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Gründung und Struktur der Nationalsozialistischen Frauenschaft (NSF)
ОглавлениеAm 1. Oktober 1931 gab Reichsorganisationsleiter Gregor Strasser die Neuorganisation aller nationalsozialistischen Frauen in der NS-Frauenschaft (NSF) bekannt. In Ehrerweisung des Deutschen Frauenordens (DFO) lautete der vollständige Name der neuen Frauenorganisation zunächst Nationalsozialistische Frauenschaft (Deutscher Frauenorden), und auch das Motto „Glaube, Hoffnung, Liebe“ wurde beibehalten. Sämtliche weiblichen Parteimitglieder gehörten automatisch der Frauenschaft an. Jene, die nicht Teil der NSDAP waren, konnten sich als freiwillige Helferinnen engagieren – wobei auch sie Mitgliedsbeiträge bezahlen mussten. Als die drei grundlegenden Aufgabenbereiche der Frauenschaft galten: wirtschaftliche und sanitäre Hilfstätigkeiten (dazu zählten etwa Arbeiten in SA-Küchen, Nähstuben oder Schulungskurse im Sanitätswesen), geistig-kulturelle Erziehungsaufgaben sowie die Schulung der deutschen Hausfrauen. In der Praxis bestand ein Hauptteil der Frauenarbeit in den frühen 1930er-Jahren in der Hilfstätigkeit und Unterstützung der Sturmabteilung (SA) sowie bedürftiger Parteigenoss*innen und in der Verbreitung von Propagandamaterial.
Der spätere Reichsinnenminister und Schirmherr des Deutschen Frauenwerks, Wilhelm Frick (links), daneben Gregor Strasser, Begründer der NS-Frauenschaft, vor dem Berliner Reichstag um 1930.
Die Führung der Frauenschaft übernahm zunächst Elsbeth Zander, die – als sich Strasser 1932 aufgrund von Differenzen mit Hitler aus der NSDAP zurückzog – bald keinen Fürsprecher mehr hatte. Im April 1933 übernahm die radikale Nationalsozialistin Lydia Gottschewsky diese Führungsposition. Da sie gleichzeitig Bundesführerin des Bundes Deutscher Mädel (BDM) war, strebte sie – in Zusammenarbeit mit Reichsjugendführer Baldur von Schirach – einen Ausgleich im Streit um die Kontrolle der Jugend an, denn sowohl die NSF als auch die Hitlerjugend (HJ) versuchten, die Jugendlichen für sich zu beanspruchen.
Auf Reichsebene erschwerten Konflikte mit und zwischen den männlichen Parteiführern, die ihre Machtansprüche auf die Frauen geltend machen wollten, die Lage. Es herrschte eine geradezu chaotische Situation – die ja eigentlich mit der Gründung der NSF gelöst sein wollte.23 Im Mai 1933 gründete der neue Reichsorganisationsleiter Robert Ley, mit Lydia Gottschewsky an der Spitze, die Deutsche Frauenfront (DFF) – in Anlehnung an die Deutsche Arbeitsfront (DAF). Daraufhin baute Innenminister Wilhelm Frick eine Konkurrenzorganisation auf – die Reichsarbeitsgemeinschaft Deutscher Frauenverbände (RAG) –, in der ebenfalls alle Frauenverbände zusammengeführt werden sollten. Paula Sieber, die Vorsitzende, versuchte eher Frauen der Mittelschicht anzusprechen und Kontakte zu katholischen und protestantischen Frauenverbänden herzustellen. Zwischen Gottschewsky und Sieber entbrannte ein Konkurrenzkampf. Schließlich erteilte Rudolf Heß, Reichminister ohne Geschäftsbereich, im September 1933 den Auftrag, die Deutsche Frauenfront und die Reichsarbeitsgemeinschaft Deutscher Frauenverbände im neu gegründeten Deutschen Frauenwerk (DFW) zusammenzuführen. Die NS-Frauenschaft blieb bestehen, das Frauenwerk war eine Zusatzeinrichtung und eine Kompromisslösung, auf die sich Heß, Frick und Ley einigten. Schirmherr des Frauenwerks wurde Frick, die Leitung übernahm Landrat Gottfried Adolf Krummacher, und Paula Sieber war stellvertretende Leiterin. Gegen die Ernennung Krummachers zum Leiter regte sich jedoch Widerstand, da sich die nationalsozialistischen Führerinnen in einer Frauenorganisation nicht von einem Mann bevormunden lassen wollten. In den offiziellen Parteiorganen durfte über diesen Unmut natürlich nichts verlautbart werden, doch in der Zeitschrift der NSF, der NS-Frauenwarte, und internen Schriften forderten die Frauen eine weibliche Führung.
Die männliche Parteiführung betrachtete jene Frauen, die aktiv für mehr Mitspracherecht kämpften, sehr kritisch und war darum bemüht, fügsame Leiterinnen einzusetzen. So musste Paula Sieber 1934 ihr Amt aufgeben – offiziell wegen Veruntreuung.24 Als die Anschuldigungen gegen sie fallengelassen wurden, hatte sich bereits die neue Frauenführerin Gertrud Scholtz-Klink [Biografie S. 38] etabliert. Ein auch auf persönlicher Ebene ausgefochtener Machtkampf um Positionen unter Frauen wie Männern zeigt sich hier ganz deutlich. Mit Scholtz-Klinks zunehmendem Erfolg als Frauenschaftsleiterin war den Streitereien unter den Frauengruppen aber zunächst ein Ende gesetzt.
Im Zuge der sogenannten Gleichschaltung wurden alle Frauen beziehungsweise alle Frauenverbände und -gruppierungen in den großen, der Partei zugehörigen NS-Organisationen vereint. Ende 1935 war der Prozess weitgehend abgeschlossen und unter der Führung Scholtz-Klinks setzte eine Stabilisierung der Verhältnisse ein. Die strebsame Nationalsozialistin war zwar darum bemüht, eine starke Frauenorganisation aufzubauen, doch wollte sie keineswegs eine Konkurrenz zu den NS-Männerbünden schaffen. So gingen nach der Machtübernahme der NSDAP ab 1933 viele Arbeiten der NS-Frauenschaft und des Deutschen Frauenwerks, die diese zuvor geleistet und in Anspruch genommen hatten, an andere Einrichtungen über. Für die jungen Mädchen schien der jugendhafte und moderne Bund Deutscher Mädel (BDM) in diesem Zusammenhang viel verlockender als die altbackene NS-Frauenschaft: In der NSF sollten sie zum Ideal der dienenden, der männlichen Führung unterworfenen Frau und Mutter erzogen werden, wohingegen sie im BDM neben den Jungen gleichwertig bestehen konnten und für sich Aufstiegsmöglichkeiten sahen. An dieser Situation zeigt sich auch ein Paradoxon des Nationalsozialismus. Er vereindeutigte die Rollenstereotype von Frauen und Männern „bei gleichzeitiger faktischer Rollenüberschreitung“25. Gerade darin lag eine spezielle Wirksamkeit des Nationalsozialismus: Dass er neue Möglichkeiten eröffnete und von vielen als modern empfunden wurde, gleichzeitig aber die damit einhergehenden traditionellen, rigiden Ordnungen das Gefühl von Beständigkeit und Sicherheit vermittelten.26
Gemeinsamer Aufmarsch der Jugendlichen des BDM und der HJ bei Wettkämpfen der Deutschen Arbeitsfront zugunsten des Winterhilfswerks in Salzburg, Oktober 1938.
Noch einschneidender für die Frauenschaft war die Gründung und Etablierung des großen Konkurrenten, der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV), die nun wesentliche karitative Aufgabenbereiche übernahm.27 Die NS-Frauenschaft hatte von Beginn an Kindergärten, Kindergruppen, Mütterheime und Pflegestationen betrieben und versuchte weiterhin, sich als „die“ wohlfahrtspflegerische Organisation zu präsentieren – ohne Erfolg: Die Fürsorgeaktivitäten der Frauenschaft und des Frauenwerks wurden, mit Ausnahme der Mütterschulungen28 und Kindergruppen, zwangsweise auf ein Minimum reduziert. Erst 1939 konnte die NSF noch einmal einen „Zugewinn“ für sich verbuchen: Im April des Jahres übergab ihr die NS-Volkswohlfahrt die Nähstuben samt Inventar. Auch die Kindergruppen der Frauenschaft konnten ausgebaut werden. Durch den steigenden Bedarf an Unterbringungsmöglichkeiten für Kinder appellierte die NSV sogar an die NSF, die Angebote diesbezüglich auszubauen. So sehr die NS-Frauenschaft Konkurrentin war, so sehr war man doch auch auf Kooperation angewiesen. Die NSV-Führung schaltete die NSF zwar als Akteurin auf dem Gebiet der Fürsorge aus, doch die Mitglieder der Frauenschaft sollten für die Volkswohlfahrt durchaus mobilisiert werden. In Salzburg betraf das zum Beispiel die Betreuung von Bedürftigen, das Sammeln und Sortieren von Kleidungsstücken, die Ausgaben von Lebensmitteln oder Gutscheinen, den Bahnhofsdienst, die Lazarettbetreuung, Hilfeleistungen im Rahmen der Rachitisbekämpfung, Schulausspeisungen oder den Einsatz für die Wehrmacht.29
Werbung für den Beitritt zur Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt, hier vor dem Schloss Mirabell 1938.
Wenngleich also die NS-Frauenschaft und das Deutsche Frauenwerk in einigen Bereichen beschnitten und die Tätigkeitsfelder der Frauen eingeschränkt wurden, so konnte Reichsfrauenführerin Scholtz-Klink die Institutionen doch festigen und als große Frauenorganisationen etablieren. Die NS-Frauenschaft war ab 1931 die einzige parteiamtliche Frauenorganisation und wurde durch die „Verordnung der Durchführung des Gesetzes zur Einheit von Partei und Staat“ am 29. März 1934 eine Gliederung der Partei. Das Deutsche Frauenwerk blieb neben der NSF als Ergänzung bestehen, war aber ein eingetragener Verein mit eigener vereinsrechtlicher Vermögensverwaltung, der an die Partei angegliedert war. Das heißt, die Frauenschaft (NSF) und das Frauenwerk (DFW) waren zwar eigentlich zwei getrennte Einrichtungen, doch realiter so eng miteinander verbunden, dass sie häufig als eine Einheit beschrieben wurden – als NSF/DFW. Die NSF war allerdings die Eliteorganisation, in der die „Führerinnen“ tätig waren und ausgebildet wurden; das DFW hingegen fungierte als das Sammelbecken für alle Frauen, die entweder aus den vorhergehenden Vereinen aufgenommen wurden oder als Einzelmitglieder eintraten. Die Leiterinnen in der NS-Frauenschaft hatten automatisch auch Führungspositionen im Deutschen Frauenwerk inne – dies galt von der Reichsfrauenführung bis zu den untersten Ebenen.
Die NS-Frauenschaft sollte vor allem für die politische Schulung ihres „Nachwuchses“ verantwortlich sein. Im Organisationsbuch der NSDAP von 1937 heißt es: „Die NS-Frauenschaft hat die Aufgabe, dem Führer politisch und weltanschaulich zuverlässige Führerinnen zu erziehen […].“30
„Wir wollen eine Weckung, Erziehung und Erneuerung der Frau zu ihrer Aufgabe als Hüterinnen des Quellgebietes der Nation: des nationalen Liebeslebens, der Ehe, Mutterschaft und Familie, des Blutes und der Rasse, der Jugend und des Volkstums. Von der leiblichen und geistigen Mutteraufgabe der Frau im Volksganzen aus ist ihre gesamte Erziehung, Bildung, Berufsausübung und Stellung in Volk und Staat zu regeln.“31
Grundsatz der NS-Frauenschaft
Die NSF strebte eine „Frauen-Erneuerungsbewegung“ an, die sich gegen die „Zerstörung der Frauenehre“ wandte. Dagegen wollte man einen „neuen deutschen Frauenwillen“ errichten und sich beim Kampf zur Errichtung des „Dritten Reiches“ engagieren. Die alte „demokratisch-liberalistisch-internationale“ Frauenbewegung sei abzulehnen, da diese nur einen Konkurrenzkampf mit dem Manne hervorgerufen und nicht auf die „in Gott und ihrem Volkstum verwurzelte Frauenseele“ geachtet habe.32 Bereits der Deutsche Frauenorden hatte seine christliche Gesinnung durch das Motto „Glaube, Hoffnung, Liebe“ zum Ausdruck gebracht – die Schlagworte aus Paulus’ ersten Brief an die Korinther. Auch die NS-Frauenschaft sah eine wichtige Aufgabe darin, die christlich-weibliche Bevölkerung anzuwerben. Der Eindruck der Kirchenfeindlichkeit der NSDAP sollte widerlegt und dagegen die Übereinstimmung zwischen den Auffassungen des Nationalsozialismus und der Kirchen auf sittlich-moralischer Ebene betont werden. Während die NS-Propaganda bei den strenggläubigen Katholikinnen nur schwer Anklang fand, gewannen die NSDAP und damit auch die NSF unter den evangelischen Frauen schneller an Terrain.33 In Österreich sollte durch die beschönigende Werbung hinsichtlich der Kirchen- und Religionspolitik in erster Linie freilich die Wählerinnenschaft der Christlichsozialen Partei abgeworben werden.
Um den Elitecharakter der Organisation nicht zu gefährden, wurden genaue Richtlinien festgesetzt, welche Frauen in die NS-Frauenschaft aufgenommen werden konnten. Um Aufnahme konnten jene ansuchen, die über eineinhalb Jahre eine führende Position in anderen NS-Organisationen ausgeübt hatten. Dazu zählten beispielsweise Leiterinnen des Deutschen Frauenwerks, des Bundes Deutscher Mädel, des Reichsarbeitsdienstes (RAD) oder der Arbeitsgemeinschaft Nationalsozialistischer Studentinnen (ANSt). Nachdem zu wenig junge Frauen der NSF beitraten und auch Generationenkonflikte zwischen den älteren Frauen und den jungen Mädchen keine Seltenheit waren, wurden NSF-Jugendgruppen eingerichtet, in welche die jungen Frauen nach ihrer Zeit beim BDM eintraten.
Bernhard Rust, Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, besucht im Mai 1940 das Mozarteum, wo Studentinnen Kostproben ihres Könnens geben.
Die Reichsfrauenführung beziehungsweise die Frauenschaft und das Frauenwerk pflegten eine rege Zusammenarbeit mit anderen NS-Einrichtungen. So kooperierte man mit dem Nationalsozialistischen Lehrerbund (NSLB) zu Fragen der Mädchenerziehung, mit dem Reichsnährstand (RNSt) in der Landfrauenschulung, mit der NS-Volkswohlfahrt im Reichsmütterdienst sowie bei der Schulung von Erzieherinnen, Kindergärtnerinnen und Jugendleiterinnen, darüber hinaus teilweise mit der Reichsjugendführung bei Fragen über die Erziehung der Mädchen im BDM und mit den Studentinnen der ANSt zu Fragen über die weibliche Schulung im Studium. In der Stadt Salzburg betraf das etwa die Studentinnen des Mozarteums. Die Einrichtung wurde im Juni 1939 vom Konservatorium zur Hochschule erhoben und machte damit die ehemaligen Schülerinnen geradezu über Nacht zu Studentinnen, was eine Organisation in der ANSt erforderte.
Albert Reitter, Präsident der Stiftung Mozarteum (sitzend ganz rechts), und Reichsminister Bernhard Rust (sitzend links) lauschen der Sängerin Rosl Schwaiger und der Studentin Ilse Wiedmann auf der Blockflöte.
Die Struktur der NS-Frauenschaft und des Deutschen Frauenwerks wurde der Einteilung der Partei entsprechend in Gau-, Kreis- Block-, Zellen- und Ortsgruppenleiterinnen vorgenommen. Anfänglich hatten die NSF-Führerinnen noch eine sehr schwache Stellung und keine eigenen Befehlsrechte. Disziplinär waren sie ihren männlichen Vorgesetzten unterstellt. Nach massiven Protesten stärkte Reichsorganisationsleiter Gregor Strasser dann aber doch ihre Kompetenzen. Die Gaufrauenschaftsleiterinnen waren nunmehr Mitglieder der Gauleitung und gehörten – zuerst im Rang von Gaufachberaterinnen, dann als Hauptabteilungsleiterinnen – dem Stab des Gauleiters an. Dadurch kam ihnen auch das Recht zu, den ihnen unterstellten NSF-Frauen Anordnungen zu erteilen und in Absprache mit dem Kreisleiter über die Ein- oder Absetzung von Kreisfrauenschaftsleiterinnen zu bestimmen. Die Bedeutungszunahme zeigte sich auch äußerlich. So erhielten alle Frauenschaftsleiterinnen im August 1934, da sie „sinngemäß die Tätigkeit eines Politischen Leiters“ ausübten, einen „allgemeinen Politischen-Leiter-Ausweis – eine Tatsache, die sie nach 1945 vehement abstritten“.34 Sie verfügten spätestens ab 1937 über ein Rangabzeichen und Dienstkostüme. Die Gaufrauenschaftsleiterinnen bezogen ein Gehalt, das je nach Dienstzugehörigkeit zwischen 500 und 745 Reichsmark betrug; dazu kamen Aufwandsentschädigungen von rund 150 bis 200 RM. Damit waren sie hohen Ministerialbeamten oder Landräten finanziell gleichgestellt. Unterhalb der Kreisebene arbeiteten ungefähr 90 Prozent der Frauen aber ehrenamtlich.
Offizielle Abzeichen der NS-Frauenschaft aus dem Organisationsbuch der NSDAP.
Gertrud Scholtz-Klink35 Die Reichsfrauenführerin
Gertrud Treusch36 wurde am 9. Februar 1902 in Adelsheim (im Norden Baden-Württembergs) in eine evangelisch-kleinbürgerliche Familie geboren. Nachdem ihr Vater 1910 verstorben war, zog die Mutter mit ihrer Tochter und ihren beiden Söhnen in das benachbarte Moosbach, wo Gertrud Treusch das Gymnasium bis zur mittleren Reife besuchte. Im Alter von 19 Jahren heiratete sie den Lehrer Eugen Klink, mit dem sie insgesamt fünf Kinder – zwei Töchter und drei Söhne – haben sollte.37 Eugen Klink engagierte sich bereits vor der Machtergreifung für die nationalsozialistische Bewegung, war Mitglied der SA, Kreisredner der NSDAP und kommissarischer NSDAP-Leiter für den Kreis Offenburg. Ab 1930 waren beide Parteimitglieder, im selben Jahr im März starb Eugen Klink auf einer Parteiveranstaltung an einem Herzinfarkt. Der Tod ihres Mannes war ein entscheidender Wendepunkt im Leben von Getrud Klink.
Reichsfrauenführerin Gertrud Scholtz-Klink (2.v.r.) bei einem Besuch in Salzburg 1939.
Ab sofort widmete sie sich ganz ihrer Karriere in der NSDAP und wurde im Oktober 1930 Gauleiterin des Deutschen Frauenordens in Baden.38 Als es ein Jahr später zur Schaffung der NS-Frauenschaft kam, konnte sie ihre Stellung halten und wurde Gaufrauenschaftsleiterin für Baden und Hessen. Fortan baute sie ihre Tätigkeiten für die NS-Frauenarbeit kontinuierlich aus. Im August 1932 heiratete sie den Landarzt Günther Scholtz – ebenfalls aktives Mitglied der NSDAP. Er unterstützte zwar die Karriere seiner Frau, als sie aber nach Berlin versetzt wurde, ließ sich das Ehepaar 1937 scheiden. Gertrud Scholtz-Klink heiratete 1940 schließlich ein drittes Mal, und zwar den SS-Obergruppenführer August Heißmeyer, der selbst sechs Kinder in die Ehe mitbrachte und mit dem sie 1944 noch einen Sohn bekam.39 Im Jahr 1944 bestand die Patchwork-Familie Scholtz-Klink-Heißmeyer damit aus Gertrud, August und ihren elf Kindern. Gertrud Scholtz-Klink behielt aber ihren Nachnamen, mit dem sie nun bereits als Reichsfrauenführerin bekannt war.
Die blond-bezopfte, „deutsch“ aussehende Gertrud Scholtz-Klink zeichnete sich nach Ansicht ihrer männlichen Parteigenossen durch einige vorteilhafte Züge wie Anpassungsfähigkeit und Konfliktvermeidung aus – darüber hinaus konnte sie sich der Unterstützung ihrer „Vorzeigefamilie“ sicher sein, die ihr einen Aufstieg in der Frauenschaft ermöglichte. Ihr Ruf einer umgänglichen Frau ohne politischen Ehrgeiz war ein wichtiges Kriterium dafür, dass sie sich als NSF-Leiterin durchsetzen konnte.40 Mit ihrer Ernennung zur Reichsfrauenführerin durch Adolf Hitler im November 1934 war sie die ranghöchste Frau im „Dritten Reich“ und hatte die formelle Stellung eines Reichsleiters inne. Die Reichsleiter wurden von Hitler persönlich ernannt und waren ihm direkt unterstellt – es handelte sich um eine kleine, auserwählte Gruppe. In der Praxis fungierte Gertrud Scholtz-Klink aber mehr als Aushängeschild und blieb Hitler, Reichsminister Rudolf Heß, DAF-Leiter Robert Ley und NSV-Leiter Erich Hilgenfeldt untergeordnet. Sie war der Partei als Propagandafigur dienlich, machte aber keinen politischen Einfluss geltend. Damit entsprach sie ganz jenem nationalsozialistisch propagierten Frauenbild, in dem die Frau die Vorherrschaft des Mannes nicht anzweifelte und ihm Führung in politischen Belangen überließ. Dass dieses Urteil nicht der Komplexität einer ganzen Lebensgeschichte gerecht werden kann, zeigt sich bereits an einer politischen Auseinandersetzung im Jahr 1937: Während Scholtz-Klink die Führerinnen in den Zellen und Blocks als „Leiterinnen“ bezeichnen wollte, sprach ihnen Ley nur ein „Walterinnen“ zu, um die Autorität der männlichen Leiter nicht zu untergraben. Als schließlich Heß die Umbenennung in „Leiterinnen“ vornahm, ohne dies mit Ley abzusprechen, beschwerte dieser sich bei Hitler und warf Scholtz-Klink „gefährliche Emanzipationsbestrebungen“41 vor. Die Reichsfrauenführerin verteidigte sich erfolgreich mit einer achtseitigen Replik. Doch vor allem mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges und den wachsenden Anforderungen an die Frauen und die Frauenschaft verlor die Reichsfrauenführerin an Macht und Einfluss. Nichtsdestotrotz blieb sie für viele weiterhin eine schillernde Figur und Vorzeigefrau, die sich bei zahlreichen Veranstaltungen und offiziellen Empfängen in Szene setzte.
Reichsfrauenführerin Gertrud Scholtz-Klink bei ihrer Ankunft am 11. Mai 1939 in Salzburg. Begleitet wird sie von der Salzburger Gaufrauenschaftsleiterin Maria Vogl (hinter Scholtz-Klink) und von Martha Warnecke, Hauptabteilungsleiterin in der Reichsfrauenführung.
Am 11. Mai 1939 stattete Gertrud Scholtz-Klink auch der Gauhauptstadt Salzburg einen offiziellen Besuch ab. Nach ihrer Ankunft im Österreichischen Hof (heute Hotel Sacher) besuchte sie die Burg Hohenwerfen und wandte sich, ebenso wie Gauleiter Friedrich Rainer, mit einer Eröffnungsrede an die Salzburger Frauen und die Frauenschaftsleiterinnen. Am Nachmittag unternahm sie eine Fahrt ins Salzkammergut, wo sie in Begleitung des Gauleiters, der Gaufrauenschaftsleiterin Maria Vogl [Biografie S. 94] und anderen Salzburger Führungspersonen in St. Gilgen am Wolfgangsee von den ortsansässigen „Pimpfen“ der Hitlerjugend mit Fanfarengrüßen in Empfang genommen wurde. Abschließend weilte Scholtz-Klink im Weißen Rössl. Ein solch hoher Besuch wurde natürlich medienwirksam inszeniert.
Obwohl Gertrud Scholtz-Klink aufgrund von Krankheiten und Fehlgeburten immer seltener ihren Aufgaben nachgehen konnte und immer mehr ins Abseits gedrängt wurde, hielt sie eisern an ihrer Stellung fest. Ihr Einfluss war aber merklich geschwunden: Führende Männer der Partei wie Ley und Goebbels lehnten sie mit der Zeit zunehmend ab. Von Hitler wurde sie zwar geschätzt, aber nicht mehr direkt zu Frauenbelangen befragt. Ihr Versuch, die NSF und das DFW vollständig zu vereinigen, wurde vereitelt.
Nach dem Ende des Krieges wurde Scholtz-Klink zunächst für tot erklärt, sie hielt sich jedoch bei der befreundeten Prinzessin Pauline zu Wied, Tochter des württembergischen Königs Wilhelm II., auf. Im Februar 1948 wurde sie entdeckt, verhaftet und nach mehreren Verfahren 1950 schließlich zu 30 Monaten Zwangsarbeitslager verurteilt und mit partiellem Berufsverbot belegt. Gertrud Scholtz-Klink hielt an ihren Überzeugungen fest und verteidigte offen die nationalsozialistische (Frauen-)Politik, so auch in ihrem 1978 im rechtsextremen Grabert Verlag veröffentlichten Buch Die Frau im Dritten Reich. Eine Dokumentation.