Читать книгу Himmlische Winterküsse - Karin Koenicke - Страница 9

Niedliches Noctune

Оглавление

Himmel, Tag der Entscheidung

Auf der runden Bühne des himmlischen Amphitheaters, das normalerweise als Probestätte für die Engels-Chöre diente, saß Pasiel am Klavier, spielte Chopin und war überirdisch glücklich. Er schloss die Augen und versank völlig in die melancholischen Töne, die ihn umwehten. Der Dreivierteltakt umfloss ihn wie sanfte Wellen und die verspielten Achtelnoten der Melodie ließen ihn verträumt seufzen. Klassische Musik war etwas Wunderbares. Pasiels Finger liebkosten die kühlen Tasten und in ihm erwachten Erinnerungen an seinen ersten Klavierlehrer, der selbst noch ein Schüler Chopins gewesen war und oft von dessen leidenschaftlichem Wesen geschwärmt hatte.

Bei der Forte-Stelle bekam er wie immer eine leichte Gänsehaut und freute sich gleichzeitig auf den herrlich lyrischen Achtel-Lauf, der gleich folgen würde. Die Töne erhoben sich aus dem Klavier und erfüllten die Luft mit einem silbernen Klang, vor dem man sich nur ehrfürchtig verneigen konnte.

„Schluss mit dem Geklimper, ich muss hier putzen“, quäkte es urplötzlich hinter ihm. Mit einem Staubwedel wurde über seinen Nacken gefegt, als sollte er damit verscheucht werden.

Erschrocken fuhr Pasiel herum, nieste herzhaft und erkannte diesen unsäglichen Katzfiel, der ihn vorwurfsvoll anfunkelte. Katzfiel hatte sich neulich zum leitenden Hausmeisterengel ausgerufen. Da auch im Himmel modernere Zeiten angebrochen waren, nannte er sich jetzt „cloud based facility manager“, was so gar nicht zu diesem derben Kerl mit struppigem Bart und Zottelhaaren passte. Warum der hier auf der hohen Himmelsetage gelandet war, wusste sicher nur Erzengel Gabriel persönlich.

„Los, mach Platz, Musikus“, ermahnte ihn Katzfiel auch schon und kippte einen Eimer Putzwasser mit Limonenduft in das strahlend weiße Rund des Amphitheaters, sodass sich Pasiel schnell auf den Stufen in Sicherheit brachte. Wie die meisten hier begegnete ihm der Hausmeisterengel ohne Respekt.

Von weiter oben stieg einer der Chorengel herab. Es war Amia aus dem ersten Sopran, der er manchmal Einzelstunden gab.

„Tut mir leid, Amia, für unsere Lektion sieht es im Moment schlecht aus.“ Er wies mit dem Kopf auf den wild wischenden Putzengel. „Aber wir holen es bald nach, versprochen.“

Amia strich sich ihre blonden Locken zurück und lächelte. „Das ist kein Problem. Ich kann ja verstehen, dass er die Bühne auf Vordermann bringen will. Heute Abend soll natürlich alles glänzen.“ Sie ging mit ihm zusammen wieder nach oben.

Pasiel war verwirrt.

„Heute steht doch gar kein Konzert an“, sagte er.

Im Amphitheater probten normalerweise die himmlischen Chöre eins bis vier und traten hier auch auf. Und weil an einem Ort, wo die Engels-Chöre Halleluja sangen, eine Orgel nicht fehlen durfte, gab Pasiel oft Konzerte auf der Königin der Instrumente.

Amia lachte. „Sag mal, wo lebst du denn? Seit Tagen steht doch schon alles Kopf wegen des Wettbewerbs. Heute ist die Auslosung!“

Sie deutete auf ein von Goldornamenten umschnörkeltes Plakat, das an einer Säule klebte. Beim Hinuntergehen hatte Pasiel das Schild übersehen, aber jetzt ging er näher heran und las mit hochgezogenen Augenbrauen, was in geschwungener Schrift darauf stand.

Willkommen zum Euromission Schutzengel Contest!

Heute Abend findet die Auswahl des Guardians statt, der den deutschen Himmel vertritt.

Teilnehmende Länderhimmel sind Deutschland, Österreich, Liechtenstein,

Polen, Italien, Spanien, Portugal, Ungarn, Frankreich

Malta, England und als Gast Neukaledonien

Organisation und Verantwortung der deutschen Gala:

Die erhabenen Erzengel Michael und Gabriel

„Ach ja, richtig“, sagte Pasiel mit einem Gefühl, das ihn an Sodbrennen erinnerte.

Er hatte diese völlig überkandidelte Veranstaltung beiseite gedrängt und sich in der letzten Zeit absichtlich von irgendwelchen Engelsaufläufen ferngehalten, weil die Heerscharen anlässlich der Abend-Gala allesamt außer sich gerieten.

Dass der Himmel sich in geographische Regionen einteilte, war Pasiel zu Lebzeiten nicht bekannt gewesen. Dabei hatte er in der Kirche meistens aufgepasst. Vor mehr als hundert Jahren war er hier oben gelandet und völlig baff gewesen, nur Deutschen zu begegnen, denn jede Nation hatte ihren eigenen Himmel.

Noch mehr hatte ihn überrascht, dass keineswegs Eierkuchenstimmung herrschte, sondern die diversen Länderhimmel stark konkurrierten. Zum Beispiel bei diesem Wettbewerb, wo die fähigsten Schutzengel der Länderhimmel gegeneinander antraten. Das war so etwas wie die Olympischen Spiele, nur eben ohne Diskus und Speerwerfen.

„Ich bin schon so gespannt, welcher Guardian für uns ins Rennen geht“, sagte Amia mit glänzenden Augen.

„Hast du denn einen Favoriten?“, fragte Pasiel aus Höflichkeit.

Als hätte sie nur auf seine Erlaubnis gewartet, zog sie ein Magazin mit Hochglanzfotos aller Schutzengel hervor und deutete etwas verschämt auf einen blonden Muskelprotz. „Er würde den Auftrag sicher gut erfüllen“, sagte sie und klang ein bisschen kurzatmig.

„Nun ja, es kommt immer darauf an, welcher Schützling ihm zugeteilt wird. Erinnerst du dich noch an den Portugiesen, der uns im letzten Jahr zugelost wurde? Der ist schwierig zu bewachen gewesen.“

Amia lachte. „Stimmt, der fuhr Motocross und unser Guardian kam kaum hinterher.“

„Vier Wochen können eine lange Zeit sein“, sagte Pasiel.

Einen ganzen Monat lang musste der erwählte Guardian seinen ausländischen Schützling behüten, da konnte viel passieren. Wer den Auftrag am besten erfüllte, dessen Länderhimmel bekam am Ende als Trophäe den Goldenen Schrubber verliehen. Und genau den wollten Michael und Gabriel auf jeden Fall ergattern. Pasiel fand es ein klein wenig lächerlich, wegen eines Glitzerbesens so einen Aufstand zu machen.

„Gerüchten zufolge hat sich Gabriel eine Wandhalterung im Büro anbringen lassen, wo er die Trophäe aus dem Contest aufhängen kann“, sagte Amia. Sie verfügte über die göttliche Gabe des Gedankenlesens, was er manchmal vergaß.

Pasiel schüttelte verständnislos den Kopf.

„Wir haben diesen Wettbewerb seit zweihundertundelf Jahren nicht mehr gewonnen“, erklärte er

„Ja eben!“ Das Gesicht des Chorengels leuchtete aufgeregt. „Die Erzengel wollen alles daransetzen, um dieses Jahr den Sieg einzufahren. Michael lässt schon seit gestern seine Rüstung polieren.“ Ein verzückter Ausdruck huschte über ihr Gesicht.

Pasiel zuckte nur mit den Schultern. Ihm war das Getöse um diesen aufgebauschten Wettbewerb zuwider. Dummerweise musste er bei der Gala heute erscheinen, weil er für die musikalische Umrahmung zuständig war.

„Du wirst den Abend überstehen,“ sagte Amia mit einem freundlichen Lächeln. Sie hatte schon wieder seine Gedanken gelesen. „Wieso hast du dieses Engagement überhaupt angenommen?“

„Michael pflegt solche Aufträge nicht zu diskutieren.“ Der Erzengel hatte wahrlich einen autoritären Führungsstil. Und Widerspruch wäre zwecklos gewesen, ein Musikus zählte hier oben nichts.

Amia tätschelte ihm mütterlich die Schulter. „Sei doch froh, dass du quasi in der ersten Reihe sitzen darfst.“

„So kann man es natürlich auch sehen. Ich werde sicher viel Spaß haben“, brummte er.

Anschließend verabschiedete er sich von Amia und machte sich auf den Weg in seinen privaten Bereich. Dabei redete er sich ein, dass der heutige Abend vielleicht gar nicht so furchtbar werden würde.


Wurde er doch.

Schon bei der Eröffnung der Gala ging es los. Das Amphitheater war voll besetzt und die beiden Erzengel, die wie üblich durch den Abend führten, flatterten aufgeregt umher.

Der Chor hatte als Eingangslied ein lautes Gloria geschmettert. Anschließend spielte Pasiel das Adagio einer wunderschönen Harfensonate, um die Zuschauer und besonders die Moderatoren zu beruhigen. Das funktionierte jedoch nicht, ganz im Gegenteil. Michael erhob seine mächtige Stimme mitten im zarten Zwischenteil des Harfenstücks.

„Willkommen zum alljährlichen Euromisson Schutzengel Contest!“, donnerte er los und stellte sich breitbeinig nach vorne, damit jeder Zuschauer seinen beeindruckenden Körper und die gepflegte Lockenpracht bewundern konnte. Pasiel meinte, ein paar entzückte Seufzer aus der Richtung des ersten Soprans zu vernehmen. Er zog die Augenbrauen zusammen. Bei ihm selbst hatte noch nie irgendjemand solch hingebungsvolle Töne geäußert.

„In wenigen Minuten wird die Auslosung stattfinden, die alle sehnlichst erwarten!“

Begeisterter Applaus brandete auf. Pasiel war froh, dass er seine Harfe festhalten musste und deshalb um das überflüssige Klatschen herumkam.

„Bevor der offizielle Teil beginnt, werden wir für die Neuankömmlinge die Details des Contests erklären. Ich habe Gabriel gebeten, das für uns zu übernehmen.“

Er trat ein Stück zur Seite, um Platz für seinen Erzengelkollegen zu machen. Gabriel wirkte nicht besonders begeistert darüber, dass Michael ihn als Sidekick abtat. Die beiden konkurrierten schon ewig darum, wer die wichtigste Position auf dieser Himmelsetage innehatte. Neben dem imposanten Muskelberg Michael sah Gabriel mit seiner zarten Gestalt und den weichen Zügen ein wenig verloren aus, doch Pasiel wusste aus Erfahrung, dass der himmlische Verwaltungschef knallhart war.

„Gerne erläutere ich die Regeln, mein lieber Freund“, tönte es aus Gabriels Mund und wie stets, wenn er es darauf anlegte, zog er sofort alle Zuhörer mit seiner honigwarmen Stimme in den Bann. Nicht umsonst war er von ganz oben auserwählt worden, alle wichtigen Verkündigungen vorzunehmen. Schon die Jungfrau Maria hatte durch ihn ihre wahre Bestimmung erfahren, was er auch bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit erwähnte.

„Wie ihr wisst, gibt es diverse Länderhimmel“, referierte Gabriel. „Zwölf von ihnen beteiligen sich an diesem Wettbewerb. Jeder Länderhimmel hat einen Erdenbürger ausgewählt, der beschützt werden muss. Ein Zettel mit dessen Namen landet in der Lostrommel.“

Er deutete auf eine funkelnde Glaskugel, die auf einem weißen Tischchen hinter ihm aufgebaut war. Pasiel wusste, dass dieselbe magische Kugel in allen teilnehmenden Himmeln gleichzeitig stand.

„Wenn der Schützling ausgelost wurde, bestimmen wir unseren Guardian, der einen Monat lang auf diesen Menschen aufpassen wird.“

Wie ein Oberlehrer sah er in die Runde, als wollte er kontrollieren, ob alle brav zuhörten. Fehlte nur noch die Nickelbrille.

„Am Ende wird der fähigste Schutzengel gekürt. Der Gewinnerhimmel erhält als Trophäe den begehrten goldenen Schrubber, der seit jeher für die Bemühungen steht, alles Ungute vom beschützten Menschen abzufegen.“

Pasiel unterdrückte ein Gähnen, während Gabriel voll Elan weitersprach. Seine klangvolle helle Stimme erreichte mühelos auch die oberen Ränge. Im gesamten Amphitheater verfolgten die Engel atemlos seine Rede.

„Dieses Jahr sind wir fest entschlossen, uns die Trophäe zu holen“, rief Gabriel und ballte die Hand kampflustig zu einer Faust.

Umgehend brandete Applaus auf. Sogar Bravorufe waren zu hören.

„Ganz genau“, mischte sich Michael ein, der lange genug ohne Beachtung geblieben war. „Wir haben das ganze Jahr über mit unseren Guardians hart trainiert, es gibt in der gesamten Himmelswelt keine besseren!“

Die Menge johlte und klatschte wie wild, als eine Gruppe imposanter Schutzengel nach unten marschierte und sich in einem adretten Kreis um die Erzengel herum postierte.

Pasiel stimmte, ohne lang aufzusehen, ein paar Saiten seiner Harfe nach. Er amüsierte sich schon seit mehreren Jahrzehnten über die Verbissenheit der hier ansässigen Erzengel Michael und Gabriel, den Wettbewerb zu gewinnen.

Warum die beiden sich ausgerechnet den deutschen Himmel ausgesucht hatten, um sesshaft zu werden, war ihm ein Rätsel. Er vermutete, es lag an Gabriels Vorliebe für die deutschen Tugenden Pünktlichkeit, Genauigkeit und die schwäbische Kehrwoche, aber genau wusste er es natürlich nicht.

Erzengel Raphael zum Beispiel hatte den italienischen Himmel gewählt und nippte angeblich gerne am Lambrusco.

„Gleich ist es soweit“, erklärte Michael. „Nur noch ein Musikstück unseres herrlichen Chores, dann beginnt die Ziehung.“

Pasiel wechselte ans Klavier, anschließend versuchte der Chorleiter, seinen aufgeregten weiblichen Engeln vernünftige Töne zu entlocken. Als das Lied zu Ende war, leuchtete die gläserne Kugel hell auf.

„Nun ist der Zeitpunkt gekommen“, säuselte Gabriel. „Bald wissen wir, wen unser bester Guardian beschützen muss. Möge es fair zugehen!“

Von wegen fair! Pasiel schnaubte leise. Der deutsche Schützling war als „gesunder, frommer Vierzigjähriger, der den ehrbaren Beruf des Kaminkehrers ausübte“ dargestellt worden. In Wirklichkeit war er aber hochgradiger Alkoholiker und litt zudem seit einigen Monaten unter Schwindelanfällen. Außerdem betete er nur, wenn er beim betrunkenen Fahren auf die falsche Spur geriet. Die Erzengel schreckten vor nichts zurück, um den Contest endlich zu gewinnen.

Michael deutete auf die Kugel. Wie gebannt starrten alle auf das schimmernde Glas. Gleich würde es soweit sein und der Name des Erdenbürgers erscheinen, der dem deutschen Himmel zugelost wurde. Selbst Pasiel konnte sich dem Zauber des Momentes nicht entziehen und schaute ebenfalls zum Tisch.

Zwölf glockenhelle Schläge ertönten aus der Kugel.

Dann zischte es laut, es gab eine weiße Rauchfontäne und ein kleiner Zettel wurde aus der Kugel geblasen.

Blitzschnell fing Michael ihn auf.

„Uns wurde ein Schützling aus Großbritannien zugeteilt!“, rief er und hielt den Zettel nach oben, dessen Rückseite ein Union Jack zierte.

Die Menge begann sofort, sich lautstark über den Losausgang zu unterhalten. Manche stöhnten, weil sie alle Engländer für wilde Kerle hielten, die von Haus aus schwer zu behüten waren, andere johlten begeistert.

„Silentium!“, donnerte Michael so machtvoll, dass der Fußboden vibrierte und alle Gespräche erstarben.

„Ich werde nun die Details über den Schützling verlesen. Und nach der Gala wählen wir den passenden Guardian.“

Die Schutzengel traten aufgeregt von einem Fuß auf den anderen. Natürlich wollte jeder von ihnen den Auftrag ergattern, denn wer den Wettbewerb gewann, mutierte umgehend zum himmlischen Mega-Star.

Michael räusperte sich theatralisch, dann trug er mit holprigem Akzent vor, was auf dem Zettel stand: „Eddie Stevenson, 24, London, works in the medical business, believes in heaven“

Die Zuschauer klatschten begeistert, denn der auserwählte Schützling schien kein besonders harter Brocken zu sein. Ein junger Mediziner, der an den Himmel glaubte. Der dürfte leicht zu bewachen sein. Pasiel wunderte sich, dass die Engländer sich wahllos für irgendeinen braven Kirchgänger entschieden hatten. Entweder sie nahmen den Wettbewerb nicht ernst - was er sich kaum vorstellen konnte - oder aber sie waren ebensolche Schlitzohren wie Gabriel und Michael.

Er hörte kaum mehr zu, als die beiden Moderatoren abwechselnd den Rest der Gala über die Bühne brachten. Lieber komponierte er im Geiste eine kleine Sonate, die er morgen an der Orgel ausprobieren würde.

Irgendwann kam Gabriel zum Ende der Veranstaltung. „Zum Abschluss beglückt uns unser Musiker noch mit einem schönen Klavierstück. Was spielst du für uns, Pasiel?“

Er war inzwischen ans Klavier getreten. „Ein Nocturne von Chopin“, erklärte Pasiel und griff eifrig in die Tasten.

Während er spielte, leerten sich die Stufen des Amphitheaters. Die Erzengel riefen die Guardians zu sich, danach verschwanden allesamt in Richtung Gabriels Büro. Dort, in der Verwaltungszentrale des Himmels, würde jetzt der passende Schutzengel ausgesucht und die Pressemitteilung für morgen aufgesetzt werden.

Pasiel war heilfroh, dass er mit der ganzen Sache nichts mehr zu tun hatte. Er genoss die nach und nach einsetzende Stille. Da es niemanden mehr störte, blieb er am Klavier sitzen und ließ noch ein kleines Bach-Präludium aus seinen Fingern gleiten. Und dann noch eine Fuge. Oder zwei. Er spielte so versunken, dass er völlig die Zeit vergaß. Als Michael laut seinen Namen rief, zuckte er zum zweiten Mal heute erschrocken zusammen.

„Das war ein sehr niedliches Nocturne, das du vorher gespielt hast“, sagte Michael ungewohnt freundlich und ließ ausnahmsweise ein Lächeln aufblitzen.

Pasiel ging sofort in Habt-Acht-Stellung. Ein schleimender Erzengel verhieß niemals etwas Gutes.

„Schön, dass es Euch gefallen hat“, erwiderte er.

„Selbstredend! Und nun komm mit, wir müssen mit dir sprechen“, befahl Michael und marschierte voran.

Überrascht folgte ihm Pasiel. Was wollte er von ihm?

Mit langen Schritten eilte der Erzengel auf das Verwaltungsgebäude zu und trat ein. Sie landeten in Gabriels Büro, wo auch noch der zottelbärtige Uriel in einer Ecke saß, recht unbeteiligt dreinschaute und sich seine Pfeife mit irgendeinem Kraut aus der Wüste Sinai oder von sonst woher stopfte. Jedenfalls qualmte es gewaltig und stank bestialisch.

Pasiel war mehr als verblüfft. Alle drei Erzengel zusammen? Das gab es normalerweise nur bei äußerst wichtigen Anlässen.

Von den stolzen Guardians fehlte jede Spur. Dafür bemerkte Pasiel, dass an der Wand hinter Gabriels Schreibtisch tatsächlich eine Halterung angebracht worden war, in die die langstielige Trophäe haargenau hineinpassen würde. Offenbar waren sich die Herren Erzengel wirklich sicher, dieses Jahr den Goldenen Schrubber zu ergattern.

Er fragte sich immer noch, wieso sie ihn hierhergeholt hatten.

„Wir haben ein Problem“, begann Gabriel und seine Stimme klang hier im Büro viel weniger einschmeichelnd als auf der großen Bühne. Eher rau und herrisch.

Michael trat nach vorne und legte den Zettel mit dem ausgelosten Schützling auf den Tisch. „Wie du sicher weißt, muss sich der Guardian dem Schützling als Mensch nähern. Zu diesem Zweck gibt es auf jedem Zettel einen Hinweis, der dies erleichtert.“

Pasiel nickte. Das hatte er natürlich mitbekommen, er war schließlich nicht erst seit gestern im Himmel.

Nun übernahm Gabriel wieder das Reden. „Unglücklicherweise haben wir keinen passenden Guardian für den britischen Schützling, der uns zugelost wurde.“

Verständnislos sah Pasiel vom einen zum anderen Erzengel. Uriel zuckte nur mit den Schultern und paffte wieder ein paar Wölkchen in die Luft, die anderen beiden hingegen musterten Pasiel mit ernster Miene.

„Was hat das mit mir zu tun?“, fragte er. „Ich bin kein Schutzengel.“

Wortlos schob ihm Michael den Zettel zu, der aus der Glaskugel geschwebt war.

Pasiel beugte sich darüber und las. Den Namen Eddie Stevenson hatte er schon gehört, auch Alter, Wohnort und Beruf. Aber dann stutzte er.

„Candidate is desperately looking for an organ- and harp-player“, las er laut vor.

Er glaubte, seinen Augen nicht zu trauen. Dieser Eddie aus London war verzweifelt auf der Suche nach einem Musiker, der Orgel und Harfe beherrschte?

„Wir haben alle Guardians überprüft“, brach Gabriel in seine Gedanken ein. „Keiner von ihnen hat diese Qualifikation. Aber dann habe ich mir deine Akte vorgenommen.“

Er deutete auf einen Ordner, der aufgeschlagen auf seinem Schreibtisch lag.

„Du sprichst fließend Englisch, bist mehrmals in London gewesen und hast zu Lebzeiten bereits junge Männer musikalisch ausgebildet. Harfe und Orgel spielst du auch. Du bist die ideale Besetzung.“

Der Erzengel schenkte ihm ein gnädiges Lächeln.

Pasiel hingegen kämpfte mit plötzlich einsetzender Mundtrockenheit.

„Aber ich bin kein Schutzengel!“, krächzte er. „Und ich will überhaupt nicht auf die Erde runter!“

Hier im Himmel war sein Paradies, er fand seinen Job absolut göttlich und hatte nicht die geringste Motivation, in irdische Gefilde hinabzufahren.

„Du wirst dich einem so wichtigen Auftrag doch nicht verweigern!“, donnerte Michael los. Sein Brustpanzer klirrte bedrohlich und seine mächtigen Flügel fuhren ein Stück weit aus.

Uriel erhob sich schwerfällig und trat samt seiner Rauchwolke zwischen Pasiel und Michael, der immer noch die Pose eines Racheengels eingenommen hatte.

„Mich dünkt, ich muss gewisse Vorgaben in euer Gedächtnis rufen.“ Uriel funkelte seine beiden Erzengelkollegen vorwurfsvoll an. „Der Wunsch, die Menschen zu beschützen, muss der Brust des Engels selbst entspringen“, referierte er.

Gabriel nickte widerwillig. „Er hat recht“, sagte er zu Michael. „Man kann niemanden zum Guardian machen, wenn der es nicht will.“

Erleichtert ließ Pasiel den Atem entweichen, den er unwillkürlich angehalten hatte. Es gab also doch noch einen Ausweg für ihn.

Michael hingegen fuhr seine Flügel ein, kam einen Schritt näher und fixierte Pasiel mit stählernem Blick.

„Hast du viele Freunde hier?“, fragte er.

Pasiel überlegte. Worauf wollte der eiserne Mike, wie ihn viele nannten, hinaus?

„Ich komme mit einigen Chorengeln gut aus“, erwiderte er.

Der Erzengel polierte ein paar Sekunden lang mit dem Ärmel seinen Brustpanzer. Danach sah er Pasiel wieder eindringlich an. „Das klingt nicht so, als würden sich viele um deine Gesellschaft schlagen. Aber male es dir einmal aus: Wenn du als Held von diesem Einsatz zurückkommst - den Goldenen Schrubber im Gepäck -, dann werden ganze himmlische Heerscharen in Begeisterung ausbrechen, wo immer du auftauchst. Hingerissene Chorengel werden deinen Namen seufzen und jeder einzelne Engel wird dir Anerkennung zollen.“

Das saß.

Unsicher blickte Pasiel von einem zum anderen Erzengel. Selbst Uriel nickte gedankenvoll, während er wieder an seiner Pfeife zog.

„Nimm dir eine Stunde Zeit, deine Gedanken zu ordnen“, schlug Uriel vor. „Dann kehre hierher zurück und teile uns deine Entscheidung mit.“

Einen Augenblick später fand sich Pasiel außerhalb des Verwaltungsgebäudes wieder. Verwirrt fuhr er sich übers Gesicht. Meinten die das wirklich ernst? Wie immer, wenn er nachdenken musste, setzte er sich ans Klavier. Doch jetzt wollten sich die Töne genauso wenig zu einer harmonischen Einheit ordnen lassen wie seine Gedanken zu einem sinnvollen Konstrukt.

Er flüchtete sich in ein einfaches Rondo und hoffte, dass die logische Struktur des Stückes ihm half, auch in seinem Kopf ein klein wenig Ordnung zu schaffen. Ein Einsatz auf der Erde? Bei dieser Vorstellung verkrampften sich seine Finger. Er war nicht geschaffen für derartige Abenteuer. Sicher warteten dort unten jede Menge Gefahren auf ihn, und außerdem hatte er schon früher Probleme gehabt, sich auf Menschen einzulassen, die anders waren als er. Bei Musikern hatte er sich wohlgefühlt, aber bei einfachen Arbeitern oder Soldaten war er oft angeeckt.

Andererseits setzten die Erzengel all ihre Hoffnungen in ihn, das erfüllte ihn durchaus mit Stolz. Sie hätten ihn sicher nicht ausgesucht, wenn sie ihm den Einsatz nicht zutrauen würden. Womöglich steckte doch mehr Stärke in ihm, als er es selbst für möglich hielt. Oder war das eine Verzweiflungswahl gewesen, weil wirklich keiner der ausgebildeten Schutzengel die Voraussetzungen erfüllte? Seine Gedanken fuhren wild Karussell, was sich in seinem unkonzentrierten Klavierspiel niederschlug.

„Was ist denn mit dir passiert?“ Amia tauchte plötzlich neben ihm auf und sah ihn mit großen Augen an. „Du spielst ganz anders als sonst.“

Er riss die Hände von den Tasten. „Nichts!“, beteuerte er schnell. „Alles in Ordnung.“

Sie kam näher und sah ihn eindringlich an. Pasiel versuchte, seine Gedanken zu verschließen, aber gegen ihre göttliche Gabe konnte er natürlich nichts ausrichten.

„Sie wollen dich als Guardian ins Rennen schicken?“, las Amia in seinem Kopf und dann passierte etwas Seltsames mit ihr. Sie zuckte von innen heraus, ihre Schultern bebten und schließlich brach ein disharmonisches Gelächter aus ihr heraus, das in Pasiels Ohren schmerzte. Und nicht nur dort. Etwas in seinem Brustkorb krampfte sich zu einem harten Kloß zusammen. Ausgerechnet Amia, von der er angenommen hatte, dass sie ihn nicht nur als Musiker respektierte, sondern auch als Freund gernhatte, lachte ihn aus.

„Sei mir bitte nicht böse“, japste sie, „aber das ist eine so abwegige Vorstellung: ausgerechnet du als Schutzengel!“

Ihre Worte versetzten ihm einen zusätzlichen Stich ins Herz. Offenbar gab es wirklich keinen einzigen Engel, der in ihm mehr sah als einen Musiker. Erinnerungen an seine Familie wurden wach, lang verdrängte Wunden, die mit einem Mal wieder aufbrachen. Auch zu Hause hatte man ihn nie mit wirklich wichtigen Aufgaben betraut, er hatte stets im Schatten seines ehrgeizigen Bruders gestanden und war immer nur die zweite Wahl gewesen. Der plötzliche Schmerz nahm ihm fast die Luft zum Atmen.

Amia versuchte krampfhaft, wieder ernst zu werden, weil sie wohl erkannte, dass sie ihn verletzt hatte. „Tut mir sehr leid, dass ich gelacht habe“, sagte sie weich und berührte ihn entschuldigend an der Schulter. „Ich war nur überrascht, dass man dich auf so einen Einsatz schicken will.“

„Du traust mir das also nicht zu?“, fragte Pasiel bitter.

„Doch, doch“, erwiderte sie, aber er wusste, dass sie ihn anlog. „Sicher bekommst du das hin, ganz bestimmt. Du schaffst das garantiert. Ich kenne dich halt nur als Musiker und muss mich erst an den Gedanken gewöhnen, dass du auch andere Dinge beherrschst.“

Pasiel schluckte.

Insgeheim hatte er die letzte Zeit gedacht, dass Amia eine Schwäche für ihn hegte. Doch selbst sie traute ihm nicht mehr zu als eine elaborierte Orgelimprovisation. Er galt offenbar als totaler Schlappschwanz. Als Versager. Als unmännlicher Tastenpolierer.

Aber das würde er nicht weiter auf sich sitzen lassen. Bei seinen Eltern und auch all die Jahre im Himmel hatte er sich in diese Rolle gefügt, aber das war nun vorbei. Er bekam eine einzigartige Chance, sich zu beweisen, und er würde diese auf Teufel komm raus nutzen!

Er straffte die Schultern und sah ihr direkt in die Augen. „Das tue ich sehr wohl“, erklärte er mit fester Stimme. „Ich beherrsche nicht nur Musikinstrumente! Das werde ich dir und allen anderen beweisen, die mich für einen nutzlosen Musiker ohne Rückgrat halten.“

Energisch raffte er seine Noten zusammen und sprang auf. Ohne Amia noch einen einzigen Blick zuzuwerfen, marschierte er an ihr vorbei und direkt in das Verwaltungsgebäude.

„Ich brauche keine weitere Bedenkzeit“, schleuderte er den drei Erzengeln entgegen. „Mit Freuden stelle ich mich der Herausforderung und werde zum Guardian!“

Alles lag plötzlich ganz klar vor ihm. Wenn er es schaffte, den Wettbewerb zu gewinnen, würde ihn kein Putzengel dieses Himmels jemals wieder vom Klavier verscheuchen. Und niemand würde es wagen, ihm irgendwelche ungeliebten Aufträge zu erteilen. Ja, sogar die jungen Chorengel würden vor Ehrfurcht erstarren, wenn der Gewinner des Contests sich für sie ans Piano setzte. Als erfolgreicher Schutzengel bekam man nicht nur Ruhm und Ehre, sondern auch jede Menge Respekt. Er wäre nicht mehr länger nur der „Musikus“, sondern ein waschechter Held.

Und er war mehr als bereit für diese Aufgabe!

Allerdings fragte er sich, wie das funktionieren sollte. Man wurde schließlich nicht von heute auf morgen Schutzengel. Davor standen eine lange Ausbildung, diverse Einsätze, schriftliche Prüfungen und eine zwölfseitige Abhandlung über Moral im Erdeneinsatz, die jeder Guardian zu verfassen hatte. Außerdem gab es eine große Ernennungszeremonie, bei der die neuen Guardians der Himmelsgemeinde vorgestellt wurden und ihre Plakette bekamen. Am Ende der Zeremonie stand das feierliche Einbrennen eines uralten Zeichens auf dem Unterarm. Das alles war doch gar nicht hinzubekommen in der kurzen Zeit, die sie hatten. Noch heute fand die Aussendung der Wettbewerbsteilnehmer statt!

„Ich wusste, wir können auf dich zählen.“ Michael klopfte ihm auf die Schulter, fast genauso, wie Amia es getan hatte.

„Aber wie soll das ablaufen?“, fragte Pasiel.

„Wir werden das Verfahren für dich etwas beschleunigen.“ Gabriel setzte ein aufmunterndes Lächeln auf.

Umgehend bekam Pasiel eine Gänsehaut. Ausgerechnet Gabriel, der oberste Regelwächter, wollte die eisernen Verordnungen beugen? Sein Magen zog sich zusammen.

„Wir geben dir eine Kurzanleitung mit, darin ist alles Wichtige zusammengefasst. Die Sache mit der Moral weißt du ohnedies. Du hast dich bisher im Himmel als gänzlich verlässlich und regeltreu gezeigt. Wir vertrauen dir.“

„Ja, alle hier vertrauen dir!“, fügte auch Michael hochtheatralisch hinzu. „Wir legen unser Schicksal in deine Hände. Du wirst uns nicht enttäuschen, das fühle ich tief in meiner Brust. Rette unsere Ehre und gewinne den Contest. Für dich, für uns, für deinen Himmel!“

Angesichts so dramatischer Töne stellten sich bei Pasiel alle Nackenhaare auf. Doch zum Nachdenken blieb keine Zeit. Erstarrt beobachtete er, dass Uriel näher kam, die stinkende Kräuterpfeife noch immer im Mund.

„Wohlan, lasset uns beginnen“, schnarrte er, wobei er eine Rauchwolke ausstieß. „Deinen Arm!“

Gehorsam streckte Pasiel seine rechte Hand vor. Uriel schob den Ärmel nach hinten und hielt Pasiels Unterarm fest. Die beiden anderen Erzengel positionierten sich in andächtigem Schweigen rechts und links neben ihm.

Jeder der drei hob seinen Arm und legte seine leicht gekrümmte rechte Hand auf eine Stelle kurz unterhalb Pasiels Ellbogens. Die drei Hände bildeten einen Hohlraum und in diesen hinein blies Uriel den hellgrauen Rauch seiner Kräuterpfeife. Auf Pasiels Haut begann es höllisch zu kribbeln, aber er hielt der Prozedur tapfer stand. Die drei Erzengel schlossen die Augen und murmelten ein uraltes Gebet, während seine Haut immer heißer wurde. Nach ein paar Minuten nahmen sie ihre Hände weg. Erstaunt musterte Pasiel die Stelle an seinem Arm. Direkt unterhalb seines Ellbogens hatten sich ringförmig eine Reihe altertümlicher Schriftzeichen ausgebreitet, die er nicht lesen konnte. Umkränzt wurden die Zeichen von einer Bordüre aus winzigen Federn, ganz fein und zart, die nun für alle Zeit in die Haut gebrannt waren.

„Nun denn, du bist gerüstet für deinen Einsatz, Schutzengel. Unser Segen sei mit dir!“

Alle drei streckten die Arme aus und murmelten erneut Unverständliches. Auch wenn es durchaus faszinierend war, die Erzengel so harmonisch vereint zu erleben, wurde es Pasiel ein wenig mulmig zumute. Aber es war zu spät, doch noch einen Rückzieher zu machen. Nun lag die Hoffnung der gesamten himmlischen Chefetage auf ihm und er gedachte, diese gänzlich zu erfüllen.


Nach einer kurzen Stunde und einer weiten Reise sah Pasiel sich überrascht um. Er war mitten in London gelandet, wie erwartet. Schutzengel wurden bei der Entsendung stets in der Nähe des Schützlings abgesetzt. Doch er hatte mit einem Krankenhaus gerechnet oder zumindest mit einem Ärztehaus, schließlich arbeitete der fromme Eddie laut Zettel im medizinischen Bereich. Stattdessen hatte es Pasiel auf eine Seitenstraße von Camden Town verschlagen, wie die Straßenschilder verrieten. Um ihn herum herrschte reges Treiben. Offenbar fand auf der nächstgrößeren Straße gerade ein Flohmarkt statt. Menschen in seltsamer Kleidung wanderten herum, viele hatten ein tragbares Telefon in der Hand.

Pasiel hatte regelmäßig das von Gabriel herausgegebene „irdische Bulletin“ über die neusten Entwicklungen auf der Erde gelesen und wusste deshalb gut Bescheid über Handys, die politische Lage sowie aktuelle Themen.

Wie schon seit Jahrtausenden bei einer Entsendung üblich, hatte man ihn automatisch mit Geld und typischer Kleidung ausgestattet. Er schlug den Kragen des Wintermantels hoch, denn ein eisiger Wind fegte durch Londons Straßen. Selbstredend würde er sich „Paul“ nennen, was sowieso sein Erdenname war. Jetzt musste er nur noch diesen Eddie finden.

Ob hier vielleicht eine Kirche in der Nähe war? Es könnte ja sein, dass sein Schützling gerade betete. Nicht umsonst suchte der Mann einen Organisten. Vielleicht leitete er den Kirchenchor hier in der Nachbarschaft?

Pasiel ging ein paar Schritte, wobei ihm niemand der Passanten besondere Beachtung schenkte. Alles lief wie am Schnürchen. Mit einem Mal breitete sich große Zuversicht in ihm aus. Er kam hier unten gut zurecht und der Auftrag war sicher auch kein unlösbares Problem. Sein Englisch war gut, die Musik sein Leben und mit einem gebildeten Mediziner konnte er sich bestimmt hervorragend unterhalten. Ihm würde es mit Leichtigkeit gelingen, diesen Eddie zu beschützen. Und dann, bei seiner heldenhaften Rückkehr in den Himmel – natürlich mit der Trophäe im Gepäck – würde er ein gefeierter Star sein und von allen Mitengeln mit tiefem Respekt behandelt werden. Auch von Amia. Pasiel lächelte freudig.

Voll Tatendrang sah er sich um und wählte das nächstbeste Geschäft aus, um sich nach Eddie zu erkundigen, der hier sicher irgendwo bekannt war. Energisch drückte er die Ladentür auf, marschierte hinein und begann sofort zu sprechen.

„Guten Morgen und Pardon für die Störung. Ich befinde mich auf der Suche nach einem gewissen Eddie Stevenson. Hätten Sie die Güte, mir mitzuteilen, ob Sie diesen Mann womöglich kennen?“

Erst als er das ausgesprochen hatte, sah er sich um. Grundgütiger, wo war er denn hier gelandet? Pasiel schluckte.

Auf einer Art Bahre lag ein sehr lebendig wirkender, glatzköpfiger Seemann, dessen Körper großflächig mit Tätowierungen verziert war. Dieser Matrose sah aus, als wolle er just in diesem Moment auf eine junge Frau losgehen, die zwischen seinen Beinen saß. Ihr zierlicher Körper steckte in einer enganliegenden Lederhose und einem grauen Shirt, die Haare waren kurz geschnitten, wie man es sonst nur von Soldaten kannte. Am Nasenflügel glänzte ein Edelstein, dessen Funkeln jedoch gegen das wütende Blitzen ihrer grünen Augen verblasste. In der einen Hand hielt sie ein sirrendes, spitzes Gerät, dessen Nadel drohend auf den Seemann gerichtet war, ihre andere Hand umschloss das nackte Geschlechtsteil des Matrosen.

Ohne das Foltergerät loszulassen, drehte sie sich mit ärgerlichem Blick Pasiel zu. „Was zum Teufel willst du denn von mir?“

Himmlische Winterküsse

Подняться наверх