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VI.

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Jenseits der Fachliteratur gibt es wunderbare Beschreibungen von ganz unterschiedlichen Geschwisterbeziehungen. Das Schöne daran ist, dass sie das, was die Wissenschaft relativ trocken beschreibt, viel lebendiger und eindringlicher vor Augen führen, es bestätigen, aber auch widerlegen. Ach, was gibt es da, neben eigenen und fremden ungeschriebenen Geschichten nicht alles zu entdecken über Brüder und Schwestern! Beispielsweise Adalbert Stifters Bergkristall und Der Hochwald, Erzählungen, die König ohnehin in seine umfassenden Vorbereitungen einbezog. Stifters Zwei Schwestern ist relativ unbekannt geblieben, jene geheimnisvolle Geschichte, die sich in den Höhen über dem Gardasee abspielt. Oder Unsre Lieb aber ist außerkohren. Die Geschichte der Geschwister Clemens und Bettine Brentano von Hartwig Schultz, eindringlich auch Uwe Timm, Am Beispiel meines Bruders. Und wem fielen, wenn von Dreien die Rede ist, nicht Dostojewskijs Die Brüder Karamasow ein, oder das jiddische Epos Die Brüder Maschber von Pinhas Kahanowitsch und Die drei Schwestern Piale von Richard Millet. Das beste Geschwisterbuch, das ich in letzter Zeit gelesen habe, ist Der Schwimmer von Zsuzsa Bánk. In dem Roman wird, unglaublich berührend und eindringlich, von der ziellos-sehnsüchtigen Reise des kleinen Isti, seiner älteren Schwester Kata und ihrem Vater erzählt, die von der Mutter und Partnerin im Ungarn der fünfziger Jahre plötzlich verlassen wurden. Den ungewöhnlichen Dokumentarfilm 7 Brüder verdanken wir Sebastian Winkels. In ihm erzählen sieben Männer, geboren zwischen 1929 und 1945, aus ihren Biographien, die sich zu einem faszinierenden Familienuniversum verdichten, in dem sich auf ungewöhnliche Weise deutsche Geschichte spiegelt.

Marie-Luise Kaschnitz, ein Jahr vor König geboren, hatte zwei ältere Schwestern und einen jüngeren Bruder. Ob sie sich in ihrem Leben als drittes Kind in Königs Aussagen hätte finden können, kann getrost offen bleiben. Kaschnitz wusste jedenfalls, wovon sie sprach in ihrem zeitlos gültigen Gedicht:

Geschwister

Was anders heißt Geschwister sein

als Abels Furcht und Zorn des Kain,

als Streit um Liebe, Ding und Raum,

als Knöchlein am Machandelbaum,

und dennoch, Bruder, heißt es auch,

die kleine Bank im Haselstrauch,

den Klageton vom Schaukelbrett,

das Flüstern nachts von Bett zu Bett,

den Trost –

Geschwister werden später fremd,

vom eigenen Schicksal eingedämmt,

doch niemals stirbt die wilde Kraft

der alten Nebenbuhlerschaft,

und keine andere vermag

so bitteres Wort, so harten Schlag.

Und doch, so oft man sich erkennt

und bei den alten Namen nennt,

auf wächst der Heckenrosenkreis.

Du warst von je dabei. Du weißt.

Brüder und Schwestern

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