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Kapitel 4 4.

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Der Tag neigte sich langsam dem Ende zu.

Nachdem sie in Damasos Zimmer zurückgekehrt war um sich ein wenig auszuruhen, waren ihre Gedanken nicht mehr zum Stillstand gekommen. Alles Mögliche schwirrte ihr durch den Kopf. Die Wendung, die ihr Schicksal zu nehmen schien, Damaso und seine Annäherungsversuche, und auch dass sie ihn so heftig abgewehrt hatte. Sie konnte nicht einmal sagen, ob er ihr das wohl schon verziehen hatte, denn es tat ihr ehrlich leid. Damaso war … einfach immer nur nett! Er wollte ihr bestimmt nichts Böses. Aber andere wollten es wohl. Und deswegen war es dem alten Bastaho so sehr daran gelegen, dass sie sehr schnell alles lernte, was für sie vonnöten war. Etwas, dass sie immer noch ganz kribbelig machte, wenn sie nur daran dachte, dass sie sich diesen Südländern noch einmal stellen sollte. Sie konnte der ganzen Sache nicht mal annähernd so viel Vertrauen abringen, wie es andere hier taten.

Erst als Silva sie zum Abendessen abholte, konnte sie wieder an etwas anderes denken.

Sie hoffte darauf, wieder einen so unvergleichlichen Abend erleben zu dürfen, wie der vorangegangene, diesmal vielleicht nicht unbedingt mit einer nächtlichen Unterbrechung! Allmählich merkte sie, dass ihr einige Stunden Schlaf fehlten. Trotzdem freute sie sich auf den Abend!

Nachdem sie gegessen hatten, kamen Damaso und Markward mit einem anderen Mann zu der Gruppe Frauen hinüber, mit denen Freya auch gestern schon zusammen gesessen hatte.

„Ich fürchte wir müssen euch nun der Anwesenheit unserer neuen Magierin berauben!“, erklärte Damaso den Frauen. Da aber um sie herum ohnehin schon das gemeinsame Tanzen und Singen angefangen hatte, setzten sich die drei Männer an das kleine Feuer, an dem Freya saß, während Silva, Kevina und die anderen tanzen gingen.

Freya sah die drei Männer einen nach dem anderen an. Keiner sagte auch nur ein Wort. Warteten sie etwa darauf, dass Freya zuerst etwas sagte? Und wenn ja, was sollte sie erzählen? Damaso und Markward waren fast den ganzen Tag bei ihr gewesen und hatten erlebt, was sie auch erlebt hatte. Markward erkannte ihre Verlegenheit und löste die Spannung auf.

„Ich nehme an, dass du Kieran nicht wieder erkannt hast?“ Eigentlich war das keine Frage. Sie kannte den Mann nicht, nur der Name kam ihr bekannt vor. Aber sie hatte sich in den letzten zwei Tagen so viele neue Namen merken müssen! Kieran …! Wo sollte sie diesen Namen einordnen? Sie schüttelte den Kopf.

„Er hat Damaso und Kosmo vorletzte Nacht abgefangen, um euch zu warnen. Es war dunkel, wahrscheinlich hast du sein Gesicht nicht gesehen.“, erklärte Markward. Freya sah kurz zu Kieran hinüber, erschrak aber darüber, dass er sie so offen musterte, und wandte schnell den Blick ab.

„Nordländerin?“, fragte Kieran vorsichtig.

Freya sah prompt wieder zu ihm auf. „Ja.“

„Gut! Dann habe ich ja einen Gesprächspartner, der mich versteht!“, sagte Kieran lächelnd und betrachtete sie recht genau. Etwas stimmte aber in seinem Blick nicht, und das machte Freya schon wieder ein wenig unbehaglich zumute. Kieran schien das zu spüren.

„Du bist wunderschön, aber ich fürchte, wir müssen dir deine Haare färben, wenn wir uns auf die Reise machen.“ Er ließ sie mit seinem Blick immer noch nicht los. Im Gegenteil langte er sogar nach einer ihrer Haarsträhnen und ließ sie sich langsam durch die Finger gleiten.

„Wie bitte?“ Freya verstand nicht, wohl aber, dass ihr dieser Kerl unangenehm war. Mit deutlicher Missbilligung schlug sie ihm klatschend auf seine Finger, die mit ihren Haaren spielten und er zog hastig seine Hand weg.

„Ich kenne deine Geschichte mittlerweile!“, antwortete er ungerührt. „Mit deinen hellen Haaren bist du ziemlich aufgefallen. So golden glänzend, wie sie jetzt leuchten … würde mein Vater jetzt einen sehr viel höheren Preis für dich auf dem Sklavenmarkt erzielen.“ Die letzten Worte ließen Freya mit offenem Mund und großen Augen zusammenzucken und Kierans verschmitztes Grinsen übersehen. Markward beruhigte sie.

„Keine Sorge. Kieran übertreibt gerne. Niemand wird dich auf einem Sklavenmarkt verschachern! Allerdings werden wir dich nach deiner Einweisung zu seinem Vater bringen, um mit ihm zusammen zu einer Einigung zu kommen. Immerhin hast du seinen wertvollsten Zuchthengst gestohlen! Hat Achaz dir gegenüber erwähnt, was er mit ihr vorhat?“

„Nein“, gestand Kieran, „ich glaube, das weiß er selber noch nicht genau. Deswegen werde ich nach einer Abmachung suchen müssen, auf die er sich einlassen kann. Ich frage mich aber … wie ist es dir gelungen El Eligo zu reiten? Er hat sich sonst noch nie von einem Fremden reiten lassen. Sogar mein Bruder musste schon mehr als einmal dran glauben! El Eligo hat ihn immer einfach abgeworfen!“ Es war fast, als lag eine Genugtuung in seinen Worten.

„Er stand einfach da und ich brauchte seine Hilfe!“ Freya hob unschuldig die Achseln. Ihr war plötzlich kalt. Irgendetwas machte sie an seinem Blick nervös. Er sah mit seinen schwarzen, halblangen Haaren, mit seinen mindestens genau so schwarzen Augen und seiner braungebrannten Haut verwegen aus, aber das war es nicht, was Freya ängstigte.

Als Damaso ihr Frösteln bemerkte strich er mit seiner Hand über ihre Schultern und ihren Rücken hinab und ließ seine Hand in einer lockeren Umarmung dort liegen. Aber weder die Kälte noch ihr Unbehagen wollten weichen.

Kieran war es, der sie sehr durchdringend ansah und sie ein wenig beruhigen konnte.

„Vertrau mir. Ich kenne meinen Vater und weiß, wie wir ihn zu nehmen haben, damit du ohne Schaden aus der Sache heraus kommst. In der Öffentlichkeit muss er sein Gesicht wahren, aber hinter den Vorhängen seines Gemaches weht er Wind ganz anders, glaub mir. Dort hat er schon mit alten Traditionen gebrochen. Er ist ein sehr sanftmütiger Mensch, mit dem man bei einem guten Abendessen über alles reden kann. Dort ist er nicht der strenge Herrscher über die südlichen Länder!“

„Wollen wir es hoffen!“, knirschte Markward leise, aber gerade noch laut genug, dass Freya ihn hörte. Wirklich beruhigt wirkte sie nun doch nicht mehr!

Freya hatte aber schon in den nächsten Tagen keine Zeit mehr sich über ihre Zukunft Gedanken zu machen: Bastaho war immer schon sehr früh auf den Beinen und ließ sie zu sich kommen. Nach dem knappen gemeinsamen Frühstück, wartete Bastaho mit einigen Aufgaben auf, von denen er sich erhoffte sie würden Freya bei ihrer magischen Entwicklung weiterhelfen. Und Freya enttäuscht ihn nicht. Wenn sie nicht von Damaso oder Markward abgelenkt wurde, klappten die Übungen, die Bastaho von ihr sehen wollte, erstaunlich gut. Allerdings ließ ihre Konzentration manchmal nach, wenn Markward Damaso etwas übersetzte und dann gingen schon mal einige kleinere Sachen in Flammen auf. Diese Vorfälle waren aber nie so dramatisch, dass eine ernsthafte Gefahr davon ausging. Das Training mit Bastaho zeigte bereits seine Wirkung. Nur Damaso und Markward wurden dann mit strengen, strafenden Blicken bedacht.

Etwas weiter abseits, und unbemerkt von den anderen, beobachtete Kieran die kleine Gruppe. Ab und an nickte er zufrieden und besah sich das Mädchen, das er sehr bald schon zu seinem Vater bringen musste. Sie hatte wirklich Talent, musste er sich eingestehen. Sie war kämpferisch veranlagt, was ihm ein bekräftigendes Nicken abrang. In ihrer Art war sie manchmal ein wenig vorwitzig und frech. Was ihm persönlich aber durchaus gefiel. Und sie war wunderschön. Was auch den einen oder anderen hier im Wald bereits aufgefallen sein dürfte. Vor allem aber wohl Damaso, der ständig unbeholfen um sie herumscharwenzelte, obgleich sie nichts mit seinen Annäherungsversuchen anfangen konnte. Sie war jung. Sie hatte keinerlei Erfahrungen. Und wenn, dann waren es nur welche gewesen, die sie dazu gebracht hatten, alle Bemühungen seitens eines Mannes zu ignorieren oder auszublenden.

Nur beim Reiten machte sie noch keine gute Figur! Das hatte er bereits schon erlebt. Aber darum würde er sich kümmern. Er würde mit Bastaho sprechen, sobald er eine Pause einlegte.

Die ersten drei Tage waren hart gewesen für Freya. Bastaho hatte sie kaum mit seinen Übungen in Ruhe gelassen, zwischendurch bekam sie noch ganz beiläufig Sprachunterricht von Markward, nämlich immer dann, wenn die beiden Männer sich unterhielten und damit Freyas Konzentration auf sich zogen, und dann klappte die eine oder andere Übung wieder nicht und Bastaho ließ sie sie noch einmal machen. So wurde es immer bereits abends, bevor Freya etwas anderes machen konnte.

Am vierten Abend kam dann Kieran mit seinem Pferd am Zügel auf sie zu, als sie sich gerade in Damasos Zimmer zurückziehen wollte.

„Wie ich höre machst du erstaunliche Fortschritte. Du bist wirklich sehr geschickt im Erlernen von Magie. Das wollen wir jetzt auch auf das Reiten ausweiten. Denn bis zum Hof meines Vaters ist es ein sehr langer Weg.“

„Ich kann doch aber schon reiten!“, protestierte Freya mittlerweile müde vom langen Trainingstag. War es nicht er gewesen, der erstaunt darüber gewesen war, dass sie diesen tollen Hengst hatte reiten können? Wozu sollte sie denn jetzt noch mehr lernen? Machten die anderen hier vielleicht nie eine Pause? Freya ärgerte sich. Sie wäre gerne mit den anderen Frauen zusammen gewesen, um … na, um einfach irgendwas zu tun, was die anderen halt auch den ganzen Tag machten. Mit Silva und Kevina konnte man sich toll unterhalten und es machte einfach Spaß, ihnen bei ihren Tätigkeiten zuzusehen. Sie bewegten sich so anmutig! Sie schienen so verständnisvoll! Und sie waren schon so was wie Freundinnen geworden! Jedenfalls wollte Freya das glauben. Es tat gut, jemanden zu haben, mit dem man ganz ungezwungen reden und umgehen konnte.

Kieran hörte ihre Worte gar nicht. Er nahm Freya bei den Hüften und setzte sie auf sein Pferd, noch bevor sie weiteren Protest einlegen konnte.

„Es ist wirklich nicht schwer, aber man muss trotzdem einige Dinge beachten beim Reiten. Und die würde ich dir gerne beibringen und mit dir üben. Zügel, zum Beispiel, sind nicht dazu da, um sich daran festzuhalten oder das Pferd daran grob in die richtige Richtung zu lenken. Das machst du beides mit deinen Beinen! Grundsätzlich hältst du dich mit den Beinen auf deinem Pferd fest, aber du darfst dich dabei auch nicht verkrampfen. Versuche niemals dich mit den Beinen krampfhaft an dein Pferd zu klammern, es würde nur umso schneller laufen! Willst du die Richtung wechseln, dann drücke mit dem entsprechenden Bein ein wenig fester, in dessen Richtung du dein Pferd wenden möchtest. Hast du das soweit verstanden?“ Freya sah nicht besonders glücklich drein. Hatte sie das wirklich alles richtig verstanden? Sie war sich nicht sicher. Sie hatte immer gedacht man sitzt bloß auf dem Pferd und das Pferd weiß irgendwie von alleine, wohin es laufen sollte.

„Ja.“, log sie. Und nein, sie hatte gar nichts verstanden. Weil sie nämlich viel zu müde war. Und irgendwie … genervt. Von diesem Kieran.

„Gut! Dann reite einfach los und komme, wenn du dort hinten an dem Felsen angekommen bist, wieder zurück.“ Gut, das klang einfach! Sie ritt im zügigen Tempo los. Das es nicht ganz so einfach war merkte Freya aber erst, als sie am Felsen war und Kierans Worte ihr wieder einfielen, das Pferd nicht am Zügel herumzuziehen, sondern mit den Beinen die Richtung anzugeben. Als das Pferd sich endlich drehte, rutschte Freya auf dem blanken Pferderücken seitlich ab und stieß unsanft gegen den Felsen. Noch bevor sie sich aufrappeln konnte war Kieran bei ihr.

„Alles klar?“, horchte er besorgt nach. Aber Freya schüttelte nur den Kopf.

„Mir ist nichts passiert.“, gab sie ärgerlich zurück.

„Also gut, dann noch einmal. Und denke daran, was ich dir erklärt habe. Vielleicht reitest du diesmal lieber etwas langsamer!“ Freya ärgerte sich maßlos. Nicht nur darüber, dass sie von Pferd gefallen war. Sie war kein kleines Kind mehr! Und außerdem hatte sie einfach keine Lust, ausgerechnet von diesem Kieran, dem Sohn eines Sklaventreibers, Reitunterricht zu bekommen.

Der nächste Versuch klappte besser und auch der Versuch danach. Kieran ließ sie immer wieder in den verschiedensten Richtungen um den Felsen herum reiten. So langsam bekam Freya ein Gefühl dafür, wie sich das Pferd unter ihr bewegte und konnte sich den Bewegungen anpassen. Als es auch im Trab gut klappte, überkam sie ein stolzes Gefühl. Sie konnte ein Pferd reiten. Es willentlich lenken! Übermut überkam sie. Sie wollte es im Galopp ausprobieren …

Aber Kieran hielt sie zurück, als hätte er erahnt, was Freya da gerade vorhatte.

„Schluss für heute!“, sagte er gut gelaunt. „Wir machen morgen weiter. Das Abendessen fängt an.“

Sie gingen gemeinsam zurück ins Tal, wobei Freya es vermied Kieran anzusehen. Er war ihr immer noch nicht geheuer! Kieran dagegen drehte sich immer wieder zu Freya um, die ein paar Schritte hinter ihm ging, was Freya langsam, aber sicher noch mehr ärgerte.

Schließlich platzte es aus ihr heraus.

„Überlegst du, wie viel ich wohl einbringen werde?“, fragte sie scharf. Kieran blieb abrupt stehen. Mit plötzlicher Eiseskälte in den Augen sah er sie an.

„Wer sagt denn, dass wir dich verkaufen wollen. Vielleicht behalten wir dich ja auch einfach!“

„In diesem Fall wirst du wohl kein Gefallen an mir finden! Ich gehöre nämlich niemandem, dir oder deinem Vater am allerwenigsten!“, entgegnete sie schnippisch und wollte an ihm vorbeieilen. Kieran stellte sich ihr in den Weg, so dass sie ihn fast anrempelte.

„Jahrhunderte alte Gesetze werden nicht plötzlich abgesetzt, nur weil ein kleines, aufmüpfiges Mädchen daran rütteln will. Ich würde behaupten, du fügst dich besser, bevor mein Vater meinen Bruder, der wohl sehr bald die Macht übernehmen wird, nicht mehr aufhalten kann. Glaub mir, mit dem willst du dich bestimmt nicht messen!“ Na, ja, eigentlich hatte sie ja schon genau das getan. Aber es schien ihr nicht bewusst zu sein. Kieran schüttelte nur offen den Kopf. Hatte er irgendetwas getan, dass sie so zornig auf ihn war? Es hatte hier im Wald doch alles so gut angefangen! Und schließlich war er es, der ihr helfen wollte! Warum griff sie ihn jetzt an?

„Vertrauen, ist des Problems Lösung!“, sagte Aldoin in einem ruhigen Ton, als er später mit Aldoin und Bastaho am Feuer saß und mit ihnen über sein Problem mit Freya redete. „Sie vertraut dir nicht. Und wie könnte sie denn auch, nach allem, was sie vor allem im Reich deines Vaters miterleben musste, ohne es zu verstehen.“

Kieran nickte dazu nur betroffen verstehend. Er hatte sich von ihr mehr erhofft, seit dem er sie vor ein paar Tagen hier im Wald wieder gesehen hatte. Damasos Worte in der Nacht, als sie durch die Furt geritten waren fielen ihm wieder ein. Und es tat weh. Die Erkenntnis, dass Damaso vollkommen recht hatte, tat weh! Er hatte sie durch die Hand seiner eigenen Familie leiden sehen und nichts dagegen unternommen. Und wahrscheinlich hätte er damals schon die ganze Angelegenheit in andere Bahnen lenken können, wenn er reagiert hätte!

Verstohlen sah er zu dem Feuer herüber, an das Freya sich zusammen mit Silva und Kevina niedergelassen hatte. Vielleicht würde er nachher noch Gelegenheit haben mit ihr zu sprechen.

Aber die Gelegenheit ergab sich nicht. Damaso hatte sich aus der Gruppe um Kosmo gelöst und Freya zum Tanzen aufgefordert. Nachdem sie nun schon einige Abende Zeit gehabt hatte sich ihre Tänze anzusehen, war es jetzt an der Zeit sie selber auszuprobieren. Damaso zog sie mit sich in den fröhlichen Reigen der tanzenden Elben hinein. Kieran konnte die beiden nur dabei beobachten, wie sie miteinander lachten und sich an den Händen hielten. Etwas … das ein ziemliches gefühlsmäßiges Chaos in ihm anrichtete. Sie so offen und herzlich lachen zu sehen … Und die Gewissheit, dass sie ihn auf ihren langen anstehenden Weg niemals auch nur ein Lächeln schenken würde …. Kieran seufzte.

Nach einer Weile wurde er es überdrüssig zuzuschauen. Seine Laune verschlechterte sich zusehends. Da er aber niemandem den Abend verderben wollte, ging er kurzerhand in das Zimmer, das immer für ihn hier bereitstand, und legte sich schlafen.

Bastaho war am nächsten Morgen unbarmherzig, wie Freya fand. Viel zu früh wurde sie aus ihren Träumen geschreckt und zu ihm zum Frühstück gerufen.

Freya und Damaso hatten am Abend vorher sehr lange noch getanzt. Wie sie festgestellt hatte machte sich sein Nachhilfeunterricht in ihrer Sprache bereits bemerkbar. Es war angenehm sich ein wenig mehr mit ihm verständigen zu können. Das Meiste war zwischen ihnen aus Ungeschick und Missverständnissen heraus entstanden, und es hatte Freya noch lange selber wehgetan, dass sie ihn mit einem tüchtigen Tritt aus einem Reflex heraus verletzt hatte. Aber Damaso war nicht nachtragend. Er kannte jetzt ein wenig mehr von ihrem brodelnden Inneren, um zu verstehen, dass sie noch nicht bereit war sich einem Mann anzuvertrauen.

Er hatte sie nicht im Unklaren darüber gelassen, dass er mehr als nur Freundschaft von ihr wollte, hatte ihr aber auch gleichzeitig versichert, dass er ihr nie mehr zu nahe treten und sie vor allem nicht verletzen wollte. Nicht bevor sie bereit war ihm vollkommen zu vertrauen.

Damit war eine schwere Last von ihrem Herzen abgefallen und sie konnte sich ihm gegenüber jetzt ganz anders öffnen. Es standen keine bangen Fragen mehr zwischen ihnen, was ihre beginnende Freundschaft nur vertiefte.

Aber jetzt war sie hier bei Bastaho und der schaute heute Morgen gar nicht glücklich drein. Nachdem sie einige Konzentrationsübungen zu seiner vollsten Zufriedenheit gemeistert hatte, und sich ihrer eigenen Energie und damit ihrer Magie, bewusst geworden war, und damit ein wenig gespielt hatte, wie Bastaho es von ihr verlangte, beendete er den Unterricht für heute.

Fragend sah sie ihn an. Bastaho hatte aber nur ein leichtes Kopfschütteln parat.

Markward, der beim Unterricht immer zugegen und heute etwas später nachgekommen war, hatte offenbar auch keine bessere Laune, als der alte Magier.

Dabei fühlte sie sich heute so leicht! Sie war nach der gestrigen Nacht so erleichtert, dass sie das Gefühl hatte schweben zu können.

Als dann aber noch Aldoin und Kieran hinzukamen, und auch sie keine besonders gute Laune an den Tag legten, ahnte sie schlimmes!

War es etwa so weit? Würde man sie heute wegschicken, um sich diesem Mann zu stellen, der glaubte ein Anrecht auf sie zu haben?

Aldoins Nicken verriet ihr, dass ihre Vermutungen richtig waren. Sie schloss resigniert die Augen. Nein, bitte nicht! Nicht jetzt! Das durfte noch nicht sein! Jetzt doch noch nicht! Nicht jetzt, wo sie gerade anfing Vertrauen zu den Leuten hier zu fassen, sich anfing wohl zu fühlen und anfing an einen Ort zu glauben, an dem sie einfach sein durfte, so wie sie war.

Die vier Elben berieten sich, ohne dass Freya verstehen konnte, was sie sagten.

Nein! Drei Elben,! verbesserte sich Freya im Geiste. Drei Elben und ein …! Ihr fiel kein passendes Wort für den Sohn des Sklaventreibers ein, der sie von hier verschleppen würde, außer einigen wüsten Schimpfwörtern.

Silva näherte sich ihrer Gruppe, in den Händen eine Satteltasche, die voll bepackt zu sein schien, und eine dicke Decke. Mit einem fröhlichen Lächeln, das nicht so recht zu der Situation passen wollte, kam sie geradewegs auf Freya zu, um ihr die Sachen zu überreichen.

„Kevina, Emerena, Anah und ich haben für dich das hier zusammengepackt. Ich denke, du wirst es brauchen können auf deiner Reise.“ Silva machte die Satteltasche auf und ließ Freya einen Blick hineinwerfen. Sie hatten ihr einen wunderschönen Umhang eingepackt, einen von diesen kunstvoll verzierten Bechern, die sie bei fast jedem hier gesehen hatte, eine flache Essschale, und ein kleines und sehr filigran verziertes Messer. Alles Dinge, die sie brauchen würde auf ihrer Reise. … Die sie gar nicht antreten wollte.

Tränen schossen Freya in die Augen und sie bedankte sich recht bedrückt.

„Wir sagen hier nicht ‚Leb wohl’, sondern hoffen, dass wir uns sehr bald wieder sehen! Du wirst immer ein sehr willkommener Gast bei uns sein, und ich hoffe doch sehr, dass du deine Ausbildung bei uns fortsetzen und eine von uns werden wirst.“ Silva lächelte ihr immer noch zu. Aber Silva hatte immer gute Laune und immer ein Lächeln auf den Lippen. Freya würde sie vermissen!

Doch wie sie feststellte sollte die Reise aber erst am nächsten Morgen losgehen, was ihr Gelegenheit gab, sich bei allen anderen persönlich zu bedanken und noch ein wenig Zeit mit ihren neu gewonnenen Freundinnen zu verbringen.

Die Männer hatten sich noch ein wenig beraten, bald darauf aber waren auch sie losgegangen, um ihre Vorbereitungen zu treffen.

Kieran fing sie kurz nach dem Mittag ab.

„Wir sind heute noch verabredet. Schon vergessen?“ Wie es schien, hatte er bessere Laune als alle anderen.

„Verabredet?“, fragte Freya lauernd. Was wollte er denn jetzt noch von ihr?

„Verabredet, um reiten zu lernen, wie du dich bestimmt erinnern wirst! Oder glaubst du, nur weil wir gestern Abend nicht im Reinen auseinander gegangen sind, gilt unsere Verabredung nicht mehr?“

„Glaubst du, nur weil wir gestern nicht im Reinen auseinander gegangen sind, könnte ich dich heute besser leiden?“ Ein böser Sarkasmus klang in ihrer Stimme mit. Kierans Augen wurden noch schmaler, als sie ohnehin schon immer waren. Sein Blick war für Freya nicht mehr zu deuten. Irgendetwas funkelte da in seinen Augen gefährlich auf. War sie nun etwa zu weit gegangen? Oh, sie hatte sich vorgenommen noch viel weiter zu gehen. Er würde keinen Gefallen an ihr finden! Hatte sie das schon erwähnt?

Statt einer Antwort stieß Kieran einen schrillen Pfiff aus. Kurz darauf trabte sein Pferd zu ihnen hinüber. Er hatte es bereits fertig gezäumt und gesattelt.

Grob fasste er sie am Arm und zog sie mit einer entsetzlichen Kraft mit sich. Aber erst als er sie auf sein Pferd gesetzt und sich selber hinter Freya in den Sattel geschwungen hatte, wurde sich Freya seiner Stärke bewusst. Sollte er handgreiflich werden, würde sie wohl keine Chance gegen ihn haben.

Kieran ritt ein Stück in Richtung des nördlichen Waldrandes, bevor er anhielt. Dann saß er vom Pferd ab und maß sie noch lange mit einem Blick, der Freya erschaudern ließ, bevor er sie wieder ansprach.

„Denke daran, was ich dir gestern versucht habe beizubringen. Aber werde nicht übermütig. Der Galopp ist eine Gangart, die ich dir vorerst nur empfehlen würde, wenn du entweder schon sehr gut reiten kannst oder du dich auf der Flucht befindest. Also, reite los und mach jetzt keinen Fehler!“

Freya schluckte bitter, fasste sich aber schnell wieder und kam seinen Anweisungen nach. Sie ritt los und versuchte das Pferd mit ihren Beinen zu lenken und anzutreiben. Sie ritt in großen Kreisen um eine Baumgruppe herum, um ihr Gleichgewicht auf dem schwankenden Pferderücken zu finden, kehrte immer wieder zu ihm zurück, um dann in einem schnelleren Tempo wieder Kreise zu reiten. Kieran schien zufrieden zu sein. Jedenfalls entspannte sich sein Gesichtsausdruck immer mehr. Bis ein kleiner Vogel erschrocken von einem der unteren Äste aufflog, an denen Freya ihr Pferd gerade ein wenig zu dicht vorbei ritt. Das Pferd machte plötzlich einen Satz und rannte los.

Panisch riss sie an den Zügeln, um sich irgendwo festzuhalten, tat dem Pferd damit aber offensichtlich im Maul weh und es bäumte sich kurz unter dem Schmerz auf. Freya fiel so plötzlich, dass sie überhaupt nicht mehr reagieren konnte, rücklings vom Pferd und krachte mit ihrem Rücken gegen einen Stein.

Hilflos, wie ein Käfer auf dem Rücken, lag sie da und konnte sich im ersten Moment nicht bewegen. Kieran fluchte laut und kam so schnell er konnte zu ihr hinüber gerannt. Als er bei ihr war, sah er in ihren Augen einen Schmerz, der nicht dulden würde, dass er ihr jetzt aufhalf.

„Bleib liegen.“, sagte er außer Atem und beugte sich über sie. „Beweg dich nicht. Das sieht nicht gut aus!“

Nicht gut? Freya konnte kaum klar denken, aber das Einzige, was sie nicht gut fand, war, dass er ihr für ihren Geschmack viel zu nahe gekommen war.

Kieran hockte geradewegs dicht über ihr und war gerade dabei vorsichtig die Beweglichkeit ihrer Arme und Schultern zu testen, als sie ihn grob mit einem Fußtritt in seinen Bauch von sich stieß.

Oh, das tat weh! Der Schmerz, der diese Bewegung ausgelöst hatte, ließ ihr die Tränen in die Augen schießen. Kieran war zwei Schritte zurückgetaumelt und hielt sich den Bauch. Auch er hatte Schmerzen.

„Kleines Miststück!“, fluchte er und sah sie mit böse funkelnden Augen an. Er holte ein, zwei Mal tief Luft bevor er sich wieder gerade hinstellen konnte, und wandte sich dann wieder Freya zu, die dabei war, sich mühsam und unter Schmerzen aufzusetzen. „Wenigstens weiß ich jetzt, dass du in der Lage bist dich zu verteidigen!“

Kieran reichte ihr seine Hand, um ihr aufzuhelfen. Freya aber wollte sie ignorieren. Sie wollte sich von ihm bestimmt nicht helfen lassen. Kieran ergriff sie einfach beim Handgelenk und zog sie vorsichtig auf die Füße.

„Hast du dir was getan?“

Machte er sich allen ernstes Sorgen um sie? Er drehte sie um, dass sie mit dem Rücken zu ihm stand. „Lass mich mal sehen!“, sagte er und weitete mit einer Hand den hinteren Ausschnitt ihres Kleides.

Entsetzt machte Freya eine Drehung aus der Hüfte heraus, griff gleichzeitig mit beiden Händen sein Handgelenk und hebelte ihn mit einer weiteren geschickten Drehung von den Füßen, indem sie sich gleichzeitig vorbeugte. Unsanft kam er mit einem Überschlag vor ihr auf dem Rücken auf dem Boden zu liegen. Er keuchte vor Überraschung auf.

Freya ließ ihn los und fast gleichzeitig sprang er schon wieder auf die Füße.

„Nicht schlecht!“, nickte er anerkennend. „Gar nicht schlecht!“

Dann pfiff er wieder nach seinem Pferd, das treu angetrabt kam, fasste nach den Zügeln und sagte: „Wir machen für heute Schluss, bevor du morgen nicht reiten kannst, weil du verletzt bist. Jemand soll sich deinen Rücken ansehen. Ich nehme nicht an, dass ich mich darum kümmern darf.“

„Nein.“, antwortete Freya nur knapp und ging leicht humpelnd vor ihm davon.

Abends bei Essen und Tanzen fühlte sie sich schon wieder richtig gut. Damaso war wieder zu ihr gekommen, um sich zu vergewissern, dass sich Silva nach ihrem Sturz gut um sie gekümmert hatte, und um mit ihr zu tanzen, und hatte ihr erzählt, dass er sie begleiten würde. Sie wäre also nicht in unbekannter und ungeliebter Gesellschaft! Freya war heilfroh das zu hören.

Ihr blieb an diesem Abend noch Zeit, um sich von den anderen zu verabschieden und sich noch einmal für ihre Geschenke zu bedanken. Allerdings gingen sie heute sehr viel früher zu Bett, was Freya unendlich Leid tat. Sie wusste nicht, wie lange es dauern würde, bis sie wieder an diesen abendlichen Tänzen teilnehmen konnte, die sie immer wieder aufs Neue verzauberten. Sie wusste nicht einmal, ob sie jemals wieder würde herkommen können!

Aber diesen Gedanken schob sie ganz schnell zur Seite. An so was wollte sie erst gar nicht denken! Denn das war etwas, dass ihr die Tränen in die Augen trieb.

Am nächsten Morgen ging alles plötzlich viel zu schnell. Plötzlich standen Pferde fertig gesattelt und bepackt da. Und Markward, Kieran und Kosmo kamen auf ihren Pferden zu ihnen angeritten. Der Abschied fiel heute Morgen sehr viel knapper aus, als sie gestern gedacht hatte. Aber schließlich hatte sie sich auch schon gestern von den meisten verabschiedet.

Nachdem auch sie und Damaso auf ihre Pferde gestiegen waren, setzte sich der kleine Reitertrupp in Bewegung. Sie ritten den Weg, den Freya schon kannte, durch den Wald zurück zur Furt. Sie hoffte nur, dass sich die Männer, die noch vor einigen Tagen dort am anderen Ufer gelagert hatten, weiter gezogen waren.

Markward schien ihre Gedanken erraten zu haben.

„Keine Sorge! Wir werden nicht allzu schnell auf sie treffen. Das Lager wurde abgebaut und wir haben gesehen, dass sie vor einer knappen Woche südwärts geritten sind. Achaz wird bereits an seinem Hofe angekommen sein, ehe ihr dorthin kommt. Wir werden keine unnötige Eile an den Tag legen!“

Freya nickte etwas erleichtert mit dem Kopf. Trotzdem wurde es ihr mit jedem Schritt, den ihr Pferd tat, immer schwerer ums Herz.

Fast schon anklagend sah sie von Zeit zu Zeit zu Kieran hinüber, der aber mit versteinerter Miene auf seinem Pferd saß und mit keiner Geste oder Augenzwinkern verriet, was in ihm wohl vorging.

Wahrscheinlich freut er sich insgeheim, dass er jetzt bei seinem Vater gut dastehen wird, dachte sie gehässig.

Damaso unterhielt sich während der Tage, die sie miteinander ritten, meistens mit Markward. Wenn Freya genauer hinhörte konnte sie das eine oder andere Wort verstehen, und sie wusste, dass Markward immer noch dabei war Damaso ihre Sprache beizubringen.

Ansonsten hielt sie sich aber zurück. Sie hatte keine große Lust auf diese Gesellschaft, die sie nun einfach fortbrachte, und zog es vor lieber allein für sich zu reiten.

Erst am sechsten oder siebten Tag ihrer Reise suchte sie unauffällig Damasos Nähe auf, als sie abends ihr Lager an einem kleinen Wäldchen aufschlagen wollten. Die anderen waren bereits von ihren Pferden abgesessen, nur Freya schien auf irgendetwas zu warten.

Also kam Damaso näher zu ihr herüber und sah sie fragend an.

„Was los? Warum du zögern? Komm, wir uns ausruhen! Wir heute genug geritten.“

„Damaso“, begann sie so leise, dass nur er sie gerade noch so verstehen konnte, „ich komme nicht mehr vom Pferd runter! Mir tut alles weh!“ Freya schämte sich ihre Schwäche zu geben zu müssen, aber es half nichts. Der lange Ritt, und das Tag für Tag, hatte ihr mehr abverlangt, als sie gedacht hatte. Und ihre Schenkel waren wundgescheuert, weil sie im Reiten doch zu ungeübt war, was sie Kieran nicht hatte glauben wollen.

Damaso lächelte sie ein wenig mitleidig an. Dann fasste er sie um ihre Taille und hob sie vorsichtig und schnell vom Pferd herunter, ohne dass die anderen es mitbekamen. Nur Kieran beobachtete es von weitem.

„Danke!“, flüsterte Freya. Sie konnte kaum laufen, so sehr taten ihr die Beine weh.

Während die Männer noch dabei waren das Lager zu errichten, hatte Freya einiges Feuerholz gesammelt, was glücklicherweise nicht allzu weit weg lag, und machte sich daran ein Feuer zu entzünden, was sonst immer einer von den anderen machte. Aber sie wollte für heute einfach nur noch genau hier sitzen bleiben und sich nicht mehr bewegen müssen. Also hatte sie kurzerhand das Regiment über das Feuer übernommen.

Als die Sonne unterging deutete Kieran in die Ferne, hinüber zu einem flachen Gebirge.

„Ab dem Gebirge des Szuh-Ha wird es nicht mehr viel geben, was uns abends als Nahrung dienen könnte. Wir sollten ab jetzt einige Vorräte sammeln.“ Markward nickte wissend.

„Ab dem Szuh-Ha werdet ihr alleine weiter reiten, dort endet unsere gemeinsame Reise. Wir haben uns schon zwei Tagesritte weiter von den Grenzmarken entfernt, als wir eigentlich sollten. Was meint ihr Kosmo, Damaso?“ Während Kosmo mit einem Kopfnicken Markwards Worte sofort bestätigte, schüttelte Damaso gleichzeitig den Kopf.

„Ich werde sie nicht alleine weiter reiten lassen. Ich bleibe auf jeden Fall bei ihr und wenn ich die ganze Welt durchqueren müsste!“

„Das habe ich mir fast gedacht, mein Freund!“, sagte Kosmo. „Pass nur auf, dass du dich da nicht in irgendetwas verrennst!“

„Selbst wenn, werde ich sie bis zum Hof von Kierans Vater begleiten!“ Damaso sah zu Freya hinüber und bemerkte nicht, wie er von Kieran angesehen wurde. Er ging zu ihr hinüber und gemeinsam machten sie sich daran das Abendessen zu zubereiten.

„Was ist da hinten? Hinter dem Gebirge?“, fragte Freya vorsichtig. Aus irgendeinem Grunde wollte sie nicht, dass Kieran es mitbekam.

„Nur Sand und staubig Luft!“, antwortete Damaso. „Kein schön Ort. Kierans Heimat.“ Sand und staubige Luft! Und dort sollte man leben können? Ohne Bäume und Flüsse war ein Leben doch gar nicht möglich! Oder täuschte Freya sich da? „Wird heiß werden. Land Wüste. Tags Sonne und Hitze, nachts eiskalt!“, erklärte Damaso wissend.

„Und was ist schuu ha?“, bohrte sie weiter.

„Klein Fluss aus Gebirge zu Oase, wenn Land heiß, Fluss ist trocken.“ Freya sah ihn stirnrunzelnd an.

„Was ist Oase?“

„Oase kleines Fleck Land wo Wasser und Bäume!“ Damaso überlegte, wie er es ihr richtig erklären konnte, fand aber mal wieder die richtigen Worte nicht. Wo blieb nur Markward? Und warum wollte er sie schon übermorgen verlassen? Er hatte doch noch längst nicht alles lernen können!

„Traute Zweisamkeit!“ Kosmo war zu ihnen gekommen und fing sich für seine Bemerkung sofort einen bösen Blick von Damaso ein. Er mochte keinerlei Anmerkungen zum Umgang mit ihr; er wusste selber nur zu gut, dass eine Beziehung zu ihr fast schon unmöglich war. Sie war eine Nordländerin, und gewiss würde sie irgendwann dorthin zurückkehren wollen, und er war ein Halbblut, halb Südländer, halb Elb, und sein Herz gehörte den Wäldern von Aldomark und Meralda, er hatte sich von den Menschen abgewandt, weil sie ihn verstoßen hatten. Außerdem war sie viel zu jung für ihn.

Und trotzdem war er vernarrt in sie, wie er sich eingestehen musste.

Kosmo wusste nur zu gut, wann Damaso es vorzog nicht mehr auf ein Thema angesprochen zu werden. Zur Entschädigung würde er heute endlich wieder eine Pfeife nach dem Essen mit ihm rauchen. Das hatten sie seit ihrer letzten Reise nicht mehr getan. Aber schließlich war es auch Damaso, der ständig nur noch das Tanzen im Kopf gehabt hatte. Oder vielleicht doch etwas anderes – Freya? Nein, er würde jetzt nichts mehr sagen, beschloss Kosmo.

Freya hatte an diesem Abend noch weniger Appetit gehabt, als die Tage vorher. Sie hatte schon seit Tagen kaum mehr etwas gegessen.

„Du musst mehr essen, um bei Kräften zu bleiben.“, sagte Kieran zu ihr und bot ihr seine Portion des Abendessens an. Sie hatten heute ein kleines rehähnliches Tier erlegt, das genug Fleisch bot, um sie alle für zwei Tage satt zu bekommen. Freya schob seinen Teller, den er ihr hinhielt, patzig zurück.

„Nein, danke! Ich sollte vielleicht gar nichts mehr essen. Das beschleunigt wahrscheinlich die ganze Sache!“

„Darf ich dich mal unter vier Augen sprechen?“ Kieran funkelte sie böse an und stand auf. Freya blickte nicht einmal zu ihm auf. Sein Tonfall gefiel ihr nicht im mindesten. Dieses Gespräch würde wohl nur eine Standpauke für sie werden - nein, danke! Mit einem schnellen Griff hatte er ihr Handgelenk gefasst und zog sie vom Boden hoch und hinter sich her. Damaso wollte aufspringen, als er es beobachtete, wurde aber von Markward zurückgehalten.

„Es ist besser, wenn sie ihre Querelen mal endlich bereinigen können!“, meinte er nur knapp und deutete mit seinem Kopf auf dem Boden, wo Damaso zuvor gesessen hatte.

„Entspann dich“, meldete sich auch Kosmo zu Wort, „er wird ihr schon nicht den Kopf abreißen. Und wenn doch, dann hetze ich dich auf ihn!“

„Dann ist es zu spät!“, schnaubte Damaso.

„Himmel und Bäume! Ist es dir mittlerweile so ernst mit ihr?“, fragte Markward. Kosmo nickte an Damasos Stelle mit dem Kopf.

„Ja, es ist nicht zu übersehen!“

„Seit wann ist es verboten sein Herz an jemanden zu verlieren?“ Damaso stand wieder auf und ging davon. Und Markward und Kosmo blieben alleine am Feuer zurück und teilten sich die Pfeife, die Kosmo eigentlich für Damaso und sich gestopft hatte.

„Warum hasst du mich?“, fragte Kieran in einem gezwungen ruhigen Ton. „Was habe ich dir getan?“ Erst nach einigen Minuten hob Freya den Kopf. Antwortete aber immer noch nicht. Kieran schaute sie die ganze Zeit über fest an, aber die junge Frau vor ihm ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Das Problem ist nicht mein Vater“, begann Kieran, „sondern mein Bruder. Er hatte dich auf dem Sklavenmarkt ausgesucht und du hast dich ihm widersetzt und bist geflohen, ausgerechnet mit dem Zuchthengst meines Vaters, den mein Bruder für seine eigene Zucht erben soll. Du hast in Al-Alef den halben Sklavenmarkt aufgemischt, als er dich dann gestellt hatte. Er ist ein sehr harter Mann. Was glaubst du wird er mit dir tun, wenn er dich in die Finger bekommt? Damit das nicht passiert, habe ich mich bereit erklärt, dich zu meinem Vater zu bringen, damit er die ganze Sache bereinigen kann. Noch ist er der Herrscher, noch kann er Recht sprechen. Und glaube mir, wenn ich dir sage, dass er nur nach außen sein Gesicht wahrt. Er ist kein unbarmherziger Mensch, der jemanden nur aus Genugtuung quält. Warum also hasst du mich?“

„Warst du auch auf den Sklavenmärkten?“ Freyas Frage schlug ihm wie vor den Kopf.

„Ja.“, musste er gestehen. Freya nickte ihn nur grimmig an und wandte sich zum Gehen um.

Da hatte er seine Antwort! Kieran schloss die Augen und sog die Luft ein. Damit hätte er rechnen müssen!

Freya hatte schnell gesehen, dass Damaso nicht bei den anderen war, sondern etwas entfernt bei den Pferden stand. Sie ging zu ihm und lehnte sich Schutz suchend an seine Schulter. Ein vertrautes Gefühl beschlich Damaso. Wie sehr er sich genau das wünschte …!

„Emily?“, fragte er vorsichtig. Er sah Freya mit einer Mischung aus Besorgnis und etwas anderem an, das Freya mittlerweile nur zu gut von ihm kannte. Doch sie nickte ihm nur entgegen: Alles in Ordnung! Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. Emily …! So hatte er sie schon oft genannt. Es gefiel ihr. Und sie ließ es sich auch gefallen, als Damaso seine Arme um ihre Schultern legte und sie einfach nur hielt.

Erst als von den anderen kein Geräusch mehr zu hören gewesen war, hatten sie sich voneinander gelöst. Als sie zum Lager kamen, hatten sie gesehen, dass die anderen schon schliefen. Nur Kieran blinzelte zu ihnen herüber, ohne dass sie es sahen.

Dann legten sie sich ebenfalls schlafen, und diesmal legte sich Damaso wieder zu Freya und hielt sie im Arm, wie er es schon lange nicht mehr getan hatte. Aber er hatte gespürt, dass sie das heute brauchte.

Freya hatte nicht gut geschlafen, trotz Damasos wärmende Nähe, und der Morgen kam viel zu früh. Müde streckte sie ihre Glieder aus und reckte sich gähnend. Dann setzte sie sich auf und machte sich daran ihr Haar in Ordnung zu bringen. Kieran beobachtete sie von seinem Schlafplatz aus nachdenklich. Er hatte tatsächlich ein schlechtes Gewissen ihr gegenüber. Schließlich hatte er genügend Gelegenheiten gehabt sie heimlich zu beobachten, und was er von ihr sah, malte ein Bild von einer wunderschönen, sehr jungen Frau, die leider dem falschen Mann hin und wieder ein schüchternes, aber trotzdem verführerisches Lächeln schenkte, weil er ihr genau den Halt gab, den sie in ihrer Unsicherheit brauchte. Während er selber eben diese Unsicherheit nur schürte.

Seufzend erhob es sich. Er hatte ein schlechtes Gewissen und er würde den richtigen Zeitpunkt abwarten müssen, sich dessen entledigen zu können. Wenn sie es zuließ!

Nach einem kurzen Frühstück machten sich die fünf Gefährten wieder auf den Weg. Damaso hatte Freya wieder eine Decke über den Sattel gelegt, um ihre Beine zu schonen, so gut es ging. Sie war ihm dankbar dafür gewesen, wollte aber nicht, dass Kieran ihre Schwäche sah und versuchte sich ständig seinem Blick zu entziehen.

Sie kamen an diesem Tag gut voran, viel zu gut, fand Freya. Das Gebirge, das sie am Abend vorher in weiter Ferne gesehen hatten, türmte sich jetzt gewaltig vor ihnen auf. Kieran bestieg mit seinem Pferd einen schmalen Pass, der durch das Gebirge zu führen schien und wartete darauf, dass ihm die anderen folgten.

„Wir sollten uns ein Lager am Fuße der Felsen suchen!“, wandte Markward ein. Er fand, sie waren schon weit genug geritten.

„Wenn wir noch ungefähr eine Stunde weiter reiten sind wir an der Quelle des Szuh-Ha. Es ist ein nettes kleines und grünes Tal. Sehr viel angenehmer als hier auf dem felsigen Untergrund.“, gab Kieran zurück. Kosmo trieb sein Pferd voran, ohne sich mit den anderen abzusprechen, Markward folgte fast automatisch, schließlich gab auch Damaso Freya ein Zeichen weiter zu reiten.

Der Weg, den sie nun nahmen, verwandelte sich in eine sehr schmale Steinwüste, die sie zwang hintereinander und in einem sehr viel langsameren Tempo zu reiten.

Zu guter Letzt kamen sie aber doch an einem kleinen Tal an, das sich ihnen unerwartet mitten in der steinigen Einöde darstellte. Inmitten der Felsen hatte sich ein kleiner See gebildet, dessen Ufer so grün waren, wie Freya es schon lange nicht mehr gesehen hatte. Die unterschiedlichsten Pflanzenarten hatten sich hier angesiedelt. Und Bäume, die Freya noch nie gesehen hatte. Ein kleiner Wasserfall, der aus dem Felsmassiv direkt am See heraus schoss, nur ungefähr mannshoch, ergänzte das idyllische Bild.

Damaso nickte und stieg vom Pferd. Ein schönes Plätzchen, was Kieran da ausgesucht hatte. Er trat ans Wasser und prüfte mit seiner Hand die Temperatur. Es war kalt, aber nicht so sehr, dass es unangenehm war. Noch während die anderen ihre Pferde absattelten zog er sich seine Stiefel, die Tunika, Hemd und Hose aus und stieg ins Wasser. Nach den staubigen, trockenen Tagen, die hinter ihnen lagen, wollte er noch eine Runde schwimmen gehen, bevor es dunkel wurde.

Freya hatte ihre beiden Pferde angebunden und überlegte, ob sie auch ins Wasser steigen sollte. Es war verlockend.

Kosmo sammelte Holz für ein Feuer, Markward und Kieran errichteten ihr Lager und sahen sich weiterhin um. Kieran fand schnell einige Bäume, an denen kleine längliche Früchte wuchsen und pflückte sie geschickt. Markward hatte derweil ein paar Kaninchen aufgespürt.

Freya fühlte sich unbeobachtet. Sie ging ein kleines Stück um den See herum und suchte sich eine Stelle, von der aus sie außer Sichtweite der Männer, nur mit ihrem dünnen, weißen Unterkleid am Körper, ins Wasser steigen konnte.

Es war herrlich nach all den Anstrengungen, die sie hatte auf sich nehmen müssen. Mit großen Zügen schwamm sie hinaus in die Mitte des Sees und ließ sich auf dem Rücken liegend ein wenig treiben. Sie schloss die Augen und genoss den Augenblick.

Leise und unbemerkt kam Damaso heran geschwommen. Erst als er kurz vor ihr war, hielt er inne und schaute sie an. Ihm gefiel, was er sah. Ihr nasses und viel zu dünnes Kleid klebte ihr auf der Haut. Ihre gold schimmernden Haare umrahmten ihr Gesicht und sie sah so glücklich und entspannt aus, wie schon seit etlichen Tagen nicht mehr. Damaso überlegte sich noch, wie er ihr einen kleinen Streich spielen konnte, als Freya die Augen wieder öffnete und ihn ansah. Dann wurde ihr schlagartig klar, dass er durch den dünnen Stoff ihres Kleides würde schauen können und tauchte ein wenig ab. Schamesröte stieg ihr ins Gesicht und sie wollte sich schnell von ihm abwenden. Himmel, er mochte ihre kindliche Schüchternheit! Damaso hielt sie nur lachend zurück und nahm ihr Gesicht in seine Hände um sie anzusehen und ihr schnell einen Kuss aufzudrücken, bevor Freya ihm auch schon einen Schwall Wasser ins Gesicht spritzen konnte. Damaso prustete und vergalt es ihr in gleicher Weise, was Freya prompt retour gab. Noch bevor sich Damaso aber wieder dafür revanchieren konnte, schwamm ihm Freya mit großen Zügen einfach davon. Er setzte ihr im Wasser hinterher und die beiden balgten sich eine ganze Weile ausgelassen.

Kieran hatte sich als Einziger am Ufer hingesetzt und beobachtete seine Gefährten, mehr noch aber beobachtete er Freya und Damaso. Und ein fast zorniges Gefühl schlich sich in sein Herz. Freya so vertraut mit Damaso zu sehen, war etwas, das ihm zutiefst missfiel. Dabei hatte er gar kein Anrecht hier irgendwas zu fühlen. Schließlich waren es Damaso und Kosmo gewesen, die sie aufgespürt hatten. Und wenn Damaso sich in das Mädchen verliebt haben sollte, dann hatte er hier nichts zu fühlen! Fast schon wütend zerbrach er einen Zweig nach dem anderen, die er aus seiner Reichweite vom Boden aufklaubte. Insgeheim hatte er sich gewünscht, dass sich die Gemeinschaft gänzlich auflösen und er mit ihr alleine weiter reisen würde. Aber das würde sich wohl nicht erfüllen. Er hatte sie näher kennen lernen wollen. Er war neugierig auf sie. Magier traf man nicht mehr so oft. Kieran selbst war der Magie mächtig, weswegen er ja auch hauptsächlich in Aldomark lebte. Aber auch dort waren Magier eher etwas Ungewöhnliches. Und die Magier, die in Aldomark bekannt waren oder dort ausgebildet worden waren, hatten sich längst wieder in alle Winde zerstreut, waren zurückgekehrt in ihre Heimat, so dass er kaum noch Kontakt zu anderen Magiern hatte. Ja, er hatte das Mädchen etwas besser kennen lernen wollen. Aber nicht nur wegen ihrer Magie. Aber mittlerweile war er sich gar nicht mehr sicher, was sie anbelangte. Oder besser gesagt: Er war sich sicher, dass sie und er niemals Freunde werden würden. Sie war einfach jetzt schon viel zu vertraut mit Damaso!

Er hatte genug davon hier zu sitzen und Trübsal zu blasen. Also stand er auf, um für die weitere Reise noch mehr Vorräte zu sammeln. Sie würden sie dringend brauchen!

Tochter der Sonne

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