderte Alexander Hofmann, ehe er den Rest seines Tees austrank.

„Gut, allerdings wäre da noch was, was ich mit dir bequatschen wollte“, meldete sich jetzt Hannes Sturm noch einmal zu Wort.

„Du weißt ja, dass ich meine Firmenanteile inzwischen an meine beiden Geschwister übertragen habe, um einen Interessenkonflikt mit meinem künftigen Arbeitgeber zu vermeiden.

Dennoch lässt Manu nicht locker. Gerade eben hat sie erneut versucht, mich dazu zu bewegen, meine Aktien an sie zu verkaufen. Ich habe es dir schon immer gesagt – deine Frau würde gerne mehr Kontrolle über Morning Star haben, weshalb sie anscheinend ganz versessen auf meine 20% an unserer Firma ist. Nur wird daraus nichts werden – vor allem, seit ich erfahren habe, mit wem Manu vor kurzem eine Geschäftsbeziehung anbahnen wollte.“

„Was willst du damit sagen? Spionierst du etwa meiner Frau hinterher?“, fragte Alex Hofmann sofort mit konsterniertem Blick.

„Nein, jetzt reg‘ dich mal wieder ab. Als du im Juni mit Mike Brennan bei der FAA in Washington warst, hat sie sich hier bei uns mit einem Henk de Vries, einem holländischen Geschäftsmann aus Amsterdam getroffen.

Ich wette, dass sie dir davon nichts erzählt hat. Misstrauisch bin ich erst geworden, als sie ihn mir nicht vorstellen wollte. Er sei lediglich einer der vielen Investoren, bei denen sie angesichts unserer Erweiterungspläne ständig nach günstigen Geschäftskrediten suche. Ich bräuchte mich gar nicht um diese Angelegenheit zu kümmern, das würde sie schon alleine hinbekommen.

So, und jetzt kommt‘s. Als ich den Namen Henk de Vries am gleichen Abend Hanna gegenüber eher zufällig erwähnt habe, hat sie mir eine Überraschung beschert, die mir die Sprache verschlagen hat. Und auch darüber wollten Hanna und ich heute mit dir reden.

So, und ab jetzt erzählst besser du weiter, mein Schatz. Schließlich bist du ja die Kriminologin in unserer zukünftigen Familie.“

„Sehr gerne – wobei ich betone, dass Hannes bestimmt nicht schnüffeln wollte. Zunächst einmal, der angebliche Henk de Vries heißt in Wirklichkeit Jan Smits – und er ist auch kein Holländer, sondern stammt aus Südafrika.

Den falschen Namen Henk de Vries benutzt er in Europa gerne, um seine wahre Identität zu verschleiern. Ich weiß das nur deshalb, weil er wegen seiner dubiosen Geschäfte im Bereich des Waffen- und Diamantenhandels und wegen des Verdachts auf Geldwäsche für international agierende Verbrecherkartelle auf der Beobachtungsliste von Europol steht.“

„Das habe ich verstanden. Aber anscheinend konnte und kann die Polizei diese Vermutung bis heute nicht erhärten. Trotzdem ist das kein geeigneter Umgang für meine Frau, da gebe ich euch beiden schon recht. Schon gar nicht in ihrer Funktion als Finanzchefin unserer Firma. Deshalb werde ich gleich nachher auch ein ernstes Gespräch mit ihr führen.“

„Davon möchte ich im Moment noch abraten, Alex. Es wäre nämlich schlecht, wenn dieser Jan Smits über deine Frau erfahren würde, dass Europol bereits gegen ihn ermittelt. Zumal ich dir davon gar nichts hätte erzählen dürfen“, entgegnete Hanna Jacoby jetzt mit ernster Miene.

Denn da ist noch etwas anderes, das zumindest deinem Freund Hannes Rätsel aufgibt. Doch darüber berichtet dir Hannes am besten selber.“

Während Alexander Hofmann seinen besten Freund argwöhnisch anschaute, fing Hannes Sturm auch schon zu reden an.

„Ich weiß, dass du mir noch nie so recht grün warst, wenn ich mich öfter mal mit Manu gestritten habe. Aber seit Anfang Juli ist sie wie ausgewechselt. Damit will ich sagen, sie ist seither stets freundlich und zuvorkommend und mir gegenüber nicht mehr so auf Krawall gebürstet, wie früher. Und deshalb habe ich lange darüber nachgedacht, was diesen Sinneswandel wohl bewirkt haben könnte.

Du erinnerst dich vielleicht, dass Manuela in den letzten beiden Juniwochen in Aalsmeer in den Niederlanden war, wo sie angeblich zwei Wellnesswochen verbringen wollte. Die Gemeinde Aalsmeer liegt nur wenige Kilometer von Amsterdam entfernt und die Europol-Ermittler sind sich sicher, dass sie sich bei diesem Aufenthalt unter anderem erneut mit diesem Jan Smits getroffen hat.“

„Na und – schließlich war sie darauf aus, betuchte Investoren für unsere Firma zu gewinnen. Zudem glaube ich auch nicht, dass sie zu diesem Zeitpunkt über den zweifelhaften Hintergrund dieses Jan Smits Bescheid gewusst hat,“ fuhr Alex seinen Kompagnon mit zornigen Blicken umgehend an.

„Nun mal langsam, mein Lieber. Fakt ist jedenfalls, dass dieses Treffen tatsächlich stattgefunden hat. Wie du schon gesagt hast, ist die Frage dabei nur, ob Manu wusste, mit wem sie sich da als möglichen Investor einzulassen gedachte. Und leider muss ich feststellen, dass anscheinend auch du von diesem Meeting keine Ahnung hattest.

Ich denke mal, dass du verhindern wirst, dass unsere Firma durch diese unabgestimmte Aktion in Verruf gerät. Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass unsere Gesellschafter und unser Aufsichtsrat über eine Firmenfinanzierung aus offensichtlich dubiosen Quellen arg begeistert wären.

Außerdem hoffe ich sehr, dass du mir meine soeben ausgesprochenen Worte nicht übelnimmst. Nur leider ist da noch mehr, dass ich dir zu dieser Reise deiner Frau bezüglich eines ganz anderen Themas berichten muss.

Deine Angetraute war nämlich nicht nur zu diesem Geschäftskontakt in Holland. Im Zuge der laufenden Ermittlungen gegen Herrn Smits ist nämlich herausgekommen, dass in der sogenannten Wellnesseinrichtung, die sie Ende Juni zwei Wochen lang besuchte, hauptsächlich Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden. Was in den Niederlanden ja rechtlich weitaus einfacher ist, als hierzulande.“

„Was? Du spinnst doch wohl! Du denkst, Manu war deswegen in dieser Einrichtung? Doch jetzt sage ich dir mal was – Manuela und ich wollen Kinder. Das hat sie mir mehr als nur einmal gesagt. Nur hat es bisher bei uns nicht geklappt“, schrie Alexander Hofmann seinen Freund jetzt aufgebracht an.

Doch als er seinem Freund Hannes tief in die Augen blickte, sah er dessen Entsetzen über seine unbedacht wütende Reaktion.

„Alex, ich wollte dich mit meinen Worten wirklich nicht verletzen, aber es ist an der Zeit, mal von Freund zu Freund Tacheles mit dir zu reden. Und ich kenne dich lange genug, um zu wissen, dass du in letzter Zeit selber das merkwürdige Verhalten deiner Frau anzweifelst.

Da ich aber die Firma bald verlassen werde, nehme ich mir die Freiheit, dir über das, was ich inzwischen weiß, reinen Wein einzuschenken. Sei mir also bitte nicht böse, aber das, was ich dir gerade mitgeteilt habe, ist durch polizeiliche Ermittlungsergebnisse der niederländischen Behörden belegt.“

Noch während er dies kundtat, wurde Hannes von seiner Verlobten heftig in den Arm gekniffen. Und augenblicklich griff Dr. Hanna Jacoby in den Streit der beiden Freunde ein.

„Alexander, ich dachte zwar nicht, dass unser erstes Zusammentreffen in solch einer unangenehmen Weise verlaufen würde. Jedoch muss ich meinen Verlobten aus ermittlungstaktischen Gründen daran hindern, dass er noch von dem mehr ausplaudert, was ich ihm vor einiger Zeit vertraulich mitgeteilt habe.

Zu deiner Frau nur soviel – die Fakten, die dir Hannes eben offenbart hat, stimmen. So leid mir das auch tut. Ich weiß das vor allem deshalb, weil Jan Smits bei meiner derzeitigen Dienststelle am Münchner Flughafen auf der Liste der Personen steht, die wir bei Einreise zu registrieren und zu überwachen haben. Nachdem er mehrfach durch unsere Personenkontrolle ging, habe ich mich deshalb auch über sein Umfeld informiert.

Deine Frau ist übrigens nur zufällig in den Focus von Europol geraten. Vor allem, weil sie sich Anfang Juni und danach noch mehrere Male mit diesem südafrikanischen Waffenhändler in einem Münchner Hotel getroffen hat und auch nach wie vor noch Kontakte zu ihm pflegt.

Darüber kann man sich zwar aufregen, nur leider ist Jan Smits in letzter Zeit bereits fünfmal hier gewesen, wobei das BKA bei jedem seiner Besuche feststellen konnte, dass er sich – wenn auch immer nur kurz – mit deiner Frau getroffen hat.

Mehr kann ich dir leider im Moment nicht sagen. Nur soviel noch: Den von Hannes erwähnten Schwangerschaftsabbruch deiner Ehefrau in Holland hat es Anfang Juni sehr wahrscheinlich wirklich gegeben, so widerwärtig ich das auch persönlich finde.

Ich bin zudem traurig, dass dir deine Frau, deinen Worten nach, in dieser Beziehung anscheinend etwas vorgemacht hat. Wenn du also meine Empfehlung hören willst – ich würde dir mit allem Nachdruck dazu raten, einen Privatdetektiv zu engagieren, der Manuelas sogenannten Wellnessaufenthalt in Aalsmeer noch einmal genauer unter die Lupe nimmt.

Worum ich dabei aber bitten möchte ist, dass dieser Privatermittler nur zu diesem Thema nachforscht und sich ansonsten aus den Ermittlungen von Europol raushält.

Sofern du das befürwortest, kann ich dir auch jemanden nennen, der sich mit derartigen Dingen auskennt. Bert Matthies wäre dafür ein guter Kandidat. Als ehemaliger Polizeibeamter weiß er zudem, wie er sich bei derart sensitiven Nachforschungen zu verhalten hat.“

„Okay, okay. Ist ja schon gut. Ich nehme deinen Rat an, Hanna. Aber wenn mir dieser Privatdetektiv bestätigt, dass meine Frau unser Kind wirklich hat töten lassen, werde ich sie mir gleich danach vorknöpfen. Und einen Anwalt nehme ich mir auch. Denn wenn das alles stimmt, ist eine Scheidung die zwangsläufige Folge.“

Zwei Wochen nach diesem denkwürdigen Zusammentreffen hatte Alexander Hofmann keinen Zweifel mehr. Zumal ihm Bert Matthies nicht nur Manuelas Schwangerschaftsabbruch anhand von Zeugenaussagen von Klinikangehörigen bestätigen konnte, sondern weil er auch ihre diversen, noch immer andauernden Seitensprünge aufgedeckt hatte.

„Das ist so widerlich“, hatte Alexander Hofmann gesagt, als er die Dokumente aus der Wellnessklinik sowie die von dem Detektiv aufgenommen Fotos betrachtete, die seine Frau mit fremden Männern nicht nur in diversen Hotelbetten, sondern auch im häuslichen Ehebett zeigten.

„Warum nur hat sie das bloß getan? Ich verstehe das einfach nicht.“

„Tja Herr Hofmann, was soll ich dazu sagen. Ich habe sowas schon oft genug erlebt. Meist sind es nahe Bekannte, oder – wie in Ihrem Fall – der Reitlehrer oder der Tennis- und Fitnesstrainer, mit dem sich lebenslustige Ehefrauen vergnügen, weil sie sich in ihrer häuslichen Beziehung langweilen.

Womit ich Ihnen nicht zu nahetreten will. Machen Sie sich also keine Vorwürfe. Ihre Frau ist nämlich diejenige, die ganz alleine für die Zerrüttung Ihrer Ehe verantwortlich ist.“

Als Alexander Hofmann seine Ehefrau noch am gleichen Abend in ihrem Büro zur Rede stellte, tat Manuela zunächst völlig überrascht. Doch dann wurde sie so wütend, wie noch niemals zuvor. Und dazu gehörte auch, dass sie wie eine Furie auf ihren Mann losging und ihm ins Gesicht schlagen wollte – was Alexander Hofmann nur mühsam abwehren konnte.

„Du Dreckskerl! Was fällt dir eigentlich ein, mich ausspionieren zu lassen? Das sind doch alles nur schäbige Verleumdungen, gegen die ich mich vehement zur Wehr setzen werde. Außerdem werde ich das auch in unserer nächsten Vorstandssitzung ganz oben auf die Agenda setzen. Du denkst wohl, du kannst mich mit so einem Schmierentheater aus unserer Firma drängen.

Und das, nach alledem, was ich für dich und deinen blöden Noch-Partner als Verwalterin eures Firmenvermögens geleistet habe. Wo wärt ihr beiden Nerds denn heute ohne mich?

Gib’s zu – es sind doch dieser Mistkerl und seine blöde Polizistenschlampe, die hinter dieser Intrige stecken. Die beiden werde ich umgehend verklagen, darauf kannst du dich verlassen. Ich rufe gleich mal meinen Anwalt an, um alles Notwendige in die Wege zu leiten. Und auch du, mein Lieber, wirst es noch bereuen, dich mit mir auf diese schäbige Weise angelegt zu haben.“

„Gib dir keine Mühe, Manuela. Du hast unser gemeinsames Kind in der 20. Schwangerschaftswoche umgebracht, das ist einwandfrei belegt – und das wird in jedem Fall ein gerichtliches Nachspiel für dich haben, weil das nach deutschem Recht illegal ist. Die Beweise dafür sind eindeutig.

Das sieht der Staatsanwalt, bei dem ich dich gestern angezeigt habe, im Übrigen genauso. Denn auch wenn Abtreibungen in Holland einfacher und anonymer möglich sind, als in Deutschland, können sie nur vorgenommen werden, wenn Vater und Mutter dem zuvor zustimmen.

Inzwischen haben die holländischen Behörden bereits auf Betreiben der Münchner Staatsanwaltschaft in dieser Sache ermittelt und den Wisch mit meiner angeblichen Unterschrift von der Klinik in Aalsmeer übermittelt bekommen.

Blöd ist nur, dass ich diese Einverständniserklärung nie unterschrieben habe und dass meine Unterschrift auf diesem Wisch somit gefälscht ist. Das graphologische Gutachten ist da sehr eindeutig. Du bist eine notorische Lügnerin, Manu. Und noch dazu nicht mal ‘ne besonders gute.

Mir wird jetzt auch klar, warum du vor deiner Hollandreise dauernd in diesen hässlichen Schlabberkleidern und weiten Pullovern rumgelaufen bist. Außerdem hast du mich ja auch schon viele Monate vorher wegen meines angeblichen Schnarchens aus unserem Schlafzimmer ausquartiert. Und wenn ich mal mit dir schlafen wollte, hattest du ja stets deine Migräne.

Das alles hast du nur getan, damit ich nicht merke, dass du damals bereits in anderen Umständen warst. Bravo, diese Täuschung ist dir gelungen, das muss ich schon zugeben.

Nur holt dich dieses charakterlose Verhalten jetzt ein. Weshalb du auch in meiner Firma endgültig ausgespielt hast. Du brauchst also gar nicht so blöd zu gucken.

Inzwischen durchschaue ich dich und deine Machenschaften, die ja über den privaten Bereich weit hinaus gehen. Denn im Zuge der Ermittlungen gegen dich sind noch ganz andere Dinge ans Tageslicht gekommen, da nützen dir auch deine früheren Verdienste nichts.

Der Name Henk de Vries sagt dir ja sicher etwas. Der Versuch, mit diesem hochkriminellen Dreckskerl eine unternehmerische Beziehung einzugehen, liegt weit außerhalb deiner Kompetenzen. Zumal du niemanden in unserem Vorstand über deine Aktivitäten informiert hast. Und auch dieses nicht genehmigte Vorgehen wird auf der gemeinsamen Sitzung von Geschäftsführung und Aufsichtsrat zur Sprache kommen.

Wie du siehst, um die Agenda der Sitzung brauchst du dich nicht mehr zu kümmern. Das haben Hannes und ich nämlich bereits getan. Und wenn du glaubst, dass du dort mit deinen Märchen durchkommst, muss ich dich leider enttäuschen. Denn allen Vorstandsmitgliedern – wie auch unserem Aufsichtsrat – liegen die Beweise deiner Sünden bereits vor.

Übrigens räumt ein Spediteur gerade meine Sachen aus unserem gemeinsamen Grünwalder Domizil aus. Ich werde nämlich schon heute Abend nicht mehr dorthin zurückkehren. Die Vorstellung, dass du es in unserem Ehebett mit anderen Männern getrieben hast, ist so ekelerregend, dass ich nicht mehr unter einem Dach mit dir wohnen kann.

Ach so, eins noch. Auch ich habe mir inzwischen einen Anwalt genommen, der bereits dabei ist, unsere Scheidung in die Wege zu leiten. Du wirst also nicht nur aus der Firma fliegen, sondern du wirst auch privat die Konsequenzen deines schändlichen Handelns zu tragen haben.

Mein Anwalt wartet nur noch den Ausgang des gegen dich schon laufenden Strafverfahrens in Sachen Abtreibung ab. Und auch deshalb werde ich noch heute aus der von dir so geliebten Protzvilla ausziehen, weil du und diese Umgebung mich nur noch ankotzen.“

Erst als Alex gleich darauf seiner jetzt ziemlich kleinlauten Noch-Ehefrau Abzüge der zuhause und in Stundenhotels geschossenen Fotos sowie Kopien der amtlichen Zeugenvernehmungen in den Schoß geworfen hatte, drehte er sich um, und verließ eilenden Schritts ihr Büro, um in das von ihm inzwischen angemietete Penthouse-Appartement im nahegelegenen Ottobrunn zu fahren.

Die für den nächsten Tag anberaumte Sondersitzung im holzgetäfelten Konferenzraum der Firma verlief, wie erwartet. Obwohl sich Manuela Hofmann vehement gegen die Anschuldigungen wehrte, hatte sie angesichts der vorliegenden Beweise keine Chance, ihre Abberufung aus dem geschäftsführenden Vorstand zu verhindern.

Wobei sich die Vorstandsmitglieder und die übrigen Gesellschafter an diesem sonnigen Herbsttag weniger für die Eheprobleme von Manuela und Alexander Hofmann, sondern in erster Linie für die dubiosen Kontakte der Finanzchefin zu dem international als Schwerkriminellen verdächtigten Jan Smits interessierten.

„Okay, meine Damen und Herren. Frau Hofmann hat sich zweifellos geschäftsschädigend verhalten und damit ihre gesellschaftsrechtlichen Pflichten verletzt, das steht außer Frage. Die Abberufung aus dem geschäftsführenden Vorstand und die sich anschließend daraus ergebende Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses ist somit aus meiner Sicht mehr als geboten.

Wir können das hier und heute im Guten regeln, oder einen Prozess gegen Sie in die Wege leiten, Frau Hofmann. Wie hätten Sie‘s denn gerne?“, hatte der Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Hans Gebauer, ein Bankier der renommierten Commerzbank gefragt, ehe er noch hinzufügte: „Sollen wir Ihnen bis nach dem Mittagessen Bedenkzeit geben, damit Sie sich mit Ihrem Anwalt beraten können?“

Als Manuela zornig nickte, beraumte Dr. Gebauer eine zweistündige Mittagspause an, damit sich auch das Führungsgremium der Morning Star Enterprises vor der Abstimmung mit ihren ebenfalls anwesenden Anwälten besprechen konnten.

„Der Mann hat leider recht. Die Beweise gegen Sie sind erdrückend. Und damit meine ich nicht nur das Strafverfahren, das Ihr Mann gegen Sie angestrengt hat“, hatte Manuelas Anwalt Dr. Markus Kreuzer gesagt, den sie zugleich als ihren Scheidungsanwalt engagiert hatte.

„Die werden Sie rauswerfen. Das steht für mich außer Frage. Jetzt kommt es für uns nur darauf an, zu retten, was noch zu retten ist. Womit ich eine möglichst hohe Abfindung meine. Denn aus der Geschäftsführung entfernen und außerdem kündigen werden die Ihnen nach meiner Meinung in jedem Fall.“

„Aber – aber was ist mit meinen 10% Stammaktien und den 10% meines Sohnes Horst? Die gehören doch nach wie vor mir – und damit können die mich doch nicht so einfach rausschmeißen“, hatte Manuela Hofmann mit weinerlicher Stimme gefragt, als ihr Anwalt auch schon antwortete.

„Nun, Frau Hofmann – was Ihre Firmenanteile und die Ihres Sohnes betrifft, so hilft ein Blick ins Kleingedruckte Ihres Ehevertrags. Ihr Noch-Ehemann hat Ihnen die 10% ja nur übereignet, solange Sie sich als Partnerin in seiner Firma nichts zuschulden lassen kommen.

Das bedeutet, nach einem Prozess, den wir nach Abwägung aller Sachverhalte nicht gewinnen können, fallen die 10% ihres Stammkapitals an die Firma zurück.

Und – wie Sie wissen – sind die 10% Ihres Sohnes Horst an die Bedingung geknüpft, dass er seine schulische Ausbildung erfolgreich absolviert.

Ich muss Ihnen nicht sagen, dass Ihr Sohn wegen seiner Rauschgifteskapaden schon vor einem Jahr aus seinem Internat geflogen ist. Die Mitteilungen des Internatsdirektoriums an Sie sind Ihnen ja bekannt. Und leider liegen diese Briefe auch Ihrem Ehemann vor.“

„Aber das ist doch nur eine pubertäre Phase, die mein Horst gerade durchmacht. Er rebelliert momentan zwar ein bisschen gegen das Erwachsenwerden, aber das wird sich sicher wieder einrenken. Zudem habe ich ihn bereits in einer neuen Schule angemeldet, damit er wieder die Kurve kriegt. Zählt das denn gar nichts?“

„Tja, verehrte Frau Hofmann, was zählt und bei einem Prozess zur Sprache kommen wird, ist die Tatsache, dass Ihr Sohn schon mehrmals verhaftet und nach Jugendstrafrecht abgeurteilt worden ist.

Nur hat er die ihm zuletzt aufgebrummten Sozialstunden nie absolviert und damit seine Bewährungsauflagen verletzt. Im Augenblick wissen selbst die Schweizer Behörden nicht, wohin er sich abgesetzt hat.“

„Aber ich weiß, wo mein Horst ist. Da er meinen Mann schon immer gehasst hat, wollte ich ihn nämlich aus der Schusslinie bringen. Und deshalb habe ich ihn auch meinem Freund Henk de Vries vorgestellt, der sich, was seine weitere Ausbildung angeht, ganz selbstlos um ihn kümmern will.“

„Das dürfen Sie niemanden gegenüber jemals erwähnen, Frau Hofmann. Niemals! Selbst dann nicht, wenn Sie in vier Wochen im Scheidungsprozess danach gefragt werden. Denn das wäre der letzte Sargnagel, der Ihnen absolut alles nehmen würde.

Ich bin Ihr Rechtsbeistand und unterliege daher der anwaltschaftlichen Schweigepflicht. Ich will Ihnen damit sagen – von mir erfährt niemand etwas von dem, was Sie mir gerade gebeichtet haben. Schon deshalb, weil ich mich sonst selber strafbar machen würde.

Doch machen Sie sich bitte nichts vor. Die 10% Aktienkapital Ihres Sohns sind ohnehin unrettbar verloren. Das ist angesichts der Aktenlage leider Fakt. Deshalb kommt es jetzt darauf an, im Scheidungsprozess eine maximale Abfindung für Sie herauszuschlagen.

Da Sie Ihre Stammaktien laut Gesellschaftervertrag nur an die Firma selbst zurückverkaufen können, wird das, was mir vorschwebt, nur funktionieren, wenn Ihr Gatte dem Deal zustimmt, den ich nach Bewertung ihrer Lage momentan im Auge habe.

Jedoch ist es vorher wichtig, dass Sie hier und heute zur Vermeidung eines Wirtschaftsprozesses zunächst einmal verbal zu Kreuze kriechen und sich den Entscheidungen der Firmengremien fügen.“

„Und wie soll dieser Deal Ihrer Meinung nach aussehen?“, fragte Manuela sogleich interessiert zurück.

„Nun – so, wie ich Ihren Ehemann und den Aufsichtsrat einschätze, wird den Firmenbossen daran gelegen sein, einen großen Wirtschaftsprozess, schon allein wegen der schlechten Reklame zu vermeiden.

Außerdem will Ihr Mann auch die im September bevorstehende Scheidung sicher möglichst geräuschlos abwickeln. Alles andere wäre schließlich für die Medien ein gefundenes Fressen. Ein derartiger Skandal würde den Interessen der Firma Morning Star sicher ebenfalls schaden – und deshalb ist das das einzige Pfund, mit dem wir wuchern können, um Ihnen eine maximale Abfindung zu sichern.

Um Ihren Gatten und diesen Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. Gebauer dahingehend zu bewegen, sollten wir deshalb heute erstmal kleine Brötchen backen und uns dem Urteil der Gesellschafter und des Aufsichtsrats beugen.

Frau Hofmann, ich kann deswegen nur an Sie appellieren, dass Sie meiner Empfehlung folgen, denn schließlich stehen für Sie Vermögenswerte in Höhe von grob geschätzt rund 10 Millionen Euro auf dem Spiel.

Deshalb würde ich Sie sehr bitten, mir nachher das Wort zu überlassen, wenn die Sitzung nach dem Mittagessen weitergeht. Inzwischen werde ich mir mal Ihren Gatten vornehmen und ihm Ihre Forderungen unterbreiten.

Damit werden wir möglicherweise nicht nur für Ihre Aktien einen guten Preis erzielen, sondern auch ihr Haus, aus dem Ihr Ehemann ja bereits geflüchtet ist, für Sie retten. Sind Sie mit dieser Vorgehensweise einverstanden?“

„Jaja, Herr Dr. Kreuzer. Ich vertraue Ihrem Urteil – zumal Sie mir ja auch von Henk als Anwalt für besonders schwierige Rechtsfälle empfohlen worden sind.

Also gut, gehen wir’s an. Nur liegt mir das Kreidefressen nicht so besonders. Im Übrigen möchte ich, dass Sie mich zukünftig als Manuela Kratz anreden. Denn bei dem Nachnamen Hofmann wird mir schon vom Zuhören übel.“

„Das ist für mich okay, Frau Kratz – nur lassen Sie uns bis zur Scheidung noch bei Ihrem alten Nachnamen bleiben. Wir wollen ja durch eine solch spontane Namensänderung keine schlafenden Hunde wecken.“

Bei der nachfolgenden Fortsetzung der unterbrochenen Vorstandssitzung zeigte sich Manuela – sehr zur Überraschung ihres Ehemanns – ausgesprochen friedlich.

Alex hatte nämlich nicht gedacht, dass seine künftige Exfrau das Feld so kampflos räumen würde, wie es ihr Anwalt in dem zwischenzeitlich mit ihm geführten Gespräch angedeutet hatte.

Nur die Höhe der zu entrichtenden Abfindung für seine Ex – wie er Manuela inzwischen schon gedanklich bezeichnete – war vorerst strittig geblieben.

Doch Dr. Kreuzer erwies sich als hartnäckiger Verhandler, weshalb sich Alexander Hofmann und sein Anwalt schließlich damit einverstanden erklärten, Manuela bei einem reibungslosen Scheidungsverlauf die ungeliebte Villa in Grünwald zu überschreiben.

Außerdem wurde vereinbart, drei Millionen Euro aus Alexanders Privatvermögen und nochmal 7 Millionen Euro aus dem Firmenbudget als Minimalabfindung für die in Manuelas Besitz befindlichen Firmenanteile auszuzahlen.

Angriff aus dem Cyberspace

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