Читать книгу Der Ursprung des Christentums (Eine historische Untersuchung in 4 Bänden) - Karl Kautsky - Страница 12
c. Die Sklaverei in der Warenproduktion
ОглавлениеDie ersten derartigen Betriebe dürften Bergwerke gewesen sein, Die Gewinnung und Verarbeitung von Mineralien, namentlich metallischen Erzen, eignet sich schon ihrer Natur nach schlecht dazu, bloß zum Selbstverbrauch des eigenen Haushaltes betrieben zu werden. Sobald sie nur einigermaßen entwickelt ist, liefert sie einen großen Überschuß über dessen Bedürfnisse hinaus; andererseits kann sie sich zu einiger Vollkommenheit nur entwickeln, wenn sie die Produzierung größerer Massen regelmäßig betreibt, weil nur dann die Arbeiter die nötige Geschicklichkeit und Erfahrung erlangen und die nötigen Bauten sich lohnen. Schon in der Steinzeit finden wir große Plätze, an denen die Herstellung von Steinwerkzeugen gewerbsmäßig und massenhaft betrieben wurde, die dann durch Austausch von Gemeinde zu Gemeinde oder Stamm zu Stamm weiter verbreitet wurden. Diese mineralischen Produkte waren jedenfalls die ersten Waren. Sie sind wohl die ersten, die von vornherein als Waren, zum Austausch, produziert wurden.
Sobald sich an einer Fundstätte wertvoller Mineralien der Bergbau entwickelt hatte und über den primitivsten Tagbau hinausgegangen war, erforderte er ständig größere Arbeitermassen. Das Bedürfnis danach vermochte leicht die Zahl der freien Arbeiter zu übersteigen, die aus den Reihen der Markgenossenschaft, der das Bergwerk gehörte, rekrutiert werden konnten. Die Lohnarbeit lieferte nicht dauernd zahlreiche Arbeiter, nur die Zwangsarbeit von Sklaven oder verurteilten Verbrechern sicherte die nötige Zahl von Arbeitskräften.
Diese Sklaven produzierten aber nun nicht mehr Gebrauchsgegenstände für den begrenzten persönlichen Bedarf ihres Herrn, sie arbeiteten für seinen Gelderwerb. Sie arbeiteten nicht, damit er Marmor oder Schwefel, Eisen oder Kupfer, Gold oder Silber in seinem Haushalt konsumiere, sondern daß er die Produkte des Bergwerks verkaufe und Geld dafür erhalte, jene Ware, um die man alles zu kaufen vermag, alle Genüsse, alle Macht, von der man nie zu viel haben kann. Aus den Arbeitern in den Bergwerken wurde nun so viel Arbeit herausgeschunden als möglich, denn je mehr Arbeit sie leisteten, desto mehr Geld erwarb ihr Besitzer. Dabei wurden sie möglichst schlecht genährt und gekleidet. Ihre Nahrung und Kleidung mußte man ja kaufen, man mußte Geld dafür ausgeben, die Sklaven im Bergwerk produzierten sie nicht selbst. Wußte der Besitzer eines reichen Haushalts mit seinem Überfluß an Gebrauchs- und Lebensmitteln nichts anderes anzufangen, als seine Sklaven und Gastfreunde damit reichlich zu versehen, so wurde bei der Warenproduktion jetzt der Gewinn an Geld, den der Betrieb lieferte, um so größer, je weniger die Sklaven verbrauchten. Ihre Lage verschlechterte sich um so mehr, je mehr der Betrieb zum Großbetrieb wurde, je mehr sie dadurch vom Haushalt des Herrn losgelöst, in eigenen Kasernen gehalten wurden, deren grauenhafte Kahlheit in grellem Kontrast zu dem Luxus des ersteren stand. Auch jedes persönliche Verhältnis zwischen dem Herrn und den Sklaven ging verloren, nicht nur wegen der Trennung ihrer Arbeitsstätte von seinem Haushalt, sondern auch wegen der Massenhaftigkeit der Arbeiter. So wird aus Athen zur Zeit des Peloponnesischen Krieges berichtet, daß Hipponikos 600 Sklaven in den thrakischen Bergwerken arbeiten ließ, Nikias 1.000. Die Rechtlosigkeit des Sklaven wurde nun für ihn zu einer furchtbaren Geißel. Vermag der freie Lohnarbeiter immer noch, eine gewisse Auswahl unter seinen Herren zu treffen und, wenigstens unter manchen, für ihn günstigen Verhältnissen, durch die Arbeitseinstellung auf seinen Herrn einen gewissen Druck auszuüben und das Schlimmste von sich abzuwenden, so durfte der Sklave, der seinem Herrn entlief oder ihm die Arbeit verweigerte, ohne weiteres totgeschlagen werden.
Es gab nur ein Motiv, den Sklaven zu schonen, dasselbe, weshalb man ein Arbeitsvieh schont: die Kosten des Erwerbes des Sklaven. Der Lohnarbeiter kostet nichts. Geht er bei der Arbeit zugrunde, so tritt ein anderer an seine Stelle. Der Sklave dagegen mußte gekauft werden. Ging er vorzeitig zugrunde, so verlor sein Herr dabei die Kaufsumme. Aber dieses Motiv wirkte um so weniger, je billiger die Sklaven waren. Und es gab Zeiten, wo ihr Preis ungemein sank, wo ewige Kriege, äußere und innere, zahlreiche Kriegsgefangene auf die Märkte brachten.
So wurden im dritten Kriege der Römer gegen Mazedonien im Jahre 169 v. Chr. 70 Städte allein in Epirus an einem Tage geplündert und 150.000 ihrer Einwohner als Sklaven verkauft.
Nach Böckh war der gewöhnliche Preis eines Sklaven in Athen 100 bis 200 Drachmen (80 bis 160 Mark). Xenophon gibt an, daß er zwischen 50 und 1.000 Drachmen schwankte. Nach Appian wurden im Pontus bei einer Gelegenheit die gemachten Kriegsgefangenen um 4 Drachmen (etwas über 3 Mark!) pro Stück losgeschlagen. Joseph, den seine Brüder nach Ägypten verkauften, erzielte auch nur 20 Sekel (18 Mark).
Ein gutes Reitpferd war weit teurer als ein Sklave. Es kostete zur Zeit des Aristophanes etwa 12 Minen, fast 1.000 Mark.
Dieselben Kriege, die billige Sklaven lieferten, ruinierten aber auch viele Bauern, denn die bäuerlichen Milizen bildeten damals den Kern der Heere. Mußte der Bauer Krieg führen, so verkam leicht inzwischen sein Betrieb, dem die Arbeitskräfte fehlten. Den zugrunde gegangenen Bauern blieb nichts übrig, als zum Räuberhandwerk zu greifen, wenn ihnen nicht der Abzug in eine benachbarte Stadt offen stand, in der sie als Handwerker oder Lumpenproletarier ihr Leben fristeten. So entstanden nun zahlreiche Verbrechen und Verbrecher, die die frühere Zeit nicht gekannt hatte, und die Jagd auf die Verbrecher lieferte neue Sklaven. Denn noch waren Zuchthäuser unbekannt. Diese sind ein Produkt der kapitalistischen Produktionsweise. Was man nicht ans Kreuz schlug, wurde zur Zwangsarbeit verurteilt.
So gab es zeitweise zahllose, äußerst billige Sklavenscharen, deren Lage eine allgemein elende war. Das bezeugen zum Beispiel die spanischen Silberbergwerke, die zu den ergiebigsten des Altertums gehörten.
„Anfänglich,“ berichtet Diodor von diesen Bergwerken, „beschäftigten sich gewöhnliche Privatleute mit dem Bergbau und erwarben großen Reichtum, weil die Silbererze nicht tief lagen und reichlich vorhanden waren. Nachher, als die Römer Herren von Iberien (Spanien) geworden waren, fand sich eine Menge Italiker bei den Bergwerken ein, die durch ihre Gewinnsucht große Reichtümer erwarben. Sie kauften nämlich eine Menge Sklaven und übergaben solche den Aufsehern der Bergwerksarbeiten ... Diejenigen Sklaven, die in diesen Bergwerken zu arbeiten haben, bringen zwar ihrem Herrn unglaubliche Einkünfte ein: von ihnen selbst aber, die unter der Erde, in den Gruben Tag und Nacht ihren Körper anstrengen, sterben viele von der übermäßigen Arbeit. Denn sie haben keine Erholung oder Pause dabei, so~dern werden durch die Schläge ihrer Aufseher gezwungen, das härteste Ungemach zu ertragen und sich tot zu arbeiten. Einige, die genug Körperkraft und geduldigen Gleichmut haben, es auszuhalten, verlängern dadurch nur ihr Elend, dessen Größe ihnen den Tod wünschenswerter macht als das Leben.“
Ist die patriarchalische Haussklaverei vielleicht die mildeste Form der Ausbeutung, so die Sklaverei im Dienst des Profithungers sicher die scheußlichste.
In den Bergwerken war der Großbetrieb mit Sklaven unter den gegebenen Verhältnissen durch die Technik des Betriebs geboten. Aber mit der Zeit entstand auch ein Bedürfnis nach Warenproduktion im großen durch Sklaven auf anderen. Gebieten der Produktion. Es gab Gemeinwesen, die an kriegerischer Kraft ihre Nachbarn weit überragten. Sie zogen aus dem Krieg solche Vorteile, daß sie seiner nicht satt wurden. Die Kriegführung lieferte immer wieder neue Scharen von Sklaven, die man profitabel zu beschäftigen suchte. Solche Gemeinwesen waren aber auch mit großen Städten verbunden. Eine Stadt, die, durch ihre Lage begünstigt, ein großer Stapelplatz eines regen Handels wurde, zog schon durch den Handel viele Menschen an und wurde, wenn sie mit dem Bürgerrecht Fremden gegenüber nicht sparsam umging, bald reicher an Menschen, aber auch an Mitteln, wie andere Gemeinden ringsum, die sie sich unterwarf. Die Plünderung und Ausbeutung der Umgebung vermehrte noch den Reichtum der Stadt und ihre Einwohnerzahl. Dieser Reichtum erweckte das Bedürfnis nach großen Bauten, teils hygienischen – Kloaken, Wasserleitungen –; teils ästhetischen und religiösen – Tempel und Theater –; teils militärischen – Ringmauern. Solche Bauten waren damals am ehesten herzustellen durch große Sklavenscharen. Bauunternehmer erstanden, die zahlreiche Sklaven kauften und mit deren Arbeitskraft für den Staat die verschiedensten Bauten ausführten. Die Großstadt erzeugte aber auch einen ausgedehnten Markt für große Lebensmittelmassen. Den bedeutendsten Überschuß mußte bei niedrigen Sklavenpreisen der landwirtschaftliche Großbetrieb liefern. Freilich war damals noch von einer technischen Überlegenheit des Großbetriebs in der Landwirtschaft nicht die Rede. Die Sklavenarbeit produzierte im Gegenteil weniger als die Arbeit der freien Bauern. Aber der Sklave, dessen Arbeitskraft man nicht zu schonen brauchte, den man unbekümmert zu Tode schinden konnte, erzeugte einen größeren Überschuß über seine Erhaltungskosten, als der Bauer, der damals noch nicht den Segen der Überarbeit begriffen hatte und an Wohlleben gewöhnt war. Dazu kam noch der Vorteil, gerade in solchen Gemeinwesen, daß der Bauer alle Augenblick durch die Pflicht der Vaterlandsverteidigung vom Pfluge geholt wurde, indes der Sklave vom Kriegsdienst befreit war. So bildete sich im ökonomischen Bereich solcher großen und kriegerischen Städte der landwirtschaftliche Großbetrieb mit Sklaven. Die Karthager entwickelten ihn zu einer bedeutenden Höhe. In den Kriegen mit Karthago lernten ihn die Römer kennen und mit den der großen Nebenbuhlerin abgenommenen Provinzen übernahmen sie auch den landwirtschaftlichen Großbetrieb, den sie dann weiter entwickelten und ausdehnten.
Endlich aber lag es in Großstädten, wo massenhaft Sklaven des gleichen Handwerks zusammentrafen und ein guter Absatzmarkt für deren Produkte vorhanden war, nahe, eine größere Anzahl solcher Sklaven zusammenzukaufen und in einem gemeinsamen Arbeitshaus an die Arbeit zu setzen, damit sie für den Markt produzierten, wie es heute in Fabriken durch Lohnarbeiter geschieht. Indessen haben solche Sklavenmanufakturen nur in der hellenischen Welt größere Bedeutung gewonnen, nicht in der römischen. Überall aber entwickelte sich eine besondere Art der Sklavenindustrie mit dem landwirtschaftlichen Großbetrieb, einerlei ob dieser Plantagenbetrieb war, der nur eine besondere Spezialität, etwa Getreide, fabrikmäßig für den Markt herstellte, oder in der Hauptsache dem Selbstverbrauch der Familie, des Haushalts diente und die verschiedenartigsten Produkte lieferte, deren dieser bedurfte.
Die landwirtschaftliche Arbeit hat die Eigentümlichkeit, daß sie bloß zu gewissen Zeiten des Jahres viele Arbeitskräfte erfordert, zu anderen, namentlich im Winter, nur wenige. Das ist ein Problem auch für moderne größere landwirtschaftliche Betriebe, es war ein noch schwierigeres unter dem System der Sklavenarbeit. Denn den Lohnarbeiter kann man entlassen, wenn man ihn nicht braucht, und holen, wenn man seiner bedarf. In der Zwischenzeit möge er sehen, wo er bleibe. Dagegen konnte der größere Landwirt doch nicht jeden Herbst seine Sklaven verkaufen und im Frühjahr neue ankaufen. Das wäre ihn teuer zu stehen gekommen. Denn im Herbst hätten sie nichts und im Frühjahr sehr viel gegolten. Er mußte also suchen, sie zu beschäftigen auch in der Zeit, in der die Landwirtschaft ruhte. Noch waren die Traditionen der Vereinigung von Landwirtschaft und Industrie lebendig, noch verarbeitete der Bauer selbst Flachs, Wolle, Leder, Holz und andere Produkte seines Betriebs zu Kleidern und Geräten. So wurden jetzt auch die Sklaven des landwirtschaftlichen Großbetriebs in der Zeit der Ruhe der Landwirtschaft zu industriellen Arbeiten angehalten, zur Weberei und zur Fabrikation und Verarbeitung von Leder, zur Anfertigung von Wagen und Pflügen, zur Herstellung von Töpfereien aller Art. Aber sie produzierten bei vorgeschrittener Warenproduktion nicht bloß für den eigenen Betrieb und Haushalt, sondern auch für den Markt.
Waren die Sklaven billig, so konnten auch ihre industriellen Produkte billig sein. Geldausgaben erforderten sie nicht. Der Betrieb, das Latifundium, lieferte für die Arbeiter die Lebensmittel und Rohstoffe, meist auch die Werkzeuge. Und da die Sklaven auf jeden Fall während der Zeit erhalten werden mußten, in der sie für die Landwirtschaft nicht notwendig waren, wurden alle industriellen Produkte, die sie über die Bedürfnisse des eigenen Betriebs und Haushaltes hinaus produzierten, ein Überschuß, der auch bei niedrigen Preisen einen Profit lieferte.
Kein Wunder, daß sich ein freies, starkes Handwerk angesichts dieser Konkurrenz der Sklavenarbeit nicht entwickeln konnte. Die Handwerker blieben in der antiken, namentlich der römischen Welt, arme Teufel, die meist allein, ohne Gesellen, arbeiteten, in der Regel nur das ihnen gelieferte Material im Hause des Kunden oder zu Hause verarbeiteten. Von einem kraftvollen Handwerkertum, wie es sich im Mittelalter entwickelte, ist da keine Rede. Die Zünfte bleiben schwach, die Handwerker in ständiger Abhängigkeit von ihren Kunden, meist größeren Grundbesitzern, als deren Klienten sie oft eine recht parasitenhafte Existenz an der Grenze des Lumpenproletariats führen.
Aber der Großbetrieb mit Sklaven war gerade nur imstande, ein Erstarken des Handwerks und eine Entwicklung seiner Technik zu hindern, die im Altertum stets auf einer niederen Stufe blieb, der Armut des Handwerkers entsprechend: dessen Geschicklichkeit konnte unter Umständen ungemein hoch steigen, seine Werkzeuge blieben stets kümmerlich und primitiv. Aber dasselbe war der Fall im Großbetrieb selbst. Die Sklaverei wirkte auch in diesem hemmend auf jede technische Entwicklung.