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Kapitel 6

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Michael Campbells Wohnung befand sich in Pimlico, in der Gloucester Street in einem der georgianischen Häuser – natürlich eine der teuersten Wohngegenden von London. Ich bestaunte die elegante weiße Fassade mit dem Säulenvorbau, während ich auf Mrs Forrester wartete. Wie immer war ich zu früh, aber es machte mir nichts aus. Hier sollte ich also jetzt wohnen! Wieder glaubte ich mich wie in einem Traum und beinahe hätte ich Eileens Drohungen vergessen, die wie ein böses Geschwür in meinem Inneren lauerten. Ich hatte keine Ahnung, wie ich aus diesem Verhängnis herauskommen sollte. Ich schob meine düsteren Gedanken beiseite und setzte mein strahlendstes Lächeln auf, als vor dem Haus ein Taxi hielt und Mrs Forrester ausstieg.

„Sie sind pünktlich, das ist gut“, sagte sie knapp und ließ ihren Blick prüfend über mich gleiten. Heute trug ich Jeans, ein Sweatshirt, Sneakers und meinen Anorak in Erwartung, dass ich gleich ordentlich mit der Arbeit loslegen würde.

Sie stieg die Stufen zum Eingang hoch und öffnete die Tür. „Es gibt leider keinen Lift in diesen Häusern“, meinte sie entschuldigend.

„Kein Problem. Ich bin einigermaßen trainiert“, sagte ich und kam mir dumm vor.

Sie ging durch den Flur auf die Treppe zu. „Die Wohnung ist im vierten Stock.“

Ich folgte ihr schweigend, bewunderte das schmiedeeiserne Geländer. Die Stufen waren mit einem dezent gemusterten Teppich in Grüntönen ausgelegt, der das Geräusch unserer Schritte schluckte und dessen Farben zu den zartgrün gestrichenen Wänden passten. Ein Geruch nach teurem Parfüm lag in der Luft und alles war blitzsauber.

Mrs Forrester war ziemlich außer Atem, als wir endlich vor der Wohnungstür standen. Es gab kein Namensschild, nur eine Nummer auf einer Messingplakette und einen Klingelknopf. Sie tippte einen Code auf dem Tastenfeld neben der Tür ein. Ein Summen ertönte und wir betraten die Wohnung.

Ich hielt den Atem an. Das hier war also mein zukünftiger Arbeitsbereich!

Der großzügig angelegte Flur war mit einer wunderschönen Garderobe aus dunklem, mit Schnitzereien verziertem Holz möbliert. Ein kostbar aussehender Orientteppich in gedeckten Rottönen lag auf dem Boden. Ich zog, ohne dazu aufgefordert werden zu müssen, die Schuhe aus.

„Das hier wird Ihre Wohnung sein.“ Mrs Forrester wies auf die Tür zu meiner Rechten. Ich öffnete sie auf ihren Wink und wäre beinahe in einen Freudenschrei ausgebrochen. Ein kleines Appartement nur für mich! Es war alles da: Ein Wohnzimmer, erhellt durch ein Oberlicht, mit einer gemütlich aussehenden Couch, eine Kochnische, das Schlafzimmer mit Blick auf die Straße, im Badezimmer stand eine altmodische Wanne. Eine feine Staubschicht bewies, dass hier schon länger niemand mehr geputzt hatte. „Ihre Vorgängerin hat vor zwei Monaten gekündigt“, meinte Mrs Forrester. „Sie hat geheiratet.“

Das wusste ich schon von dem Gespräch der beiden Frauen im Hyde Park, aber ich sagte natürlich nichts.

Ich war begierig darauf, auch den Rest der Wohnung zu sehen. Die Tür auf der linken Seite des Flurs führte in die Küche und ich war überwältigt. Hier war alles hochmodern und vom Feinsten! Allerdings herrschte ein fürchterliches Chaos. Hier hatte jemand gekocht und nicht aufgeräumt. Schmutziges Geschirr stapelte sich in der Spüle, es roch nach abgestandenem Essen und Alkohol. Das also hatte Michael Campbell gemeint, als er sagte, die Wohnung solle bewohnbar gemacht werden! Hier wartete jede Menge Arbeit auf mich. Ansonsten wirkte der Raum ziemlich unpersönlich. Im Geiste bestückte ich ihn bereits mit Kräutertöpfen und meinen Kochutensilien.

Mrs Forrester nahm keine Notiz von der Unordnung und führte mich weiter durch die dritte Tür in ein riesiges Wohnzimmer. Es musste sich beinahe über die ganze Länge des Hauses erstrecken. Große Fenster gaben den Blick frei auf einen mit Bäumen bestandenen Innenhof. Die Möbel sahen alt und kostbar aus, dunkle Eiche, wie ich vermutete. Ein großer Bücherschrank, der beinahe überquoll, eine breite Couch. Auch hier herrschte Unordnung. Offensichtlich die Überreste einer größeren Party. Ich hielt unwillkürlich den Atem an. Hier musste tatsächlich ordentlich saubergemacht werden.

Straßenseitig lag das Arbeitszimmer. Regale, die aussahen, als stammten sie aus einer alten Bibliothek, vollgestopft mit Büchern, ein Schreibtisch in kreativem Chaos.

Nach kurzem Zögern führte mich Mrs Forrester noch in das Schlafzimmer. Ein riesiges, zerwühltes Bett mit schwarzer Satinbettwäsche dominierte es. Kleidungsstücke lagen verstreut auf dem Boden und ich entdeckte ein schwarzes Spitzenhöschen am Fußende des Bettes, das eindeutig nicht Michael Campbell gehören konnte. Mrs Forrester errötete, als sie meinem Blick folgte und räusperte sich. „Nun ja. Wie schon gesagt – Diskretion ist sehr wichtig.“

Ich warf noch einen Blick in das Ankleidezimmer daneben und in das luxuriöse Bad. Mein Programm für das Wochenende stand fest. Ich würde gleich anfangen, sauber zu machen und danach meine wenigen Habseligkeiten aus Eileens Wohnung holen.

„Wie Sie ja mitbekommen haben, wird Mr Campbell am Montagabend wieder hier sein. Er wird Ihnen selbst seine Wünsche bekanntgeben, aber ich nehme an, da er am Dienstagmorgen bereits um neun Uhr einen Termin im Büro hat, dass er um etwa halb acht Uhr frühstücken wird.“

Das sollte sich machen lassen. „Wie sieht es mit Einkäufen aus? Bekomme ich Haushaltsgeld oder kaufe ich auf Rechnung?“

„Der Großteil geht auf Rechnung, aber Sie bekommen auch Bargeld. Sie werden ein Haushaltsbuch führen, das versteht sich von selbst.“

„Ja, natürlich. Wo kann ich einkaufen?“

„Ein Supermarkt befindet sich zwei Querstraßen weiter, in der Lupus Street. Es gibt auch einen Bauernmarkt in der Nähe, der jeden Freitag stattfindet. Ansonsten werden Sie sich wohl selbst zurechtfinden.“

„Bestimmt.“ Ich zögerte kurz. „Ich danke Ihnen. Ich gebe Ihnen mein Wort, dass ich mein Bestes geben und Mr Campbell nicht enttäuschen werde.“ Bewusst schloss ich den Gedanken an Eileen aus. Vielleicht fand ich eine Möglichkeit, ihre Forderung zu ignorieren. Ich wollte diese Stelle behalten. Mir gefiel diese Wohnung viel zu sehr!

Mrs Forrester teilte mir noch den Code für das Schloss mit. Bevor sie ging, drehte sie sich auf dem Treppenabsatz um. „Ach – beinahe hätte ich es vergessen: Sie haben doch keine Angst vor Hunden?“

„Vor Hunden?“ Ich musste lächeln. „Nein, im Gegenteil. Ich hatte selbst als Kind einen.“

Mein Sunny. Ein Border Collie Mischling, der viel zu früh starb …

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