Читать книгу Eine sachliche Analyse des Bösen, das auf unserer Welt passiert! - Kathrin-Silvia Kunze - Страница 5

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1.2 Der Mensch und die Angst

Angst ist eine natürliche Emotion des Menschen. Emotionen dienen biologisch betrachtet dazu, dass ein Lebewesen sich, in einer fassettenreichen und dem stetigen Wandel unterworfenen Umwelt, optimal orientieren und dadurch auch agieren kann. Emotionen sind also, neutral betrachtet, nützliche Hilfsmittel.

Jeder Mensch hat verschiedenartigste Ängste, die oftmals so zahlreich sind wie Sand am Meer. Da gibt es die Angst weniger zu besitzen als andere, weniger talentiert zu sein als andere, die Angst nicht genug wahrgenommen zu werden, die Angst nicht dazu zu gehören, anders zu sein, allein zu sein, die Angst vor Dunkelheit, die Angst vor zu großen Höhen oder zu kleinen Räumen etc.

Diese Ängste werden immer wieder und in den verschiedensten Situationen auftreten, wobei neue Situationen neue Ängste begünstigen. Es ist also nicht nur absolut natürlich, sondern auch unvermeidbar, dass Menschen Ängste haben. Angst ist menschlich, was im Übrigen ebenso für Schwäche und Versagen gilt.

Wurde nun jedoch, aus welchem Grund auch immer, von einem Menschen verinnerlicht, dass Angst und womöglich auch noch Schwäche und Versagen inakzeptabel sind, entwickelt sich eine Art Angst vor der Angst. Anstatt, dass Angstgefühl dann als natürliche und nützliche Emotion, die z. B. zur genaueren Betrachtung einer wichtigen Sachlage anhalten kann, wahrzunehmen, empfindet man es dann als peinliche Schwäche, Angst zu empfinden. Dann wird die Angst verdrängt, womit man der Möglichkeit beraubt ist, sie zu kontrollieren.

Aber da Ängste ja ganz natürlich in verschiedensten Situationen immer wieder auftreten werden, entsteht eine Dissonanz zwischen dem was man empfindet und dem was man demonstrieren will. Das erzeugt einen inneren Druck, der sich immer weiter aufstaut und unbewusst, sobald er übergroß wird, in Form von Übersprungsempfindungen bzw. Ersatzempfindungen kanalisiert wird. Diese aus unakzeptierter, verdrängter Angst resultierenden Ersatzempfindungen dienen immer in irgendeiner Form der Selbstüberhöhung und Übermenschlichkeitswerdung. Denn mit ihrer Hilfe soll der wahre Wesenskern, die Menschlichkeit mit ihrer Angst, ihrer Schwäche und ihrer Fehlerhaftigkeit, unbewusst übertüncht und verdeckt werden. Man muss dies letztendlich als eine Art Flucht vor der, im Angesicht von unendlichem Raum und unendlicher Zeit, empfundenen, Angst und Machtlosigkeit des Menschseins verstehen. Als Flucht hin zu Machterlangung, Machtdemonstration oder Machtaktion, um vermeintlich der Angst und Machtlosigkeit entkommen zu können. Solche der Selbstüberhöhung dienenden Ersatzempfindungen treten in unterschiedlicher Ausprägung und Intensität auf. Angefangen bei Minderwertigkeitskomplexen, mit gesteigertem Aufmerksamkeits- und Geltungsbedürfnis, bis hin zu einem Verlangen nach Macht und Anerkennung das so extrem ist, dass es auch vor Gewaltanwendung nicht mehr zurück schreckt.

Der analytische Tiefenpsychologe Carl Gustav Jung (1875-1961) sagte, dass man die negativen Aspekte, in der menschlichen Psyche als Teil des Unterbewusstseins, nicht verdrängen darf, sondern sie ins Bewusstsein integrieren muss, um zur Ganz- bzw. Selbstwerdung zu gelangen. „Das Unbewußte ist vielleicht am besten verstanden, wenn wir es als natürliches Organ mit einer ihm spezifischen produktiven Energie auffassen. Wenn infolge der Verdrängungen seine Produkte im Bewußtsein keine Aufnahme finden, so entsteht eine Art von Rückstauung, eine unnatürliche Hemmung einer zweckmäßigen Funktion, genau so, wie wenn die Galle, das natürliche Produkt der Leberfunktion, am Abfluß in den Darm gehindert wird. Infolge der Verdrängung entstehen falsche psychische Abläufe. Wie die Galle ins Blut übertritt, so irradiiert der verdrängte Inhalt in andere seelische und psychologische Gebiete.“ Mit der Entdeckung dieser psychologischen Zusammenhänge bewies C. G. Jung seine überragenden fachlichen Fähigkeiten. Dadurch konnte er eine Wahrheit offenbaren, die er selbst scheinbar leider nicht in ihrer ganzen Tiefe verstanden hat und deshalb auch nicht bei sich selbst anwenden konnte. Denn sonst wären ihm seine fremdenfeindlichen Entgleisungen, die er später selbst bereute, und von denen in diesem Buch noch die Rede sein wird, erspart geblieben. Laut C. G. Jungs Theorie zum Unterbewusstsein würde also die Repression bzw. Unterdrückung der unerwünschten dunklen Energie, die er als Schatten bezeichnete, beim Menschen zu destruktiven Zerstörungsaktionen führen, wohingegen die Integration dieser Energie ins Bewusstsein in Form von konstruktiven Aktionen kanalisiert wird (C. G. Jung Seelenprobleme der Gegenwart). Man kann sich das in etwa so vorstellen, wie in der Novelle Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde von dem schottischen Schriftsteller Robert Louis Stevenson (1850-1894) aus dem Jahre 1886. Dort führt der innere Konflikt des Protagonisten, zwischen dem Guten und Bösen in seiner Seele, zur Spaltung der Persönlichkeit. Dr. Jekyll berichtet dabei von sich selbst: „So kam es, daß ich meine Vergnügungen verheimlichte, und als ich die Jahre der Selbstbesinnung erreichte, anfing, mich umzuschauen und mir Rechenschaft über meinen Fortschritt und meine Stellung in der Welt abzulegen, stand ich bereits einer tiefen Zwiespältigkeit in meinem Dasein gegenüber.“ Allein die unstete Ausdrucksweise von Dr. Jekyll, deutet hier bereits auf seine innere Zerrissenheit hin. Letztendlich wird dadurch von Dr. Jekyll eine unvorstellbare Zerstörungskraft, in Form seines dunklen alter Ego Mr. Hyde, frei gesetzt, die beide nicht überleben werden.

Wenn demnach eine Emotion wie Angst, nicht akzeptiert und als natürlicher Bestandteil des einfach Mensch sein integriert wird, verliert man ihr gegenüber jegliche konstruktive Handhabung. Erst dadurch ist man dann seiner Angst ausgeliefert und erst dann führt ihre Präsenz zu inneren Spannungen, die destruktive, Leben erschwerende oder sogar Leben vernichtende Auswirkungen haben können.

Nicht die Angst ist also das Problem, sondern eine fehlende Akzeptanz der Menschlichkeit gegenüber, zu der ganz natürlicherweise auch Angst, Schwäche und Versagen etc. gehören. Für viele Menschen ist aber gerade das Thema Angst ein richtig gehendes no Go. Deshalb wird weder in der Familie, im Freundeskreis, in der Schule, noch allgemein in der Gesellschaft, wirklich darüber gesprochen und schon gar nicht ausreichend intensiv. Dadurch kann natürlich auch kein richtiger Umgang mit der Angst herausgearbeitet oder vermittelt werden. Die Folgen davon erleben wir tagtäglich.

Es ist also dringend erforderlich, dass Menschen in die Lage versetzt werden, ihre Angst und darüber hinaus auch ihre Schwäche und ihr Versagen, akzeptieren zu können. Und das einzige Mittel um Angst, Schwäche und Versagen akzeptieren zu können und damit das einzige Mittel um das einfach Mensch sein zu akzeptieren, ist die Selbstvergebung. Von vielen wird diese Selbstvergebung auch als Selbstvertrauen oder Selbstliebe bezeichnet. Sie hat aber nichts mit einem aufgeblähten Egotrip oder Narzissmus zu tun, der auch wieder nur ein Versuch ist, Angst und Unsicherheit zu verdrängen. Vielmehr handelt es sich hierbei um die Akzeptanz seinem natürlichen unverstellten Selbst gegenüber, also um ein Frieden schließen mit allem, was man ist, weshalb das auch die weniger erwünschten Eigenschaften mit einschließt. Diese Selbstvergebung erlaubt es uns, unsere Angst zu akzeptieren, wodurch zum einen der Verdrängungsdruck entfällt und zum anderen ein Kontakt zur Angst bestehen bleibt, der uns den angemessenen Umgang mit ihr ermöglicht.

Meist ist die Angst in einem Menschen für ihn selbst und für andere nur schwer erkennbar, denn durch die Verdrängung wird sie versteckt. Viele Menschen merken womöglich gar nicht, wie verdreht sie sich, unter dem Druck ihre Angst verdrängen zu wollen, schon verhalten. Und wie cool, überheblich, schlecht gelaunt, aggressiv bis hin zu bösartig sie dadurch z. B. schon geworden sind. Dieser Druck muss jedoch dringend aus dem Zusammenleben der Menschen genommen werden, denn er verdirbt das Leben und erschwert es noch zusätzlich zu den natürlichen Problemen, wie Krankheit, Unfall, etc.

Das einfach Mensch sein muss darum allgemein stärker akzeptiert werden. Dem Sozialwesen Mensch muss der Unterschied zwischen, im negativen Sinne angstfrei sein, und im positiven Sinne angstfrei sein, deutlich gemacht werden. Im negativen Sinne angstfrei ist ein Mensch, wenn er durch die Verdrängung seiner Angst keinen Zugang mehr zu ihr hat. Doch bleibt sie natürlich präsent und übt durch den Versuch der Verdrängung einen gesteigerten Druck auf die betreffende Person aus. Darüber hinaus wird durch die Verdrängung einer natürlichen Emotion, auch der Zugang zu anderen Emotionen, wie etwa dem Mitgefühl etc., verschlechtert.

Im positiven Sinne angstfrei ist ein Mensch, wenn er sich seiner Angst durchaus bewusst ist, aber durch Selbstvergebung über genug innere Kraft verfügt, diese als natürlichen Bestandteil des einfach Mensch sein zu akzeptieren. Selbstvergebung versetzt solch einen Menschen damit in die Lage, mit seiner Angst und somit auch mit seinen übrigen Emotionen, in gesunden Kontakt zu treten. Dadurch kann ein solcher Mensch, frei von innerem Druck, angemessen mit seinen Emotionen auf die Anforderungen des Lebens reagieren. Er ist dann in der Lage, schwierige Situationen entweder allein, mit sich selbst zu klären und Emotionen wie Angst etc. in sich selbst zu befrieden, oder andere Menschen um Hilfe zu bitten. Dadurch ist er nicht mehr gezwungen, andere mit seinen ihm entfremdeten Emotionen, durch unangemessen überhebliches, aggressives oder gar gewalttätiges Verhalten, zu belästigen.

Im Großen und Ganzen gilt also, wer sich wirklich innerlich zufrieden, ruhig und damit gut fühlt, tut auch anderen Gutes. Wer sich wirklich innerlich wohl fühlt, tut anderen wohl. Wer sich dagegen innerlich unwohl fühlt, tut anderen unwohl und wer sich innerlich schlecht fühlt, tut anderen Schlechtes. Das ist einfach logisch. Völlig unlogisch wäre es dagegen, anzunehmen, dass Menschen die sich wirklich innerlich gut fühlen, anderen Schlechtes tun. Es kommt auch nicht darauf an, ob sie sich „gut fühlen“ während sie anderen Mensch Schlechtes tun. Wichtig ist der Moment davor. Der Moment der Intention. Also dann, wenn der Impuls zum „Vorhaben“ entsteht. Und die Intention zu jeder schlechten Tat entsteht aus einem inneren Druck-, Unwohlsein-, Mangel- oder Missempfinden.

Wie richtet man beispielsweise einen Hund darauf ab, aggressiv und „scharf“ zu sein? Mit rosa Decken und Plüschhasen doch bestimmt nicht. Man fügt ihm Schmerz zu und erzeugt so in ihm ein latentes „Schmerzgedächtnis“ und Unwohlsein. Ist denn jemand „glücklich und Herr der Lage“ wenn er unhöflich ist, andere übervorteilt, belügt und betrügt? Oder wenn er sie gar quält und tötet? Logischerweise ist solch ein Mensch, auch wenn die Fassade oftmals trügt, in sich voll Missempfinden, verwundet und völlig wund.

Dass diese Zusammenhänge bisher nicht durchschaut oder deutlich artikuliert wurden, liegt daran, dass wir uns alle vorwerfen lassen müssen, uns zu schnell von Schwäche als natürlichem Teil des Menschseins abzuwenden und zu schnell mit Macht, übergroßem Reichtum und Stärke, als Hinwendung zur Übermenschlichkeit zu liebäugeln. Es wird höchste Zeit dieses rudimentäre Verhalten aus Steinzeit und Mittelalter in uns selbst und damit letztendlich auch innerhalb der gesamten Menschheit abzulegen. Dass sich die Menschheit bisher überhaupt so gut entwickelt hat, trotz dieser Schwächung an ihrer unmittelbaren Basis, zeigt wie stark doch die konstruktive Kraft des Lebens ist.

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Menschen, die ihre Angst - und damit einen völlig natürlichen Teil des Menschseins - verdrängen, unter diesem Druck in der Disposition sind, Böses zu tun. Ob sich ein Mensch also nett, neutral, gemein oder böse verhält, hängt demnach im Wesentlichen davon ab, ob er sich selbst seine Angst, seine Schwäche und sein Versagen und damit letztendlich sein einfach Mensch sein, vergeben kann.

Eine sachliche Analyse des Bösen, das auf unserer Welt passiert!

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