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3.Der gute Freund – 1000-mal berührt und so

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Ja, die Geschichte mit 1000-mal berührt und plötzlich ist es passiert. Das dachte ich bei mir, als kurze Zeit später die Geschichte mit Dave losging. Wozu ich vielleicht noch erwähnen sollte, dass er der Typ war, mit dem ich in der Bar getanzt hatte, als mein Nachbar Marco die Psycho-Attacken bekam – Marcos Befürchtungen hatten also in gewisser Weise sogar ihre Berechtigung.


Ich kannte Dave noch aus der Grundschule. Irgendwann war er umgezogen und wir hatten uns seitdem nie wieder gesprochen. Und eines Abends stand da einer in einem Club, tippte mir auf die Schultern und klärte mich auf, dass ich an dieser Party ja eigentlich gar nichts verloren hätte. Ü30-Partys würden schließlich von 30-Jährigen besucht werden. In der Tat war ich damals noch keine 30, aber wer hatte das diesem frechen Typen bitte gesteckt? Verwirrt guckte ich zu meiner Freundin, die eindeutig anderweitig beschäftigt wirkte. Ich dachte mir, okay gut, was du kannst, kann ich auch. Frech entgegnete ich, dass er dies ja gar nicht wissen könne, und schenkte ihm einen hoffentlich atemberaubenden Augenaufschlag. Kühl und ohne Reaktion entgegnete er: »Doch Key, du bist noch ein Jahr zu jung.« Dann nannte er auch noch meinen Geburtsjahrgang. Okay gut, also irgendwas lief hier mächtig schief. Das, was ich als Anmache interpretiert hatte, wirkte eher wie Spott. So langsam hatte ich keine Lust mehr auf dieses Spielchen. Da klärte er mich auf: »Kennst du mich eigentlich nicht mehr?« Erst jetzt fiel mir sein verschmitztes Lächeln auf. Sehr süß im Übrigen.

Ach jetzt, genau, es war Dave. Wir hatten uns nicht mehr gesehen, seit wir zwölf waren. Er war nun deutlich größer als ich, sein Haar war ganz dunkel, seine Haut eher hell und seine Lippen formten fast immer ein Lächeln. Den Abend über unterhielten wir uns, tanzten und tauschten die Nummern aus. Nein, es war jetzt nicht wirklich flirten. Eher kumpelmäßig. So blieb es dann auch die nächsten Monate über. Immer mal wieder trafen wir uns, um auszugehen. Fast immer mit mehreren Leuten. Irgendwann meinte er dann, er hätte ein Fußballspiel in meinem Nachbarort und ob ich nicht auf einen Drink vorbeikommen wollte. Also tat ich das. Ich meine, was macht man auch sonst an einem sonnigen Nachmittag, als auf einem Fußballplatz herumzuhängen. Er spielte dabei gar nicht selbst, sondern war der Trainer der Juniorenmannschaft.

Okay, genau bis hierhin machte ich mir keinerlei Gedanken. Dann kam einige Tage später ein wirklich schöner Blumenstrauß bei mir an. Ja klar, als der vor meiner Tür stand, guckte ich schon erst mal seitlich in Richtung Nachbarstür. Aber seit wann benutzte mein Nachbar den Lieferdienst? Schließlich wohnte er ja nebenan. Ein Blick auf die Karte klärte das Missverständnis auf. Allerdings nur indirekt. Wie ich dann später noch erfuhr, stand Dave auf Spielchen. Auf der Karte ließ er ausrichten: »Vielen Dank für den Besuch an unserem Spiel, FC Sowieso.« Keine Ahnung mehr, wie der Club hieß, da ich mich grundsätzlich eher für Hockey interessiere. Ein kurzer Kontrollanruf bei mei- ner Freundin bestätigte dann den Verdacht: Das war ein Flirtversuch! Oha.

Dave und ich trafen uns daraufhin zwei, drei Mal ohne unsere Freunde, ganz privat, und an einem Fest in den frühen Morgenstunden küsste er mich. Es war irgendwie schön. Wir tanzten und gegen Ende der Feier kam ein langsames Lied und da drehte er plötzlich seinen Kopf meinem entgegen und küsste mich sanft und lange. Wenige Tage später trafen wir uns an einem großen Stadtfest, liefen Hand in Hand durch die Gassen, bestaunten die verschiedenen Stände und grüßten gemeinsame Bekannte. Als es uns zu voll wurde, schlug Dave vor, am Fluss spazieren zu gehen. Auch dort küssten wir uns wieder. Küssen konnte er wirklich gut. Ein guter Anfang so weit.

Aaaaber … ja genau, aber. Kurz nachdem wir, wie ich dachte, wirklich zusammengekommen waren und er mir all seine vier WG-Kumpanen vorgestellt hatte, bat er mich, das solle bitte noch unter uns bleiben. Er wolle nicht, dass es die Runde machte, dass er mit einer Bonzen-Tochter liiert war. Bitte was? Noch bevor er meine Eltern überhaupt kennengelernt hatte, schämte er sich schon dafür? Aber okay, man will ja nicht so sein und Männer haben in Bezug auf ihre Schwiegerväter ja meist Minderwertigkeitskomplexe. Zudem gab es bei meinem Vater, einem angesehenen und respektierten, aber auch gefürchteten Geschäftsmann in unserer Stadt, durchaus auch Gründe, eingeschüchtert zu sein. Insbesondere für Dave, der mit 30 Jahren weder einen Studienabschluss noch eine Lehre vorweisen konnte. Er hatte es mal mit Informatik versucht, dann irgendwie alles kurz vor Ende aus Leistungsdruck hingeschmissen und studierte nun auf Lehramt an der pädagogischen Hochschule. Er sei im letzten Jahr, erzählte er mir, daneben arbeite er noch für eine IT-Firma, für die er Vereinswebsites gestalte. Fleißig, der Gute, dachte ich. Blöd nur, dass er immer abends, wenn ich frei hatte, für diese Vereinsseiten arbeitete.

Eines Morgens, es muss irgendwann im Oktober gewesen sein, fragte ich Dave, wo denn in seinem Zimmer eigentlich die ganzen Bücher für sein Studium seien. Es fiel mir nach zwei Monaten plötzlich mal so auf. Neben Computer, Bett und Kleiderschrank gab es in seinem Zimmer kein einziges Buch. Und da kam dann seine ganze Geschichte zum Vorschein.

Dave war schon ein Jahr zuvor von der Hochschule geflogen, weil er ständig die Veranstaltungen schwänzte. Seitdem arbeitete er nur wenige Stunden für diese IT-Firma, um sein WG-Zimmer zu bezahlen. Mehr machte er nicht. Er hatte mir das nicht erzählen wollen, da er sich mir unterlegen fühlte. Ich arbeitete zu diesem Zeitpunkt 100 Prozent und besuchte zu zusätzlichen 20 Prozent noch die Fachhochschule für ein Zusatzdiplom. Irgendwie war ich enttäuscht von ihm. Der berufliche Werdegang eines Mannes steht für mich nicht im Vordergrund, aber ich finde es unsexy, wenn ein Mann vieles anfängt und nichts zu Ende führt. Kneifen, wenn’s ernst wird, sozusagen. Galt das dann vielleicht auch in der Liebe? Aber nun gut, ich hatte nach längerer Zeit nun endlich wieder einen Mann an meiner Seite. Er verleugnete unsere Beziehung zwar, aber immerhin ich wusste davon. Nun alles hinschmeißen wegen einer kleinen Notlüge … nein, ich wollte es weiter versuchen.

Zwei Wochen später machte ich mit meiner Mutter einen einwöchigen Trip nach Malta und schrieb ihm täglich eine SMS. Tja. Einmal kam eine Antwort. Nach meiner Rückkehr stellte ich Dave zur Rede, aber er meinte nur, er hätte halt viel zu tun gehabt. Da ich nun jedoch wusste, dass er tagsüber nur vor dem Fernseher hing und erst abends zwei bis drei Stunden von zu Hause aus arbeitete, fand ich das doch etwas unangebracht. Sprich, ich war sauer.

Dave lud mich daraufhin eines Abends ein. Wir fuhren in die Hauptstadt und wollten den freien Abend und den Start ins Wochenende genießen. Und dann kam der Hammer: Mitten in der Bar und bei lauter Musik erklärte er mir, dass er das Gefühl habe, ich sei mit ihm nicht wirklich glücklich und er wolle mich davon erlösen. Er machte tatsächlich mitten in einer Bar vor allen Leuten mit mir Schluss! Ich bin ein Talent in Sachen Beherrschung und ließ mir nichts anmerken. Ich zahlte meinen Drink und ging nach Hause.

Schmerz? Eigentlich nicht. Wut? Oh ja. Enttäuschung? Irgendwie schon. Selbstzweifel? Als Frau ja sowieso immer.

Wie konnte es so weit kommen und warum ließ ich mir das bitte bieten? Zwei Wochen später meldete sich Dave wieder bei mir. »Hallo, wie geht’s« und ähnliche Belanglosigkeiten trudelten per SMS bei mir ein. Keine Antwort von meiner Seite. Ich hatte keine Lust mehr, ihn nun wieder als meinen Kumpel zu sehen. Zu oft war ich in den letzten Tagen unsere kurze Liaison durchgegangen und fand plötzlich gar nichts Gutes mehr daran. Er war in vielerlei Hinsicht recht egoistisch, wir hatten nur unternommen, wozu er Lust hatte, und Mühe gegeben hatte er sich nach der Blumenaktion nie mehr. Auch hinter mir oder zu mir gestanden war er nicht. Wer will seinem Partner schon peinlich sein? Nein, das ist kein schönes Gefühl. Und auf die eigenen Gefühle sollte man hören.

Also, Finger weg von langjährigen Freunden. Es gibt wohl doch gute Gründe, warum man sich 1000-mal ohne Kribbeln berührt hat …

Single, weil die Auswahl scheiße ist

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