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Kapitel eins

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Es war einer der ersten warmen Tage, und ich fühlte mich relativ zuversichtlich, dass dieser Frühling nur besser werden konnte als der letzte. Und als mein erster sowieso.

Ich saß jedenfalls erstmals in diesem Jahr in meinem Pflaumenbaum außerhalb meines gemütlichen Winterquartiers auf einem Ast. Zu dieser Jahreszeit leuchtete ich noch wie der Blue Hope Diamant höchstpersönlich, wenn ich mich außerhalb einer schützenden Deckung befand.

Von der Geschichte dieses außergewöhnlich schönen Diamanten hatte Mutter in ihrer Zeit in Gefangenschaft gehört und mich – ihren besonderen Sohn – danach benannt.

Die Sonne brach sich verführerisch in meiner blauen Haut, und ich glaubte bereits nach kurzer Zeit, die Augen vieler hungriger Tiere auf mir zu spüren, die sich sehr weit über mir in der Nahrungskette ansiedelten.


Man musste sich langsam rantasten an den neuen Frühling, sonst wurde man gefressen, bevor man noch den ersten Atemzug getan hatte.

Der Pflaumenbaum, in dem ich lebte, hatte noch keine Blütenansätze gebildet und war kahl. Sein Stamm glitschig vom nassen Holz, aus dessen Poren langsam, aber sicher die letzten Eiskristalle schmolzen. Daher beschloss ich, nicht allzu lang hier im Freien zu bleiben, sondern wollte nur ein bisschen die eingerosteten Muskeln ölen, um dann schnellstens wieder zurück in mein kleines kuscheliges Astloch zu verschwinden.


Es war das perfekte Versteck für einen so auffälligen blauen Frosch wie mich, die Öffnung nicht größer als ein Geldstück, dafür aber tief und verwinkelt. Unerreichbar für fast jeden.

Ich hopste also ein paarmal den Stamm auf und ab, schwang mich hoch bis in die dünnsten Äste und wagte ein paar halbherzige Sprünge zwischen den Zweigen.

Es knirschte und knackte hier und da im Frosch-Gebälk, aber das würde sich ändern, sobald die Sonne auch meine letzten starren Glieder erwärmt hatte. So ist das bei uns Wechselwarmen.

Währenddessen machte ich die ersten Artgenossen aus. Den dicken Hubi zum Beispiel, der die letzten zwei Winter in einem tiefen Erdloch ganz unten zwischen den Baumwurzeln verbracht hatte.

Er sah gut aus, matschig-hellgrün und kräftig (um nicht zu sagen: dick) trotz der monatelangen Starre. Das klassische Prachtexemplar eines europäischen Laubfroschs.

Lateinisch: Hyla arborea.

Ich jage grundsätzlich nur nachts, aber Hubi machte da gern mal eine Ausnahme. Im Moment war er dabei, den matschigen Boden um unseren Pflaumenbaum herum nach ersten unvorsichtigen Laufinsekten abzusuchen, und schien recht erfolgreich zu sein.

Auch Alfred, die alte Zornnatter, sah ich ab und an zwischen den Farnen direkt am Teichufer auftauchen. Er war gar nicht so zornig, wie sein Name glauben lässt, und eigentlich waren wir sogar irgendwie so was wie Kumpel. Zwei Außenseiter, die nicht zwangsläufig Jäger und Beute darstellten. Alfred bevorzugte Schnecken und Insekten, oder aber er jagte Mäuse und Eidechsen, und ich glaube, er mochte mich irgendwie, weil ich das meiste ein bisschen anders machte als meine Artgenossen.

Außerdem hatte er meine Mutter gekannt und geschätzt.

Ich verfolgte Alfred mit den Augen, winkte ihm, als er aufblickte, und dann entdeckte ich plötzlich etwas im Teich. Erst dachte ich, mich zu täuschen, glaubte, das sich spiegelnde Licht auf den leichten Wellen hätte mich an der Nase herumgeführt. Bis ich es wieder sah. Deutlicher nun.


Einen hellen, fast weißen Fleck, unstet und wabernd, so groß wie eine Kuh vielleicht, oder wie … keine Ahnung. Ein heller Fleck jedenfalls. Mitten im dunklen Teich.

Er durchbrach die blauschwarze Oberfläche des Wassers und leuchtete vom Grunde herauf. Na gut, er leuchtete nicht wirklich, aber er machte mich trotzdem neugierig. Er gehörte da einfach nicht hin.

Zu jenem Zeitpunkt wusste ich es noch nicht. Aber es war das erste Mal in diesem dritten Jahr, dass ich etwas absolut Frosch-Untypisches tat.

Inzwischen habe ich Routine darin.

Sei kein Frosch!

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