Читать книгу Hasenrein eingemiezelt - Kathrin Dittmer - Страница 8
Da nich’ für!
ОглавлениеIn diesen Tagen ist es en vogue, sich von etwas zu distanzieren, in dessen Nähe man sich nie befunden hat. Nun will man ja keinem verwehren, sich zur eigenen Verortung zu äußern. Aber wäre es nicht schlauer – und irgendwie auch weniger geräuschvoll – seinen Standpunkt zu benennen als seine multiplen Nicht-Standpunkte?
Noch schlimmer und wesentlich weniger unterhaltsam finde ich, von anderen zu verlangen, dass sie auf Distanz zu etwas gehen, von dem sie weit entfernt sind. Ha, werden Sie jetzt denken, es ist klar, worauf das hinausläuft. Und Sie haben Recht: Ich bin nicht bereit, mich vom Terrorismus zu distanzieren. Wie sollte ich da auch auf mehr Distanz gehen? Da müsste ich schon die Galaxie wechseln. Wäre ich muslimischen Glaubens, dürfte ich das gar nicht schreiben, nicht wahr? Schrecklich.
Aber wäre ich Muslim und fühlte ich mich genötigt, mich vom Terror zu distanzieren, würde sich garantiert irgendjemand dafür bei mir bedanken. Auch schrecklich. Es ist in diesen Tagen nämlich genauso Mode, sich öffentlich zu bedanken. Auch mir wurde neulich bis zum Abwinken gedankt. Mit ungefähr 24.999 anderen Menschen war ich auf einer Demonstration. Mein Eindruck war, die meisten waren wie ich da, weil sie Meinungsfreiheit wichtig finden. Nun gut, manche trugen Banner gegen Intoleranz. Das ist lieb, bringt aber nicht viel, denn gegen Dummheit ist kein Kraut gewachsen. Lieber öfter mal für ein konkretes politisches Ziel eintreten, das rührt zwar den Bundespräsidenten nicht so, ist aber effektiver. Dennoch verstehe ich, dass man auch mal in der Innenstadt zeigen möchte, dass man sich nicht zu den Bekloppten und Bescheuerten zählt. So folgte auch ich bereitwillig dem Aufruf verschiedenster Gruppierungen. Die Aufrufer hatten wohl nicht mit solchem Andrang gerechnet und so standen wir überwiegend demonstrativ. Das machte ja nichts. Was mich aber doch störte, war, dass sich vom Rednerpodium herab dauernd einer bei uns bedankte. Wie ein Firmen-Jubilar seinen Angestellten dankt. Auch bedankte man sich, für meine demokratische Gesinnung. Die habe ich aber nicht zu Gefallen der Politik, Kirche oder Gewerkschaft. Die habe ich einfach von mir aus. Ich wusste auch gar nicht, dass ich auf deren Feier war. Ich dachte, es wäre eine gemeinsame – ja, Demonstration. Sozusagen Einigkeit für Recht und Freiheit. Einfach so.
Ich hege seitdem einen schlimmen Verdacht: Die Regierenden und Gewerkschaften und andere Organisatoren glauben, dass der Großteil der Bevölkerung zu den Bekloppten und Bescheuerten gehört, und entsprechend überwältigt sind sie, zu sehen, dass die mal was richtig machen.
Einen Vorteil hat das Gefälle in der Gesellschaft aber: Wenn man sich nicht genug wahrgenommen fühlt, kann man sich öffentlich von irgendwas distanzieren und das dankt einem dann wer. Ich könnte mich jetzt und hier zum Beispiel ohne Weiteres von allen Carrerabahnbesitzern, Apfelessern, Zweiraumwohnenden, Sexmaniacs, Zölibatären, Sonnenstudiobetreibern, Überglücklichen, Unglücklichen, Katzenhassern, Hundezüchtern, Weichspülerbenutzern, Eisschwimmern, Süßschnäbeln und Fernsehmoderatoren, Päpsten und Komasäufern distanzieren. Alles so Sachen, die mir fern sind, ich zur Zeit nicht tue, habe, bin, nicht will, nicht kann oder nie tun, wollen, haben oder können werde. Na gut, man nimmt manchmal Gewohnheiten an, die man früher verabscheut hat und kann seine Meinung ändern. Es soll ja sogar Leute geben, die aus Regierungsparteien austreten. Selten, aber es gibt sie.
Auch ich bin manchmal kurz davor, wenn die Handtücher so kratzen, Weichspüler zu kaufen. Ich kann mir sogar sehr entfernt vorstellen, doch noch den Führerschein zu machen, überglücklich zu sein oder Hunde zu züchten, obwohl das irre weit von dem weg ist, was ich derzeit tue. Aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, Terrorist zu werden. Ich hoffe, es wird mir keiner danken.
2015