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Kapitel 3 3.

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Als die Sonne hoch am Himmel stand wurde Freya vorsichtig geweckt. Damaso war nicht im Raum, wie sie nach einem schnellen Rundblick feststellte. Eine Elbenfrau, die Freya noch nicht kennen gelernt hatte, berührte sie ganz vorsichtig an den Schultern, um sie zu wecken. Freya sah sie mit großen Augen leicht verwirrt an und die Elbenfrau lächelte verschmitzt zurück.

„Ich bin Silva.“, sagte ihre sanfte Stimme. „Ich komme aus den Wäldern nördlich des großen Gebirges und verstehe deine Sprache! Wir haben etwas für dich auf Damasos Geheiß hin vorbereitet. Komm mit, es wird dir gefallen!“

Silva ging langsam voraus und verließ den Raum. Freya zögerte einen Augenblick, folgte ihr dann aber. Sie stiegen nicht die Treppe, die sie mit Damaso hoch gekommen war, hinunter, sondern benutzten eine andere Treppe, oder eigentliche eher eine Brücke, die ein wenig abwärts verlief. Die junge Elbin führte sie zu einem mit Vorhängen verhangenen Raum, dem ein Duft von Tausenden von Blüten entströmte.

Ein großer Badezuber mit dampfend warmen Wasser und kostbaren Ölen gefüllt erwartete Freya darin. Silva nickte ihr zu und deutete auf den Badezuber.

„Ich bin gleich mit etwas zu essen und zu trinken wieder bei dir. Steig ruhig schon mal ins Wasser, ich helfe dir gleich beim Haare waschen!“

Freya konnte ihr kleines Glück kaum fassen. Nach allem, was sie bislang durchgestanden hatte, nach all den ewig langen Monaten, die sie nun schon unterwegs war … konnte sie sich endlich wieder einmal richtig baden! Nichts hatte sie auf ihrer Flucht schmerzlicher vermisst!

Fast nichts!

Während Freya in den Zuber stieg und den aufsteigenden Duft des Badewassers genoss, grinste Damaso, der sich hinter all den seidigen Vorhängen verborgen hielt, schelmisch und ging dann zurück in sein Zimmer. So gerne er das Mädchen ja auch bei ihrem Bad beobachten wollte … aber das ginge wohl ein wenig zu weit. Silva würde gewiss schon entdeckt haben, dass er hier herumgestanden hatte. Außerdem würde Silva sie ihm ja gleich wieder zurück in sein Zimmer bringen.

Kosmo, der ihn wieder einmal heimlich beobachtet hatte, grinste ebenfalls, dachte sich seinen ganz eigenen Teil aber nur, als er seinen Freund so versonnen lächelnd sich zurückziehen sah. Aber er ließ ihn in Ruhe in sein Zimmer gehen und fragte nicht weiter nach.

Damaso hatte sich auf sein Bett gelegt, die Arme verschränkt hinter seinem Kopf. Er hatte lange warten müssen, bis er draußen ein Geräusch hörte. Erst dann erhob er sich, gerade in dem Moment, als eine junge Frau in sein Zimmer trat. Sie trug ein silbrig-grünes Kleid aus feinster Seide, das ihren Körperformen sehr schmeichelte und unterstrich. Ihre langen, gold-blonden Haare waren noch ein klein wenig feucht.

Damaso konnte sie nur anstarren und stieß schließlich einen leisen Pfiff vor Bewunderung aus. So hatte er sie sich nicht vorgestellt! Sie war plötzlich kein kleines, verängstigtes, verwirrtes Mädchen mehr, sondern eine wunderschöne, junge Frau, und die Gefühle, die er ihr gegenüber noch vor ein paar Stunden gehegt hatte, als sie sich schlafen gelegt hatten, schossen in ihm plötzlich nur noch heftiger wieder hoch. Verdammt, er mochte sie. Jetzt sogar noch viel mehr! Sie war wunderschön, eine wunderschöne, junge Frau, kein eingeschüchtertes, verdrecktes Gör mehr. Und irgendwie wusste er auf einmal nicht mehr so wirklich, wie er sich ihr gegenüber verhalten sollte. Weiter verängstigen oder verwirren wollte er sie nicht, indem er jetzt etwas zu forsch vorging. Aber verdammt noch mal, wie sollte er sich ihr mitteilen?

Er trat zu ihr hinüber, wobei er ihren Blick nicht mehr losließ, nahm ihre Hände in die seinen und führte sie zum Mund, um sie sanft zu küssen.

Freya lächelte ein klein wenig, aber es machte sie hauptsächlich verlegen, und so sah sie zu Boden, damit er nicht sah, wie sie rot anlief.

Damaso, der ihr Zeichen aber richtig gedeutet hatte, lachte leise auf, nahm ihr Gesicht in eine Hand und hob es auf, um sie anzusehen.

Ein wenig zu dicht standen sie sich gegenüber. Freya konnte sein Herz deutlich schlagen hören, und gewiss würde auch er merken, dass ihr Herz ihr bis zum Halse schlug.

Doch Damaso kümmerte es nicht weiter. Sein Herz schlug ebenso heftig - vor Verlangen. Vorsichtig küsste er sie, zuerst nur auf ihre Stirn, dann, als sie es sich gefallen ließ, auf ihre Wange, dann sehr vorsichtig und flüchtig auf ihren Mund, dann suchten seine Lippen immer neuere Stellen, an denen sie sie liebkosen konnten.

Ein Gefühl der Wärme stieg in Freyas Körper auf und es machte sie kribbelig. Aber auch etwas anderes. Da war immer noch eine hilflose Angst von einem Mann berührt zu werden.

Sie versuchte mit einer Drehung ihres Kopfes sich seinen Küssen zu entziehen und hob ihre Hände an seine Brust, um ihn von sich wegzudrücken. Abermals blickte sie verlegen zu Boden, als er auf Armeslänge vor ihr stand.

„Nicht! … Bitte.“, sagte sie sehr leise.

Ein wenig enttäuscht nickte er ihr zu und antwortete: „Alles gut. Keine Angst.“

Er hatte gehofft, dass sie schon soweit wäre ihm zu vertrauen. Sie waren lange gemeinsam unterwegs gewesen. Sie hatten einige Tage gehabt sich etwas kennen zu lernen. Und er hatte in diesen Tagen einiges von ihr kennen gelernt. Und mochte es! Und er hatte geglaubt, dass sie es durchaus genossen hatte, nachts in seinen Armen zu liegen. So wie auch er es genossen hatte. Aber er wurde enttäuscht. Natürlich, sie würde noch einiges an Zeit brauchen. Sie hatte eine Menge erlebt, hatte eine Menge durchgemacht und war jetzt mit ihm zusammen hier, hier in seinem Wald, in seinem Reich. Allein das hatte sie noch vor ein paar Stunden fast an den Rand der Verzweiflung getrieben, weil sie das alles nicht so schnell verarbeiten konnte. Und weil sie es hier eben nicht mit Menschen zutun hatte. Auch das war etwas, dass sie zutiefst erschüttert hatte. Diese Erschütterung, diese Verwirrung hatte er sehr deutlich gespürt, als er sie vorhin zum Schlafen wieder in seine Arme geschlossen hatte. Sie hatte immer wieder im Traum gezittert.

Alles wird sich finden, alles zu seiner Zeit!, hoffte er. Aber das Gefühl der Enttäuschung wollte trotzdem nicht verschwinden. Zu sehr drehte sich alles in seinem Kopf, wenn er sie jetzt so ansah.

Freya hatte ihn vor den Kopf geschlagen, das wurde ihr jetzt klar, und sie schämte sich fast, ihn so abgewiesen zu haben.

„Damaso“, begann sie leise, „bitte verstehe mich nicht falsch. Du bist nett. Der netteste Mensch oder Halbmensch oder Halbelf, der mir je begegnet ist, aber ich kann das noch nicht. Bitte verstehe!“

Damaso sah sie lange an und schien über ihre Worte nachzudenken. Tatsächlich aber verstand er nicht, was sie sagte. Er verstand ihre Worte einfach nicht!

Kopfschüttelnd wandte er sich zum Gehen um, und ließ Freya mit einem bedauernden Kuss auf ihren Handrücken zum Abschied allein in seinem Zimmer zurück.

Kieran war erst spät am Morgen auf die kleine Streitmacht seines Vaters gestoßen. Er hatte richtig vermutet, dass sein Vater auf den Weg nach Aldomark war. Achaz war klug genug einen Zauber als das was er war zu erkennen, und hatte seinerseits die richtigen Schlüsse daraus gezogen. Eine Magierin konnte sich auf Dauer nur in Aldomark verstecken, vielleicht kam sie sogar von dort.

Achaz hatte seinen Trupp anhalten lassen, als er aus der Ferne einen Reiter, der noch ein weiteres Pferd an der Hand führte gewahr wurde, und einfach abgewartet, wer da auf ihn zukam. Er war kein Mann, der übergroße Hektik an den Tag legte, selbst wenn er auf einer Verfolgungsjagd war. Als der Reiter näher heran gekommen war, hatte er seinen jüngsten Sohn erkannt, der ihm offensichtlich seinen edlen Zuchthengst zurückbrachte.

Das hätte eigentlich Conalls Aufgabe sein sollen, dachte er bei sich, war aber klug genug, seine Gedanken nicht laut auszusprechen. Sein ältester Sohn war aufbrausend und nahm jede noch so kleine Gelegenheit und Unachtsamkeit wahr, um daraus eine Fehde zu machen. Nein, schoss es ihm durch den Kopf, als zukünftiger Stammesfürst und Herrscher über die südlichen Lande hätte ihm so ein Missgeschick nicht widerfahren dürfen, nicht in aller Öffentlichkeit. Und schon gar nicht durch eine junge Frau, die anscheinend nicht einmal aus ihrem Land stammte. Er selbst hatte einen Ruf zu wahren, er hatte ihn sich sehr mühsam und unablässig erarbeiten müssen, und auch sein Sohn würde das für sich tun müssen.

Kieran begrüßte seinen Vater auf die ihm so gewohnte herzliche Weise, als er zu ihm aufgeschlossen hatte, seinen Bruder allerdings sehr unterkühlt. Nicht, dass sie sich jemals großartig verstanden hätten, aber Kieran konnte ihn jetzt nicht wirklich ansehen. Selbst Achaz konnte deutlich eine Spannung zwischen ihnen spüren. Es war immer eine Spannung da gewesen, aber sie war lediglich daraus geboren, dass die beiden Brüder so sehr unterschiedlich waren. Die Spannung, die jetzt zwischen ihnen lag bedeutete etwas anderes. Etwas war geschehen, etwas das Conall nicht wusste. Und wie hätte Kieran ihm auch zu verstehen geben sollen, was er beim Anblick eines Mädchens, das sein eigener Bruder hatte auspeitschen lassen, gefühlt hatte. Conall war kein Mann, der sich um solche Dinge scherte!

„Danke, dass du mir El Eligo zurückgeholt hast, aber das hätte ich auch selbst getan.“, war der einzige, oberflächliche Dank, mit dem Kieran von seinem Bruder bedacht wurde.

Tatsächlich ärgerte Kieran es aber mehr, dass er so selbstverständlich von El Eligo als seinen Hengst redete. Conall maß sich bereits jetzt schon an ein großer Gebieter und alleiniger Herr einer der berühmtesten Pferdezuchten zu sein. Dabei ging dieses Erbe erst auf einen Sohn über, wenn er dem Land einen weiteren Thronfolger geschenkt hatte, und das traf auf Conall nicht zu, da er mit seinen bisherigen Frauen nur Töchter gezeugt hatte, und es blieb abzuwarten, ob auch seine nächste, neue Frau dieser Tradition würde nachkommen können.

„Noch gehört er nicht dir!“, erwiderte Kieran nur knapp und übergab seinem Vater die Zügel seines wertvollsten Zuchthengsts.

Achaz störte sich nicht an den Zankereien seiner Söhne, zu gut kannte er das mittlerweile, und er war es müde, diesen Querelen noch Achtung zu schenken. Es wurde Zeit, dass die Thronfolge endlich geregelt würde, wie die Tradition und das Volk es erwarteten.

Conall war bereits von dem Pferd abgesessen, das er einem anderen Mann aus ihrem Trupp als nun sein eigenes Reittier abgenommen hatte, und wollte gerade nach El Eligo greifen, als sein Vater ihm zuvorkam. Achaz glitt seinerseits so behände und schnell von seinem Pferd ab und schwang sich auf den Rücken seines Lieblingspferdes, dass Conall das Nachsehen hatte.

„Ich werde ihn selber reiten, damit er nicht noch einmal verloren geht!“, sagte er nur. Damit war die Angelegenheit für ihn erledigt und er befahl seinen Männern ihre Tiere anzuspornen, um weiter zu reiten. Diese ganzen unterschwelligen Streitigkeiten gingen ihm allmählich an die Nerven und solange er noch etwas zu sagen hatte, wollte er eben das unterbinden. Der Tross hatte beinahe Schwierigkeiten ihm so schnell zu folgen, wie Achaz das Tempo vorgab.

„Kieran, auf ein Wort!“, rief er seinen jüngsten Sohn zu sich. Kierans Pferd musste weit ausholen, um zu El Eligo aufzuholen.

„Vater?“ Kieran verneigte knapp seinen Kopf, wahrte vor den Männern stets den nötigen Respekt, den sein Vater verdiente, was Achaz durchaus gefiel. Sein Jüngster war nicht hitzköpfig, unüberlegt oder gar übereifrig, er kam mehr nach ihm selbst, als Conall, der sein Erbe antreten sollte. Trotzdem musste er Disziplin und Strenge wahren und diese Sache bereinigen, wie es ihre Gesetzte vorgaben.

„Was ist mit der Frau? Sie ist eine Magierin, nicht wahr? Hält sie sich in Aldomark versteckt?“ Als Kieran nicht sofort antwortete wurde Achaz Stimme eindringlicher. „Kieran, wir müssen für Ordnung und Gerechtigkeit sorgen. Wir dürfen uns so etwas nicht gefallen lassen, schon gar nicht in aller Öffentlichkeit! Das würde Schwäche bedeuten, die wir zu zeigen uns nicht leisten können!“

„Ja, sie ist in Aldomark.“, begann Kieran. Es hatte keinen Zweck seinen Vater auf eine falsche Fährte locken zu wollen, so wie er es anfangs vorhatte. „Aber sie hält sich dort nicht versteckt. Sie ist nur ein kleines Mädchen, das nicht einmal weiß, dass sie die Gabe der Magie überhaupt besitzt!“

„Und trotzdem müssen wir unser Gesicht waren!“ In Achaz Stimme klang einer strenger Unterton mit.

„Ich werde sie holen und zu dir bringen. Aldomark wird bestimmt verborgen werden, da sie gefährlich ist. Sie hat die Gabe der Feuerzauber, kann ihre Energie aber nicht lenken. Sie müssen sie auf jeden Fall unterrichten, bevor sie sie auf die Menschheit loslassen können, ohne dass sie aus Versehen irgendetwas in Brand steckt. Schon allein deswegen werden sie bemüht sein, sie eine Zeit lang bei sich zu behalten. Ich weiß, dass vor allem Conall Genugtuung will, aber es wäre besser, wenn er noch ein, zwei Wochen damit warten könnte. Die ganze Sache kann auch ohne Blutvergießen bereinigt werden, und es wird dazu kommen, wenn wir jetzt in Aldomark einfallen! Gib` mir einfach etwas Zeit, dann werde ich mit ihr zu euch kommen und du kannst über sie richten!“

„Weise gesprochen, mein Sohn. Ich hoffe nur, dass Conall ebenfalls so klug und geduldig sein wird, was ich allerdings bezweifle.“

„Nun, ich möchte nicht unverschämt sein, aber dass liegt ganz allein bei dir. Noch bist du der Herrscher.“

„Hüte deine Zunge, Kieran!“, maßregelte sein Vater streng. Aber der Blick, den er Kieran zuwarf sagte etwas anderes.

Conall hatte seinen jüngeren Bruder im Gespräch mit seinem Vater beobachtet, hatte aber nicht geschafft, sein Pferd soweit anzutreiben, dass es auf gleicher Höhe mit El Eligo laufen konnte, und hatte deshalb nicht wirklich mitbekommen, was die Zwei besprochen hatten. Es ärgerte ihn maßlos! Schließlich sollte er doch wohl bald herrschen, da hatte sich sein Bruder nicht zu erdreisten, ihn aus einer wichtigen Unterredung herauszuhalten!

Es war bereits Nachmittag geworden als der kleine Trupp die Furt erreichte. Sie waren am Fluss entlang in Richtung Süden geritten und waren so automatisch an die Furt gelangt, die sie von Aldomark trennte. Conall gab den Männern, die er befehligte, ein Zeichen sich direkt am Ufer zu versammeln. Er wartete kurz, aber als er sah, dass sein Vater seine eigenen Männer zurückhielt, kam er auf ihn zu geritten.

„Warum lässt du deine Männer anhalten?“, fragte er unwirsch. „Es wird bald dunkel werden und wir stehen direkt vor Aldomark. Worauf warten wir noch?“

„Conall, ruf deine Männer hierher zurück. Wir werden nicht nach Aldomark hinüber reiten, sondern hier unser Nachtlager aufschlagen und morgen früh weiter südwärts ziehen. Kieran wird die Sache für uns klären und mit der Sklavin zurückkehren!“ Mit diesen Worten saß Achaz vom Pferd ab und teilte die Männer ein, damit sie das Nachtlager vorbereiteten.

„Was?“ Conall war so aufgebracht, dass er fast schrie. „Das ist nicht dein Ernst!“ Wütend sah er zu Kieran hinüber. „Was hast du vor?“, fragte er lauernd seinen jüngeren Bruder. „Du führst irgendetwas im Schilde, das weiß ich. Wollt ihr mich hintergehen?“

„Genug!“ Achaz Stimme donnerte über die Waldlichtung am Fluss. „Es reicht! Noch entscheide und befehle ich!“ Ja, sie standen hier direkt vor Aldomark, dem kleinen Waldland, in dem sich Conalls Sklavin verbarg. Er hätte sie jetzt holen können, er hätte ganz Aldomark mit ihren Männern einfach überrennen können. Und Conall hatte auch genau das vor. Das konnte Achaz deutlich in den Augen seines Erstgeborenen sehen. Aber der Ausdruck auf Achaz` Gesicht ließ keinen Zweifel daran, dass er in dieser Sache absolut keinen Widerspruch zulassen würde. Denn wie so oft, hatte nicht sein erster Sohn recht, sondern sein jüngster. Was ihn wieder einmal mehr zu der Frage brachte, wer von den beiden wohl ein besserer Herrscher sein würde. Wenn Kieran sich doch bloß mal endlich eine Frau nehmen würde!

Kieran musste heimlich schmunzeln, als er seinen Vater beobachtete, wie er so scheinbar kühl blieb, trotzdem er so manches Mal innerlich mit sich rang. Auch wenn er manchmal weich werden konnte, vor seinen Männern aber wusste sich Achaz stets gut in Szene zu setzen.

Der erste Tag in ihrer neuen Zuflucht hatte sich dem Abend zugewandt und Freya war den ganzen Nachmittag über nicht aus Damasos Zimmer hinaus gekommen. Sie war zu verwirrt und sie fühlte sich schuldig, dass Damaso sich offensichtlich so elend fühlte. Sie hatte ihn nicht verletzen wollen, aber genau so wenig wollte sie verletzt werden.

Er war den Rest des Tages nicht mehr in seinem Zimmer erschienen. Offenbar wollte er sie nicht dort antreffen. Aber Freya wusste auch nicht, wohin sie sich wenden konnte. Außer Markward und Silva sprach niemand hier ihre Sprache und sie wusste nicht wohin die beiden gegangen sein konnten oder wo ihre Zimmer lagen und konnte auch niemanden danach fragen. Sie fühlte sich schrecklich hilflos.

Später, als es dunkel wurde, kam Damaso endlich zurück, in seinen Händen einen großen Berg Decken. Er vermied es ihr tief in die Augen zu schauen, als er das Zimmer durchquerte und auf der Wand gegenüber dem Bett noch ein Lager aus den Decken errichtete.

Als er damit fertig war deutete er mit der Hand auf das Bett, danach auf Freya, dann drehte er sich zur Lagerstätte um, die er gerade geschaffen hatte und deutete auf sich selber.

Anschließend nahm er sie an die Hand und ging mit ihr hinaus.

Freya verstand nicht ganz, was er wollte und zögerte ein wenig ihm zu folgen. Damaso suchte nach den passenden Worten, fand sie aber wieder nicht. Er musste unbedingt mit Markward sprechen ...!

„Essen.“, sagte Damaso, als er Freyas fragenden Blick begegnete und zog sie mit sich.

„Wohin gehen wir?“, fragte Freya vorsichtig, wusste aber, dass sie keine Antwort bekommen würde. Damaso steuerte auf eine Gruppe Frauen zu, die schwatzend um ein kleines Feuer herumsaßen, über dem es in einem Topf köchelte, aus dem es wunderbar duftete. Freya lief das Wasser im Munde zusammen.

Damaso bedeutete ihr sich hinzusetzen, was sie auch brav tat, wandte sich selber aber wieder zum Gehen um. Sofort war Freya wieder auf den Beinen, um unsicher nach Damasos Hand zu greifen. Doch er konnte sie nur fragend anblicken. Offensichtlich hatte sie nicht verstanden, dass sie hier bei den Frauen bleiben sollte. Er würde ganz dringend mit Markward reden müssen!

Aus der Gruppe der Frauen löste sich eine Gestalt, - es war Silva, die Freya vorhin beim Baden geholfen und ihr etwas zu essen gebracht hatte. Silva nahm sie bei der Hand und zog Freya zu den anderen Frauen hinüber.

„Lass Damaso gehen. Er ist auf dem Weg zu Kosmo, um mit ihm zusammen zu essen und zu reden. Es wäre ein Gespräch, das du wahrscheinlich nicht verstehen würdest. Sie sprechen beide nicht deine Sprache, obwohl Damaso wohl durchaus daran gelegen ist sie zu lernen! Stattdessen mache ich dich mit einigen anderen von uns bekannt.“ Dann zeigte sie der Reihe nach auf die einzelnen Frauen, die am Feuer Platz genommen hatten: „Kevina kennst du bereits, … das ist Ediga, … zu ihrer linken sitzt Anah, … dann kommen Brighid, Emerena und Gwynae. Setz dich zu uns und wir können reden.“ Ein wenig erleichterter darüber, dass sie doch nicht ganz so alleine und hilflos unter den ihr fremden Frauen war, nahm Freya ebenfalls wieder in ihrer Runde Platz. Sie hatte sich schrecklich gefühlt, heute Nachmittag, so ganz allein. Nun war ihr ein wenig wohler zumute. Und immerhin sprach Silva ihre Sprache!

Die anderen Frauen stellten allerlei Fragen, die Silva für Freya übersetzte, und Freya gab ihrerseits bereitwillig Antworten auf all die Fragen. Sie hatte aber kaum Gelegenheit selber Fragen zu stellen und fragte sich insgeheim, ob alle Elbenfrauen wohl so neugierig seien. Und immer wieder griff die eine oder andere nach ihren Haaren, um ihre langen, goldenen Strähnen durch ihre Finger gleiten zu lassen. Freya verstand diese Geste nicht, nahm aber an, dass die anderen Frauen es sehr amüsant fanden, dass sie selber ebenfalls elfengleiche Haare hatte, und ließ es auf sich beruhen.

Insgesamt wurde es ein fröhlicher und unterhaltsamer Abend. Zu später Stunde wurde auf dem großen Festplatz mit allen Bewohnern des Waldes noch gesungen und getanzt. Wie Freya erfuhr, war das stets ein fester Bestandteil des gemeinsamen Abendessens, das selber in kleinen Gruppen stattfand, dafür aber redete, sang und tanzte anschließend jeder mit jedem.

Es kam Freya etwas befremdlich vor – so etwas kannte sie nur von großen Dorffesten, und die fielen meist immer etwas rüde aus, wenn die ersten Gäste bereits zu viel getrunken hatten. Außerdem brauchten die Dorfbewohner in ihrem Land schon ganz besondere Anlässe, um ausgiebig zu feiern. Aber das hier war ganz und gar nicht so, wie sie es gewohnt war. Die Elben waren kein lautes und ausschweifendes Volk, das nicht wusste, wenn es zu viel wurde. Sie sangen alle sehr leise und der Gesang hörte sich eher wie ein wunderschön melodisches Flüstern des Windes in den Bäumen an. Auch ihr Tanz wirkte sehr elegant, fast schon als schwebten sie über dem Erdboden dahin. Und sie brauchten auch keinen besonderen Grund zum Feiern: Sie feierten einfach das Leben, und was die Natur ihnen zum Leben gab.

Freya konnte vor Verzauberung längst nicht mehr denken. Sie schwelgte nur noch in Melodien und Lichtertänzen, bis ihr ganz schwindelig wurde. Sie war vollkommen in einer anderen Welt, aus der sie sich nicht mehr lösen wollte! Und doch zog etwas an ihr, um sie aus der Verzauberung zu lösen. Aber sie wollte es gar nicht, und wehrte sich gegen diesen Zwang.

Irgendwann wurde sie sich Damasos bewusst, der sie am Arm zog und auf sie in seiner Sprache einredete. Und irgendwann war sie so klar im Kopf, dass sie verstand, was er von ihr wollte.

Aber sie wollte nicht.

Sie wollte nicht mit ihm kommen und das Fest verlassen. Sie wollte hier bleiben und den Melodien lauschen und den Tänzen zuschauen.

„Zeit gehen!“, sagte Damaso ganz dicht an ihrem Ohr. „Zeit schlafen.“ Und zog sie nun energisch mit sich weg.

Als sie wenig später in seinem Zimmer angelangt waren, wurde Freya schlagartig klar, dass sie nun allein mit Damaso war, und erinnerte sich wieder daran, wie drängend er heute Mittag gewesen war. Die Verzauberung fiel plötzlich von ihr ab und ein ungutes Gefühl machte sich wieder in ihr breit. Damaso setzte sie sanft auf das Bett und kniete sich vor ihr hin.

„Zauber“, sagte er nur mit einem Ausdruck auf dem Gesicht, den Freya kaum deuten konnte. Er merkte, dass sie nicht verstanden hatte und zog die Vorhänge zur Seite, um den Blick auf die Senke hinter dem Baum freizugeben. Freya sah aus der Ferne kleine Lichter tanzen und hörte den seichten Gesang der Elben. „Zauber“, wiederholte Damaso und sah ihr tief in die Augen. Langsam verstand sie. Hatte sie nicht in den Geschichten früher gehört, dass Elben Zauberkräfte hatten, und dass nie jemand aus einem Elfenwald wieder herausgekommen war? Vielleicht war ja etwas Wahres daran, aber auf eine andere Art und Weise wahr, als sie damals verstanden hatte. Vielleicht - nein, ganz bestimmt sogar, - verhielt es sich so, dass jemand, der sich zu tief in die Wälder wagte und auf Elben traf, des abends von ihrem Gesang verzaubert wurde, so dass er sich nicht mehr von ihnen lösen konnte und für immer unter den Elben leben wollte!

Mit einer sanften Berührung strich ihr Damaso lächelnd eine Strähne aus ihrem Gesicht und riss sie damit aus ihren Gedanken. Er wusste nur zu gut, was sie fühlte! Er blickte sie schon wieder ein wenig zu lange an und Freya spürte das.

„Schlafen.“ Damit ging er zu seinem Lager hinüber und legte sich hin.

Freya wartete bis er die Augen geschlossen hatte, bevor sie sich auszog und ins Bett legte.

Noch immer war sie wie verzaubert, fühlte sich aber nun, da das Fest für sie ein Ende genommen hatte, abgrundtief traurig. Als sie ihre Augen schloss, drohten ihre Augen vor Traurigkeit überzulaufen. Eine Träne stahl sich unter ihrem Lid hervor und hinterließ eine silbrige Spur auf ihrer Wange.

An den Feuern hatte der Tanz ebenfalls ein Ende genommen. Ein Späher berichtete von einem Reitertrupp unter Achaz Führung, der an der Furt lagerte. Aldoin runzelte leicht die Stirn.

„Anscheinend hat Kieran entweder sein Vorhaben geändert oder er hat seinen Vater unterschätzt. Er will doch nicht etwa tatsächlich mit seinem Trupp hier eindringen?“

Bastaho dachte nach.

„Wenn er tatsächlich das Mädchen holen kommt, könnte sie für ihn gefährlich werden. Achaz weiß das. Er ist klug genug, das nicht zu tun. Wahrscheinlicher ist, dass er einige Zeit dort lagert und mit uns in Verbindung tritt, um in Erfahrung zu bringen, wie weit das Mädchen ihre Fähigkeiten unter Kontrolle hat.“

„Aber Conall nimmt sich mittlerweile heraus, einige Männer unter seinem Kommando zu führen. Er ist nicht einmal annähernd so geduldig, wie Achaz.“, gab der Späher, Kenneth, zu bedenken.

„Conall ist gar nicht geduldig und auch keineswegs einsichtig! Er denkt nur an sich.“ Aldoin schüttelte den Kopf.

„Und er muss seinem Volk beweisen, dass er es mit einem Mädchen aufnehmen kann!“, grinste Kenneth. „Allein das dürfte seine Wut ins Unermessliche steigern. Er hat sich von einem Mädchen vor dem ganzen Volk bloßstellen lassen. Eine größere Schmach könnte es gar nicht geben.“ Aldoin wirkte besorgt.

„Kenneth, geh mit Elard und Hayen zurück und beobachtet die Geschehnisse an der Furt. Ich möchte keine unschöne Überraschung erleben, während die meisten von uns friedlich schlafen.“ Bastaho machte eine Bewegung in Richtung zweier Elben, die auf seinen Wink hin herankamen.

„Wir brauchen heute Nacht Späher!“, sagte er zu den beiden. „Und sagt Damaso Bescheid, dass er Pferde für den Notfall bereithalten soll!“

Freya hatte nicht einmal bemerkt, dass jemand in das Zimmer geschlichen war und Damaso mit diesem jemand leise davon ging. Ihre Träume drehten sie immer noch zu einer leisen Melodie sanft im Kreis herum.

Erst als ihr ein würziger Duft in die Nase stieg, wurde sie langsam wach. War es denn schon wieder morgen? War die Nacht denn wirklich so schnell vergangen?

Der Duft von Kräutern wurde immer stärker und schließlich begriff Freya, dass jemand direkt vor ihr saß und ihr etwas unter die Nase hielt. Müde öffnete sie die Augen und sah in Damasos Gesicht. Er hielt ihr einen reich verzierten Metallbecher vor die Augen, aus dem warmer Dampf empor stieg. Sie konnte ihn kaum erkennen. Es war draußen noch immer dunkel.

Sie setzte sich im Bett auf und griff nach dem Becher mit Tee.

Freya sah, dass Damaso bereits angezogen war und fragte sich, was er in aller Frühe, - oder war es noch mitten in der Nacht? - schon gemacht hatte. Damaso blieb aber still. Er versuchte erst gar nicht ihr mit unbeholfenen Worten zu erklären, was seine nächtliche Aktion zu bedeuten hatte. Nachdem Freya einige Schlucke Tee getrunken hatte überreichte ihr Damaso ihr Kleid. Damit stand fest, dass sie sich anziehen sollte. Damaso drehte sich aber diesmal nicht um, und so zögerte Freya sich anzukleiden, denn das hätte bedeutet, dass er sie nackt sehen würde und davor schämte sie sich.

Als Freya keine Anstalten machte sich ihr Kleid überzustreifen, zog Damaso ihr ihre Decke ein Stück zurück. Hastig bedeckte Freya ihre Brüste mit ihren Armen und hätte beinahe den heißen Tee verschüttet. Böse funkelte sie ihn an, was Damaso zum Anlass nahm ihr den Teebecher abzunehmen und zur Seite zu stellen. Dann grinste Damaso sie frech an, nahm ihre Hände bei den Handgelenken, drückte sie in die Kissen zurück und hielt ihr die Arme über ihrem Kopf fest. Er beugte sich über sie und sanft berührten seine Lippen ihr Kinn und wanderten langsam küssend hinab. Freya versteifte sich und war unfähig sich zu rühren. Erst als ein prickelndes Gefühl heiß und kalt durch ihren gesamten Körper lief, löste sich ihre Erstarrung und so schnell, wie sie ihr Knie hochzog, konnte sie ihren Tritt weder lenken noch abbremsen.

Ihr Knie traf Damaso mit voller Wucht in seine empfindlichsten Stellen!

Seine Augen weiteten sich, als sich der Schmerz in seinem Körper ausbreitete, und stöhnend und fluchend ließ er von ihr ab. Freya hingegen schlug vor Entsetzen vor ihrer eigenen Wucht die Hände auf den Mund.

„Tut mir leid!“, stammelte sie. Rasch setzte sie sich auf und wollte nach Damasos Hand greifen, aber der drehte sich nur mit in den Unterleib gepressten Händen weg und krümmte sich vor Schmerz. Freya fühlte sich schrecklich. Das hatte sie nicht gewollt! Es war … ein dämlicher Reflex gewesen.

Hastig zog sie sich nun doch ihr Kleid über und ging zu Damaso hinüber.

„Damaso, das wollte ich nicht. Es tut mir leid.“, flüsterte sie mit zittriger Stimme und legte eine Hand auf seine Schulter. Es dauerte eine Weile bis er antworten konnte.

„Alles gut.“ Ganz ehrlich klang das nicht. Aber er drehte sich bereits wieder zu ihr um und lächelte ein wenig gequält. „Kann Verteidigen … das gut.“, sagte er, schüttelte aber gleichzeitig den Kopf. Er hob seine Faust und streckte ihr mit einem gequälten Lächeln seinen Daumen entgegen. Und wünschte sich, er hätte sich mit ihr verständigen können! Stattdessen zog er sie an der Hand hinter sich her aus dem Zimmer heraus und trat in die frische Nachtluft.

Kleine Lichter blitzten hoch über ihnen in den Bäumen und sorgten dafür, dass sie beiden ihren Weg hinunter ins Tal gut finden konnten.

Damaso ging geradewegs auf eine kleine Gruppe Leuten zu, die inmitten des Tals standen und Pferde fertig gesattelt an den Zügeln festhielten. Er setzte sie auf eines der Tiere, stieg selber auf sein Pferd und ritt mit ihr in Richtung Furt durch den Wald.

Kurz vor dem Waldrand hielt er an und deutete in die Ferne, hinüber zum anderen Ufer der Furt. Freya brauchte ein klein wenig um zu erkennen, was er ihr zeigen wollte.

Dann aber sah sie im Dunklen Schatten, die sich am anderen Ufer hin und her bewegten.

„Wer ist das?“, flüsterte sie aufgeregt.

„Achaz Männer!“, kam die Antwort, aber nicht von Damaso, sondern von Markward, der leise zu ihnen herangekommen war. „Wir beobachten sie seit ein paar Stunden. Schließlich müssen wir vorbereitet sein, wenn sie hierher kommen!“ Freyas Augen weiteten sich vor Entsetzen.

„Hierher?“ Das bedeutete, dass sie hier nicht sicher war. Würden die Elben sie jetzt schon wegschicken? Sie hatten doch gesagt, dass sie sie erst einmal unterrichten wollten, sie sollte doch lernen, mit ihrer Gabe umzugehen. Oder hatte sie das falsch verstanden? Nein, sie hatte sich mit Silva und Kevina am Abend darüber unterhalten. Sie war sich sicher, dass sie alles richtig verstanden hatte. Also musste hier etwas anderes, vielleicht auch für die Elben Unerwartetes im Busch sein!

„Aber ihr solltet nicht hier sein! Auf der anderen Seite des Waldes wärt ihr besser aufgehoben.“, und zu Damaso gewandt sagte er in der Elfensprache, „Es wäre besser gewesen, du hättest sie erst gar nicht geweckt. Vielleicht passiert ja auch gar nichts, aber ich gehe fast davon aus, dass Conall uns angreifen will. Man kennt ihn ja: hitzköpfig, aufbrausend, dumm. In diesem Falle wird sie ihre ganze Kraft brauchen. Reite mit ihr zurück, zeige ihr einen Weg, wie sie notfalls auch alleine nach Meralda kommt, wenn dir etwas an ihr gelegen ist …. Wenn du mich fragst, ich finde ihr passt gut zusammen!“ Markward sah Damaso verstohlen von der Seite an. Damaso erwiderte seinen Blick mit einem Stirnrunzeln.

„Ist das offensichtlich?“, fragte er knapp. Markward nickte mit dem Kopf.

„Für mich: Ja!“

„Du wirst mir helfen müssen, mein Freund. Ich verstehe kaum ein Wort, das sie sagt und sie spricht unsere Sprache ebenfalls nicht!“

„Alles zu seiner Zeit. Reitet los und hofft, dass nichts passiert. Dann werden wir noch einige Tage oder Wochen Gelegenheit haben an euren Barrieren zu arbeiten!“

Damaso legte ihm zum Abschied die Hand auf die Schulter, wendete sein Pferd und bedeutete Freya ihm zu folgen.

Wenig später wurde es im Wald immer heller. Sie ritten ihre Pferde ohne Hast zwischen Bäumen hindurch, die so hoch waren, dass man das Gefühl hatte, sie würden den Himmel halten, damit er nicht auf die Erde fiel, und die so mächtig waren, dass Freya jedes Mal, wenn sie um einen anderen Baum herumritt als Damaso, Angst hatte, dass Damaso nicht mehr hinter dem Baum hervorkommen würde, und die so alt waren, dass sie wohl schon einige Generationen von Menschen und Elben und was vor ihnen hier gelebt haben mochte, hatten kommen und gehen sehen.

Alles in allem aber übte der Wald eine fast schon unheimliche Faszination auf Freya aus.

Als der Morgen die letzten Schatten der Nacht vertrieben hatte war das Lager an der Furt bereits wieder abgebaut und der Trupp von Achaz Männern bereitete sich darauf vor weiter zu ziehen. Ein Mann nur blieb allein zurück und der machte sich nun daran die Furt zu überqueren.

Der Späher erkannte Kieran als den Reiter, der mitten im Fluss mit der Strömung kämpfte. Ein wenig später hatte er aber den Kampf gewonnen und ließ sein Pferd die Uferböschung hinauf steigen. Elard löste sich aus seiner Deckung, um ihm entgegen zu reiten. Schon aus der Ferne hob er seine Hand zum Gruß.

„Sei mir gegrüßt, Kieran. Was führt dich bereits jetzt schon hierher? Wir hatten eure kleine Streitmacht erst in ein paar Tagen erwartet.“

„Nun, es ist nicht ganz nach Plan verlaufen, Elard. Sei auch du mir gegrüßt.“ Kieran sah ihn entschuldigend an. „Mein Vater lässt sich nicht auf falsche Spuren locken, auch nicht von seinem Sohn!“

„Dann komm mit und berichte den anderen! Dein Vater wird gewiss einen Plan haben, den zu übermitteln er dich geschickt hat. Habe ich recht?“

„Mehr oder weniger.“ Kieran trieb sein Pferd zur Eile an. Elard folgte ihm in den Wald.

Im Tal angekommen wurden sie bereits erwartet.

Hayen hatte seinen Posten an der Furt bereits verlassen, als er sah, dass das Nachtlager abgebaut worden war, und hatte Bastaho und Aldoin verständigt. Sie und einige andere Elben traten nun Kieran und Elard entgegen.

„Sei uns gegrüßt, Kieran.“ Aldoin erhob die Hand. Auch Bastaho fiel in die Geste ein, die Kieran erwiderte. Dann berichtete Kieran von der Unterredung mit seinem Vater, und dass dieser sich damit einverstanden erklärt hatte, noch einige Tage auf seine Genugtuung zu warten. Aldoin begrüßte diesen Entschluss, war es doch genau dass, zu dessen Ergebnis auch sie bei ihrer Besprechung gekommen waren.

„Dann wird es höchste Zeit mit ihrer Ausbildung anzufangen!“, entschied Bastaho. „Markward, ich werde deine Hilfe als Übersetzer benötigen. In der Zwischenzeit sollten unsere Grenzen aber nicht unbewacht bleiben.“ Und damit wandte er sich an alle anderen Umstehenden. Ein kurzes Raunen ging durch die Menge, dann aber verbeugten sich zwei Elben höflich zum Abschied und bezogen ihre neuen Posten, als neue Hüter der Grenzmarken.

Bastaho war gerade im Begriff einen der anderen Elben zu Freya zu schicken, aber Markward kam ihm zuvor.

„Ich reite los, um sie zu holen. Damaso war heute Nacht etwas übervorsichtig und hat sie derweil mit dem Wald vertraut gemacht. Ich werde sehen, wo sie sind!“

„Zwischen Aldomark und Meralda ist es nur ein kurzer Ritt, etwas weniger als ein halber Tagesritt im schnellen Tempo. Aber in Meralda leben einige Wesen, die dich wahrscheinlich in Schrecken versetzen werden.“, sagte Damaso gerade zu Freya, die seinen Blick fragend auffing.

Zu dumm!, schalt sich Damaso. Markward muss mir dringend ihre Sprache beibringen! Dann holte er mit seinem Arm weiträumig aus und erklärte nur knapp: „Meralda.“

„In Meralda findest du Wesen, die dir wahrscheinlich nur aus Märchen bekannt sind, aber es sind unsere Verbündeten, und auch sie können, genau wie wir, Magie erspüren. Deshalb werden sie dir helfen, solltest du in Not geraten und fliehen müssen.“

Freya sah sich überrascht um und war noch ein wenig überraschter wiederum Markward als den Sprecher vorzufinden.

„Wie kommt es, dass du immer da bist, wenn es etwas zu übersetzen gibt?“, fragte sie ihn. „Das scheint mir meine Berufung im Bezug auf euch beiden zu sein!“, meinte er mit einem schlecht verhohlenem Grinsen. Über diese Äußerung musste Freya erst einmal nachdenken.

Doch Markward hatte es eilig und wollte sich die Zeit nicht nehmen. „Wir müssen zurück, Bastaho erwartet dich dringend.“

Als die Drei ihre Pferde gewendet hatten und schon einige Zeit daher ritten, erhob Markward wieder das Wort.

„Irgendwie habe ich dich gestern Abend beim Tanz gar nicht richtig registriert. Ich wusste gar nicht, dass du so wunderschöne Haare hast. Du siehst aus, wie eine von uns.“ Freya wurde ein wenig verlegen. Sie warf Markward nur einen schnellen Blick zu und ritt ein wenig schneller. „Diese kindliche Schüchternheit steht ihr! Ich weiß nur nicht, wie du damit zurecht kommen wirst. Sie scheint mir sehr jung und unerfahren zu sein!“, sagte er zu Damaso in der Sprache der Elben.

„Markward, … lass uns von etwas anderem reden!“ Damaso sah nicht gerade erfreut aus. „Ich kann mich ja noch nicht einmal mit ihr verständigen und andauernd kommt es zu Missverständnissen zwischen uns!“ Markward nickte wissend.

„Ein durchaus unbefriedigendes Gefühl. Dann solltest du darum bitten, bei ihrer Ausbildung dabei sein zu dürfen. Ich werde es jedenfalls – als Übersetzer. Vielleicht kannst du ja was lernen!“

Die beiden Männer sahen sich an. Markward zog leicht eine Augenbraue in die Höhe und lächelte verschmitzt.

Wie sich doch alles fügt …!, dachte Damaso.

Bastaho ging ein wenig unruhig auf dem kleinen Platz unter der mächtigen Eiche auf und ab. Wo blieb sie denn nur? Hatte Markward sie nicht finden können? War sie geflohen? Oder waren sie auf der anderen Seite des Waldes vielleicht angegriffen worden? Vielleicht war die ganze Sache mit dem Nachtlager an der Furt ja nur ein Ablenkungsmanöver gewesen!

Bastaho machte sich ernsthaft Sorgen.

Aber er musste sich auch immer wieder ermahnen, nicht so ungeduldig zu sein. Er wusste, dass er nicht mit allzu viel Geduld gesegnet war, auch wenn sein ruhiges Äußeres jedem etwas ganz anderes vermittelte.

Schließlich hörte er einen kleinen Trupp Reiter näher kommen. Als er mit langem Hals durch die Bäume lugte sah er Freya, die gerade von ihrem Pferd absaß und von Markward begleitet wurde, während Damaso sich um die Pferde kümmerte.

„Bastaho …“, begrüßte Markward den alten Mann. „Hier ist eure Schülerin!“

„Wie schön! Dann lass uns keine Zeit mehr verlieren und sofort anfangen!“

Damaso kam erst zu ihnen hinzu, als Freya mitten in einer Konzentrationsübung vertieft war. Sie hatte sich ganz tief auf ein ganz starkes Gefühl in ihr konzentrieren und sich gleichzeitig die Energie in ihrem Inneren als eine Art weißes Licht vorstellen sollen. Jetzt, da sie Damasos Nähe spürte, schlug das Gefühl in ihr um und sie konnte es nicht mehr mit ihrer Konzentration fassen. Irgendwo in der Nähe erklang plötzlich ein Knistern und Knacken, wie von einem Feuer und sie schlug die Augen auf. Ein kleiner Busch neben Damaso war so plötzlich in Brand geraten, dass alle kurz erschrocken zusammenzuckten.

„Muss ich mir jetzt ernsthaft Sorgen um mich machen oder war das nur ein Versehen?“, zischte er leise zu Markward hinüber. Bastaho bedachte Damaso mit einem strengen Blick und wies ihn an den Schaden zu beheben. Freya schämte sich ein wenig über ihre Unachtsamkeit, aber Bastaho ließ ihr versichern, dass das allen Schülern am Anfang so erging.

Gleichzeitig wurde Freya aber auch bewusst, dass sie Damasos Nähe gespürt hatte. War er ihr schon so vertraut geworden, dass sie ihn wirklich spüren konnte, auch wenn sie die Augen geschlossen hatte, wie gerade? Diese Frage und das Gefühl, was sie damit verband machte sie verlegen.

Bastaho sagte etwas im schroffen Tonfall zu Damaso, offenbar war er weder zimperlich im Bezug auf weitere Gäste, noch glücklich darüber ausgerechnet ihn hier zu haben. Damaso entschuldigte sich bei Bastaho, so viel konnte Freya verstehen, und zog sich einige Schritte zurück, um sie nicht weiter in ihrer Konzentration zu stören. Nur leider brauchte Freya recht lange, um sich wieder sammeln zu können. Diese ganzen Umstände gingen ihr nicht aus dem Kopf. Sie konnte Damaso spüren. Nicht nur seine Berührungen, seine Küsse, sondern einfach ihn - seine bloße Anwesenheit. Nur, war das etwas Gutes? Oder musste sie sich darum Gedanken machen?

Insgesamt schien Bastaho nach einer ganzen Weile sehr mit ihren Fortschritten zufrieden zu sein.

„Kompliment.“ Markward nickte ihr anerkennend zu. „Ich habe unseren ehrwürdigen Bastaho schon sehr lange nicht mehr so angetan erlebt. Er sieht eine sehr kraftvolle Energie in dir, mit der Fähigkeit, richtiges von zu vorschnellem Handeln zu unterscheiden, und eine sehr starke Gefühlswelt, die du noch richtig lenken und zu beherrschen lernen musst. Aber gerade dadurch, dass du so starke Emotionen hast, kannst du eine sehr machtvolle Magierin werden!“

Freya wusste kaum, was diese Worte für sie zu bedeuten hatten. Vor allem die letzten Worte klangen irgendwie unwirklich und hohl in ihrem Schädel wider. Eine machtvolle Magierin …!

Aber an ihre angeblich starke Gefühlswelt wollte sie schon glauben! Immerhin ging ihr Damaso nicht aus dem Kopf ….

Tochter der Sonne

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