Читать книгу Eine sachliche Analyse des Bösen, das auf unserer Welt passiert! - Kathrin-Silvia Kunze - Страница 8
Оглавление1.5 Warum führt Schwäche zur Provokation von Stärke?
„Geliebt wirst du einzig, wo du schwach dich zeigen darfst, ohne Stärke zu provozieren.“ Dieser Gedankensplitter stammt von dem deutschen Philosophen, Soziologen, Gesellschaftskritiker und Komponisten Theodor W. Adorno (1903-1969). Richtig müsste es jedoch folgender Maßen lauten. Wo schwach du dich zeigen darfst, ohne Stärke zu provozieren, hat niemand Angst vor Schwäche.
Warum kommt es eigentlich zu Übergriffen auf Schwache? Müsste das soziale Lebewesen Mensch nicht eher über ein natürliches Mithilfeempfinden für wie auch immer benachteiligte Artgenossen verfügen? Und sollte es darüber hinaus nicht eigentlich unter der Würde eines hochintelligenten Lebewesens wie Homo sapiens sapiens sein, sich an Schwächeren zu vergreifen? Ein Wesen, das in irgendeiner Form schwach ist und Hilfe benötigt signalisiert doch dadurch auch, das es zumindest momentan nicht in der Lage ist, jemandem Schaden zuzufügen. Warum sollte ein Mensch jemanden angreifen, der ihm weder etwas tut noch tun will und darüber hinaus noch nicht einmal tun könnte?
Die Antwort lautet, weil ein Mensch, der seine Angst verdrängt hat, nach Übermenschlichkeit strebt und darum auch seine Schwäche verdrängen will. Darum fühlt er sich von der Schwäche anderer bedrängt, denn ihre Schwäche konfrontiert ihn mit seiner eigenen Schwäche, die er zu verdrängen sucht. Menschen, die ihr einfach Mensch sein nicht akzeptieren können, verdrängen neben ihrer Angst also auch ihre Schwäche und das sowohl in sich selbst als auch stellvertretend in anderen. Die Ursache dafür, wenn Menschen sich an schwächeren vergreifen ist demnach ihre Flucht in die Übermenschlichkeit. Zur Übermenschlichkeit passen jedoch weder Angst, noch Schwäche, noch Versagen etc. Es kostet die Betreffenden viel Energie, um all diese absolut natürlichen Bestandteile des einfach Mensch sein zu verdrängen und unter Verschluss zu halten. Darum ist dieser Zustand auch äußerst labil. Werden solche Menschen nun von der Außenwelt mit einer dieser unerwünschten Formen von Menschlichkeit wie etwa der Schwäche konfrontiert, droht ihre Übermenschlichkeitsfassade Risse zu bekommen. Die Schwäche von anderen bedroht Menschen, die hart sein wollen in so fern, dass sie sie mit ihrer eigenen Schwäche konfrontiert. Denn ein Mensch, der nicht genug Selbstvergebung aufbringen kann um seine Angst als Teil des einfach Mensch sein zu akzeptieren, erlaubt sich auch keine Schwäche, und deshalb kann er sie auch keinem anderen erlauben.
Permanent auf der Flucht vor der eigenen Schwäche ängstigt ihn auch die Schwäche von anderen. Dadurch ist es einem solchen Menschen dann unmöglich, sich mit Schwächeren zu identifizieren nach der Devise ich bin nicht schwach, ich verachte die Schwäche anderer. Er schlägt oder tritt dann auf den Schwachen ein und schlägt oder tritt im Grunde dabei auf sich selbst ein. Denn es ist sein Standpunkt, dass man in dieser Welt hart sein muss, dass man immer hart sein muss oder man ist immer schwach und das macht ihm unvorstellbare Angst. Denn wenn solche Menschen mit der Schwäche anderer konfrontiert werden, müssen sie sich ja in diesem Moment damit auseinander setzten, dass sie ihre eigene Schwäche und vor allem auch ihre Angst verdrängt haben. Unter diesem extremen inneren Druck kommt es zu Hassempfindungen auf die Schwäche der anderen. Darum entwickeln dann manche Menschen Groll auf schwächere und fühlen sich sogar von deren Schwäche bedroht.
Hier ist auch das Phänomen anzusiedeln, das manche Menschen, hierzu zählte unter anderem der österreichische Tiefenpsychologe und Begründer der Psychoanalyse Sigmund Freud (1856-1939), eine unnatürliche Abneigung gegen übergewichtige Menschen haben und diese insgeheim verspotten. „Ich erinnere mich, daß wir mit beleibten Menschen keine Geduld hatten; wir mochten sie nicht und verspotteten sie“ (Martin Freud Mein Vater Sigmund Freud). Bei einigen Menschen geht die Aversion gegen übergewichtige Mitmenschen jedoch so weit, dass es sogar zu direkten Betitelungen, wüsten Beschimpfungen oder Anfeindungen auf offener Straße kommt.
Unter dem Druck der verdrängten Angst entsteht also ein Hass auf die menschliche Schwäche, der zum Hass auf die eigene Schwäche und deshalb auch zum Hass auf die Schwäche anderer führt. Angst verdrängende Menschen haben demnach Angst, sich mit den Schwachen zu identifizieren. Das ist die Ursache dafür, wenn Menschen sich an Schwächeren vergreifen. Sie haben Angst vor deren Schwäche, weil sie Angst vor ihrer eigenen Schwäche haben. Und nun versuchen sie, ihre Schwäche in den Schwachen zu bekämpfen und zu vernichten. Denn sie haben die irrationale Angst, wenn sie einmal schwach sind, würden sie immer schwach sein. Um also letztendlich die Angst weiter verdrängt zu halten, versuchen sie ihre Schwäche nicht nur in sich selbst, sondern stellvertretend auch in anderen zu vernichten. Diesbezüglich sprach schon der Schweizer Psychoanalytiker Carl Gustav Jung davon, dass ein unakzeptierter und unverarbeiteter negativer Aspekt des Unterbewusstseins oftmals auf andere projiziert wird (C. G. Jung Seelenprobleme der Gegenwart). Dadurch haben Menschen, die Schwachen Böses tun, also immer zuvor schon sich selbst verlassen, bevor sie sich in anderen bekämpfen. Denn wer schwächeren Böses tun kann, muss sich zuvor von Ihnen distanziert haben. Und dies geschieht aus der Angst vor ihrer Schwäche und dokumentiert damit die Abkehr und Verleugnung der eigenen Ängste und Schwächen.
Ein Held dagegen ist jemand, der genug Selbstvergebung hat, um keine Angst vor der eigenen Schwäche zu haben. Er akzeptiert sich damit vollständig und damit auch sein einfach Mensch sein. Ein Held ist dadurch stark genug, sich auch mit den Schwachen zu identifizieren, wodurch sein Mitempfinden, das man auch als Mitgefühl bezeichnet, in Kraft tritt. Dadurch ist er nicht gezwungen, sich von den Schwachen bzw. der Schwäche anderer abzuwenden und kann ihnen damit womöglich sogar beistehen.
Wie man also mit anderen umgeht, ist untrennbar damit verbunden, wie man sich selbst behandelt. Man liebt sozusagen seinen Nächsten wie sich selbst
Zusammenfassend kann man sagen, dass Menschen, die ihr einfach Mensch sein nicht akzeptieren können, nicht nur ihre Angst sondern auch ihre Schwäche verdrängen, indem sie sich in eine Form von Übermenschlichkeit flüchten wollen. Darum empfinden sie dann die Schwäche anderer als Bedrohung, da sie so mit ihrer eigenen Schwäche konfrontiert werden und sich mit ihr auseinander setzen müssen, was sie jedoch zu vermeiden suchen. Dies erzeugt einen starken emotionalen Konflikt in ihnen, den sie in ihrer Ohnmacht den eigenen Gefühlen gegenüber, in einen Hass auf Schwache konvertieren. Darum versuchen sie, Schwäche, stellvertretend für sich selbst, in anderen zu bekämpfen. Darum kommt es bei ihnen letztendlich zu Übergriffen auf Schwache.
Demnach erhöht die Verdrängung von Angst bei einem Menschen auch die Wahrscheinlichkeit von Übergriffen auf schwächere, und damit auch wieder die Disposition Böses zu tun.