Читать книгу Überleben nicht erwünscht - Karin Bulland - Страница 7

Pfarrer Partetzke

Оглавление

Meine Mutter erzählte mir, dass 1954 die Kirche zu den Leuten nach Hause gekommen sei, um die Kirchensteuer einzutreiben. Meine Mutter hatte nicht genug Geld, um drei Kinder zu ernähren, und trat darum aus der Kirche aus. Des Geldes wegen? Weshalb sollte ich das anzweifeln? Vom Glauben wurde in meiner Familie nie gesprochen. Was nicht heißt, dass meine Mutter nicht an Gott glaubte. Ich habe allerdings nie auch nur ein Anzeichen gesehen, dass meine Mutter an Jesus Christus geglaubt hätte.

Am 3. Oktober 1954 brachte meine Mutter mich zum Pfarrer in die Kirche, legte mich auf seinen Amtstisch und sagte: „Machen Sie mit der, was Sie wollen. Die Hauptsache, sie wird mal anders als mein Vater.“ Wie schlimm musste es für meine Mutter in ihrer Familie gewesen sein, dass sie so etwas sagte!

Der Pfarrer Partetzke erzählte mir vierzig Jahre später, er sei in diesem Augenblick überzeugt gewesen, dass meine Mutter mich gern bei ihm abgegeben hätte, was er natürlich nicht dulden konnte. Aber die Not meiner Mutter konnte er gut verstehen und dass sie Hilfe brauchte, wusste er auch. Er hob mich empor zum Kreuz und betete etwa so: „Herr, du hast dieses Kind wunderbar gemacht, du hast gewollt, dass es lebt, und du hast einen Plan für dieses Kindlein. Dieses Kind gehört dir und dein Plan für diese kleine Karin soll in Erfüllung gehen. Halte du, allmächtiger Gott, deine schützende Hand über diesem Kind. Segne und behüte es und lass es deine Wege im Leben gehen.“ Dann segnete er mich mit dem Vers aus Johannesevangelium 13,7: „Was ich heute tue, das verstehst du jetzt nicht; du wirst es aber später begreifen.“

So wurde ich Gott geweiht.

Meine Mutter brachte mir dagegen von klein auf bei: „Man hat nur vergessen, dich kleinerweise totzuschlagen; du bist ja sowieso zu nichts nütze.“ So wurde ich verflucht – von meiner Mutter.

Als Pfarrer Partetzke mir viel später diese Geschichte erzählte, sagte er mir auch, dass meine Mutter in einer schweren Notsituation und sehr verzweifelt gewesen sei. Von diesem Tage an hatte er für unsere Familie und speziell für mich gebetet. Ich wusste davon nichts. Aufgrund meiner Erziehung hätte ich das wahrscheinlich auch lächerlich gefunden. In unserer Familie wurde wie gesagt nicht über den christlichen Glauben gesprochen.

Als Pfarrer Partetzke 1985 in Pension ging, zog er aus dem Pfarrhaus aus und wurde der Nachbar meiner eigenen Familie, denn ich hatte 1978 bereits geheiratet und unsere Tochter war schon sieben Jahre alt. So wurden wir viele Jahre später im Plattenbau Nachbarn. Dadurch lernten wir uns persönlich kennen. Auch wenn er ein Geistlicher war und wir eine Funktionärsfamilie, hat uns das nicht an einem freundlichen und sogar persönlichen Umgang miteinander gehindert.

Zu seinem 80. Geburtstag durfte er noch erleben, wie seine Gebete erhört wurden. An diesem Tag wünschte ich ihm zum ersten Mal nicht mehr „alles Gute“, sondern „Gottes Segen“. Da hielt er meine Hände und weinte: „Das ist der schönste Tag in meinem Leben. Dass ich das erleben darf, dass Gott diese Gebete erhört hat, ist das größte Geschenk für mich. Bitte sagen Sie jedem: ‚Wer betet, siegt‘!“

Überleben nicht erwünscht

Подняться наверх