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Kapitel 6

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Eisiger Wind faucht in Yals Gesicht, der Geruch nach Moder überschwemmt ihn und setzt sich in seiner Nase fest.

Eine Wand aus schwarzem Wasser hebt sich empor, turmhohe Wellen jagen auf ihn zu. Gräuliche Lebewesen mit Schlangenleibern und riesigen Augen tummeln sich darin.

Er reißt den Mund auf und schnappt nach Luft. Stinkendes Wasser füllt seine Lungen und presst den Atem aus ihnen heraus. Er sinkt wehrlos und gelähmt zu Boden.

Silberne Nägel schießen auf ihn zu und heften seine Hände an den Boden. Er spürt nicht, wie sie die Knochen durchbohren, nimmt nur die Kälte wahr.

Überall um ihn herum ist Wasser. Er hält den Atem an, reißt an einem der Nägel, um sich zu befreien. Er löst sich nicht. Eine Wolke von dunklem Blut befreit sich und verteilt sich vor seinen Augen.

Er schreit.

Ein warmer Leib presste sich an ihn, zärtliche Hände streichelten über seine Haut.

Verwirrt blinzelte er und öffnete die Augen. Helles Licht hüllte ihn ein, Catherines Atem strich über sein Gesicht.

„Yal? Hörst du mich? Du hattest eine Vision, nicht wahr?“

Ihre besorgte Stimme holte ihn endgültig in die Wirklichkeit zurück.

„Nein, ich habe geträumt. Es … es ist schon wieder gut.“

Catherine rückte ein wenig von ihm ab und nahm seine Hand. „Nichts ist gut. Das war kein Traum. Du bist eiskalt und zitterst wie Espenlaub. Du solltest mir erzählen, was du gesehen hast.“

Sie kuschelte sich wieder an ihn und streichelte seine Brust. Die Wärme tat ihm gut und vertrieb das Echo der Kälte, die er noch immer spürte. Ob er jemals darüber hinwegkommen würde, was Lalana ihm angetan hatte?

Seine Mutter.

Ein Schauder überlief ihn und er verdrängte den Gedanken. Zu unwirklich erschien er ihm.

Catherine hob den Kopf. Ihr Blick nahm ihn gefangen, das Wissen darin erschütterte sein Innerstes.

„Wir sind eins. Das Zeichen verbindet uns. Nun sag schon“, drängte sie. „Du hast Lalana gesehen, oder?“

Yal schüttelte leicht den Kopf. „Wasser“, murmelte er. „Eisige Fluten und … diese Nägel.“ Seine Haare sträubten sich, als ihn ein Frösteln überlief.

Catherine küsste seine Wange. „Es ist noch nicht vorbei, oder?“

„Ich weiß es nicht. Wirklich nicht. Du hast mir gezeigt, was mit Lalana geschehen ist. Aber sie trägt ihren Elementstein, er hat sie in Besitz genommen, sie gehorcht seiner Magie. Vielleicht gibt er ihr die Kraft, zu überleben. Und mein Blut ist vergossen worden, um die Wesen von Boal’Dur zu erwecken. Es mag nicht viel gewesen sein, aber es könnte reichen, um Unheil anzurichten.“

Er stieß einen zitternden Seufzer aus. „Es ist alles meine Schuld. Ich war zu schwach. Hätte ich Varruk widerstehen können, wäre das alles nicht geschehen. Mit diesem Bewusstsein kann ich nicht weiterleben.“

„Was willst du tun?“ Catherine löste sich von ihm und starrte ihn beunruhigt an.

„Sobald ich wieder stark genug bin, werde ich mich Varruk stellen müssen und ihm die Elementsteine entreißen. Sie sollten an einen Ort gebracht werden, an dem sie für niemanden erreichbar sind, damit sie keinen Schaden mehr anrichten.“

Er rappelte sich auf und schlüpfte in die weiße Robe. „Ich muss mit Irisana Reguvil sprechen. Unsere Zeit hier läuft ab.“

Catherine beeilte sich, ihm zu folgen. Er lief schweigend voran, kümmerte sich nicht darum, ob sie mit ihm Schritt halten konnte, war viel zu sehr in Grübeleien vertieft. Sie versuchte, mit ihm Verbindung aufzunehmen, seine Gedanken aufzufangen, aber es ging nicht. Eine Wand tat sich in ihrem Inneren auf, die jegliche Vertrautheit verhinderte.

Wir sind eine Einheit und doch zu verschieden. Niemals werde ich seine Magie mit ihm teilen können. Er wird am Ende alleine sein mit seinen schlimmsten Gegnern.

Der Gedanke daran ließ Angst in ihr aufsteigen. Was, wenn er scheiterte? Wenn all ihre Bemühungen, ihn zu retten, umsonst gewesen waren?

Ich werde sterben, wenn du dein Leben verlierst!

Yal blieb abrupt stehen und drehte sich zu ihr um. „Was hast du gesagt?“

„Nichts“, wehrte Catherine ab und bemühte sich, ihr Inneres zu verschließen, aber es gelang ihr nicht. Es gab zu viel, vor dem sie sich fürchtete.

Er schloss sie in die Arme und zog sie fest an sich. „Ich kann dir keine sichere Zukunft versprechen, meine Liebste. Vielleicht hast du recht und wir sterben bei dem Versuch, den Wahnsinn aufzuhalten. Aber wenn es so sein soll, dann wird es in der Gewissheit geschehen, dass wir beide uns gefunden und unser Schicksal erfüllt haben.“

Sie löste sich von ihm. „Hast du keine Angst?“

In seinen Augen glomm ein Funke auf. „Doch, sehr große sogar. Am schlimmsten ist die Gewissheit, dass du mit hineingezogen wirst in etwas, das nicht wirklich dich betrifft. Du solltest nichts mit magischen Machtkämpfen zu tun haben müssen.“

„Ich weiß. Ich kann dir nicht helfen. Manchmal wünschte ich, auch die Elemente beherrschen zu können.“

Er strich eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht und sah sie ernst an. „Aber du hast mir schon so sehr geholfen. Du hast mich aus Boal’Dur geholt. Ohne dich und deine Liebe hätte ich nicht überlebt. Das ist deine Stärke. Sie ist vielleicht größer als jede magische Begabung.“

Yal küsste ihre Stirn. „Und jetzt komm. Die Herrin des Lichts sollte über die Gefahr Bescheid wissen, die Ana’Mayn droht.“

Er fasste Catherines Hand und eilte mit leichten Schritten den Abhang hinunter, auf den Tempel zu.

Zwei Lichtmagierinnen hielten sie auf und versperrten ihnen den Weg. Yal lächelte. „Ich habe nicht vor, euer Heiligtum zu entweihen. Aber ich muss eure Herrin sprechen.“

Im gleichen Moment löste sich eine helle Wolke aus dem Licht des Tempels, schwebte auf sie zu und formte sich zu der schlanken Gestalt der Lichtmagierin.

„Yal Rasmon? Ah, ich sehe, du hast dich bereits erholt.“ In der glockenklaren Stimme klang Spott.

Yal hob die Augenbrauen und verneigte sich leicht. „Es freut mich, Euch zu sehen, Herrin des Lichts. Und ich möchte es nicht versäumen, Euch zu danken, dass Ihr mir Zuflucht gewährt habt. Ihr könnt gewiss sein, dass wir Euch bald von unserer Anwesenheit befreien werden.“

„Oh.“ In den goldenen Augen der Lichtmagierin leuchtete ein Funke auf. „Es wird eine Freude für mich sein, euch bei der Abreise behilflich zu sein.“

Catherine schnappte nach Luft. Yal warf ihr einen flammenden Blick zu, der sie zu schweigen hieß.

„Bevor wir gehen, wollte ich Euch warnen“, sagte er mit breitem Lächeln. Er genoss das Wortduell mit der Lichtmagierin.

„Mich warnen? Ich wüsste nicht …“

Yal unterbrach sie mit einer eleganten Handbewegung. „Varruk hat sich in den Kopf gesetzt, sämtliche Elementsteine an sich zu bringen. Er ist bereits im Besitz des Feuersteins und des Erdsteins. Den Stein des Wassers wird er nicht so schnell bekommen, dafür sorgt sicherlich Lalana Yallasir.“

„Ich dachte, sie wäre tot?“ Irisana musterte ihn ungläubig.

Yal zuckte mit den Schultern. „Ich kann es nicht mit Sicherheit sagen. Aber zumindest dürfte es für Varruk nicht leicht sein, ihren Elementstein zu finden. Er müsste nach Boal’Dur gehen. Dieses Wagnis wird er nicht so ohne weiteres auf sich nehmen. Also wird er zuerst danach trachten, den Lichtstein in seinen Besitz zu bringen.“

Irisana schüttelte den Kopf. „Er kann nicht nach Ana’Mayn gelangen. Unsere Insel ist gut geschützt. Außerdem haben wir den Stein nicht.“

„Seid Ihr sicher?“

Die Lichtmagierin musterte Yal durchdringend und forschte in seinen Gedanken. Dann nickte sie ernst. Jeglicher Spott war aus ihrer Miene verschwunden. „Er könnte also doch hier sein, aber seine Bedeutung ist nicht offenbar“, sagte sie nachdenklich. „Eine Ironie des Schicksals, dass wir den Zugang zu unseren Welten nicht finden können, weil wir das wahre Wesen der Schlüssel nicht erkennen. Aber ich sehe nicht, inwieweit das eine Gefahr für uns sein könnte. Wenn wir ihn nicht erkennen, kann es auch Varruk nicht.“

„Er hat die Abbilder der Elementsteine“, erinnerte Yal sie. „Aber er muss sich der Lichtmagie bedienen, um den Stein finden zu können. Er kann zwar nicht auf die Insel kommen, aber es genügt, wenn er einen Lichtmagier in seine Gewalt bringt. Ihr solltet also dafür sorgen, dass alle hier auf der Insel Zuflucht nehmen.“

Irisana nickte. „Es sind nicht viele. Einige der Männer leben außerhalb von Ana’Mayn. Die meisten Frauen halten sich hier auf.“

Catherine hatte das Gespräch bis jetzt stumm verfolgt. „Dann wäre es wohl besser, Neerma nicht zu verbannen“, platzte sie heraus.

Irisana zuckte zusammen und warf ihr einen glühenden Blick zu. Catherine bemühte sich, ihm standzuhalten, obwohl ihr Herz wild zu klopfen begann.

Schließlich war es Irisana, die sich von ihr abwandte und mit leichtem Lächeln zu Yal sagte: „Ich danke dir für deine Offenheit. Ihr werdet die Insel verlassen, sobald alle magischen Wesen meines Elements in Sicherheit sind. Gemeinsam werden wir uns zu schützen wissen. Was gedenkst du zu tun?“

„Ich werde Varruk aufhalten müssen. Noch weiß ich nicht, wie ich das anstellen soll, aber es wird sonst niemanden geben, der das übernimmt.“

Irisana musterte ihn. „Eine wahrhaft große Aufgabe. Mögen die Wesen der Elemente mit dir sein.“

Ein leichtes Flirren huschte über ihre Gestalt, dann löste sie sich auf und verschwand.

Blöde Zicke, dachte Catherine. Ich bin froh, wenn ich sie nicht mehr sehe.

Yals Lachen füllte ihren Kopf. Ach was! Sie ärgert sich nur, weil ich mehr weiß als sie. Aber warum sollte sie Neerma verbannen?

„Sie hat uns geholfen. Die Arme muss jetzt für ihre Barmherzigkeit büßen. Ich habe kein gutes Gefühl dabei, sie hier in der Gewalt dieser hochnäsigen Schönheit zurückzulassen.“

„Aber Neermas Element ist nun einmal das Licht und auf der Insel ist sie besser aufgehoben als an jedem anderen Ort.“

„Ich weiß.“ Catherine seufzte. „Aber ist es nicht eigentlich seltsam? Warum …?“ Sie verstummte.

Ein leichter Schatten flog über Yals Gesicht, aber dann lächelte er. „Du meinst, warum sie im Gegensatz zu mir so eindeutig einem bestimmten Element angehört, obwohl wir beide gleichen Ursprungs sind? Noch dazu einem, dem weder ihre Mutter noch ihr Vater entspricht?“

Sie nickte, ein wenig beschämt. „Es tut mir leid. Ich wollte nicht …“

Er nahm ihre Hand. „Es gibt keine Antwort darauf. Eine Fügung des Schicksals. Es geschieht manchmal, dass der Große Geist mit den Kindern der Elemente spielt. Vielleicht will er sich so noch immer für unser Dasein rächen.“

„Wie kommst du darauf?“

„Nun – wir Magier sollten eigentlich nicht existieren. Wir wurden in Zorn und Selbstsucht von den Elementwesen geschaffen und diese Last müssen wir tragen.“

Catherine schüttelte den Kopf. „Scheint mir eine ungerechtfertigte Bürde zu sein.“

Yal zuckte mit den Schultern. „Ich kann damit leben. Auch damit, dass ich niemals eine Familie hatte. Deshalb ist mir der Gedanke, Lalana Yallasir als meine Mutter und Neerma als meine Schwester zu sehen, fremd. Ich weiß, du machst dir Sorgen deswegen, aber das brauchst du nicht. Für mich bist nur du wichtig. Du hast mich gelehrt, zu lieben und ich bin dankbar für jeden Tag, den ich mit dir verbringen darf.“

Diener des Feuers

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