Читать книгу Kartoffelschaukochen, illegale Kämpferinnen und Krieg - Katharina Scharf, Martin Knoll - Страница 6
Vorwort
ОглавлениеNach dem Ende der NS-Herrschaft und des Zweiten Weltkrieges lag Europa in Trümmern und musste die katastrophalen Folgen der zurückliegenden Jahre verarbeiten. Im Zeichen des Wiederaufbaus und der „Entnazifizierung“ bekundete eine Salzburgerin 1947: „Ich bin nicht der Überzeugung, dass wieder einmal ein Führer wie Adolf Hitler kommen wird, jedoch würde ich es wünschen.“ Um solche Aussagen und die Geschehnisse des Nationalsozialismus verstehen zu können, braucht es die historische Auseinandersetzung mit einem Fokus auf regionale und individuelle Spezifika. Wer waren die Menschen, die sich für den Nationalsozialismus begeistern und mobilisieren ließen? Was brachte sie dazu? Wie sah ihr Lebensalltag vor und nach dem Kriegsausbruch aus?
Der Ruf nach einem starken „Führer“ erklingt auch heute noch permanent. Die Folgen des Nationalsozialismus wirken tiefgreifend bis in die Gegenwart und sind keineswegs „überwundene Geschichte“. Allein schon an rechtsextremen und antisemitischen Vandalismusakten in Salzburg zeigt sich die hochaktuelle Brisanz. Seit dem Jahr 2008, dem Gedenkjahr an den „Anschluss“ Österreichs an NS-Deutschland 1938, wird in einem groß angelegten Forschungsprojekt – unter der Leitung des Stadtarchivs Salzburg und in Zusammenarbeit mit der Universität Salzburg – die nationalsozialistische Vergangenheit der Stadt Salzburg aufgearbeitet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Im Rahmen dieses Projektes konnte ich meine ersten Forschungen zu Salzburger Nationalsozialistinnen durchführen. Die Ergebnisse habe ich 2014 in meiner Masterarbeit am Fachbereich Geschichte der Universität Salzburg verarbeitet, welche die wesentliche Grundlage für das vorliegende Buch bildet. Darüber hinaus habe ich in den zurückliegenden Monaten weitere Recherchen durchgeführt und dabei den Blick auch über die Stadt Salzburg hinaus gerichtet, sodass nunmehr ein noch wesentlich umfassenderes Bild zu Frauen im nationalsozialistischen Salzburg (Stadt und Land) präsentiert werden kann.
Ausgehend von der in der folgenden Einführung noch näher zu thematisierenden Feststellung, dass es keine homogene Gruppe der Frauen gibt und (daher) auch nicht von der Frau im Nationalsozialismus gesprochen werden kann, stellt sich für die Leser*innenschaft natürlich die Frage: Um welche Frauen geht es in diesem Buch? Im Mittelpunkt stehen vor allem jene, die sich für den Nationalsozialismus in verschiedener Form, besonders in Parteiorganisationen, in Stadt und Land bzw. im „Reichsgau“ Salzburg engagierten. Die NS-Frauenschaft (NSF) und das Deutsche Frauenwerk (DFW) sollten sämtliche „deutsch-arischen“ Frauen in sich vereinen, organisieren und nationalsozialistisch erziehen. Während die Frauenschaft wenigen auserkorenen „Führerinnen“ vorbestimmt war, galt das Frauenwerk als Sammelbecken für alle „deutschen“ Frauen. Welche Bedeutung die (Frauen in) beiden Einrichtungen in Stadt und Land hatten, soll im Rahmen dieses Buches erörtert werden. In den NS-Organisationen widmeten sich die Frauen einer Fülle an Aufgaben, die ihre Macht und Ohnmacht greifbar machen. Die Tätigkeiten reichten von der karitativen Spendensammlung bis zur Vermittlung der „Rassenlehre“ in Schulungen.
Mit der substanziellen Frage, wie viel Einfluss und Macht Nationalsozialistinnen hatten, wird ein aufschlussreicher Aspekt des weiblichen Lebensalltags im Nationalsozialismus erörtert. Dabei geht es keineswegs darum, Frauen auf bestimmte Kategorien oder Rollen festzulegen – sei es nun auf die „unterdrückte Frau“, auf die „Mutter“, auf die Frau als „Opfer“ oder auf die „Täterin“ oder „Denunziantin“. Vielmehr werden vielseitige Facetten aufgezeigt und damit einhergehend auch das Funktionieren des Systems ergründet. Anhand mehrerer biografischer Einblicke wird in diesem Zusammenhang offenkundig, welche Rolle Faktoren wie Religion, Alter, Beruf, männliche „Parteigenossen“ oder die Ehemänner der Frauen spielten. Durch die Mitbetrachtung der großen NS-Frauenorganisationen kann gezielter eruiert werden, worin die Faszination bestand und welche Möglichkeiten der Mitwirkung geboten wurden. Dabei lässt sich sogar verdeutlichen, ob oder inwiefern Frauen am nationalsozialistischen Vernichtungsapparat beteiligt waren. Abschließend wird mit Blick auf die unmittelbaren Nachkriegsjahre schließlich noch die Frage in den Fokus gerückt, wie die Tätigkeiten der Frauen später bewertet wurden und wie die Zeit des Nationalsozialismus (auf sie) überhaupt nachwirkte.
Für die Verwirklichung einer solchen Publikation und der damit einhergehenden Forschungen sind eine Vielzahl von Personen mitverantwortlich, die nicht alle namentlich angeführt werden können und denen ich hiermit ein herzliches Dankeschön aussprechen möchte. Ganz besonderer Dank kommt zunächst Gerald Klonner und allen im Projekt involvierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vom Verlag Anton Pustet zu, die dieses Buch überhaupt erst ermöglicht und in seinen verschiedenen Stadien begleitet haben. Mein Dank richtet sich auch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Stadtarchivs Salzburg, zuvorderst an Peter F. Kramml und Johannes Hofinger, die das Buch in die Publikationsreihe des Archivs aufgenommen und einen Großteil der Bebilderung gewährleistet haben; Peter F. Kramml hatte bereits entscheidenden Anteil an der Entstehung und Umsetzung des Forschungsprojektes. Meine Erkenntlichkeit möchte ich auch all jenen gesammelt aussprechen, die in den diversen weiteren Archiven und Bibliotheken mit ihrer hilfsbereiten und fachkundigen Unterstützung zu den im Buch dargelegten Erkenntnissen beigetragen haben, darunter besonders den Verantwortlichen im Salzburger Landesarchiv und dem Archiv der Erzdiözese Salzburg. Dem Zentrum für Gender Studies und Frauenförderung der Universität Salzburg (gendup) danke ich für die Auszeichnung meiner diesem Buch zugrundeliegenden Masterarbeit mit dem Erika Weinzierl-Preis.
Meine besondere Dankbarkeit möchte ich vor allem auch Helga Embacher aussprechen, die meine Masterarbeit betreut hat und mir bei meiner bisherigen Laufbahn mit Rat und Tat zur Seite gestanden ist. Abschließend sei meiner Familie mein uneingeschränkter Dank gezollt.
Katharina Scharf,
im Sommer 2021
In der Salzburger Steingasse stehen Frauen für die knappen Lebensmittel im Kriegsalltag an, 1941.