Читать книгу Flucht aus der Würfelwelt - Karl Olsberg - Страница 9

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7.

Um die nächstgelegene Festung zu finden, werfe ich eines der Schattenaugen. Es zischt ab wie eine Silvesterrakete, wobei es eine violett glitzernde Spur hinterlässt. Auf dem Gipfel seiner Flugbahn verharrt es einen Moment in der Luft, bevor es mit einem kaum hörbaren Plopp verschwindet. Mist!

Eigentlich hatte ich gehofft, dass ich dieses Auge mehrfach verwenden kann – normalerweise zerplatzen sie nicht gleich beim ersten Mal. Aber jetzt weiß ich wenigstens, in welche Richtung ich gehen muss. Das Wetter ist schön, die Landschaft sanft und hügelig, und ich würde ein Liedchen pfeifen, wenn ich wüsste, wie ich meine aufgemalten Lippen schürzen kann. Ich durchwandere eine Wüste und klettere über ein steiles Gebirge. Auf der anderen Seite liegt ein Wald, in dem Riesenpilze aufragen. Auch diesen durchquere ich ohne besondere Ereignisse, wobei mir der Kompass hilft, die Richtung beizubehalten.

Als der Abend anbricht, errichte ich eine primitive Hütte und warte die Nacht ab, während draußen Zombies und Skelette herumgeistern.

Am nächsten Morgen werfe ich erneut ein Schattenauge. Diesmal habe ich mehr Glück: Das Auge zerplatzt nicht, sondern fällt zu Boden, so dass ich es aufsammeln und wiederverwenden kann.

Gegen Mittag sehe ich von einem Hügel aus in der Ferne Häuser. Sie liegen nicht genau auf meinem Weg, aber ich beschließe, einen kleinen Abstecher zu machen. Wer weiß, vielleicht kann ich dort meine Smaragde gegen etwas Nützliches eintauschen.

Doch seltsam, als ich das Dorf erreiche, scheint es leer zu sein. Dabei hätte ich schwören können, aus der Ferne die Bewohner herumwuseln zu sehen. Merkwürdig. Anscheinend gibt es doch leichte Unterschiede zwischen dieser Welt in meinem Kopf und der echten Spielwelt. Der Gedanke bereitet mir Unbehagen, ohne dass ich genau sagen könnte, warum.

Das Dorf ist relativ groß und verfügt sogar über eine Kirche. Vielleicht sind die Dorfbewohner gerade zum Gottesdienst versammelt? Doch die Kirche ist leer.

Als ich wieder auf die Straße trete, glaube ich, hinter einem Fenster eine Bewegung wahrzunehmen. Im Inneren des Hauses treffe ich auf einen Dorfbewohner mit charakteristischer Knollnase. Seine braune Robe weist ihn als Bauern aus. Als er mich sieht, scheinen sich seine schielenden Augen für einen Moment zu weiten, und er macht ein erschrecktes Geräusch, das wie „Au!“ klingt. Bevor ich auch nur „Hallo“ sagen kann, flüchtet er aus dem Haus. Ich folge ihm hinaus auf den Kiesweg, der mitten durch das Dorf verläuft. Er flitzt auf seinen Stummelbeinchen davon, als sei ein Zombie hinter ihm her.

„Halt, warte doch mal!“, rufe ich, doch der Dorfbewohner rennt weiter in Richtung eines Waldes. Im Schatten großer Eichen nehme ich Bewegungen wahr. Sind da etwa noch mehr Knollnasen versteckt? Doch als ich den Waldrand erreiche, ist nichts mehr von ihnen zu sehen. Auch der Dorfbewohner, der vor mir geflüchtet ist, scheint spurlos verschwunden. Was haben die bloß gegen mich? Normalerweise sind Dorfbewohner friedlich und freuen sich, wenn man mit ihnen Handel treibt.

Schließlich gebe ich die Verfolgung auf. Ohne lange über das seltsame Verhalten der Dorfbewohner nachzudenken, setze ich meinen Weg fort. Als sich die Sonne dem Horizont zuneigt, zeigt das Schattenauge eine andere Richtung an. Ich muss der Festung bereits recht nahe sein. Nachdem ich etwa hundert Schritte gegangen bin, erreiche ich eine weite Ebene. Noch einmal werfe ich ein Schattenauge, das jedoch nicht wie bisher in die Luft schießt, sondern fast senkrecht im Boden verschwindet. Bingo!

Ich fange an zu graben. Es dauert nicht lange, bis ich auf ein Höhlensystem stoße, in dem mich eine ungewöhnlich große Anzahl von Skeletten, Zombies und Kriechern erwartet. Nachdem ich ihnen den Garaus gemacht habe, entdecke ich verräterische moosbewachsene Blöcke in der Höhlenwand. Mit der Spitzhacke schlage ich eine Öffnung hinein und gelange in eine alte Bibliothek. Augenblicklich werde ich von einem ganzen Schwarm Silberfischchen attackiert. Ein einziges dieser kleinen, insektenartigen Biester wäre harmlos, aber ein halbes Dutzend von ihnen könnten einem weniger gut ausgerüsteten Abenteurer durchaus gefährlich werden.

Nachdem ich das Ungeziefer beseitigt habe, durchsuche ich die Bibliothek und finde in einer Büchertruhe ein Zauberbuch. Als ich es in meinem geistigen Inventar aktiviere, glüht mein Bogen kurz auf und zeigt danach einen magischen Schimmer. Ich bin nicht sicher, welchen Effekt das Zauberbuch auf die Waffe gewirkt hat, aber er wird im Kampf gegen den Drachen sicher nützlich sein.

Eine Wohngemeinschaft aus Höhlenspinnen, Zombies, Kriechern und Skeletten scheint sich durch meine Erkundung der Festung gestört zu fühlen. Doch wer gut genug gerüstet ist, um gegen einen Drachen zu kämpfen, für den sind solche Normalomonster eher lästig als gefährlich.

Endlich erreiche ich im Untergeschoss der Festung den Raum, den ich gesucht habe. Er ist länglich und hat in der Mitte ein Podest, zu dem eine Steintreppe hinaufführt. Auf der Treppe steht ein brennender Käfig, in dem ein kleines Silberfischchen herumwirbelt – ein Monsterspawner. Folg-lich wimmelt es in diesem Raum von den Plagegeistern.

Es dauert nicht lange, bis ich die Tiere beseitigt und den Spawner durch Platzieren von ein paar Fackeln deaktiviert habe. Nun kann ich mich dem Endportal widmen, das sich oben auf dem Podest befindet. Es besteht aus einem Lavabecken, das von zwölf speziellen Steinblöcken umgeben ist. Sie haben oben Einbuchtungen, in die jeweils genau ein Schattenauge passt. Alle sind leer.

Ich platziere zwölf Schattenaugen auf den Blöcken. Ein summendes Geräusch ertönt, als ich das letzte Auge in seine Fassung lege, und über der Lava entsteht ein schwarzes Feld. Nein, eigentlich ist es kein Feld, sondern ein Loch. Ein unendlich tiefes, schwarzes Loch …

Wie gelähmt stehe ich am oberen Ende der Treppe und starre in die Finsternis. Ich kann meinen Herzschlag im Hals spüren, obwohl mein Kastenkörper gar keinen Hals hat. Die Schwärze zieht mich magisch an und erzeugt gleichzeitig panische Angst in mir. Dies ist das Ende! Ich werde sterben, wenn ich mich in diese Dunkelheit stürze!

Ich weiß nicht, wie lange ich so verharre, gefangen zwischen dem Wunsch, diesen Alptraum zu beenden, und der Angst vor der Auslöschung meiner Existenz. Plötzlich wird mir schwindelig, und meine Kastenbeine werden weich wie Schaumgummi. Ich kippe vornüber in die Dunkelheit, zu entsetzt, um zu schreien.

Flucht aus der Würfelwelt

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