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Der Unterschied

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Der Unterschied

Der wohl augenfälligste Unterschied zwischen der herkömmlichen Sprachlernmethode und jener nach Vera F. Birkenbihl ist, dass letztere einen wesentlichen Bestandteil der traditionellen Methode verbietet: das Pauken von Vokabeln und Grammatikregeln. Darüber mögen Sie sich wundern. Bitte stellen Sie das »Ja, aber …« zurück. Sie werden die Idee dahinter bald nachvollziehen können und wissen, dass Sie beziehungsweise Ihre Schülerinnen und Schüler trotzdem (oder erst recht) einen umfangreichen, aktiven und jederzeit nutzbaren Wortschatz aufbauen können. Birkenbihl stellt dem traditionellen Pauken das Können beziehungsweise Wissen (siehe auch folgendes Kapitel) gegenüber. Der Unterschied lässt sich mit folgenden gegenläufigen Kurven illustrieren.



Pauken wir, mögen Inhalte zwar kurzfristig abrufbar sein. Die Kurve zeigt aber, dass wir den größten Teil schon bald wieder vergessen. Lernen wir jedoch nachhaltig, dann bauen wir laufend auf dem Gelernten auf (kumulierendes Lernen) und die Kurve verläuft nach oben, was auf Nachhaltigkeit und damit auch echte Kompetenz hindeutet. Remo Largo, Kinderarzt und über lange Jahre Leiter der Abteilung Wachstum und Entwicklung des Universitäts-Kinderspitals Zürich, schreibt:

Ein wesentliches Merkmal von Kompetenz jedoch ist Nachhaltigkeit – was weiß der Schüler noch Wochen, Monate und Jahre später? Wenn ein ehemaliger Gymnasialschüler mit 6 Jahren Lateinunterricht nicht fähig ist, bei einem Besuch in Rom die Inschriften an den antiken Denkmälern zu entziffern, zeugt das nicht von einem nachhaltigen Wissen, und damit ist etwas gründlich schiefgelaufen in seiner Schulzeit. (Largo, 2009, S. 244 f.)

Die Birkenbihl-Methode unterscheidet sich in weiteren Punkten von anderen Lernmethoden. Hier eine Übersicht über die wesentlichen Unterschiede, die ich in diesem Buch noch weiter erklären werde.

Traditionelle VorgehensweiseBirkenbihl-Methode
Es werden ausgewählte und isolierte Vokabeln auswendig gelernt und bestimmte Grammatikregeln gepaukt, besonders im Hinblick auf bevorstehende Tests.Vokabeln werden nicht gepaukt, sondern immer im Kontext eines Satzes innerhalb eines vollständigen Textes gelernt. Die Grammatikregeln werden unbewusst abstrahiert.
Es wird fast ausschließlich bewusst gelernt.Es wird bewusst und unbewusst gelernt. Der Lernprozess spielt sich so oft wie möglich nebenbei ab (passives Hören).
Es wird sehr früh, oft schon zu Beginn einer neuen thematischen Einheit, gelesen, geschrieben und gesprochen.Aktivitäten – also Lesen, Schreiben und verschiedene Übungen – sind Teil des letzten von insgesamt vier klar vorgegebenen Lernschritten.

Schülerinnen und Schüler von heute sind gleichzeitig mit diversen anspruchsvollen Schulfächern konfrontiert und viele sehen im Sprachenlernen mehr Last als Lust. Die Fremdsprache nebenbei und ohne zusätzlichen Zeitaufwand zu lernen (in anderen Fächern, während der Busfahrt zur Schule, bei den Hausaufgaben oder in der Freizeit), ist auch für die Lernenden ein verlockendes Angebot. Die Birkenbihl-Methode setzt gerade dort ein, wo wir mit dem traditionellen Schullernen an Grenzen stoßen. Sie ist eine wunderbare Ergänzung und bewirkt, dass diejenigen Aktivitäten, welche in den Schulzimmern bereits ausgeübt werden, auch zu nachhaltigem Lernerfolg führen. Es braucht keine großen Veränderungen, um diese Wirkung zu erzielen. Die Lehrperson braucht nur genau zu wissen, was sie wann wie tut und warum sie es so und nicht anders tut.

Die Birkenbihl-Methode beruht auf vier Lernschritten. Ich gebe im Folgenden einen Überblick über die einzelnen Schritte. Später werde ich selbstverständlich wesentlich tiefer darauf eingehen und Ihnen für jeden Schritt erprobte Praxistipps anbieten.

Erster Schritt: Dekodierung

Einsteiger: Ein Text, der auch als Hörtext vorhanden ist, wird fertig dekodiert (wortwörtlich übersetzt) abgegeben. Die Lernenden markieren die für sie neuen Wörter. Fortgeschrittene: Der fremdsprachliche Text wird selbstständig wortwörtlich übersetzt.


Zweiter Schritt: Aktives Hören

Die Lernenden haben die Dekodierung vor sich. Sie hören den Text in der Zielsprache und lesen gleichzeitig die Zeile in ihrer Muttersprache, in unserem Fall also die deutschsprachige Zeile. So können die Lernenden den Klang der Wörter mit deren Bedeutung verbinden. Einziges Ziel dieses Lernschrittes ist das Verstehen des Textes auch ohne Dekodierung. Um dies zu erreichen, hören die Lernenden den Text mehrmals. Am Ende dieses Lernschrittes macht es für sie keinen Unterschied mehr, ob der Text in der Zielsprache oder in der Muttersprache gehört wird. Beides wird gleich gut verstanden.


Dritter Schritt: Passives Hören

Der Hörtext, den die Lernenden schon verstehen, wird nun passiv gehört. Der Hörtext läuft in einer Endlosschleife leise im Hintergrund. Bewusst sind die Lernenden mit etwas ganz anderem beschäftigt. In dieser Phase werden die Nervenbahnen gefestigt. Durch die vielen unbewussten Wiederholungen verinnerlichen die Lernenden den Wortschatz, die Aussprache, die Satzmelodie und abstrahieren ganz nebenbei die Grammatikregeln.


Vierter Schritt: Aktivitäten

Jetzt sind im Gehirn die erforderlichen Nervenbahnen für die Aktivitäten bereit. In diesen letzten Lernschritt fallen alle Aktivitäten, also Lesen, Schreiben, Sprechen. Zu den Aktivitäten gehören auch Übungen aus dem Schulbuch (Texte, Arbeitsblätter, Übungen etc.).


Wenn Sie die Birkenbihl-Methode im Unterricht (oder zu Hause) ergänzend einsetzen, leisten Sie Vor- statt Nachhilfe. Sie durchlaufen Schritt eins bis drei, bevor der Text mit dem dazugehörigen Wortschatz im Lehrmittel auftaucht. Zu diesem Zeitpunkt sind die Lernenden bereits beim vierten Schritt angelangt und haben garantiert ein Erfolgserlebnis. Die Übungen im Schullehrmittel fallen ihnen leicht, sie können sich aktiv an der Lektion beteiligen und werden von ihrem eigenen Erfolg stets aufs Neue motiviert. Erreicht haben Sie dies als Lehrperson durch die Kombination der Inhalte des Schullehrmittels mit dem strukturierten Vorgehen nach der Birkenbihl-Methode.



1. Frage:Gibt es Studien, welche belegen, dass die Birkenbihl-Methode funktioniert?
2. Frage:Wer hat eigentlich die herkömmliche Art des Sprachenlernens erfunden?
Schlagen Sie die Antworten hinten im Buch nach (ab hier)
Gehirn-gerechtes Sprachenlernen (E-Book)

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