Читать книгу Single, weil die Auswahl scheiße ist - Karin Anja Roth - Страница 10

5.Der Vereinskollege

Оглавление

Über eine Empfehlung trat Milo per E-Mail an mich heran. Er war durch seinen Arbeitgeber auf unsere Wirtschaftsorganisation für junge Unternehmer aufmerksam gemacht worden und wollte gerne einmal an einem Event teilnehmen. Ganz in meiner damaligen Funktion als Präsidentin des Vereins aufgehend, erklärte ich ihm alle wichtigen Details und lud ihn zu einem Lunch unserer Gruppe ein. Schon die E-Mails vor unserem ersten Treffen waren witzig geschrieben und hatten einen Touch Ironie. Vier Wochen später, den E-Mail-Kontakt hatte ich ehrlich gesagt schon wieder vergessen, saß mir dann plötzlich ein wahnsinnig attraktiver Herr gegenüber. Locker und sexy im eng sitzenden, weißen Hemd stellte er sich den anwesenden Teilnehmern als aufsteigender Stern in der IT-Marketingwelt vor. Ich würde ja näher darauf eingehen, was er genau machte, wenn ich bis heute auch nur annähernd seinen Beruf verstanden hätte. Spielt aber an dieser Stelle ja auch gar keine Rolle. Entscheidend war für mich nach dem Essen nur die Tatsache, dass er mir sein Beitrittsinteresse zum Verein bekundete. Denn der Typ hatte was!

Milo ließ mich noch im Laufe des Nachmittags wissen, dass ihm der Lunch gefallen hatte und er gerne an weiteren Veranstaltungen teilnehmen wollte. Ich erklärte ihm, dass unser Verein monatliche Lunches durchführte, aber auch Abendanlässe, und dass Clubmitglieder auch andere Clubs besuchten. Außerdem ließ ich ihn noch wissen, bei welchen Veranstaltungen er mit mir in meiner Funktion als Präsidentin in nächster Zukunft rechnen durfte.

Rund zwei Wochen später fand ich mich mit ihm – nur wir zwei, jippie – an einem Jubiläumsanlass einer anderen Vereinsregion wieder. Schick gekleidet zu einem Galaabend. Bei dieser Gelegenheit durfte ich dann ein erstes Mal feststellen, dass Milo generell viel Aufmerksamkeit bei meinem Geschlecht generierte. Als Vereinspräsidentin musste ich ein paar Personen begrüßen und Fotos machen lassen und als ich mich wieder unserem Neumitglied widmen wollte, war dieser bereits in Begleitung einer blonden Schönheit.

Beim Essen gesellte er sich hingegen wieder zu mir und nahm neben mir Platz. Zwei Kolleginnen eines Nachbarclubs löcherten ihn mit Fragen, ansonsten blieb er eher still. Erst als Dessert serviert wurde, sagte er plötzlich zu mir: »So, jetzt kommt dein Lieblingsgang.« Ich schaute zu dem fast zwei Meter großen Mann fragend auf. »Woher weißt du, dass ich Desserts liebe?«, wollte ich verwundert wissen. Milo antwortete leichthin: »Das war einfach: Mir ist schon bei eurem Lunch aufgefallen, dass du den Menüplan jeweils von unten nach oben liest. Heute auch wieder.« Ich musste lachen und war tief beeindruckt, dass er mich so genau studiert hatte. Und natürlich fühlte ich mich geschmeichelt.

Am Ende des Anlasses bot ich ihm an, ihn noch zum nächsten Bahnhof zu fahren, da er mit dem Zug angereist war. Milo lehnte allerdings ab, er wollte lieber noch mit der blonden Schönheit vom Apéro einen Drink nehmen. Höflich aber bestimmt verabschiedete er sich von mir. Nach dieser Abfuhr verwarf ich sofort die Idee, diesen Kontakt zu vertiefen.

In den nächsten Tagen mailte er mir und bedankte sich für den gepflegten Abend. Seine E-Mails wurden von Mal zu Mal länger. Sie waren witzig, wortgewandt und ohne Schreibfehler!! Leider sagte er für den nächsten Lunch ab, da er ein paar Tage verreisen würde. Insgeheim hatte ich nun doch gehofft, ihn bei dem Anlass wiederzusehen. Allerdings erkundigte ich mich nach seiner Feriendestination und unterließ es natürlich nicht, ihm eine gute Zeit zu wünschen.

Kurz darauf erhielt ich eine Antwort per SMS. Milo hatte meine Mobilnummer aus dem Vereinssystem herausgesucht und entschieden, dass es simpler sei, sich auf die Art auszutauschen. Er berichtete mir, dass er nach Wien reisen werde, um etwas Sightseeing zu machen und auszuspannen. Als ich ihn daraufhin wissen ließ, dies sei eine wunderbare Idee, antwortete er völlig überraschend, ich könne ihn doch begleiten. Ich stufte das eher als Scherz ein und schrieb zurück, dass ich unmöglich den nächsten Lunch unseres Vereins ausfallen lassen könne und auch beruflich nicht so spontan verreisen konnte. Danach hörte ich vorerst nicht mehr viel von ihm. Wozu auch? Milo schrieb mir zwar lustige und ironische Nachrichten, aber mehr war da schließlich nicht. Er war ein Vereinskumpel und basta. Ich durfte da nicht immer gleich was hineininterpretieren.

Ein paar Tage später wurde ein Päckchen aus Wien an mich ins Büro geliefert. Nun fragte ich mich schon, ob er wohl doch ein näheres Interesse an meiner Person hegte. Milo schickte mir tatsächlich per Express(!!!) eine Wiener Sachertorte aus seinen Ferien. Ein Dessert – dies, weil ihm meine Vorliebe für dunkle Schokolade aufgefallen war, wie er mich auf der Karte dazu wissen ließ. Süß, oder? Im wahrsten Sinn des Wortes. Meine Bürokolleginnen überschlugen sich mit Komplimenten, Bewunderung und Rückfragen zu dem so charmanten Typen.

Als Dankeschön lud ich ihn zu mir zum Essen ein. War das nun ein Date? Auf alle Fälle sagte er zu, was mich sehr freute.

Die Tatsache, dass ich nicht wusste, ob er als Kumpel oder als Date zu mir kam, machte mich allerdings recht nervös. Und als er dann beim Apéro recht dicht neben mir auf dem Sofa saß, klopfte mein Herz etwas schneller als üblich. Ich mochte seinen Geruch und seine starke Rhetorik. Milo war ein bemerkenswerter und sehr intelligenter Mann, der mir zunehmend gefiel. Meine Nervosität hielt an bis kurz vor dem Dessert: Ich räumte gerade in der zum Wohnzimmer hin offenen Küche die Zutaten weg, als mir die Olivenölflasche aus der Hand rutschte und sich über den kompletten Boden ausleerte. Eine Riesenschweinerei!

Milo eilte mir zu Hilfe und wir versuchten mit Papiertüchern das Öl aufzuwischen. Auf Knien rutschend, mussten wir lachen, meine Anspannung ließ nach und dieser kleine Unfall gab dem netten Abend irgendwie noch die besondere Note. Bei der Verabschiedung war ich gespannt, ob er mir vielleicht einen Kuss geben würde. Aber irgendwie kehrte wieder die Reserviertheit des Galaabends zurück. Höflich aber bestimmt verabschiedete er sich. Er war mir ein Rätsel. Doch wie es mit einem Rätsel so ist – man studiert daran herum und ist somit in Gedanken unentwegt bei ihm. Dass er sich nun auch täglich per SMS oder Mail bei mir meldete, ließ mich hoffen, es könne vielleicht doch was aus der Sache werden.

Bis zum ersten Kuss zog es sich allerdings noch etwas hin. Zwischenzeitlich flirteten wir an den gemeinsamen Vereinsanlässen, trafen uns aber auch privat. Unter anderem lud nun auch Milo mich zu sich zum Essen ein. So beeindruckend groß und charismatisch er war, so gestaltete sich auch sein Zuhause. Er residierte in einer stylischen Loftwohnung in der Hauptstadt und verfügte zudem über eine top ausgestattete Küche. Erst als er mich kulinarisch verwöhnte, ließ er mich wissen, dass Kochen sein absolutes Lieblingshobby war und er sich auch in Kochvereinen engagierte. Na toll, da hätte ich was weiß ich nicht alles machen können, ich hätte abgeloost. Milo glich mit seinen Kochkünsten einem Sternekoch.

Nachdem es dann endlich zum ersten Kuss gekommen war, ging es nach einem weiteren Galaanlass unseres Vereins in edler Abendgarderobe plötzlich recht schnell zur Sache. Rückblickend würde ich sagen, es war wohl viel zu schnell. Ich dachte damals jedoch, ich hätte den absoluten Traummann gefunden und meine lange Singlezeit und die vielen Dating-Pleiten hätten sich gelohnt. Mein Fokus lag dabei eher bei der Erfüllung meiner Träume als bei Milos wirklichem Wesen.

Mir gefiel es, mit ihm stylisch und kulinarisch hochwertig in schicken Restaurants essen zu gehen, per SMS zu flirten, den Sonntag mit Wellness zu verbringen oder sich nach einem Vereinstreffen noch zu zweit auszutauschen. Ich fühlte mich glücklich und war irgendwie auch stolz, mit einem so vornehmen Herrn meine Zeit zu verbringen. Umgekehrt schien es mir ähnlich zu sein und so gab es für mich wenige Wochen später das große Erwachen: Milo eröffnete mir nach einem wunderschönen und romantischen Besuch eines ausländischen Weihnachtsmarktes mit anschließendem heißen Schaumbad und schönem Abendessen, dass er sich nicht nur auf mich konzentrieren könnte, sondern er sich als Gottesgeschenk an das weibliche Geschlecht um alle Frauen zu küm- mern habe. Unfähig zu teilen stürmte ich aus seinen Armen und seiner Wohnung und wollte alles nur noch vergessen.

Im Kopf blieb mir dabei allem voran die Situation mit der blonden Schönheit vom ersten gemeinsamen Galaabend. Ich war zutiefst gekränkt und enttäuscht und vegetierte ein paar Tage nur so vor mich hin. Schlimm waren auch die Bekundungen meiner Freundinnen, dass sie echt geglaubt hätten, ich hätte es nun geschafft, jemanden zu finden, nun aber wohl doch alles für die Katz gewesen sei. Das war irgendwie entwürdigend. Als ob ich alles falsch gemacht hätte oder unfähig wäre. War es denn so?

Tja, wie das so ist mit Vereinskollegen. An jedem Vereinstreffen sieht man sich wieder und wird an den eigenen frustrierenden Misserfolg und Herzschmerz erinnert. Dass die Kommunikation zwischen Milo und mir teilweise sehr stimmungsgetrieben war, entging auch den Kollegen nicht, die von unseren privaten Treffen gar nichts wussten. Eine Kollegin meinte dann auch einmal zu mir: »Bei euch habe ich manchmal echt das Gefühl, dass die Luft elektrisiert ist und ihr euch nächstens an die Gurgel geht. Was ist denn eigentlich los?« Ich aber tat einfach so, als wüsste ich nicht, wovon sie sprach.

Milo wollte, warum auch immer, den Kontakt halten und meldete sich immer und immer wieder. Praktisch täglich. Er arrangierte sogar einen Wechsel innerhalb der Arbeitsgruppen, denen wir zugeteilt waren, damit wir weiterhin eng in Kontakt blieben. Weitere Gespräche zwischen uns waren also unausweichlich und je nach Stimmung fielen diese freundlicher oder zickiger aus – und zwar von beiden Seiten. Irgendwann hat er mich dann echt verletzt. Er schrieb mir mehrfach, dass er mich vermisse und hin und her gerissen sei, was uns beträfe. Das verstärkte meinen Liebeskummer allerdings nur noch. Wenn die Hoffnung zerstört ist, kann man abschließen, aber so keimte sie immer wieder auf. Gab es doch noch eine Chance für uns?

Es gab Momente, da sah es beinahe danach aus. Als ich zwischen Weihnachten und Neujahr mit drei Freunden nach Thailand reiste, ließ er mich wissen, dass er in Erwägung zöge, mir nachzureisen. Und ich hätte ihm dies auch zugetraut. Das wäre typisch Milo gewesen. Er hatte Talent dazu, Momente zu inszenieren und zu perfektionieren. Wäre er mir nach Thailand gefolgt, wäre das wie in einer superkitschigen Schnulze gewesen. Aber er kam nicht. Dafür schenkte er mir zwei Wochen später zum Geburtstag einen Ausflug in eine Schokoladenfabrik. Dort könnten wir dann sogar unsere eigene Schokolade produzieren, erklärte er mir. Irgendwie freute ich mich darauf und doch machte ich mir Sorgen, ob ich nicht zu viel hineininterpretierte in das Geschenk. Nach wie vor schlug mein Herz schneller, wenn sein Name auf meinem Display erschien oder ich ihn auf einem Wirtschaftsanlass manchmal auch nur von Weitem sah. Sprach er mit einer Frau, checkte ich gedanklich ihre Vorzüge gegenüber den meinen ab. Ein klärendes Gespräch würde die Situation vielleicht entspannen, hoffte ich, und sich bei unserem gemeinsamen Ausflug ergeben.

Der Besuch des Schokoladenmuseums war dann anfänglich angespannt. Wir redeten höflich aber distanziert miteinander, hin und wieder fiel ein kleines Witzchen und dabei ein Lächeln. Erst als wir zur Produktion der eigenen Schokolade übergingen, entspannte sich die Atmosphäre. Bei einem Missgeschick seinerseits mussten wir wieder so herzhaft lachen wie bei meiner Aktion mit dem Olivenöl. Nach diesem Lachen war es plötzlich wie »früher«. Wir strahlten uns an und es schien wieder alles möglich. Erst bei der Verabschiedung kam von Neuem seine wohlbekannte Reserviertheit zum Vorschein und so endete der Tag mit drei freundschaftlichen Küsschen und keinem klärenden Gespräch. Offenbar würden wir doch einfach nur Freunde bleiben.

Während der folgenden Wochen gab es Flirtsituationen, Freundschaft, Hass bis hin zur SMS-Sperre und schlussendlich doch ein klärendes Gespräch. Milo meinte, dass er meinen harten Kern, meinen selbstsicheren und bestimmten Auftritt als Geschäftsfrau und meine Ausstrahlung in dieser Rolle als sehr anziehend empfand. Meine private ruhige Seite und mein zeitweiser Mangel an Selbstbewusstsein passten ihm hingegen nicht. Mein weicher Kern war ihm sozusagen zu weich.

Das ständige Hin und Her zwischen Milo und mir dauert irgendwie bis heute an und hin und wieder muss ich mir aufs Neue selbst vermitteln, dass nette Gesten seinerseits rein freundschaftlicher Natur sind. Milo arbeitet im Marketingbereich. Er schafft gerne romantische Szenen wie ein Bad bei Kerzenlicht oder eine Schifffahrt bei Sonnenuntergang. Dabei geht es ihm jedoch mehr um den perfekt inszenierten Moment als um meine Person.

So hatte auch der kürzliche Spontanbesuch mit Pralinen in meinem Büro nichts mit Umwerben zu tun, sondern nur mit der Schaffung der Szene einer funktionierenden Freundschaft. Einer manchmal mehr und manchmal weniger gut funktionierenden Freundschaft. Denn genauso wie Milo einem plötzlich viel Interesse vorgaukeln kann, so vergisst er einen wenige Tage später wieder völlig und meldet sich längere Zeit nicht mehr. Er lebt in erster Linie in seiner eigenen Welt. Sobald ein Projekt auftaucht, das ihn reizt, vertieft er sich voll und ganz darin und alles andere wird zur Nebensache.

Vielleicht wollte er mich mit den vielen Pralinen kürzlich aber auch nur trösten. Denn als neu gewonnenem guten Kumpel hatte ich ihm von meinem Horror-Blinddate erzählt. Die Idee, eine Flirt-App auf meinem Smartphone zu installieren, war dabei unter anderem von ihm gekommen, und meine Erfahrungen damit waren, na ja, sagen wir mal »anders als erwartet«.

Single, weil die Auswahl scheiße ist

Подняться наверх