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SECHZEHN

„Wer waren sie?”, fragte Josanie.

„Scouts aus Fort Apache, vielleicht Chiricahuas unter ihnen”, antwortete Chihuahua wütend. „Wir sahen den Fat Boy, den Offizier Davis, bei ihnen. Vielleicht waren sie alle vom Turkey Bach.” „Wie viele?”

„Fünfzig, vielleicht mehr. Wir haben einige Male versucht, sie in einen Hinterhalt zu locken, aber sie waren zu klug.”

Er machte eine Pause. „Wir schossen ein paar Mal auf sie und sie auf uns, aus weiter Entfernung. Sie kamen niemals nahe genug heran, um uns wirklich schaden zu können. Wenigstens bist du mit den Frauen und Kindern entkommen.”

Wieder machte er eine Pause.

„Sie verfolgten uns nicht über Duncan hinaus. Wir haben sie beobachtet. Sie hielten dort an und lagerten über Nacht. Vielleicht hatten sie genug. Oder ihre Pferde haben aufgegeben. Morgen werden wir sehen, ob sie noch hinter uns her sind.”

Vor Sonnenaufgang kletterte Galeana hoch in die Felsen. Durch das Fernglas sah er sie: eine langgezogene Kolonne mit Maultiertross. Sie bewegten sich westwärts auf der Straße in Richtung des Ash Gipfels und des San Simon Tales. Er beobachtete sie, bis sie von Erhebungen in der Ebene verschluckt wurden.

Er berichtete Josanie und Chihuahua, die an Jaccalis Lagerfeuer saßen. „Sie verfolgen uns nicht”, sagte er. „Sie gehen nach Westen. Vielleicht kehren sie nach San Carlos zurück.”

„Kann sein, dass sie Proviant holen wollen”, vermutete Josanie, „möglicherweise in Solomonville oder Fort Grant.”

„Ja”, sagte Chihuahua. „Sie werden wiederkommen. Man zahlt ihnen Silberdollars, damit sie uns jagen. Sie bekommen alle Lieferungen, die sie brauchen kostenlos.”

Die Männer fühlten sich schlecht und blickten sorgenvoll über das Camp, wo Menschen ruhten und Kinder zwischen Sätteln und Stapeln von Ausrüstung und Proviant spielten. Außerhalb des Lagers grasten die Pferde.

„Ich denke, wir sollten den Tieren etwas Ruhe gönnen”, sagte Chihuahua. „Wir haben noch einen langen Ritt vor uns.”

Er hielt inne. „Wir sollten bis zum frühen Nachmittag bleiben und dann in den Litttle Doubtful Canyon gehen. Dann haben wir die Wahl. Wir können in den West Doubtful Canyon oder nach Osten und Süden durch die Salzebenen ziehen und die Bahnschienen überqueren. Was denkst du?” Er schaute Josanie an.

Josanie saß eine Weile schweigend da. „Ich denke, wir sollten nach Osten und hinunter durch das Animas Tal gehen”, sagte er endlich. „Sie könnten allerdings entlang der Eisenbahn auf uns warten. Der West Doubtful Canyon ist zu gefährlich, glaube ich. Es könnten Truppen darin sein. Jene aus Fort Bowie könnten auch das San Simon Tal blockieren.”

Er schwieg. „Wenn sie die Telegrafenleitung repariert haben, die wir gestern zerschnitten haben, wissen sie, dass wir in der Nähe sind.”

Aber die Gruppe hielt an Chihuahuas Plan fest. Die Menschen füllten die Feldflaschen aus Wasserlöchern im Bachbett, erklommen einen steilen Bergrücken und schlüpften am frühen Nachmittag in den Little Doubtful Canyon. Sie ritten in bewährter Formation, Galeana und Zele voraus, Josanie mit sechs Männern hinter ihnen, vor den Frauen und Packtieren, und Chihuahua mit den anderen sechs Kriegern als Nachhut. Sie wanden sich ihren Weg durch eine enge Falte in den Peloncillos und erreichten schließlich einen offenen Platz, wo sich der West Doubtful Canyon nach Südwesten erstreckte, und eine breiter werdende Lücke in den Felswänden ostwärts in Richtung der Animas-Ebene verlief.

Galeana und Zele warteten in der Mitte der Spalte darauf, dass der Rest der Gruppe aufschließen würde. Sie wussten nicht, welche Richtung sie nehmen sollten.

Plötzlich erklang das schneidende und fauchende Geräusch von Kugeln und nachhallenden Schüssen um sie herum. Kleine Staubfontänen wirbelten auf, als Geschosse auf dem Boden aufschlugen, wegprallten und über die Ebene hinter ihnen pfiffen. Aus dem Eingang des West Doubtful Canyon heraus, etwa fünfhundert Yards entfernt, feuerten etwa zwei Dutzend Gewehre auf sie, das Echo ihrer Schüsse wurde von den Bergwänden zurückgeworfen.

Noch bevor sie der Widerhall der ersten Salve erreichen konnte, hatten die Chokonen ihre Pferde gewendet, galoppierten in Richtung der Ebene davon und schwärmten dabei aus wie aufgescheuchte Wachteln. Bei der sich schnell vergrößernden Distanz wurde das Gewehrfeuer ungenau, trotzdem fanden einige Kugeln ihr Ziel. Ein Packpferd und zwei Reittiere gingen zu Boden. Die Reiter, zwei Frauen, wurden von Männern ergriffen, die kaum ihre Geschwindigkeit drosselten. Auf Tsanas Pferd begann seine Frau Magalena zu schreien. Sie wollte herunterspringen, doch ihr Mann hielt sie mit aller Kraft hinter seinem Rücken fest. Ihr Baby, eine vierzehn Monate alte Tochter, war verloren. Ihr Wiegebrett war am Knauf von Magalenas Sattel befestigt gewesen und mit dem Pferd gefallen.

Außer Reichweite der Gewehre hielten die Apachen an und beruhigten ihre Tiere. Frauen kamen, um Magalena zu trösten. Die Krieger blickten zurück. Niemand folgte ihnen.

„Ein Aufgebot von Zivilisten”, sagte Josanie. „Apachenscouts hätten gewartet, bis wir näher gekommen wären, Soldaten auch. Diese Männer hatten Angst und haben zu früh geschossen.”

Er machte eine Pause. „Es hätte schlimmer kommen können.”

„Ja”, entgegnete Chihuahua grimmig. Er betrachtete die Frauen, die Magalena umringt hatten. Dies war ihnen so vertraut. Sie fielen in den Klagegesang ein, das traurige, erschütternde Lied, das ihre Herzen ergriff.

„Wir können das Kind nicht holen”, sagte Chihuahua.

Tsana versuchte es. Tief auf dem Hals seines Pferdes liegend, ritt er zu den fernen Punkten in der Ebene vor den trostlosen Bergen, den toten oder sterbenden Pferden. Lange bevor er sie erreichte, stiegen Staubwolken um ihn herum auf, und dann war das Echo der Salve zu hören. Sie sahen zu, wie er galoppierte, Haken und Kreise schlug und versuchte, an den Kugeln vorbeizukommen, aber er schaffte es nicht. Schließlich gab er auf. Er und sein Pferd waren unverletzt, aber er hatte Tränen in seinen Augen.

Sie fühlten mit ihm und seiner Frau und ritten traurig weiter, an der verlassenen Station der Butterfield Overland Post vorbei. Das Klagelied umhüllte sie wie eine Wolke. Dann wandten sie sich nach Südosten. In einem raumgreifenden Galopp passierten sie die beiden nördlichen Playas der Salzebenen, grau-weiße, schmutzige Becken unter der Nachmittagssonne. Vom letzten Regen war noch etwas Wasser darin, und einige Blaureiher standen wie Statuen da und betrachteten fragend ihre eigenen Spiegelbilder.

An den Westufern der Playas entlang ritten sie durch das spärliche Gras und über rissige Plättchen getrockneten Schlamms. Unterhalb der zweiten Playa schwenkten sie nach Osten, folgten dem östlichen Ufer der großen Kathrine Playa nach Süden und erreichten den Bahndamm zehn Meilen westlich von Lordsburg. Die Schienen waren leer. Sie ritten darüber hinweg und weiter nach Südosten, ohne die Telegrafenleitung zu durchtrennen. Sie wollten den Ort ihrer Überquerung nicht verraten.

Das Animas Tal lag still und weit vor ihnen, das üppige Gras war so hoch, dass es die Steigbügel berührte. Sie sahen Antilopenherden und einmal ein Wolfsrudel, sieben Augenpaare, die ihren Zug beobachteten. In der Abenddämmerung kamen sie zu einem ihnen bekannten Lagerplatz bei einer Quelle am südlichen Rand der Pyramid Berge. Sie suchten die Umgebung ab, fanden aber keine verdächtigen Zeichen. Eines der Packpferde wurde mit der Lanze getötet, damit sie Essen hatten, und nach Einbruch der Dunkelheit entzündeten sie Kochfeuer in einer mit Piñons bewachsenen Vertiefung, aus der das Licht nicht entweichen konnte. Die Grenze von Mexiko war fünfzig Meilen weit weg.

Während der Nacht drehte sich der Wind, und Wolken zogen aus Südwest heran. Der Morgen enthüllte einen steinfarbenen Himmel ohne Sonne.

Sie saßen in zwei Kreisen da, die Frauen und Kinder im Rücken der Männer. Ramona saß hinter Chihuahua, Jaccali hinter Josanie. Chihuahua räusperte sich.

„Wir haben gestern ein kleines Mädchen verloren”, sagte er leise. „Wir alle… haben sie geliebt. Sie machte uns glücklich in schweren Zeiten.” Er hielt inne. „Wir wissen nicht, ob sie noch lebt. Vielleicht ist sie in die Geisterwelt gegangen. Das denke ich.” Er hielt inne. „So ist es gut. Sie wird nicht allein sein. Viele dort kennt sie, mehr als hier. Wir werden sie wiedersehen. Sie wartet auf uns.”

Er betrachtete einen abgebrochenen Zweig in seiner Hand. Die Stille lastete schwer. Schließlich blickte er auf und versuchte zu lächeln. „Wir sind noch hier und müssen entscheiden, was wir tun wollen.” Die Menschen sahen ihn an und nickten.

Er stand auf und zeichnete einige Linien auf den Boden. Zusammen ergaben sie eine einfache, aber genaue Karte der Region.

„Wir sind hier”, sagte er und zeigte mit dem Stock auf die Stelle. „Südlich, ein klein wenig südöstlich, ist das Tal des großen Playa-Sees. Dort hindurch gibt es auf dem gesamten Weg bis zur Sierra Enmedio ebenen Grund.

Im Süden und Westen sind die Animas Berge, westlich davon die Peloncillos, und weiter in Richtung Westen das San Simon Tal und die Berge, die den Namen unseres Volkes tragen.”

Er machte eine Pause. „Wir könnten durch das Tal des großen Playa-Sees oder durch das Animas Tal gehen. Wir wissen nicht, wo Truppen auf uns warten. Sie werden an vielen Orten sein, um uns am Überqueren der Grenze zu hindern. Ich denke, die gefährlichste Route führt durch das Animas Tal. Einer der Eingänge des Guadelupe Canyon ist dort, auf der Westseite, und ich bin sicher, dass sie ihn gesperrt haben. Es könnten auch Soldaten auf dem Pass in den Animas Berge sein.” Er deutete auf den San Luis-Pass. „Sie könnten das Tal blockieren und versuchen, uns zwischen sich einzukesseln. Ich denke, wir sollten durch das große Playa-Tal gehen. Aber wir müssen sicher sein, dass dort keine Soldaten sind. Wenn doch, müssen wir sie dazu bringen, es zu verlassen.”

Er spähte in die Runde, suchte die Gesichter ab. Sie studierten die Markierungen auf dem Boden oder blickten ihn an.

Nach einer Weile sprach Josanie: „Ja, das denke ich auch. Sie erwarten, dass wir westlich von hier über die Grenze gehen. Es ist der alte Weg, und wir haben ihn früher schon oft benutzt. Wir müssen sie glauben machen, dass wir es dieses Mal wieder tun werden.”

Er überlegte. „Ich könnte es tun. Ich könnte nach Westen gehen und dort viel Schaden anrichten, Siedlungen niederbrennen, Truppen von überall her dorthin locken. Ich könnte sechs Männer nehmen. Wir würden schnell reiten, Orte heimsuchen und weiterreiten, sie denken lassen, wir seien viele, sie verwirren. Sie sollten glauben, dass wir alle dort sind, die ganze Gruppe.”

Ein zustimmendes Murmeln erklang.

„Ja”, sagte Chihuahua. „Wie viel Zeit brauchst du?”

„Vier oder fünf Tage”, antwortete Josanie. „Wir sollten uns in sechs Tagen in Mexiko treffen. Ihr könntet vier Tage lang hier bleiben und am fünften weiterziehen. Am sechsten Tag treffen wir uns dort. Was denkst du?”

Chihuahua nickte. „Ja. Wir sollten es so machen. Ich weiß, wo wir uns treffen können. Bei der Quelle in der kleinen Ebene an der Westseite der Sierra Enmedio, wo wir vor drei Jahren gegen die Kavallerie aus Fort Bowie gekämpft haben. Ich denke nicht, dass sie uns dort vermuten werden.”

Er hielt inne und blickte zu Boden. Es gab viele blutgetränkte Orte wie jenen. Im April 1882 hatten sie sich an dieser Quelle ein Gefecht mit Tuppers Sechster Kavallerie und zwei Kompanien Apachenscouts geliefert und sie zum Rückzug gezwungen. Sie selbst waren während der Nacht in Richtung Sierra Madre abgezogen. In der Morgendämmerung waren sie jedoch neunundzwanzig Meilen weiter südlich in der Janos-Ebene von Garcias beiden mexikanischen Kavallerieeinheiten gestellt worden und hatten schwere Verluste erlitten.

Alle, die sich jetzt bei ihm befanden, waren an jenem verzweifelten Kampf im Arroyo a las Alisos beteiligt gewesen und hatten sich nur durch ihren Mut und sehr viel Munition retten können.

Er dachte an jene, die in der Schlacht gefallen waren, an andere, die gefangen und von der mexikanischen Miliz zu Tode gefoltert worden waren, an Frauen und Kinder, die in der Sklaverei verschwunden waren und von denen man nie wieder etwas gehört hatte.

Die Erinnerung lag auf ihnen wie ein Mantel der Trauer. Sie dachten an jenen Tag und an andere, die darauf gefolgt waren.

„Ich denke nicht, dass sie uns an dieser Quelle suchen würden”, sagte Chihuahua endlich. Er schaute in die Gesichter der beiden Kreise aus Frauen und Männern. „Seid ihr einverstanden?”

Es gab keinen Widerspruch. Die Männer und einige Frauen nickten. Der Plan war gut. Niemand würde die Schuld tragen müssen, wenn etwas schief ging.

„Gut. Wir treffen uns dort am sechsten Tag. Wie werdet ihr dorthin gelangen?”

„Ich weiß nicht”, antwortete Josanie. „Irgendwo durch die San Bernardino- und die San Luis Berge. Aber wartet nicht länger als zwei Tage auf uns. Wenn wir dann noch nicht da sind, zieht weiter.”

„Ja”, erwiderte Chihuahua. „Aber wenn wir nicht dort sind…?”

„Dann werde ich euch suchen.” Josanie machte eine Pause. „Wohin werdet ihr von dieser Quelle aus gehen?”

Sieben Raben flogen über das Lager, kreisten, riefen und flogen weiter. Josanie sah ihnen nach.

„Nach Westen, durch die Berge. Etwa zwanzig Meilen südwestlich der Quelle. Erinnerst du dich an den Weg?”

„Wir werden ihn finden, wenn wir müssen. Und dann?”

„Zum Arm des Bavispe Flusses, der nach Süden fließt. Wir werden versuchen, östlich davon in die Pinitos Berge zu gelangen. Dort sind viele gute Lagerplätze. Wir sind schon da gewesen. Ich denke an einen nordöstlich von Oputo. Erinnerst du dich an ihn?”

„Ja”, sagte Josanie.

„Wir werden nach euch Ausschau halten und Zeichen hinterlassen. Es gibt dort gutes Wasser, Schutz, Gras für die Pferde. Von dort können wir in jede Richtung gehen. Vielleicht auf Nana warten. Nach Süden ziehen, tiefer in die Sierra Madre.”

„Wann werdet ihr aufbrechen?”

Josanie hob seinen rechten Arm. „Wer kommt mit mir?” Fast alle Männer meldeten sich. Er deutete mit seinen Lippen auf sechs von ihnen.

„Wir gehen”, sagte er mit einem Lächeln.

Die Kreise der Menschen lösten sich auf.

Jaccali legte ihren Arm um Josanie, als sie zu ihrer Lagerstatt gingen. Es gab nichts zu sagen. Sie kannten sich. Schon viele Jahre lang durchlebten sie dies immer wieder. Josanie war immer der Anführer der Gruppe in Kriegszeiten gewesen, Chihuahua ihr Häuptling, nantan. Ramona brachte sein Pferd. Er untersuchte die Hufe der falben Stute und sattelte sie. Er schnallte Decken und Ausrüstung fest und schob das Gewehr in den Holster. Jaccali hielt das bemalte Wildlederhemd hoch. Er zog es an, nahm die Kriegshaube, setzte sie auf und verknotete die Schnüre unter seinem Kinn. Galeana und Kezinne ritten vorbei und sahen ihn über ihre Schultern hinweg an.

Chihuahua kam herbei. Er umarmte seinen Bruder und drehte sich um. Josanie schloss seine Arme um den schlanken Körper seiner Frau und berührte ihren Nacken mit seinem Mund, atmete ihren Duft ein. Dann ließ er sie los und blickte noch einmal in ihre Augen. Er stieg auf und ritt davon.

Sieben Männer versammelten sich unterhalb des Camps und lenkten die Pferde nach Westen, niemand schaute zurück. Im Lager begannen die Menschen, Material für den Bau von Wickiups zum Schutz vor dem herannahenden Regen zu sammeln.

Ulzanas Krieg

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