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Drei Magier und HerodesHerodes (röm. Klientelkönig)

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Den Start bildet dabei ein kosmisches Ereignis, das der Geburt eines Gottes angemessen ist, jedenfalls in der antiken Tradition immer wieder mit einem solchen verbunden wurde. Es gibt also ein Zeichen am Himmel: Ein Stern ist erschienen, der auf einen Ort verweist, an dem sich Großes ereignet.

Man kennt die Geschichte, die sich nun vollzieht. Der Stern wird von Spezialisten beobachtet, von Astronomen bzw. Astrologen, die sich mit Sternen und Vorbedeutungen auskennen – MatthäusMatthäus (Evangelist) spricht von magoi, was die Einheitsübersetzung mit ›Sterndeuter‹ und Luther mit ›Weise aus dem Morgenland‹ übersetzt. Im allgemeinen Sprachgebrauch wurden daraus gemeinhin ›Magier‹. Die historischen Vorbilder dürften persische Priester gewesen sein, später ausgeweitet auf Theologen, Astronomen/Astrologen, Zauberer und Wundertäter aus dem Osten. In der Tradition wurden daraus Könige, wieder einmal im Sinne einer Vorausdeutung. Den Bezug stellt Psalm 72 her, der das Vermächtnis Salomos für seinen Nachfolger formuliert: »Die Könige von Tarschisch und von den Inseln bringen Gaben, mit Tribut nahen die Könige von Scheba und Saba. Alle Könige werfen sich vor ihm nieder, es dienen ihm alle Völker.« Entgegen der unbestimmten Zahl bei Matthäus sind es bei OrigenesOrigenes dann genau drei, weil MatthäusMatthäus (Evangelist) von drei Geschenken berichtet: Gold, Weihrauch, Myrrhe. Natürlich ist auch dies immer wieder kommentiert bzw. gedeutet worden, zum Beispiel Weihrauch für JesusJesus als Gott, Myrrhe für den Menschen, Gold für den König. Ganz abgesehen davon, dass die Sterndeuter-Könige Namen bekamen, nämlich Caspar, Melchior und Balthasar. Sie wurden zuerst als Vertreter der drei Lebensalter, später als Vertreter der gesamten bekannten Welt gesehen, so dass Caspar als Schwarzer dargestellt wurde und in der Kunst häufig auffällig prunkvoll-modisch gekleidet ist.


Ludwig Konraiter (zugeschr.): Die Anbetung der Könige, Magdalenenkappelle, Hall (Tirol)

Es ist klar, was MatthäusMatthäus (Evangelist) mit seiner mythologischen Darstellung »sagen« will: Gottes Sohn kommt nicht einfach so in die Welt, der Kosmos reagiert. Und der zweite, noch wichtigere Punkt: Dieser Sohn Gottes kommt zu den Juden, deren Schriftgelehrte werden förmlich auf ihn aufmerksam gemacht, wissen auch aufgrund ihrer Bibelkenntnis, dass nur Betlehem für die Geburt in Frage kommt – und gehen nicht hin. Ganz im Gegenteil, sie verraten den Ort auch noch jemandem, bei dem sie sich ausrechnen können, dass er kurzen Prozess machen wird – HerodesHerodes (röm. Klientelkönig). Nur zeigt sich dann, dass Gott solche Boshaftigkeit durchkreuzt. Er lässt im Traum Josef informieren, der dann mit der Flucht nach Ägypten die Situation rettet. Schon die Magier müssen Lunte gerochen haben, kehren sie doch nicht zu Herodes zurück, um ihm die genaue Lage zu verraten, sondern ziehen »auf einem anderen Weg heim in ihr Land«. Herodes sieht sich damit »getäuscht« und greift zur Rache. Schwer zu sagen, wer danach schlechter dasteht: Herodes als Mörder oder die Juden als Verräter.

MatthäusMatthäus (Evangelist) hat also konstruiert, aber er macht es anders als LukasLukas (Evangelist). Gewiss, er »mythologisiert«, aber die Ereignisse fühlen sich »historischer« an, auch wenn ein wichtiger Punkt offenbleibt. Matthäus sagt nichts über die Zeit des Ereignisses, erwähnt keine Krippe, sondern spricht von einem »Haus«, in dem die Sterndeuter das Kind »sahen«. Jedenfalls finden sich bei MatthäusMatthäus (Evangelist) keine Krippenseligkeit, keine Hirten mit Engelsgesang, sondern konkrete Gestalten, die politische Ereignisse hervorrufen, die das Geburtsgeschehen mit der damaligen politischen Wirklichkeit verknüpfen. Das liegt weniger an den Sterndeutern als an HerodesHerodes (röm. Klientelkönig). Und in einem überraschenden Punkt ist auch noch das, was man am ehesten als Mythologie verstehen könnte, wieder mit der damaligen Gegenwart verknüpft: der Stern bzw. die mit ihm verbundene Erwartung eines kommenden Herrschers. Ich muss dazu etwas ausholen, denn die »normalen« Kenntnisse über diesen Herodes als Kindermörder reichen nicht. Zumal der von ihm angeordnete Mord eines der wenigen Verbrechen ist, das er nahezu sicher überhaupt nicht begangen hat.

Herodes war in seinem Todesjahr 4 v. Chr., das letztlich das wahrscheinlichste Jahr von Christi Geburt darstellt, 70 Jahre alt. Er müsste also damals den Mord organisiert haben, was schon aufgrund seiner schweren Krankheit unwahrscheinlich erscheint. Er war zuletzt schlicht »wahnsinnig« und wird keine Magier empfangen haben, die etwas über einen Stern faselten. Aber man erinnerte sich im Osten sehr gut an die Karriere dieses Despoten, der es zum nach Kaiser AugustusAugustus (vorher Gaius Octavius, röm. Kaiser) reichsten Mann der damaligen Welt gebracht hatte – ihm gehörte mehr als die Hälfte des Landes, daneben betrieb er auch noch höchst einträgliche Kupferminen. Augustus bezeichnete HerodesHerodes (röm. Klientelkönig) als seinen zweitbesten Freund, direkt nach seinem persönlichen Berater. All dies war Herodes nicht in die Wiege gelegt, er hat die Position in einem zähen, bluttriefenden Kampf errungen, der ihn immer wieder mit Rom in Verbindung brachte, zunächst auf Seiten des heftigsten Gegners des späteren AugustusAugustus (vorher Gaius Octavius, röm. Kaiser). Diese Verbindung mit Rom aber ist wichtig, weil wir hier zum ersten Mal auf den Stern stoßen.

Zunächst also ein Schritt zurück. Palästina war unter den Nachfolgern von Alexander dem Großen im 3. Jahrhundert an die Seleukiden gegangen. Da brach der Aufstand der Makkabäer aus, die zeitweise Jerusalem für sich gewannen und Könige wurden. 64 v. Chr. machte PompeiusPompeius (Gnaeus Pompeius Magnus) dem ein Ende, ließ Jerusalem stürmen, massenhaft seine Verteidiger töten und schaffte anschließend das Königtum ab. Darauf wurde PompeiusPompeius (Gnaeus Pompeius Magnus) im Bürgerkrieg von CaesarCaesar, Gaius Iulius besiegt, der einen Erben der Makkabäer, den Hasmonäer Antipater zum Prokurator, also obersten Verwalter, von Judäa machte, zusammen mit seinen Söhnen, von denen einer Galiläa erhielt – HerodesHerodes (röm. Klientelkönig). Der damals Fünfundzwanzigjährige ließ als Erstes alle irgendwie verdächtigen Juden töten, musste deshalb einen Prozess überstehen, bei dem ihn die Römer retteten. Bei den Juden war er deshalb von Anfang an verhasst, zumal HerodesHerodes (röm. Klientelkönig), der sich jüdisch »gab« und zum Beispiel die jüdischen Speisegebote befolgte, als Idumäer, also Spross eines heidnischen Volkes in Palästina und Sohn einer arabischen Mutter, eher zum Schein zum Judentum konvertiert war. Flavius JosephusJosephus, Flavius, der jüdische Historiker der Epoche und Region, der die Fronten wechselte und mitten im jüdisch-römischen Krieg zu den Römern übertrat, betrachtete ihn als einen hoffnungslosen Fall, unter anderem als sexuell unersättlich.

In der weltgeschichtlichen Auseinandersetzung zwischen OktavianAugustus (vorher Gaius Octavius, röm. Kaiser) und Marcus AntoniusMarcus Antonius schlug sich HerodesHerodes (röm. Klientelkönig) auf die Seite des Antonius, der ihn in Palästina als König einsetzte. Herodes machte sich anschließend bei seinem jüdischen Volk lieb Kind durch die Heirat mit MariamneMariamne (Ehefrau des Herodes), einer Makkabäerprinzessin, einer Vorzeigejüdin also. Überhaupt setzte er sich immer wieder für sein Volk ein, erließ etwa in Notzeiten Steuerbefreiung. Aber dann wurde es turbulent. Die ewigen Gegner Roms im Osten, die Parther, drangen vor, der letzte (im Verborgenen lebende) Makkabäerfürst AntigonosAntigonos (Makkabäerfürst) verbündete sich mit ihnen, erhielt für 1000 Talente (also sehr viel Geld) und einen Harem mit 500 Frauen die Stadt Jerusalem. Jerusalem erhob sich prompt gegen HerodesHerodes (röm. Klientelkönig), der mit seinen Konkubinen in die Wüste Judäas floh, aber von dort etwas tat, was seine Karriere erheblich beschleunigen sollte: Er reiste nach Rom, wo ihn Antonius (der damals noch mit OktavianAugustus (vorher Gaius Octavius, röm. Kaiser) als dem späteren AugustusAugustus (vorher Gaius Octavius, röm. Kaiser) kooperierte) zum König von Judäa ernannte. Das war im Jahr 40 v. Chr., einer sehr bewegten Zeit.

Machen wir an dieser Stelle einen Schnitt und wenden uns den Ereignissen in Rom zu. Genau um diese Zeit, als noch nicht klar war, wer aus dem großen Ringen als Sieger hervorgehen würde, AntoniusMarcus Antonius oder Oktavian (der spätere Augustus), glaubte man in Rom, dass ein Stern eine hohe Geburt ankündige. Die astronomisch-astrologischen Verhältnisse waren gerade dramatisch: Saturn trat vom Zeichen der Fische in das des Widders ein – am Frühlingspunkt also, der immer als Anfangstermin der Welterschaffung gegolten hatte. VergilVergil (Publius Vergilius Maro), der mit seiner Aeneis das römische Staatsepos schaffen sollte, arbeitete die Ankündigung der Geburt dieses Kindes (eines Abkömmlings Jupiters) in eines seiner Hirtengedichte ein, die Bucolica, als die vierte Ekloge. Mit diesem Kind namens Aion kehre das Goldene Zeitalter zurück. Man kann sich vorstellen, auf wen dies bezogen wurde, als OktavianAugustus (vorher Gaius Octavius, röm. Kaiser) dann endlich siegreich aus den fürchterlichen Bürgerkriegen nach CaesarsCaesar, Gaius Iulius Ermordung hervorgegangen war – natürlich auf ihn, den nunmehrigen AugustusAugustus (vorher Gaius Octavius, röm. Kaiser). Zwar hatte Vergil selbst die Ankündigung auf das Haus des Konsuls PollioPollio, Gaius Asinius (röm. Konsul) gemünzt, dem die Ekloge gewidmet ist, aber in der Rezeption trat sehr schnell der Kaiser an diese Stelle, zumal man auch in seinem Hause eine Geburt erwartete. Und dann dichtete man ihm (nach der Biographie SuetonsSueton (Gaius Suetonius Tranquillus) im frühen 2. Jahrhundert) indirekt auch noch einen Kindermord an, sofern der Senat jeden neugeborenen Knaben zu töten beschlossen hätte, um zur Republik zurückkehren zu können.

Was aber in Rom kaum jemand mitbekam: Es gab einen dritten Anwärter auf das göttliche »Aionskind«, nämlich keinen anderen als HerodesHerodes (röm. Klientelkönig), seit seinem Romaufenthalt ein enger Freund dieses PollioPollio, Gaius Asinius (röm. Konsul). Der schon damals Größenwahnsinnige bezog die Geburt auf sein eigenes Haus, zumal seine Frau MariamneMariamne (Ehefrau des Herodes) als »Stern der Hasmonäer« galt. Das alles spielte sich also in den Jahren nach 40 v. Chr. ab, also weit vor der Geburt Jesu und dem Auftreten der sternsuchenden Magier. Aber der Stern war nun einmal in der Welt, man wusste um die Vision des Goldenen Zeitalters dank dieses Sterns, wie sie VergilVergil (Publius Vergilius Maro) auf klassische Weise formuliert hatte. MatthäusMatthäus (Evangelist) könnte die Story auch vier Generationen später noch gekannt und genutzt haben.

Was Matthäus auf jeden Fall nutzte, ist dann die Brutalität des Herodes, die sein Wirken durchweg prägte und wohl lange im Gedächtnis geblieben war. Denn HerodesHerodes (röm. Klientelkönig) kehrte in die alte Heimat Jerusalem zurück, um sich sein Reich zurückzuholen, wobei er zunächst AntoniusMarcus Antonius in schwieriger Situation im Osten gegen die Parther half, ihn in bedrängter Lage buchstäblich rettete. Der Dank waren 30 000 Fußsoldaten und 6000 Reiter, mit denen Jerusalem zurückerobert wurde, wobei die Metzelei so furchtbar ausfiel, dass selbst HerodesHerodes (röm. Klientelkönig) die Römer bestach, damit sie aufhörten. Herodes ließ anschließend AntigonosAntigonos (Makkabäerfürst) als letzten Makkabäerfürsten stilvoll enthaupten, weiter von 71 Angehörigen des Hohen Rats (des »Sanhedrin«) 45 brutal hinrichten. Nur gab es noch einen Spross der Makkabäer, der auf Rache sinnen konnte – seine Ehefrau MariamneMariamne (Ehefrau des Herodes) in seinem eigenen Schlafzimmer.

Simon Sebag MontefioreMontefiore, Simon Sebag hat die unglaublichen Einzelheiten in seinem Jerusalem-Buch eindrücklich geschildert, wozu eine Verschwörung von Mariamne mit Antonius’Marcus Antonius Frau KleopatraKleopatra (Ehefrau von Marcus Antonius) gehört, um Herodes zu vernichten. Die Morde in der eigenen Familie reihten sich im damaligen Jerusalem aneinander. Herodes’Herodes (röm. Klientelkönig) Schwester Salome (die später das Haupt des JohannesJohannes der Täufer forderte, worüber MatthäusMatthäus (Evangelist) ja berichtet) ruhte nicht, bis MariamneMariamne (Ehefrau des Herodes) hingerichtet war. Er selbst war trotz seiner Krankheit noch handlungsfähig genug, um das Morden unter seinen eigenen Söhnen fortzusetzen, bis er im Jahr 4 v. Chr. zusammenbrach. Und dieser HerodesHerodes (röm. Klientelkönig) soll das JesuskindJesus verfolgt haben, wo er konkurrierende Kronprätendenten nicht aus den Sternen lesen musste, sondern genügend in seinem eigenen Hause vorfand?

MatthäusMatthäus (Evangelist) griff also auf sehr vage Kenntnisse über diesen Unglücksherrscher zurück, der sich in Jerusalem mit einem prächtigen Tempelneubau, einem wahren Weltwunder, und seinem Palast auf eine Weise verewigt hatte, deren Grundmauern noch heute sichtbar sind. Natürlich konnte Matthäus ihm angesichts dieser Biographie den Kindermord in die Schuhe schieben – aber zu einer Zeit, als die Erinnerung an die wirkliche Grausamkeit schon verblasst war.

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