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3. Alixena

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Die über­wäl­ti­gen­de Trau­er war bald ei­nem Ge­fühl grim­mi­ger Ent­schlos­sen­heit ge­wi­chen. Sie muss­te nach Hau­se, zu ih­rem Kind.

Da sie als War­la­dy oh­ne­hin nicht an die Front ge­hen durf­te, war es kein Pro­blem, das Kom­man­do an Vi­zela­dy Na­la zu über­ge­ben, sich eins der Dampf­mo­bi­le mit Fah­rer zu neh­men und so schnell wie mög­lich nach Ac­niv zu ge­lan­gen.

Im­mer wie­der muss­te ihr Fah­rer an­hal­ten, um an den ei­gens da­für ein­ge­rich­te­ten Kno­ten­punk­ten das Was­ser zu er­set­zen und neu­es Heiz­öl zu kau­fen. Die drei Ta­ges­rei­sen schie­nen ihr nicht zu­letzt da­durch un­end­lich lang, zu­dem wa­ren sie recht ein­tö­nig. Die meis­te Zeit sah sie nur Sand und Fels, wenn sie denn über­haupt nach drau­ßen schau­te, statt die Schei­ben ver­dun­kelt zu las­sen.

Trotz­dem hat­te sie kein Recht, sich bei dem Mann zu be­schwe­ren – im­mer­hin war es ihm zu ver­dan­ken, dass sie über­haupt vor­an­kam. Der rund­um von hell­grau­em Plas­tik um­hüll­te Wa­gen bot ihr Schutz vor der sen­gen­den Son­nen­ein­strah­lung, der Hit­ze und dem Staub, der selbst meh­re­re Jahr­zehn­te nach der großen Dun­kel­heit im­mer noch auf den Stra­ßen lag und sich in den Lun­gen fest­zu­set­zen droh­te, wenn man sich nicht da­vor schütz­te. Sie muss­te in sei­nem In­ne­ren we­der ih­re Rüs­tung noch ei­ne läs­ti­ge Atem­schutz­mas­ke tra­gen.

Ob er sie vor der an­de­ren Strah­lung schütz­te, ei­ner, die Men­schen krank mach­te, wuss­te sie nicht. Aber ir­gend­wie muss­te sie rei­sen. Nicht, dass es sie in den Städ­ten nicht ge­ben wür­de, aber laut den Gerä­ten der Wis­sen­schaft­ler schwä­cher. Auch wenn sie nicht wuss­te, wes­halb.

Au­ßer­dem war sie voll­kom­men al­lei­ne in ei­nem Wa­gen, der auf sechs Pas­sa­gie­re aus­ge­legt war, und konn­te, wenn sie es woll­te, sich auf dem Bo­den lang aus­stre­cken und ru­hen.

Das gleich­mä­ßi­ge Geräusch sich dre­hen­der, gut ge­pan­zer­ter Stahl­rä­der misch­te sich mit dem lei­sen Pfei­fen der Dampf­ma­schi­ne. Grau stieg der Rauch dar­aus auf und ver­misch­te sich mit den eben­so grau­en Wol­ken über dem Land.

An­geb­lich soll es hier einst im­mer­grü­ne Wäl­der vol­ler Tie­re ge­ge­ben ha­ben, aber seit die große Dun­kel­heit vor­bei war, hat­ten sich erst we­ni­ge Pflan­zen an die Ober­flä­che ge­kämpft und ih­re satt­grü­nen Trie­be wur­den zu schnell wie­der von ei­ner Schicht aus Staub be­deckt. Man­che Din­ge kann­te sie nur aus den Er­zäh­lun­gen ih­rer El­tern: Fri­sche Luft, gu­tes Was­ser, mil­de Tem­pe­ra­tu­ren, Tie­re.

Le­dig­lich ein paar Rat­ten hat­te Ali­xe­na mal ge­se­hen und ver­krüp­pelt aus­se­hen­de Bir­ken, meist in den ver­las­se­nen Städ­ten.

Nur Müll gab es im Über­fluss. Ein Blick nach drau­ßen ge­nüg­te, um ihn zu se­hen. Ihn und die Men­schen, die größ­ten­teils oh­ne drin­gend not­wen­di­gen Schutz dar­in her­um­wühl­ten, um sich et­was Geld für ihr er­bärm­li­ches Le­ben zu ver­die­nen. Das war in ih­ren Au­gen das Schlimms­te. Doch egal wie sehr sie ver­such­te, da­für zu sor­gen, dass die Müll­samm­ler fair be­zahlt wur­den, blieb sie selbst als War­la­dy ohn­mäch­tig an­ge­sichts der herr­schen­den Kor­rup­ti­on. Für die, die nicht in den of­fi­zi­el­len, von ihr kon­trol­lier­ten Bri­ga­den sam­mel­ten, konn­te sie am we­nigs­ten tun. Das wa­ren recht­lo­se Men­schen. An­de­rer­seits, wa­ren sie nicht auch selbst schuld, wenn sie schwarz ar­bei­te­ten?

Sie frag­te sich, wie es Da­rio ging. Ver­stand er über­haupt, warum sein Va­ter auf ein­mal nicht mehr mit ihm spiel­te? Ihn nicht mehr in den Arm nahm? Die Sehn­sucht nach ih­rem Kind war so groß, dass es schmerz­te.

Seuf­zend leg­te Ali­xe­na sich auf dem Bo­den in die auf­ge­schich­te­ten Kis­sen, schloss die Au­gen und stell­te sich vor, wie es wä­re, ihr Kind im Arm zu hal­ten und Ge­ro an­zu­lä­cheln.

Ge­ro.

Sie spür­te, wie Trä­nen heiß aus ih­ren Au­gen quol­len, mach­te sich aber nicht die Mü­he, sie weg­zu­wi­schen. Ver­mut­lich war sie die ein­zi­ge, die auf­rich­tig um ihn wein­te. Sie und viel­leicht noch die­ser cha­ris­ma­ti­sche neue Ober­knecht, der in den letz­ten Au­gen­bli­cken von Ge­ros Le­ben bei ihm ge­we­sen sein muss­te. Wenn sie nicht al­les täusch­te, hieß er Fe­lix, aber sie war sich des­sen nicht ganz si­cher. Sich Na­men zu mer­ken, war noch nie ei­ne von Ali­xen­as Stär­ken ge­we­sen.

Wenn sie nur schon in Ac­niv an­ge­kom­men wä­re.

Der tote Prinz

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