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Kapitel 3
Was Sex
damit zu tun hatte

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Mein Vater fuhr mit mir zum Eisessen. Essen war ein sehr wichtiger Bestandteil unserer Beziehung. Ich schaute aus dem Fenster auf den vorbeisausenden Bürgersteig.

»Bist du noch Jungfrau?«

»W… was?«

»Was?«

»Was?«

Wenn ich meine Antwort auf eine Frage hinauszögern oder vermeiden wollte, nutzte ich das taube Ringerohr meines Vaters aus.

Ich hatte Sex, sogar jede Menge, aber bis dahin nie Geschlechtsverkehr mit einer Frau gehabt. Ich hatte großartigen Sex, bei dem ich, in eine weiche Socke masturbierend, gierig auf die Frauen- und Mädchenunterwäsche aus dem Sears & Roebuck-Katalog starrte oder auf nackte eingeborene Frauen aus fernen Ländern in der National Geographic. Das waren keine besonders erotischen Bilder, keine Pornografie. Es waren einfach nur Frauen, die in Damenwäsche oder nur mit Lendenschurz bekleidet in die Kamera starrten, als hätten sie noch nie zuvor eine gesehen. Ich starrte auf diese Bilder und holte mir einen runter und sobald ich mich so fühlte, als sei ich das jeweilige Mädchen, kam ich.

Natürlich war mir klar, nach welcher Art Sex mein Vater fragte: Jungs und Mädchen, genitaler Geschlechtsverkehr. Ich war allerdings ein kleiner, fetter, jüdischer Junge, der sich mit netten, jüdischen Mädchen traf, mit denen ich nicht mal über Sex redete, da man so etwas mit netten, jüdischen Mädchen nicht tat.

Einige Male hatte ich im Kino voller Ehrfurcht die prachtvollen Brüste von Sophia Tranakis streicheln dürfen. Und weil sie ein griechisch-orthodoxes Mädchen war, ging das in Ordnung. Wir sprachen nie viel miteinander, sondern fielen nur knutschend übereinander her. Ich bewunderte ihre Brüste und Nippel, Sophia genoss meine verehrenden Hände und rieb mir wiederum den Schwanz durch ­meine Hose. Sie sah mir dabei in die Augen und befahl mir grinsend, nicht zu kommen. Was also sollte ich meinem Vater antworten, als er mich fragte, ob ich noch Jungfrau sei. Meine Verzögerungstaktik funktionierte: Er formulierte die Frage so detailliert, dass ich sie beantworten konnte.

»Ich meine, wurdest du schon flachgelegt oder nicht?«

»Noch nicht, nein.«

Die Stille im Auto umgab uns wie eine düstere Wolke.

»Aber Dad, ich glaube, vielleicht wird Sophia, du weißt schon, bald … möglicherweise …«

Er hob die Hand und ließ mich verstummen, seine Augen dabei die ganze Zeit auf die Straße gerichtet.

»Ich habe das mit deinem Onkel Jay besprochen.«

Onkel Jay war nicht mein Onkel, er war ein enger Freund meines Vaters und Onkel Jay war Psychiater. Oh Gott, war ich etwa noch Jungfrau, weil ich geisteskrank war?

»Onkel Jay hat eine Patientin, die Prostituierte ist, und hat für euch beide einen Termin gemacht.«

Was hatte er gerade gesagt? Eine Prostituierte? Ich meine, Gott sei Dank war ich nicht geisteskrank, aber Gottimhimmel: eine Prostituierte? Meine Gedanken sprangen sofort zu Shirley MacLaine als ­Ginny Moorhead, die Prostituierte mit dem goldenen Herzen und Partnerin von Frank Sinatra in Verdammt sind sie alle. Ich ­schmollte wie Ginny, was ich vor dem Spiegel geübt hatte. Mein Vater sah mich nicht, da er seinen Blick nie von der Straße abwendete, niemals. Nein, dieser Prostituiertenplan meines Vaters war für den Arsch und die Sinatra-Rolle bestimmt nichts für mich. Und, Moment mal, die Prostituierte war Onkel Jays Patientin? Das hieß, sie war geisteskrank. Ich bekam Angst.

Mein Vater hatte mittlerweile bei Carvel’s, dem Softeisladen, gehalten und wir aßen schweigend unser Eis. Ich leckte meins, er biss große Stücke aus seinem. Zwischen den Bissen eröffnete er mir schließlich nicht nur, dass ich eine Verabredung mit einer Prostituierten – einer geistig labilen Prostituierten – hatte, sondern auch, dass meine erste erotische Begegnung in der Praxis meines Vaters stattfinden sollte und zwar auf dem Bett, wo sonst seine Patienten lagen, deren EKG-Werte ich maß.

In den Sommerferien arbeitete ich in der Praxis meines Vaters, der sich insbesondere auf Atemwegs- und Herzprobleme spezialisiert hatte. Seine Patienten waren also größtenteils alte Menschen, von ­denen jeden Tag zwei oder drei ein EKG benötigten. Mit Saugnäpfen befestigte ich zwölf Kabel an ihren Körpern, dickflüssiger Salzglibber sorgte für Leitfähigkeit. Nach einigen Patienten begann der Raum zu stinken. In diesem Zimmer, auf diesem Bett sollte ich meinen ersten Sex haben, mit einer Frau, die mit Sicherheit gute Gründe dafür ­hatte, zu Onkel Jay, dem Psychiater, zu gehen. Dann kam mir der ­Gedanke, dass sie womöglich verrückt wurde, weil sie Syphilis hatte. Vielleicht würde sie mich anstecken. Selbst wenn ich es schaffen ­sollte, diesen Abend zu überleben – brach ich damit nicht irgendein Gesetz, ganz zu schweigen von Onkel Jay?

»Wie kann Onkel Jay mich mit einer seiner Patientinnen zusammenbringen? Ist das nicht illegal?«

»Ich bezahle sie dafür, du Trottel, nicht Onkel Jay. Du triffst sie heute Abend.«

Regungslos starrte ich auf meine Eiswaffel.

»Amüsier dich gut, mein Sohn!«

Amüsiert war ich allerdings ganz und gar nicht, als ich Auge in Auge mit Audrey stand, der Frau, die mich zum Mann machen sollte. Sie sah aus wie Tante Frankie, die Zwillingsschwester meines Vaters, und das allein war schon in jeder Hinsicht falsch. Ich schaute immer mal wieder weg und sah sie dann wieder an, nur um sicherzugehen, aber sie sah immer noch aus wie Tante Frankie. Es war Sommer, es war heiß. Wir waren beide pummelig und meine Haut klebte, genau wie ihre. Ich stellte den Deckenventilator an und sah bei dämmrigem Licht dabei zu, wie sie sich aus ihrem Korsett kämpfte. Zu guter Letzt legte sie sich auf die EKG-Liege, spreizte ihre Beine und klopfte mit der flachen Hand auf das Laken. Gehorsam nahm ich Platz. Sie roch nicht besonders gut, aber ich glaube, das hatte eher mit der Hitze und dem Gummikorsett zu tun als mit fehlender Hygiene. Ich hatte meine Schuhe ausgezogen, sonst nichts. Sie neigte ihren Kopf zur Seite:

»Du möchtest das gar nicht, Schätzchen, oder?«

»Ich glaube nicht, nein, nicht wirklich.«

»Warum? Magst du Jungs?«

»Ich glaube nicht, nein.« Sie sah mir dabei zu, wie ich schweigend, mit den Armen rudernd nach Worten suchte.

»Komm her, Baby.«

Audrey zog meinen Kopf sanft auf ihre Brüste, die gut rochen, und so lagen wir still für eine halbe Stunde da. Später saßen wir in einer Milchbar.

»Ich heiße nicht wirklich Audrey. Ich heiße Alice.«

»So hätten sie mich genannt, wenn ich ein Mädchen geworden wäre. Warum Audrey?«

»Audrey Hepburn«, antwortete Alice. »Ich will so dünn und schön sein wie sie.«

An der Stelle hätte ich protestieren und ihr sagen sollen, dass sie wunderschön war. Stattdessen platzte die Wahrheit aus mir heraus, ohne dass ich etwas dagegen tun konnte.

»Ich will Holly Golightly sein.«

»Ach, wirklich?«

»Ja, wirklich. Du bist der erste Mensch, dem ich das je gesagt habe. Bitte sag es nicht Onkel Jay.«

Audrey tätschelte meine Hand. Ich fühlte mich viel zu verwundbar und wechselte das Thema.

»Warum gehst du zu Onkel Jay?«

Das breite Grinsen hatte ich nicht erwartet.

»Ich verletze Menschen, dann verlasse ich sie.«

»Mich hast du nicht verletzt.«

»Du bist nicht gefährlich.«

Wir tranken unsere Shakes aus und liefen durch den Sunset Lake Park zurück zum Ärztehaus. Die Luft roch nach Seewasser, die ­Bäume standen in voller Blüte. Ich erinnerte mich an die Regeln guten Benehmens und fragte sie, ob sie nach Hause gefahren werden wollte.

»Du kannst fahren?«

»Nein, nein. Ich rufe meinen Dad an und der holt uns ab.«

Es entstand eine peinliche Stille, als wir beide die damit ­verbundene Gefahr erkannten.

»Nein danke, Al. Es ist eine wunderschöne Nacht. Ich laufe am See entlang nach Hause.«

In jenen Tagen konnte eine Frau ungefährdet allein am späten Abend durch einen Park spazieren.

»Schlaf gut, Holly.«

»Du auch, Audrey.«

Wir umarmten einander – wie ich meinte, schwesterlich – zum Abschied. Von einem Münztelefon aus rief ich meinen Vater an und bat ihn, mich abzuholen.

»Hast du’s getan?«

»Es war der Wahnsinn, Dad!«

»Das ist mein Junge!«

Ich habe ihm nie erzählt, was wirklich geschehen war. Er war stolz auf mich. Falls Audrey/Alice jemals Onkel Jay etwas erzählt haben sollte, habe ich es jedenfalls nie erfahren.

*

Mein echtes erstes Mal hatte ich mit Candy. Wir begegneten uns, als ich in der Abschlussklasse an der Pennington School war, einem Privat­internat für Jungen. Es war der Tag des Abschlussballs, eine Woche vor der Zeugnisübergabe. Ich hatte Bernadette Marlowe als meine Begleiterin eingeladen, die Schwester von Donny Marlowe, dem Kapitän der Ringermannschaft. Sie war meine große Liebe. Weil wir Hunderte von Kilometern entfernt voneinander lebten, ­hatte ich den Mut, offiziell meine unsterbliche Liebe kundzutun. Ich hatte Bernadette Marlowe zahlreiche Shakespeare-Sonette in makellosen fünfhebigen Jamben geschrieben.

Es war ein perfekter Frühlingstag mit einem wunderschönen Wechselspiel von Licht und Schatten und sanften Brisen, die den Duft von frisch geschnittenem Gras verbreiteten. Ich schlenderte über das Schulgelände und dachte über die letzten drei Jahre an der Schule nach, die erfolgreich für mich gelaufen waren: Ich war Klassensprecher, Herausgeber des Jahrbuchs und hatte mehrere Preise für Vorträge erhalten. Außerdem war ich, da ich Anfang des Jahres zu ­hungern gelernt hatte, sagenhaft dünn. Mein Strebertum hatte sich ausgezahlt. Dad war stolz auf mich, sogar ich war stolz auf mich. Ich hatte es auf die Liste der National Honour Society geschafft und frühzeitig die Zulassung für die medizinische Fakultät der Brown University erhalten.

Die Zeugnisübergabe sollte in der neuen Aula stattfinden. Sie war noch nicht ganz fertig, weshalb eigentlich niemand die Baustelle betreten durfte. Ach, scheiß drauf, dachte ich – schließlich stand ich kurz vor dem Abschluss. Ich suchte mir einen Weg in die Aula und stellte mich auf die Bühne, eingerahmt von roten Samtvorhängen. Ich ­blickte auf leere Sitzreihen und verbeugte mich. Plötzlich bewegten sich die Vorhänge.

Da war kein Wind, kein Geräusch. Leere Theater sind Orte enormer Kraft und endloser Möglichkeiten. Es sind Orte, an denen so gut wie alles passieren kann.

Ich rief:

»Hallo?«

Nichts.

»Ist da jemand hinter dem Vorhang?«

War das ein Schniefen?

»Alles okay?«

Ein Schluchzen. Ganz eindeutig ein Schluchzen.

»Hey, alles ist gut, ich tu’ dir nichts.«

Hervor trat ein Mädchen, jünger als ich, vielleicht auch ein klein wenig älter. Ihr Gesicht war tränenüberströmt und sie sah genauso aus wie Shirley MacLaine als Ginny Moorhead in Verdammt sind sie alle, abgesehen davon, dass die Haare dieses Mädchens glatt bis über die Schultern fielen. Sie trug einen kurzen Rock, einen wirklich ­kurzen Rock. Es war der kürzeste Rock, den ich jemals bei einem Mädchen gesehen hatte, das nicht in einem Film mitspielte. Ich dachte gerade daran, dass Bernadette Marlowe, meine Verabredung für den Abschlussball und meine wahre Liebe, ihre Röcke immer bis weit über die Knie trug, wie es sich gehörte, als mir plötzlich dieses fremde, schöne Mädchen in die Arme fiel, sich festklammerte und gute fünf Minuten weinte. Danach war jeder Gedanke an Verdammt sind sie alle und an den Abschlussball verschwunden.

Später erzählte sie mir, dass sie Candy hieß. Ich schwöre bei allem, was mir heilig ist, dass das ihr Name war. Sie war von zu Hause weggerannt, um der Polizei zu entkommen, die sie per Gerichtsbeschluss in eine Besserungsanstalt bringen sollte.

»Ladendiebstahl«, sagte sie, »allerdings nicht nur der gelegentliche Lippenstift. Ich hätte wohl genug Zeug gehabt, um mein eigenes Kosmetikgeschäft zu eröffnen, wenn mein Stiefvater nicht die Polizei gerufen hätte, als er den Kram stapelweise im Flurschrank fand.«

Ich hatte noch nie jemanden kennengelernt, der einen Stiefvater hatte, und war ruckzuck in einem romantischen Teenagerfilm. Wie auf ein Stichwort verliebte ich mich Hals über Kopf und wie auf ein Stichwort sanken wir auf den Bühnenboden und knutschten zwei Stunden lang rum.

Zu diesem Zeitpunkt saß Bernadette Marlowe im Zug. Sie würde nicht vor dem frühen Abend ankommen. Ich wusste, was ich zu tun hatte, und ich tat es. Als Candy und ich kurz davor waren, es tatsächlich zu tun, nahm ich braver Junge eine Auszeit und überredete sie, den Seelsorger der Schule aufzusuchen. In der frühen Abenddämmerung liefen wir über das Schulgelände zur Wohnung des Seelsorgers. Er bat uns herein und seine Frau kochte Tee. Zu viert saßen wir dann im Wohnzimmer und Candy erzählte die Geschichte ihrer zerrütteten Familienverhältnisse: ein Stiefvater, der sie schlug; eine alkoholkranke Mutter, die nie versuchte, ihn aufzuhalten. Der Seelsorger, seine Frau und ich waren fassungslos. Solche Dinge geschahen in unseren Leben nicht. Solche Dinge geschahen höchstens ab und zu im Fernsehen.

Als sie mit ihrer Geschichte fertig war, erklärte der Seelsorger, dass Weglaufen alles nur noch schlimmer machen würde. Gutes Benehmen vorausgesetzt, würde man sie nach drei Monaten wieder aus der Besserungsanstalt entlassen. Es wurden also einige Telefonate ­geführt. Die Polizei aus ihrer Heimatstadt in New Jersey sollte einen Streifenwagen schicken, um sie irgendwann vor Mitternacht in den nächsten Stunden abzuholen. Candy vergrub das Gesicht in ihren Händen. Seit dem Betreten der Wohnung hatten wir uns nicht mehr berührt, aber jetzt streckte ich meine Arme aus und nahm ihre ­Hände in meine.

»Ich bleibe bei dir, bis die Polizei da ist.«

»Ach herrje, Al«, sagte der Seelsorger schnell, »was wird denn dann aus deiner Verabredung für den Abschlussball?«

Ich blickte in Candys Rehaugen, dann wieder auf den Seelsorger.

»Candy braucht mich mehr als Bernadette. Ich bleibe bei ihr.«

Dann taten der Seelsorger und seine Frau etwas, was Erwachsene sonst nie taten. Sie verließen die Wohnung, um den Abschlussball zu beaufsichtigen, und ließen uns allein zurück. Wir machten noch ein bisschen rum, schliefen aber nicht miteinander, obwohl Candy eindeutig wollte.

»Ich habe keine Gummis.«

»Das macht nichts, du kannst ja rausziehen, bevor du kommst.«

Ich hatte eine dunkle Ahnung, was das bedeuten sollte, aber ich war mir nicht sicher, wie oder wann ich das zu tun hatte. Dass ich noch Jungfrau war, wollte ich ihr nicht sagen. Wie ein Blitz schoss mir ein grandioser Satz durch den Kopf:

»Wir warten, bis du frei bist, dafür sollten wir beide frei sein.«

»Oh Al, das ist wirklich romantisch! Ich liebe dich.«

»Ich liebe dich, Candy.«

Als wir die blinkenden Lichter des Polizeiwagens durch das ­Fenster sahen, war es nach 23 Uhr und ich hatte den Abschlussball verpasst. Der Seelsorger sprach vor der Wohnung leise mit den Polizisten. ­Candy und ich schworen uns, dass wir uns schreiben und wieder­sehen würden.

»Wenn wir beide frei sind …«, hauchte sie mir ins Ohr. ­Mittlerweile hatte ich seit über vier Stunden einen Ständer, was sich am nächsten Morgen rächen sollte.

Wir gingen hinaus in den leichten Nebel und die Kühle der dunklen Frühlingsnacht und schützten mit den Händen unsere Augen vor dem grellen Taschenlampenlicht der Polizisten. Eine kleine Ansammlung aus Studenten und Lehrern begaffte neugierig jenes Wrack auf dem Highway des Lebens, das sich ihnen mit Candy, der Ausreißerin, und mir, ihrem Klassensprecher, darbot. Candy wurde von den Polizisten abgeführt und ich in das Büro des Direktors gebracht.

Bernadette Marlowe nahm am nächsten Morgen den Zug nach Hause, ohne dass wir uns gesehen hatten. Donny, ihr Bruder, wollte mich verprügeln, aber zwei andere Jungs zogen ihn gerade noch rechtzeitig von mir runter. Meine Eltern kamen gegen Mittag an und ich traf sie im Büro des Dekans. Ich wurde für drei Tage wegen ungebührlichen Benehmens suspendiert, weil ich gegen den Gentleman-Verhaltenskodex der Pennington School verstoßen hatte. Der Dekan gab bekannt, dass ich bei der Zeugnisvergabe keine Auszeichnungen erhalten würde. Ich durfte mich dazu nicht mehr äußern, meine ­Eltern schon.

»Sie können Albert nicht die Schuld dafür geben«, insistierte mein Vater, »er ist doch noch ein Kind!«

»Ja«, mischte meine Mutter sich ein, »was hat sich denn ihr sogenannter Seelsorger bitte schön dabei gedacht, die beiden allein in seiner Wohnung zu lassen?« Meine Gedanken wanderten zur Amme in Romeo und Julia. Genau das hatte er sich dabei gedacht.

Der Dekan blieb standhaft und mein Vater fuhr uns nach Hause. Wir hatten uns nichts zu sagen. Ich schloss mich drei Tage in meinem Zimmer ein. In der Zeit stellte ich fest, wie käseweiß meine Haut war, und probierte zum ersten Mal einen Selbstbräuner namens Man-Tan aus. Mein Gesicht, meine Hände und sogar die Handinnen-flächen leuchteten grell orange. Drei Tage später kehrte ich für die Zeugnisausgabe in die Schule zurück. Niemand war so gemein, es ­anzusprechen.

Candy verbrachte den Sommer in der Besserungsanstalt. Wir schrieben einander täglich zwei, drei, vier Briefe und schworen uns unsterbliche Liebe. Am Tag ihrer Entlassung im späten August trafen wir uns in einem Motel auf halber Strecke zwischen ihrem und ­meinem Zuhause. Wir vögelten. Es war kurz, hastig und unbequem. Ich benutzte drei Gummis in weniger als dreißig Minuten. Es war ja nicht so, dass ich im Internet hätte recherchieren können, wie man Kondome benutzt. Wir küssten uns zum Abschied und gingen ohne irgendwelche Versprechungen auseinander.

Ein schädlicher Einfluss

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