Читать книгу Sei kein Frosch! - Kai Lüftner - Страница 13

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Silbrige Schatten tauchten zwischen den Armen des Farns auf, zu kurz für das ungeübte Auge, lange genug für jemanden wie mich.

Ohne den Kopf zu drehen, registrierte ich nun mindestens vier von ihnen, die mich bereits einzukreisen begannen. Ich musste alle Fluchtimpulse unterdrücken, um nicht ihren Jagdtrieb zu wecken. Das war meine einzige Überlebenschance.

Betont langsam streckte ich den Kopf und sagte mit nur leicht erhobener Stimme zu dem größten Schatten, der sich gerade von oben näherte: »Wie geht’s, Hacki?«

Es gibt kaum etwas Hässlicheres als einen hungrigen Rotbarsch, kann ich euch sagen. Zumindest aus Froschsicht. Oder doch, es gibt etwas Hässlicheres als einen hungrigen Rotbarsch: mehrere hungrige Rotbarsche.

Sie kamen langsam näher. Hacki war auf Kopfhöhe zu mir herabgesunken und nun dicht vor meinem Gesicht. Als wollte er an mir schnüffeln.

Ich war bis aufs Äußerste gespannt, versuchte aber, mir nichts anmerken zu lassen.

Eine seltsame Situation: Als normal ausgewachsener Laubfrosch war mir klar, dass ich einem Barsch nicht hilflos ausgeliefert war. Er konnte mich nicht mit einem Happs verschlingen, dafür war sein Maul zu klein. Es würde zwar keinesfalls ein echter und ausgeglichener Kampf, aber ein anstrengender für den Rotbarsch werden. Und schmerzhaft, langwierig und am Ende dann irgendwie doch tödlich für den Frosch. Das stand fest.

Es gab für Barsche also angenehmere Arten, sich einen Imbiss zu besorgen, und für Frösche schnellere und weniger schmerzhafte Möglichkeiten zu sterben.

Das wussten beide Seiten.

Ich musste mir mit einem Trick behelfen. Und bei diesem Trick kam mir mein Anderssein ebenso zu Hilfe wie die bodenlose Dummheit von Barschen.

Ich begegnete Hacki und seinen Kumpanen natürlich nicht zum ersten Mal. Man kennt sich – so lange, bis der eine den anderen gefressen hat. Und selbst wenn man sich aus dem Weg ging, kam es doch immer wieder zu Situationen, in denen es brenzlig wurde. Manchmal auch einfach nur, weil den größeren Tieren danach war, die kleineren (und blaueren) zu drangsalieren.

Hacki beäugte mich gierig. »Lecker!«, sagte er und zeigte seine äußerst spitzen Zähne. Die anderen Schatten zwischen den Farnblättern unkten und glucksten. Mir hingegen verging das Lachen ziemlich.

Der große Rotbarsch umschwamm mich zweimal energisch und blieb schließlich wieder vor mir im Wasser stehen.

Ich hob einen Arm, legte einen mitleidigen Blick auf und deutete auf mich. »Lecker, aber giftig! Vielleicht erinnerst du dich?«

Hacki schaute noch dämlicher als sonst und wich zurück.

»Hä?«, machte er.

Ich atmete erleichtert auf. Schien zu klappen. Mal ehrlich, bei Barschen wunderte es mich manchmal, dass sie überhaupt wussten, wie man geradeaus schwimmt … Das Langzeitgedächtnis von Fischen, insbesondere von Barschen, ist nämlich etwa so ausgebildet wie mein Talent zum galanten Gleitflug, den die Mauersegler so perfekt beherrschen – gar nicht. Das brachte mir den Vorteil ein, dass ich Hacki und Konsorten bisher mit der immer gleichen Finte davon abgehalten hatte, mich zu verspeisen.

Bisher!

Mein Gesicht blieb unverändert mitleidig. »Erinnerst du dich an Jupp, den Zander?« – Es hatte bei uns nie einen Zander mit Namen Jupp gegeben, aber Hacki nickte unsicher.

»Der Jupp mit der kaputten Flosse, weißt du noch?«

Wieder nickte Hacki.

»Er ist tot, oder?«

Hacki schaute sich zu seinen Spießgesellen um, die dank ihrer schwarzen Senkrechtstreifen zwischen den wabernden Farnarmen kaum auszumachen waren. Dann nickte er erneut in meine Richtung und schnappte unbeholfen mit seinem riesigen Maul.

Ich guckte wissend und bewegte mich mit zwei sanften Stößen langsam Richtung Wasseroberfläche.

»Er hat an mir geknabbert«, wisperte ich, »genau hier.«

Ich zeigte ihm eine Stelle an meiner linken Pobacke, wo das perfekte Blau meiner Haut durch eine eigentlich nicht weiter beachtenswerte kleine Narbe verunstaltet war. Dort hatte ich mich bei einem etwas überhasteten Sprung gleich zu Beginn des letzten Sommers verletzt.

Hackis Glupschaugen wurden größer, so groß wie mein ganzer Kopf.

Ich machte noch zwei Stöße Richtung Wasseroberfläche und zeigte plötzlich hinter Hacki.

»DA!«, rief ich, so laut es mir möglich war, und trat nun mächtig ins Wasser. »DA IST ER! JUPP IST ZURÜCK!!!«

Hacki drehte sich einmal um sich selbst, dann schoss er wie eine Rakete in das Wirrwarr der Unterwasserpflanzen.

Das verschaffte mir etwa drei Sekunden, die ich nutzte, um mich nach oben zu katapultieren.

Aber ich war wohl noch nicht ganz fit von der Pause, oder Hacki schien diesmal einfach schneller zu raffen, dass ich ihn vorgeführt hatte. Jedenfalls torpedierte er bereits wieder aus seiner Deckung, als ich längst noch nicht in Sicherheit war.

Auch seine Kumpane flogen regelrecht auf mich zu.

Sie schnappten und hackten nach mir, dass ich ihre Kiefer krachen hörte. Sie kamen von allen Seiten. Barsche sind nicht nur dämlich, sondern leider auch verdammt gute Schwimmer und ziemlich harte Brocken.

Ich schlug hektisch ein paar Haken, teilte mit den Hinterflossen nach unten aus und traf zweimal eine Barschschnauze. Einmal rutschte ich mit dem linken Bein ins Maul und spürte schon die Zähne, die mir eine Schwimmhaut einrissen, doch irgendwie schaffte ich es erst an die Oberfläche und dann ins flachere Wasser am Ufer.

Aber es war noch immer nicht vorbei. Hacki warf sich mit aller Kraft auf die Seite und versuchte, mich durch heftige Schwanzflossenschläge zu erwischen. Ich sah in seinen Augen, dass er mich nicht entkommen lassen wollte, nicht schon wieder.

»Bis zum nächsten Mal, Hacki!« Ich konnte mir ein freches Grinsen nicht verkneifen, war mit drei kräftigen Sprüngen erst auf einem Seerosenblatt und klebte schließlich für ihn unerreichbar an einem Schilfstängel.

Ich sah die rot gezackten Rücken der Idioten noch eine Weile aufblitzen, dann verschwanden sie.

»Willkommen im dritten Sommer!«, hörte ich Alfreds feixende Stimme.

Schon tauchte der alte Natterich zwischen zwei Steinen auf. Aus dem rechten Winkel seines beeindruckenden Mauls hing ein ziemlich langer Mäuseschwanz – nagelt mich nicht darauf fest, aber es war nicht auszuschließen, dass er noch zuckte –, und mir wurde klar, dass mein ganzes Leben eine einzige Flucht war.

Egal wohin ich ging und was ich tat.

Sei kein Frosch!

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