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Prolog

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Das duale Berufsbildungssystem der Schweiz findet weitum Beachtung – und dies zu Recht. Der Erfolg spricht für sich und spiegelt sich unter anderem in der tiefen Jugendarbeitslosigkeit. Auch wir, die Autorin und der Autor, sind Akteure im dualen Berufsbildungssystem und sind von dessen Qualitäten überzeugt. Dennoch verorten wir eine Schwachstelle im Bereich des Übergangs von der Sekundarstufe I zur Sekundarstufe II. Wenn wir – auch im Folgenden – von der Sekundarstufe II sprechen, dann meinen wir damit die Berufsbildung. Die Frage, inwieweit sich ähnliche Problemfelder auch im Übergang von der Sekundarstufe II zur Tertiärstufe präsentieren, muss an anderer Stelle beantwortet werden. Wir schliessen dies jedoch nicht aus.

Durch unsere Tätigkeit an der Schnittstelle zwischen der Sekundarstufe I und II – der Autor ist Lehrer an einer Berufsfachschule, die Autorin unterrichtet im Berufsvorbereitungsjahr – werden wir kontinuierlich mit dieser Schwachstelle konfrontiert. Wir beobachten, dass die Berufslernenden oft unvorbereitet auf die Situation an einer Berufsfachschule in die Ausbildung starten. Im Rahmen der Berufsvorbereitung (Schnupperlehre und Ähnliches) erfahren sie Wesentliches über die praktischen Aspekte des Berufs, welche ja auch die Schwerpunkte der Ausbildung darstellen. Der Lernort Berufsfachschule wird hingegen oftmals nur erwähnt. Mit welchen Anforderungen die Berufslernenden an den Berufsfachschulen konfrontiert werden und worin sich diese strukturell sowie konzeptionell von der Sekundarstufe I unterscheiden, scheint dabei kaum von Relevanz zu sein.

Auch wenn die Ausbildung primär auf dem Erwerb berufspraktischer Kompetenzen beruht, zeichnen sich die dualen Berufsausbildungen eben auch durch die Verknüpfung von Praxis und Theorie aus. Der einseitige Fokus bei der Vorbereitung der Berufslernenden auf die Praxis erschwert es einigen Jugendlichen, den Übergang von der Sekundarstufe I zur Sekundarstufe II zu bewältigen, obschon sie über die schulischen und persönlichen Voraussetzungen verfügen (siehe auch Kapitel 1). Wir sind überzeugt, dass eine ganzheitliche Berufsvorbereitung mit Einbeziehung des Lernorts Berufsfachschule sich günstig auf die verschiedenen Akteure (Berufslernende, Ausbildungsbetriebe, überbetriebliche Kurse, Berufsfachschulen) auswirkt und dies gegebenenfalls zu weniger Lehrvertragsauflösungen führen kann. Diese ganzheitliche Berufsvorbereitung soll eben nicht nur der Sekundarstufe I beziehungsweise den berufsvorbereitenden Schulen und Institutionen vorbehalten sein. Vielmehr sehen wir die Sekundarstufe II ebenso in der Pflicht, die Berufslernenden von der Sekundarstufe I beziehungsweise den berufsvorbereitenden Schulen und Institutionen abzuholen, die je nach Kanton zur Sekundarstufe I oder II zählen. Wie diese Vernetzung an der Schnittstelle zwischen den beiden Sekundarstufen aussehen könnte, damit beschäftigt sich dieses Buch schwerpunktmässig.

Ausgangspunkt unserer Zusammenarbeit und damit auch der Entstehung dieses Buchprojekts waren gemeinsame Diskussionen über die Schnittstellenproblematik, bei denen wir uns gegenseitig unsere jeweilige Sicht schilderten – einerseits aus der Perspektive der Sekundarstufe I, andererseits aus der Perspektive der Sekundarstufe II. Aus diesem Gespräch entstand die Idee zur Zusammenarbeit und letztlich unser Projekt «Schnuppertage an der Berufsfachschule», das den Lernenden helfen sollte, den Übergang von der Berufsvorbereitung in die Berufsfachschule zu meistern. Den Begriff «Schnuppertag(e)» haben wir bewusst analog zur Schnupperlehre im Lehrbetrieb gewählt, weil sich unter diesem Begriff vor allem die Lernenden direkt etwas vorstellen können. Unser Projekt findet seit 2016 jährlich statt. Dabei ermöglichen wir es Lernenden des Berufsvorbereitungsjahrs, eine Berufsfachschule zu besuchen und dort einige «Schnupperlektionen» zu absolvieren (siehe Kapitel 3).

Neben unserer persönlichen Betroffenheit und dem daraus resultierenden Bedürfnis, jene Schwachstelle zu beheben, erachten wir eine systematische Optimierung an den Schnittstellen auch als adäquate Massnahme, die Qualität des Ausbildungseinstiegs zu verbessern, denn es braucht unseres Erachtens mehr als nur ein niederschwelliges Projekt, das auf eine einzelne Berufsfachschule und ein Berufsvorbereitungsjahr beschränkt ist.

Im Jahr 2006 vereinbarten Bund, Kantone und Sozialpartner mit den Leitlinien zum Projekt «Nahtstelle» das Ziel, dass im Jahr 2015 95 Prozent der 25-Jährigen in der Schweiz über einen Abschluss auf Sekundarstufe II verfügen sollten (vgl. EDK 2006). Der Bildungsbericht 2018 geht davon aus, dass diese Zahl mittlerweile nahezu erreicht ist, immer abhängig von der Herkunft der Jugendlichen (vgl. SKBF 2018, S. 111). Mit unseren Anregungen zur Verbesserung der Schnittstellenproblematik möchten wir auch dazu beitragen, dass eine Abschlussquote von 95 Prozent in nächster Zukunft erreicht werden kann.

Unser Buch richtet sich einerseits an Lehrpersonen, die an dieser Schnittstelle tätig sind, und andererseits an Personen, die in Berufsberatungs- und Informationszentren (BIZ) oder als Ausbildungsverantwortliche in den Betrieben tätig sind. Daneben möchten wir auch betroffenen Eltern sowie weiteren am dualen Berufsbildungssystem interessierten Personen eine Übersicht über diese Schnittstellenproblematik vermitteln.

Uns ist bewusst, dass wir nicht die Ersten oder Einzigen sind, die sich zu diesem Thema Gedanken machen. Wir gehen davon aus, dass es andere, ähnliche Projekte gibt. Jedoch ist es nicht Ziel unseres Buchs, eine Auflistung dieser Projekte zu geben. Wir gehen davon aus, dass andere Akteure, ähnlich wie wir, ihre Projekte durchführen, ohne dass dies weit bekannt wäre. Vielleicht kann unser Buch aber ein Anstoss sein, solche Projekte zu sammeln, sich untereinander zu vernetzen und so vielen Jugendlichen den Übergang zu erleichtern (siehe Kapitel 6).

Im ersten Kapitel geht es um eine Begriffsklärung im Zusammenhang mit dem dualen Berufsbildungssystem der Schweiz. Wir konzentrieren uns dabei auf Begrifflichkeiten, die für das Verständnis unserer Ausführungen bedeutsam sind. Wir verzichten hingegen bewusst auf eine detaillierte Übersicht sowie einen geschichtlichen Abriss.

Im zweiten Kapitel möchten wir den Lesenden aufzeigen, wie wir die Situation an der besagten Schnittstelle wahrnehmen und erleben. Zum einen geht es darum, dass Lernende der Sekundarstufe I anscheinend nicht wirklich auf den Unterricht der Berufsfachschule vorbereitet sind. Dieses Problem lässt sich aber nicht allein an den Schulen lösen. Im dualen Berufsbildungssystem müssten die Lehrbetriebe ebenfalls davon überzeugt sein, dass der Unterricht an den Berufsfachschulen eine Herausforderung für die Lernenden darstellt. Deshalb sind wir der Ansicht, dass alle Lernenden im Rahmen einer Berufserkundung oder Schnupperlehre in einem Betrieb auch Kontakt mit der entsprechenden Berufsfachschule haben sollten, bevor sie eine Lehre beginnen. Unsere Forderung lautet also «Kein Lehrvertrag ohne Kontakt der oder des Lernenden zur entsprechenden Berufsfachschule».

Einen Überblick über unser Projekt geben wir im dritten Kapitel.

Im vierten Kapitel stellen wir ein Modell vor, das die verschiedenen Akteure an der Schnittstelle zwischen den beiden Sekundarstufen in ihrem Tun unterstützen soll.

Das fünfte Kapitel ist den Rahmenbedingungen für Kooperationen gewidmet. Darunter verstehen wir neben der Schulorganisation und den Rahmenlehrplänen zum Beispiel auch die persönlichen Kompetenzen der Lehrpersonen.

Das sechste Kapitel beinhaltet unsere Visionen (Methoden, Kooperationsmöglichkeiten und so weiter) darüber, wie der Übergang an der Schnittstelle gemeistert werden kann. Welche Möglichkeiten einer vertieften Kooperation zwischen den verschiedenen Akteuren gibt es? Ausserdem möchten wir alle beteiligten Akteure dazu aufrufen, sich an der qualitativen Verbesserung der Schnittstelle am Übergang der beiden Sekundarstufen zu beteiligen.

Wir möchten die beteiligten Akteure ermutigen, dass sie ihrerseits aktiv und kreativ nach weiteren Kooperationsmöglichkeiten Ausschau halten und diese ihren spezifischen Gegebenheiten anpassen. Vielleicht führt dies mittelfristig dazu, dass wir in einem zweiten Band, im Rahmen einer Art Methodensammlung, ein breites Repertoire an Kooperationsmöglichkeiten aufzeigen können.

Bei unserem Buchprojekt haben uns viele Personen unterstützt. Vor allem bei unseren Interviewpartnern und beim hep verlag möchten wir uns herzlich bedanken. Ohne diese Unterstützung wäre eine Realisierung nicht möglich gewesen.

Vorsicht Stufe (E-Book)

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