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Frauen für die NS-Bewegung Frühe Nationalsozialistinnen
ОглавлениеNach dem Ersten Weltkrieg und dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie spielte die Frage der Neuorientierung Österreichs in mehrerlei Hinsicht eine zentrale Rolle. Für viele lag die einzig mögliche Zukunft dieses kleinen Rest-Staates in der Anbindung an das Deutsche Reich. Wenngleich ein solcher Schritt von den Siegermächten im Friedensvertrag von Saint-Germain 1919 untersagt wurde,15 blieb die parteiübergreifende Berufung auf eine gemeinsame „deutsche“ Identität und ein deutsches Nationalbewusstsein aber bestehen.
Eine Phase der Neuausrichtung war es vor allem auch in Bezug auf die Geschlechterrollen. Die gesellschaftlichen Veränderungen, die sich während des Ersten Weltkrieges notgedrungen vollzogen hatten, wurden nun wieder revidiert. Noch während des Krieges mussten die eingerückten Männer wohl oder übel durch weibliche Arbeitskräfte ersetzt werden, sodass um 1918 Frauen in nahezu allen Berufen tätig waren.16 Im Land Salzburg hatte sich zwischen 1914 und 1917 zum Beispiel die Zahl der weiblichen Beschäftigten im Bergbau verdreifacht. Allerdings änderte sich kaum etwas an den geschlechtsspezifischen Hierarchien, und dieser dem Krieg geschuldete Ausnahmezustand sollte nur vorübergehend sein. So wies etwa das k. k. Eisenbahnministerium Fahrkartenrevisionistinnen explizit darauf hin, dass ihre Anstellung nur für die Dauer des Krieges beabsichtigt sei.
Die Fahrkartenkontrolleurin – ein beliebter Frauenberuf zur Zeit des Ersten Weltkrieges.
Nach dem Krieg waren nun aber nicht mehr alle Frauen dazu bereit, die Arbeitsplätze, die sie sich erobert hatten, für die heimgekehrten Männer aufzugeben. Ein großer Teil war in der Notsituation nach dem Krieg auch gar nicht dazu in der Lage – allen voran die auf ein Einkommen besonders angewiesenen Kriegswitwen. Aus dem entfachten Kampf um die Arbeitsplätze gingen die Frauen großenteils als Verliererinnen hervor. Frauenerwerbsarbeit wurde abgebaut, zurückgedrängt und gesetzlich stark eingeschränkt. Diese Entwicklung führte letzten Endes etwa dazu, dass die sogenannte Doppelverdiener-Verordnung ab Dezember 1933 die sofortige Entlassung verheirateter Frauen aus dem Bundesdienst und die Kündigung im Falle der Eheschließung vorsah. Der auf mehreren Ebenen vorangetriebene Prozess der Arbeitsmarktregulierung richtete sich ganz klar gegen die Frauenarbeit.17 Dennoch trugen die Leistungen der Frauen an der „Heimatfront“ und der „Soldatinnen des Hinterlandes“ zu einer Schwächung der konservativen Rollenbilder bei, und mit der Einführung des Frauenwahlrechts 1918 setzten durchaus gesellschaftliche Umwälzungen ein. Diskussionen um Sexualität, Verhütung, Abtreibung sowie Ehe- und Familienrecht brachten die patriarchale Ordnung ins Wanken und stellten sowohl Männer als auch Frauen vor das Problem neuer Rollendefinitionen.
Die gesellschaftliche und politische Verunsicherung, der massive Rückgang der Geburten, die Konkurrenzsituation auf dem Arbeitsmarkt und die 1929 einsetzende Weltwirtschaftskrise zogen eine Polarisierung und Radikalisierung der Bevölkerung nach sich, nicht zuletzt auch im Land und in der Stadt Salzburg. An das allgegenwärtige Krisengefühl konnten die Nationalsozialist*innen der ersten Stunde leicht anknüpfen. Sie versprachen Lösungen für die schier hoffnungslose Situation: So würden sie die demütigenden Folgen des Ersten Weltkrieges bereinigen, das „deutsche Volk“ aus der Wirtschaftskrise herausführen und die traditionellen Rollenbilder wiederherstellen. Mit Ankündigungen dieser Art konnten sie eine breite Anhänger*innenschaft, besonders innerhalb der bürgerlichen Schichten, für sich gewinnen. Ähnliche Konzeptionen der Christlichsozialen Partei (CSP) und des christlichen Lagers galten vielen aus dem bürgerlichen Lager als zu klerikal. Charakteristisch für den Aufstieg der NSDAP war aber, dass sie Ideen und Anhänger*innen aus nahezu allen Bereichen vereinnahmen konnte.
Seit der zuvor erwähnten Einführung des Frauenwahlrechts 1918 gingen die österreichischen Parteien, egal ob sie nun katholisch, sozialistisch oder nationalistisch orientiert waren, auf Stimmenfang in der weiblichen Wählerschaft. Trotz des offensiv männerbündischen Charakters fanden sich rasch zahlreiche Anhängerinnen für die erstarkende NS-Bewegung. Vor allem viele Österreicherinnen empfanden den Nationalsozialismus nach der vorhergehenden Entrechtung im austrofaschistischen Ständestaat (1934–1938) als modern und befreiend. Die frauendiskriminierenden Gesetze der Zwischenkriegszeit spielten dem Nationalsozialismus geradezu in die Hände – wobei im Zuge der Machtergreifung Hitlers im „Dritten Reich“ ebensolche diskriminierenden Gesetze erlassen wurden.
In der Zwischenkriegszeit illustriert die sozialdemokratische Monatsschrift Die Frau die „Verdrängung der Frauenarbeit“ mit Zeichnungen wie diesen.
Zahlreiche „weibliche Verbündete“ kamen aus dem großdeutschen beziehungsweise völkischen Lager. Als gedankliche Brücke diente die Vorstellung eines „deutschen Volkes“, einer verbindenden und zunehmend als „Blutsgemeinschaft“ verstandenen „Volksgemeinschaft“. Diese totalitäre Idee einte Frauen aus den unterschiedlichsten Bereichen. Die frühen Nationalsozialist*innen bedienten sich für ihre konkreten Versprechungen bei vorhandenen Versatzstücken – man denke an die Aufwertung der Mutterschaft, die bereits ein zentrales Element der bürgerlichen Frauenbewegung war – und fügten sie in ihre rassistische Weltanschauung ein. Diese wiederum war von Ambivalenzen geprägt. So war etwa die von den Frauenbewegungen angestrebte Aufwertung der „Mütterlichkeit“ nur bedingt mit nationalsozialistischen Vorstellungen vereinbar, wurde doch weibliche „Gefühlsduselei“ und mütterliche Fürsorge, die jeglichem (auch „unwertem“) Leben galt, abgelehnt. Auf jeden Fall aber vereinfachte diese bunte Vermischung verschiedenster Aspekte den Übergang in die nationalsozialistische Frauenwelt. So konnten selbst Frauen, die zunächst nicht direkt mit dem Nationalsozialismus in Verbindung standen, jedoch ähnliche Ziele, Wertvorstellungen oder Vorurteile teilten, in der NS-Bewegung aufgehen. Die Vorstellung, Frauenrechtlerinnen seien ausschließlich Gegnerinnen des Nationalsozialismus gewesen, ist in diesem Zusammenhang übrigens verzerrt: Frauen, die mit feministischen Ideen sympathisierten und die Forderungen der Frauenbewegungen teilten, konnten sich aus Gründen wie Antisemitismus, Nationalismus, völkischem Mystizismus oder der Abneigung gegen den Bolschewismus der nationalsozialistischen Bewegung anschließen. Daraus erklärt sich auch die Tatsache, dass die Nationalsozialistinnen selbst die NS-Ideologie zuweilen grundlegend unterschiedlich interpretierten. Da sich die Männer zudem anfänglich nicht für ihre Mitstreiterinnen interessierten, konnten die Frauen ganz eigene Konzepte des Nationalsozialismus entwerfen.
Obwohl die NS-Ideologie insgesamt eine betont männliche und antifeministische war und blieb, fanden sich also von Beginn an begeisterte Anhängerinnen, die auch eigene NS-Frauenorganisationen gründeten.18 Der erste dokumentierte Versuch in Österreich Frauen nationalsozialistisch zu organisieren, war der Deutsche nationalsoziale Frauenverein für Österreich, dessen Gründung 1918 angedacht war, aber aus unbekannten Gründen ausblieb. Die früheste nachweisbare nationalsozialistisch orientierte Frauengruppe war die Völkische Frauen- und Mädchengruppe, die erstmals 1925 in Linz auftrat. Der Name zeigt die Absicht, Mitglieder aus dem weiteren völkischen Milieu zu rekrutieren. Ab 1927 hieß die Vereinigung Völkische Frauen- und Mädchengruppe der NSDAP (Hitlerbewegung). Als Obfrau agierte Maria Werbik, die seit 1923 Mitglied der nationalsozialistischen Partei war und später offizielle österreichische NS-Frauenschaftsleiterin wurde. Als NS-Frauenverein trat seit 1926 der Bund nationalsozialistischer (deutscher) Frauen Wiens auf. Ebenfalls in Wien wurde im selben Jahr die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Frauenklub gegründet, in deren Satzungen als Zweck „der Dienst am Wohle der arischen Mitmenschen“ festgehalten wurde.19 Der Frauenklub blieb im austrofaschistischen Ständestaat auch nach dem Verbot aller NS-Aktivitäten 1933 bestehen (allerdings nur bis Ende des Jahres), da er aufgrund seines unverfänglichen Namens harmlos erschien. Auch der Bund nationalsozialistischer deutscher Frauen durfte fortbestehen, da er als Dollfuß-loyal galt. Zwar strich man 1934 die Beifügung „nationalsozialistisch“ aus dem Namen, doch blieb der Verein bis 1938 für die illegale NS-Bewegung aktiv.
Die frühen nationalsozialistischen Frauengruppen in Österreich blieben weitgehend lokal beschränkt. Jene Frauen, die sich in dieser Phase engagierten, taten dies, obwohl sich in der Partei niemand besonders um sie bemühte. Das änderte sich in Österreich erst mit dem Aufstieg der NSDAP in Deutschland. Schon in der Entstehungsphase der NSDAP gab es verschiedenste nationalsozialistisch und völkisch orientierte Frauengruppen, die regional sehr unterschiedlich verteilt waren, außerdem kaum zusammenarbeiteten, sondern miteinander konkurrierten. Eine dieser NS-Frauengruppen war die unmittelbare Vorläuferin der späteren und auch für die Belange der Frauen in der Stadt und im Land Salzburg relevanten NS-Frauenschaft: der Deutsche Frauenorden (DFO). Diesen gründete Elsbeth Zander 1923 in Berlin. Zander selbst trat erst 1926 der NSDAP bei, engagierte sich aber schon vor dem Hitlerputsch für die NS-Bewegung und rekrutierte als überzeugende Rednerin zahlreiche Frauen. Obwohl Adolf Hitler den Frauenorden offiziell als Organisation der NSDAP anerkannte, führte der DFO in der Riege der NS-Organisationen ein Schattendasein. Mit der Zusatzbezeichnung Rotes Hakenkreuz brachte man die politische Zugehörigkeit des DFO zum Ausdruck. Die Mitglieder wurden dazu verpflichtet, der Partei beizutreten. Im Vordergrund stand die vaterländische, „rassenbewusste“ Erziehung der Frauen. Nicht politisches Engagement, sondern Mutterschaft und Pflege der deutschen Kultur wurden als weibliche Aufgaben definiert. Der Leitspruch des Frauenordens war „Glaube, Hoffnung, Liebe“.20 Ende der 1920er-Jahre soll der DFO rund 13 000 Anhängerinnen gezählt haben.
Weichenstellung in der Ersten Republik, breite Umsetzung nach dem „Anschluss“: Öffentlichkeitswirksame Darstellung von „Mütterlichkeit“ im Salzburger Wochenblatt der Landesbauernschaft Alpenland: „Mütter und Kinder aus Großarl, dem kinderreichsten Dorf Großdeutschlands; 299 Bergbäuerinnen des Dorfes tragen das Ehrenkreuz der deutschen Mutter.“
Neben dem Frauenorden gab es viele weitere lokale Splittergruppen von nationalsozialistisch gesinnten Frauen, die keineswegs dazu bereit waren, sich diesem unterzuordnen. Als die NSDAP zu Beginn der 1930er-Jahre einen zunehmenden Aufschwung erlebte, trat die Notwendigkeit eines geschlossenen Auftretens nach außen und einer einheitlichen Frauenorganisation verstärkt zutage. Die lokal agierenden und konkurrierenden Gruppierungen waren den Aufgaben und Ansprüchen der Partei nicht gewachsen. Der spätere Reichspropagandaminister Joseph Goebbels schrieb 1928 in seinem Tagebuch: „Die Frauen muß ich organisieren. Da liegt viel Kraft brach.“21 Da er eine schlechte Meinung von Elsbeth Zander hatte, die er als „zu waschfrauenmäßig“ bezeichnete, gründete Goebbels 1929 selbst eine Frauenorganisation, die Frauenarbeitsgemeinschaft des Gaues Groß-Berlin. Reichsorganisationsleiter Gregor Strasser – seine Position entsprach der eines Generalsekretärs – favorisierte dagegen den Frauenorden und Zander, da diese „als eine Jeanne d’Arc“ bei „einfachen Frauen“ gut ankam. Daraus resultierte eine Pattsituation, im Rahmen derer die Frauenorganisationen untereinander konkurrierten und sich sogar gegenseitig diffamierten.22 Die Lösung dieser Umstände sollte eine Fusion bringen. Das führte zur Gründung der Nationalsozialistischen Frauenschaft (NSF).