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Kapitel 2

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Die Wände der Hütte bewegten sich mit leisem Knarren. Nein, keine Wände – eigentlich waren es Baumstämme, dicht zusammengedrängt, um Schutz zu bieten. Ihre Äste und Blätter bildeten das Dach und woben eine grüne, luftige Decke über Harks Kopf. Er zuckte zusammen, als erneut die Stimmen der Bäume erklangen. Beinahe ununterbrochen wisperte es um ihn herum in einer unverständlichen Sprache. Er zog den Kopf ein, versuchte das Unbehagen zu unterdrücken und nicht daran zu denken, dass er ständig beobachtet wurde.

„Du hast noch immer Angst, nicht wahr?“ Die tiefe, weiche Stimme gehörte seiner Gastgeberin.

Hark fuhr wieder zusammen. „Nein“, log er und lächelte schief.

Die Frau kam lautlos näher und stellte eine Schale mit einer grünlichen Flüssigkeit vor ihn auf den Boden.

„Was ist das?“ Hark beäugte das Getränk misstrauisch und schnupperte. Nach Kräutern duftender Dampf entstieg dem Gefäß. Es roch eigentlich ganz angenehm. Leicht bitter und süß zugleich.

„Verbinblüte und Süßkrautblätter.“ Die Frau lachte. „Kein Gift, nichts, was dir irgendwie schaden oder dich womöglich verwandeln würde. Nur Tee, um dich ein wenig zu beschäftigen, damit du mich nicht ständig anstarren musst.“

„Oh, tut mir leid“, murmelte Hark. Hitze schoss in seine Wangen und er vermied bewusst, sein Gegenüber anzusehen.

Seit die Waldmenschen ihn und Alfryd zu dieser Erdmagierin gebracht hatten, glaubte er, in einem seltsamen Traum gefangen zu sein. Die Hütte, die eigentlich keine war, diese merkwürdige Frau, die trotz ihrer harmlosen Erscheinung etwas Furchteinflößendes hatte, die Heilung seines Bruders – all das ging über sein Begreifen hinaus.

Er warf einen Seitenblick auf Alfryd. Sein Bruder schlief noch immer, auf dem Bauch liegend, den Rücken bedeckt mit einer modrig riechenden Paste. Sie sollte dafür sorgen, dass die Wunden heilten. Dies und die unverständlichen Sprüche, welche die Frau gemurmelt hatte, während sie das merkwürdige Gemisch auf die Verletzungen strich. Das Fieber war augenblicklich gesunken, nachdem die Erdmagierin Alfryd unter seinen wachsamen Blicken einen dickflüssigen Trank eingeflößt hatte, der scheußlich schmecken musste. Zumindest hatte der Kranke das Zeug nur widerwillig geschluckt.

Hark konnte sich nicht vorstellen, dass das alles seinen Bruder heilen sollte. Aber zumindest waren sie beide noch am Leben und wie es aussah, schadete Alfryd die Behandlung nicht.

Ein Klirren lenkte Harks Aufmerksamkeit wieder auf die Erdmagierin. Sie zerkleinerte mit einem Stößel Kräuter in einer Steinschale. Tatsächlich eine merkwürdige Frau. Ihr Haar war grasgrün, eine hellbraune Strähne verlief über ihren Scheitel bis in die Spitzen der hüftlangen Flut. Ihr Alter war schwierig zu schätzen. Dem ebenmäßigen Gesicht nach hätte sie vielleicht gut zwanzig Sommer zählen können. Wären da nicht die spitzen Ohren und die seltsame Ausstrahlung gewesen, hätte man sie als schön bezeichnen können. Es mochte auch an ihren Augen liegen, die ständig die Farbe wechselten, dass Hark sie unheimlich fand. Oder einfach daran, dass sie wohl doch magische Kräfte hatte. Er wäre auf jeden Fall lieber weiter durch den Wald gezogen, als hier zu sitzen, dieser unheimlichen Frau bei der Arbeit zuzusehen und zu warten, bis Alfryd aus dem Heilschlaf erwachte.

„Es wird nicht mehr lange dauern“, sagte die Magierin in seine Gedanken.

Hark zuckte zusammen und fühlte sich ertappt. Die Frau lachte. „Du bist schreckhaft wie ein Kaninchen, du Armer! Habe ich dir schon gesagt, dass ich ganz harmlos bin?“

Er nickte, ließ sie aber nicht aus den Augen. Auch der Klang ihrer Stimme erschreckte ihn. Sie war so tief wie die eines Mannes und passte überhaupt nicht zu ihrem zierlichen Äußeren.

„Ihr beide habt Glück gehabt, weißt du?“, sagte sie, diesmal ohne jeden Spott.

Hark räusperte sich. „Warum?“

Die Frau kam auf ihn zu. Er wich ein wenig zurück, verwünschte sich im gleichen Moment für diese Reaktion. Er wollte keinesfalls ihren Zorn wecken.

„Weil es für die meisten von uns nicht selbstverständlich ist, Menschen zu helfen. Ihr bringt euch ständig in Schwierigkeiten, seid schwach und unbedacht, kaum unserer Aufmerksamkeit wert, obwohl wir vom Element der Erde euch damals in den Großen Kriegen unterstützt haben.“ Ihre Augenfarbe wechselte von tannengrün auf goldgelb. „Das ist lange her, ich weiß. Ich hätte deinen Bruder sterben lassen können.“

Hark schluckte. „Und … warum hast du es nicht getan?“

„Weil er die Geschicke dieser Welt beeinflussen wird. Er ist wichtig.“

Er starrte sie stumm an. Was sollte das wieder heißen? Sie konnte wohl auch in die Zukunft sehen.

Die Erdmagierin wandte sich ab. „Bald wird Unheil über Findward hereinbrechen.“ Leichte Trauer schwang in ihren Worten mit, aber vielleicht täuschte er sich auch.

„Es wird Kampf geben. Perwyn von Berinward wird die Schmach, die ihm angetan wurde, nicht ungesühnt lassen. Er wird den Tod seines Sohnes rächen wollen, selbst wenn Findward daran unschuldig ist. Doch das ist noch nicht alles. Kräfte wurden geweckt, die besser für immer geruht hätten. Aber auch das wird seinen Sinn haben. Es wird Wesen geben, die über sich hinauswachsen, die neue Fähigkeiten entdecken und sie anzuwenden lernen. Alles ist dem Wandel unterworfen, nichts bleibt für immer, wie es ist.“

Hark schüttelte den Kopf. Er verstand nicht. Er wollte zu einer Antwort ansetzen, wurde aber von einem leisen Stöhnen unterbrochen. Alfryd bewegte sich und schlug die Augen auf. Sofort war Hark an seiner Seite.

„Lass mich zu ihm.“ Die Erdmagierin drängte ihn vom Lager fort. „Ich muss den Verband abnehmen.“

Alfyrd starrte die Frau entsetzt an, machte eine schwache Bewegung der Abwehr. Die Magierin strich behutsam über seine Stirn und murmelte dabei etwas Unverständliches. Sofort schloss er die Augen wieder und schlief weiter. Geschickt löste sie die harte Kruste vom Rücken des jungen Mannes. Der Modergeruch war verschwunden, der Verband zerfiel zu Brocken. Darunter kam rosige, neue Haut zum Vorschein. Hark starrte mit offenem Mund auf den Rücken seines Bruders. Keine Narbe, nicht die geringste Spur einer Verletzung war mehr zu sehen.

„Das … das ist ein Wunder“, stammelte er schließlich.

„Nenn es, wie du magst. Er wird äußerlich heil und ganz sein. Sein Inneres kann ich nicht beeinflussen“, sagte die Magierin ernst. „Es wird die Aufgabe eines anderen sein, ihm seine Angst zu nehmen und die deine, ihn seiner Bestimmung zuzuführen.“

„Welcher Bestimmung?“

Ein leises Lächeln huschte über das Gesicht der Frau. „Er wird Großes vollbringen. Etwas, wovon ein Mann seiner Herkunft niemals zu träumen wagen würde. Aber du musst ihm helfen, seine Zweifel zu überwinden. Steh zu ihm, schütze sein Leben mit dem deinen. Höre auf deine innere Stimme und folge ihr. Dann wird alles so geschehen, wie es geschehen soll.“

Hark nickte stumm. Er hatte noch immer keine Ahnung, wovon die Magierin sprach.

Diener des Feuers

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