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Rigoroser Reggae
ОглавлениеLondon, mitten in Camden Town
“Fast fertig”, kündigte Edwina an und brachte letzte Schattierungen rund um den grimmig dreinschauendenden Totenkopf an, den sie gerade tätowiert hatte. Und zwar mitten auf die rechte Brust des fast genauso finster wirkenden Möchtegerngangsters namens ‚Bad Bone Bronco‘. Bronco versuchte sich als Rapper, obwohl ihm nach Edwinas Meinung jegliches Talent dafür fehlte. Sie hatten sich neulich in einem Hinterhofclub kennengelernt, wo er unmittelbar nach ihrer Band auf die Bühne gegangen war und sich mangels Rhythmusgefühl bis auf die ‚bad bone‘-Knochen blamiert hatte. Wahrscheinlich hoffte er, dass seine Karriere nun durch ein wildes Tattoo auf wundersame Weise in Schwung kam.
Edwina wischte die überschüssige Farbe weg und ließ die Maschine weitersurren. Sie zählte sich selbst zu den besten Tätowiererinnen der Stadt, aber zaubern konnte sie nicht. Leider. Sonst hätte sie sich selbst schon einen Sack voll Gold und eine glänzende Karriere als Rocksängerin herbeigehext.
Mit ruhiger Hand zog sie einen letzten Strich, nickte zufrieden und schaltete die Tätowiermaschine aus.
„So, jetzt darfst du das Kunstwerk bewundern.“ Sie fuhr den Stuhl, auf dem Bronco lag, hoch, damit er sich im Spiegel betrachten konnte.
„Bloody hell“, sagte er und starrte seine Reflexion begeistert an. „Der sieht krass aus, richtig zum Fürchten. Passt super zu mir.“
„Ja, klar“, erwiderte Edwina trocken, verkniff sich ein Grinsen und legte die Folie zum Abdecken bereit. Bronco war ein mageres Bürschchen mit schmalen Schultern unter der Lederjacke. Den würde sie mit einem einzigen Schlag aus den Latschen hauen, wenn sie es darauf anlegte. Und dabei war sie selbst eher zierlich. Aber halt tough. Was man von ihm nicht unbedingt behaupten konnte.
Er hatte sich einen „richtig hammerhart morbiden Skull“ gewünscht, also hatte sie ihm einen barocken Totenkopf gezeichnet und tätowiert. Der Schädel schwebte nicht einfach irgendwie in der Luft, sondern thronte wie bei einem alten Gemälde auf einem Tisch und war umgeben von verwelkten Rosen und toten Insekten, denn der Wunsch des Kunden war ihr nun mal Befehl. Wer ein morbides Kunstwerk bestellte, bekam bei ihr ein fein abgestimmtes Stillleben mit kleinsten Details und professioneller Ausführung. Edwina würde zur Not auch ein Einhorn mit rosa Flügeln als „morbides“ Wesen zeichnen oder im Feldhasen-Stil von Albrecht Dürer designen, denn sie brauchte die Kohle, die sie hier in Gareth’s Tattoo-Studio verdiente. Und sie liebte es, dass sie in ihrem Job ihre kreative Ader ausleben konnte, allerdings viel zu selten. Lieber hätte sie ihre Bilder auf echte Leinwände gepinselt, aber diese Kunst war nun mal brotlos, also arbeitete sie hier an der Nadel und verzierte alle möglichen Körperstellen mit ihren eigenen Entwürfen, egal ob morbide Skulls, niedliche Hundewelpen oder – wie neulich bei einem Kunden – eine Alien-Versammlung auf dem Trafalgar-Square.
„Richtig geil“, wiederholte Bronco und bewunderte seine Brust von allen Seiten. „Aber du machst mir doch einen Freundschaftspreis? So als Musikerkollege und alles?“
Statt eines Rabatts schenkte Edwina ihm einen knallharten Blick.
„Kumpel, du solltest lieber froh sein, dass du so ein Einzelstück bekommen hast! In anderen Studios nehmen sie nämlich irgendwelche Schablonen, aber ich habe dir ein absolutes Unikat verpasst, also sei gefälligst dankbar.“ Dass er noch nie ein barockes Stillleben gesehen hatte, war ihr klar. Aber ein wenig würdigen sollte er ihre Kunst schließlich schon.
Wie erwartet, zog er sofort den Schwanz ein. „Ist ja gut“, erwiderte er kleinlaut. „Ich hab gedacht, ich frag halt mal und so.“
Oh Mann, der war echt ein windiges Bürschchen. So einer käme für sie nie infrage, ein Kerl sollte Rückgrat haben! Okay, ihr Kenny war vielleicht kein absoluter Traummann, aber zumindest hatte er Rhythmus, eine Portion Mut und sehr gelenkige Finger. Also - beim Solo auf der Gitarre. In anderer Hinsicht ließ sie ihn nämlich zur Zeit zappeln, denn das Rumgemache auf der Party neulich mit dieser Rothaarigen verzieh sie ihm nicht so leicht.
„Habt ihr bald wieder einen Gig?“, fragte Bronco einlenkend, während er ein paar Scheine aus seiner Hosentasche zog.
„Ja, steht einiges auf dem Plan.“ Sie wollte keine Details verraten, weil er sonst am Ende noch auf die Idee kam, sich als Special Guest einladen zu lassen. „Wir proben ziemlich viel, haben eine Menge Ideen für neue Nummern. Wenn ich hier aufgeräumt habe, fahr ich sofort rüber zum Band-Raum, dann wird gerockt.“
Dass sie mit ganz viel Glück einen Plattenvertrag in Aussicht hatten, band sie ihm lieber nicht auf die Nase, auch wenn sie bei diesem Gedanken immer richtig hibbelig wurde. Es wäre einfach toll, groß rauszukommen! Und die Band hätte es echt verdient, die Jungs und sie arbeiteten verdammt hart an ihrem Sound.
„Ah, okay. Dann will ich dich nicht aufhalten.“
„Ist schon okay, wir haben ja jetzt erst Ladenschluss.“ Sie sollte ruhig etwas freundlich zu Bronco sein, er war schwer in Ordnung. „Steht dir wirklich gut, der Skull“, sagte sie deshalb mit wärmerer Stimme. „Ich wette, deine weiblichen Fans werden dich von der Bühne zerren, sobald du dein Shirt ausziehst.“
„Meinst du echt?“ Auf seinem schmalen Gesicht blühte ein Strahlen auf.
„Na ja, es ist auf jeden Fall ein sexy Tattoo“, bestätigte sie. „Und eins, das nicht jeder hat.“
Er nickte und sah stolz auf sich herunter, bevor er in seinen Pulli schlüpfte. „Es macht richtig was her. Und ich schau damit tougher aus, nicht wahr?“
„Absolut. Außerdem hast du total ruhig gehalten beim Stechen, da habe ich schon ganz andere Sachen erlebt. Hut ab, Bronco.“
Nun strahlte er fast so hell wie die medizinische Lampe über dem Stuhl.
„Bin halt ein echter Kerl“, sagte er und bemühte sich um eine etwas tiefere Stimmlage.
„Ja, total“, behauptete Edwina und schmunzelte in sich hinein. Er war zwar völlig unmusikalisch, aber ansonsten ganz okay. Und wenn sie ihm heute mit dieser dreistündigen Nadelsitzung zu ein bisschen mehr Selbstbewusstsein verholfen hatte, war das doch irgendwie ein gutes Werk. Außerdem spülte es Geld in Gareth‘s Kasse und zahlte somit ihr Gehalt.
Edwina kassierte und gab ihm noch letzte Anweisungen, wie er sein neues Tattoo zu pflegen hatte. Anschließend schloss sie hinter ihm die Tür ab, desinfizierte alles gewissenhaft und schlüpfte schließlich in ihre Jacke.
Als sie hinausging, zog sie schnell den Reißverschluss zu. Ein eisiger Winterwind fegte durch Londons Straßen und wirbelte ein Papiertuch herum, das jemand achtlos fallen gelassen hatte. Edwina erkannte den lilafarbenen Aufdruck, es war eine Serviette aus dem naheliegenden Café. Umgehend begann ihr Magen zu knurren, denn sie sah die leckeren Pizzataschen und saftigen Muffins förmlich vor sich, die dort angeboten wurden. Aber ihr Kontostand sorgte dafür, dass sie lieber die andere Richtung einschlug. Zu Hause hatte sie noch eine Packung Nudeln herumstehen, die mussten reichen als Abendessen. Wenn sie ganz viel Glück hatte, schleppte Mike, der Keyboarder, wieder mal einen halben Kuchen zur Bandprobe mit, denn seine Nachbarin war neuerdings dem Backwahn verfallen.
Obwohl ihr der eisige Wind in den Kragen fuhr und sie eigentlich schon längst bei der Probe hätte sein sollen, blieb sie vor dem Schaufenster einer Buchhandlung stehen. Neben den üblichen vorweihnachtlichen Ratgebern für selbstgetöpferte Geschenke und gehäkelte Christbaumkugeln lag ein Buch über Janis Joplin.
„Ihr erstaunlicher Weg zum Erfolg“, las Edwina halblaut den Titel und betrachtete fasziniert das Foto der berühmten Bluesrock-Sängerin. Janis stand am Mikro, hatte die Arme ausgebreitet und die Augen geschlossen, war total in den Song versunken. Wie glücklich sie aussah! Sie trug eine bunte Batikbluse, ihr widerspenstiges Haar flatterte wild herum und sie war ungeschminkt. Janis war keine dieser modernen Popschönheiten, die ihr Geld ebenso gut als Model verdienen könnten. Aber der Ausdruck in ihrem Gesicht faszinierte Edwina so sehr, dass sie kaum ihren Blick losreißen konnte. So sah wahre Hingabe aus. So war es, wenn ein Künstler vollständig in seiner Musik aufging.
Einen Moment lang war sie versucht, hineinzugehen und das Buch zu kaufen. Einfach, weil sie wissen wollte, wie Janis diesen kometenhaften Aufstieg geschafft hatte. Aber es war ein Hardback und kostete saftige fünfundzwanzig Pfund, das war ihr dann doch zu teuer. Zumal sie das Meiste wahrscheinlich schon wusste. Janis hatte – genau wie sie selbst – ein Talent zum Zeichnen gehabt und deshalb als Kind Kunstunterricht erhalten. Okay, Unterricht hatte sie, Edwina, nie bekommen, aber ansonsten gab es noch mehr Gemeinsamkeiten. Janis hatte sich das Singen nämlich auch selbst beigebracht, hatte die uralten Blueslegenden wie Bessie Smith gehört, war in der Schulzeit Außenseiterin gewesen und irgendwann als Sängerin in einer Band eingestiegen.
Nur war sie dann halt entdeckt worden und zum Weltstar aufgestiegen. Edwina seufzte leise. Wie sehr hoffte sie, dass ihr das auch passierte! Dass sie irgendwann auch vor so großem Publikum stehen und ihr Gesicht vielleicht auf einer CD-Hülle zu sehen sein würde.
„Rücken Sie mal zur Seite“, riss die nasale Stimme einer Frau sie aus ihren Träumen. Edwina fuhr herum. Neben ihr stand eine dieser typischen Londoner High Society-Ladys, die man sofort an ihrer teuren Garderobe, dem hochnäsigen Blick und der akzentuierten Aussprache erkannte. Gott, Edwina hasste diese eingebildeten Zicken!
„Ich denke gar nicht daran!“, gab Edwina zurück. Sie hatte schließlich das gleiche Recht, hier zu stehen, wie diese Schnepfe im karamellbraunen Kaschmirmantel und den goldenen Muscheln an den Ohren.
Doch die Dame musterte sie von oben bis unten. „Sie sehen nicht aus, als würden Sie hier wirklich einkaufen wollen“, säuselte sie in diesem arroganten Upperclass-Akzent, der Edwina immer rasend machte. Nur weil sie schwarze Boots, eine löchrige Jeans, ein Nasenpiercing und eine Lederjacke trug, die ihre besten Zeiten schon hinter sich hatte, hieß das noch lange nicht, dass sie nie eine Barnes and Noble-Filiale betrat!
„Moment mal!“ Edwina baute sich vor der Lady auf, doch ein Mann im Anzug unter dem schwarzen Mantel kam von der anderen Seite auf die Frau zu.
„Penelope, Liebes, da bist du ja!“, rief er und bot ihr seinen Arm an. „Komm, wir kaufen jetzt die Läden leer, ich habe schon ein paar ganz wundervolle Geschenke gesehen. Dieses Teeservice mit den zartrosa Magnolienblüten ist eine Augenweide!“
Die beiden rauschten ab.
„Penelope!“, wiederholte Edwina zynisch. „Wer zum Henker heißt denn so?“
Bestimmt hatte die noch Schwestern, die auf die Namen Kassandra, Athena und Kassiopeia hörten, oder was die griechische Mythologie, die den Eltern auf ihrer Privatschule eingetrichtert worden war, eben so hergegeben hatte. Und die ganz entzückt waren, wenn sie von Schwager Agamemnon ein blassrosa Teeservice als Weihnachtsgeschenk überreicht bekommen würden.
Okay, Edwina wäre auch kein Name, den sie einer Tochter verpassen würde, aber er klang zumindest nicht nach Altertum und Angebertum.
Ihr Handy klingelte. Es war Kenny. „Hey, wo bleibst du denn?“
„Bin schon auf dem Weg zu euch“, sagte sie und marschierte jetzt eilig zur nächsten U-Bahn-Station.
Gleich würde sie dort sein und zusammen mit den anderen ein paar Hammernummern raushauen. Beim nächsten Auftritt würde dann endlich der Talentscout Corey Carpenter auftauchen, dem sie das Demoband geschickt hatte, und dann würde sie es irgendwann all diesen Penelopes und Persephones und Pandoras zeigen, die nur in ihren langweiligen Westend-Villen herumhockten, während sie, die ungebildete Edwina, die größten Hallen der Welt rockte und das Publikum ihr zu Füßen lag!
Yes!
Diese Vorstellung tat richtig gut. Voller Elan stieg Edwina in die Bahn und betrat eine Viertelstunde später den Probenraum, in dem der Rest von „Heaven’s Nightmare“ bereits versammelt war. Sogar ihre Wut auf den untreuen Kenny war fast verflogen. Sie begrüßte den Gitarristen mit einem Kuss, warf Tasche und Jacke auf den Verstärker und schnappte sich das Mikro.
Dann ging es auch schon los mit einem Song, den Kenny komponiert hatte.
„Like a hurricane I came into your life”, röhrte sie ins Mikro.
Doch bei der zweiten Nummer brach Keyboarder Mike plötzlich mitten im Refrain ab.
„Ist doch alles Scheiße, was wir hier machen“, sagte er und verschränkte die Arme. „Lauter kommerzieller Käse.“
„Sag mal, hast du den Arsch offen?“, regte Kenny sich sofort auf. „Die beiden Nummern sind der Wahnsinn, damit kommen wir groß raus. Die Labels fahren garantiert voll ab auf Eddies Stimme und auf meine Riffs. Vor allem natürlich auf meine eigenen Songs.“
„Kein Mensch will so was hören“, rief Mike. „Mir ist das viel zu wenig Grunge.“
Nicht schon wieder! Edwina verdrehte die Augen.
„Mike, wir haben doch darüber abgestimmt, dass wir keine Setlist aus lauter Nirvana-Nummern machen.“ Wieso fing er immer wieder damit an?
Doch er war bockig wie ein Kleinkind. „Ihr seid solche Idioten!“, fauchte er. „Ich hab euch schon tausend Mal erklärt, was wir spielen müssen. Eine Fusion aus Grunge, Hard Reggae und Dubstep! Das ist was, das niemand sonst macht!“
„Ja, weil es keiner hören will“, konterte Brian und biss ungerührt in einen Apfel.
„Genau“, pflichtete Edwina ihm bei. „Wir wissen doch, wo unsere Stärken sind. Kenny schreibt uns eigene Songs, wir wollen doch mehr in Richtung Retro-Style. Mensch, darüber haben wir doch schon oft geredet! So Sachen, wie Amy Winehouse sie gemacht hat, sind wieder voll im Kommen.“
„Und das haben wir super drauf“, ergänzte Brian.
„Bullshit!“ Mike wurde immer lauter. „Ihr Affen habt ja keine Ahnung! Das ganze alte Zeug ist stinklangweilig, damit lockt ihr keinen einzigen Produzenten hinterm Ofen vor. Warum kapiert ihr das nicht, verdammt? Man muss Spannung aufbauen in einem Song, hört doch mal, ich zeig’s euch. Der Drop! Die richtig rigorosen Reggae Beats! Dazu ein Einschub von Smells Like Teen Spirit. Das ist die Zukunft!“
Er drückte ein paar Knöpfe und ließ dann einen ohrenbetäubenden Lärm durch den Probenraum schallen. Edwina war kurz davor, sich die Ohren zuzuhalten – und das hatte sie nicht mal bei diesem höllenlauten Manowar Konzert getan! Ihr Kumpel Rocco, der dort als Türsteher arbeitete, hatte sie damals eingeschleust. Mike simulierte mit dem Keyboard kreischende E-Gitarren, dazu schaltete er einen treibenden Technobeat, der unterbrochen wurde von ein paar Reggae-Takten, die überhaupt nicht hineinpassten. Der Beat schwoll immer mehr an, aber ohne irgendwohin zu wollen. Mittendrin brüllte Mike dann plötzlich Kurt Cobains „I feel stuuupid and contaaagious“ hinein.
Fuck, drehte er jetzt völlig durch?
Entsetzt starrte Edwina ihn an.
In Kenny hingegen war während der letzten Takte Leben gekommen. Er fackelte nicht lange und zog den Stecker von Mikes Keyboard aus der Dose.
„Das ist der größte Dreck, den ich je gehört habe!“, rief er. Feingefühlt gehörte nicht unbedingt zu Kennys Stärken, aber Edwina musste ihm dieses Mal leider recht geben.
„Und ihr seid die größten Idioten, weil ihr nicht erkennt, wo der Trend hingeht!“, schrie Mike. „Ihr könnt mich alle mal.“
Er sprang auf, packte sein Keyboard und stürmte wutschnaubend hinaus.
Brian ließ seinen Apfel sinken. „Das meint er doch nicht ernst, oder? Ich mein – wir haben nächste Woche einen Gig. Wie sollen wir ohne Keyboard auftreten?“
„Er hat die letzte Zeit eh nur lauter Mist gespielt“, schimpfte Kenny Mike hinterher. „Wir sind besser dran ohne den Kerl.“
Edwina machte zwei Schritte auf ihn zu. „Aber Kenny – wir brauchen ein Keyboard! Wie sollen wir sonst die Gigs spielen? Das ist doch genau unser Sound! Und du weißt, Corey Carpenter wird bestimmt bald vorbeikommen. Wir können doch bei dem nur punkten, wenn wir unseren Special Retro-Sound draufhaben. Aber den kriegen wir ohne Keyboard nicht hin!“
Verdammte Scheiße, das war doch ihre große Chance! Sie waren so kurz davor, endlich einen Produzenten zu finden und ein Album einzuspielen. Da konnte ihnen dieser verfluchte Mike doch nicht alles kaputtmachen!
„Mein Gott, jetzt mach dir nicht ins Hemd, Eddie“, sagte Kenny. „Wir werden schon einen neuen Keyboarder finden. So selten sind die nun auch wieder nicht.“
Doch ihr Hals fühlte sich an, als hätte jemand ein Gitarrenkabel herumgeschlungen und würde immer fester zuziehen. Es stand so irrsinnig viel auf dem Spiel. Womöglich ihre ganze Zukunft!
„Einen, der zu unseren Nummern passt? Der die ganzen alten Sachen draufhat und genau den Sound rüberbringt, den wir auf das Demoband gepackt haben?“ Die Panik machte ihre Stimme ganz piepsig. Das war völlig unmöglich, sie waren schließlich ein eingespieltes Team!
„Hey, Baby, flipp nicht gleich aus.“ Kenny kam auf sie zu und nahm sie in den Arm. „Wir hängen ein paar Zettel aus und fragen rum, London ist groß, da werden wir schon einen Ersatz auftreiben.“
Doch Edwina fühlte deutlich, dass es keinesfalls so einfach sein würde, wie er sagte. Alles an ihr war angespannt, ihre Kehle trocken, ihr Brustkorb eng. Sie steckten in einer verfluchten Klemme und weder Kennys Worte noch seine Umarmung konnten ihr etwas Beruhigendes schenken.
War ihr größter Traum gerade dabei, wie eine schillernde Seifenblase zu zerplatzen?