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Herzstück des Nationalparks Berchtesgaden

Unter Schutz gestellt – Watzmann und Königssee

Watzmann und Königssee bilden das Herzstück des 1978 gegründeten Nationalparks Berchtesgaden, des einzigen in den deutschen Alpen. Natur Natur sein lassen, darum geht es hier. Der Mensch tritt dabei in den Hintergrund.

Der Watzmann ist, wie er immer war: von ursprünglicher Schönheit, wild, unerschlossen. Hinauf kommt nur, wer zu Fuß geht. Es gibt keine Gondeln, keinen Flying Fox, keine gläsernen Aussichtsplattformen. Dass verdankt der Berg engagierten Naturschützern. Bereits 1910 legten sie den rund 8300 Hektar großen »Pflanzenschonbezirk Berchtesgadener Alpen« an, den Vorläufer des heutigen Nationalparks, der sich als ein rettendes Schild gegen hartnäckige Erschließungspläne erweisen sollte. Die wurden zuletzt in den 1960er-Jahren hitzig debattiert: Eine Großkabinenbahn sollte her, mit Talstation bei der Wimbachbrücke in Ramsau, einer Mittelstation bei der Grubenalm und einer Bergstation am Watzmannhaus. Die Argumente der Befürworter glichen denen heutiger Vorhaben: Weil so ein Projekt die Existenz der Einheimischen sichern würde. Weil es dem Wintersport dienlich sei und dem Prestige. Aber Vertreter des Deutschen Alpenvereins und von Naturschutzverbänden gingen dagegen an, schlossen sich zusammen. Ihre Idee war das genaue Gegenteil: einen Nationalpark gründen.

DIE NATUR SICH SELBST ÜBERLASSEN

Sie hatten Erfolg, aber der Weg dorthin war lang und steinig. Am 1. August 1978 schlägt schließlich die Geburtsstunde des Nationalparks Berchtesgaden. Die Ursprünge der Nationalparkidee waren da bereits fast hundert Jahre alt und kamen aus den USA. Als Ersatz für nicht vorhandene Kulturdenkmäler wandte man sich dort den Naturschönheiten zu, und 1872 wurde mit dem Yellowstone-Nationalpark der erste Nationalpark weltweit errichtet. Zunächst diente er nur der Erholung, der Naturschutzgedanke kam später hinzu. Im Lauf des 20. Jahrhunderts haben zahlreiche Staaten die Nationalparkidee übernommen und Schutzziele und Schutzinhalte immer mehr ausgeweitet. Auch die Funktionen Forschung, Bildung, Erholung und Tourismus wurden ergänzt. Um die verschiedenen Bereiche abdecken zu können, gliedern sich Nationalparks meist in unterschiedliche Zonen, die so genannten Kern- und Pflegezonen, in denen keine bis leichte menschliche Eingriffe gestattet sind.


Mit rund 15 Grad Wassertemperatur ist der Königssee selbst im Sommer kühl.

Der Nationalpark Berchtesgaden umfasst 210 Quadratmeter Fläche und betrifft die Gemeinden Schönau am Königssee, Ramsau und Berchtesgaden. Seine prominenten Vertreter Watzmann und Königssee formen auch sein Markenzeichen, nämlich einen Höhengradient von über 2100 Metern – er reicht vom tiefen Grund des Königssees bis hinauf zum Watzmann-Gipfel. Die Landschaftsform des einzigen deutschen Alpennationalparks ist hochgebirgig. Dreiviertel der Gesamtfläche zählen zur Kernzone, wo die Natur vollkommen sich selbst überlassen wird. Wälder dürfen altern, zusammenbrechen und sich von selbst wieder verjüngen. Chaos ist erlaubt, weil es letztlich einen perfekten Kreislauf in Gang hält. Und dieser ist einzig darauf ausgerichtet, das Leben und seine Vielfalt zu bewahren. Selbst dem gefürchteten Borkenkäfer ist es gestattet, Teil des Wiederaufbereitungssystems zu sein.


Still ruht der See, kein Windhauch kräuselt seine Oberfläche.

In der restlichen Pflegezone des Nationalparks Berchtesgaden werden traditionelle Nutzungen wie Almwirtschaft, Schifffahrt und die Fischerei am Königssee betrieben. Gezielte Pflanzungen von Buche und Tanne fördern dort außerdem die Entwicklung hin zu naturnahen Bergmischwäldern und weg von Fichtenwäldern, einem Erbe der Salzgewinnung aus dem 18. Jahrhundert. Damals wurden Unmengen von Holz benötigt und die gerodeten Wälder mit der schnell wachsenden Fichte wieder aufgeforstet.


Im kristallklaren Königssee spiegeln sich die Berghänge des östlichen Hagengebirges gestochen scharf. Die tiefste Stelle des Sees misst rund 190 Meter.


»Die Frage der Zukunft: Wie lassen sich Naturschutz und Erholung weiterhin miteinander vereinbaren?«

»Christlieger« heißt die einzige Insel im Königssee.


Umgeben von zähem Nebel: Bootshütten, Jagdschloss und die roten Zwiebeltürme der Wallfahrtskirche auf St. Bartholomä.

WAS BRINGT DIE ZUKUNFT?

Die Gründung des Nationalparks Berchtesgaden beendete 1978 endgültig und für immer sämtliche Erschließungspläne rund um den Watzmann. Ihm blieb somit erspart, was andere Berge erdulden müssen: rigorose Eingriffe in die Natur wie monströse Bergbahnen, die Touristen hinauf zum Gipfel karren, scharenweise. Aber so sehr der Nationalpark auch bei Naturschützern und Teilen der Politik willkommen war, die lokale Bevölkerung lehnte ihn zunächst ab. Denn auf erheblichen Flächen sollte wieder ursprüngliche Naturlandschaft entstehen. Wobei es in den Alpen, wo sich durch jahrhundertelange Nutzung Natur- und Kulturlandschaften miteinander verzahnt haben, schwer ist, überhaupt noch festzustellen, was der »natürliche Zustand« eigentlich ist. Berg- und Almbauern waren also alarmiert, und Wanderer und Berggeher fürchteten Einschränkungen und gesperrte Natur. Regelmäßig kam es zu Auseinandersetzungen, Streit, Debatten.

Doch über vierzig Jahre nach seiner Gründung sind die Erfolge des Nationalparks Berchtesgaden unumstritten. Der Bergmischwald hat sich seinen Lebensraum tatsächlich zurückerobert – Bergahorn dominiert, dazu Birke, Vogelbeere, Linde, Esche und Buche. Die Anzahl junger Tannen hat sich in den vergangenen 15 Jahren verdreifacht, und der Nationalpark ist mittlerweile einer der größten Arbeitgeber in der Region. Heute unterstützen die Einheimischen den Parkgedanken vollständig, und auch für Gäste ist er von großer Anziehungskraft: Über eineinhalb Millionen Menschen besuchen das Schutzgebiet Jahr für Jahr. Das stellt die Nationalparkverwaltung vor ganz neue Herausforderungen – die Frage der Zukunft lautet also: Wie lassen sich Naturschutz und Erholung weiterhin miteinander vereinbaren?


Hinter St. Bartholomä erhebt sich die Watzmann-Ostwand. Mit rund 1800 Metern zählt sie zu den höchsten und gefährlichsten Wänden der Ostalpen.

ALLES IM FLUSS

Die Natur sich selbst zu überlassen, das macht einen Nationalpark aus. Der älteste Baum im Nationalpark Berchtesgaden, eine Zirbe, hat bereits eine Lebensdauer von 800 Jahren. Auch die älteste Lärche hat schon 630 Jahre auf dem Buckel, die älteste Fichte 520. Es gibt 33 bestoßene Almen in der Pflegezone und 70 aufgelassene Almen im gesamten Park.

Der Nationalpark Berchtesgaden ist der zweitälteste Nationalpark Deutschlands, Grundbesitzer ist der Freistaat Bayern. Das Nationalparkzentrum, das »Haus der Berge«, befindet sich in Berchtesgaden, und weitere Informationsstellen gibt es am Hintersee, in St. Bartholomä, in Engert, auf der Kühroint und bei der Wimbachbrücke.

Das Nationalparkgebiet ist über drei Haupttäler erreichbar: über das Klausbach- und das Wimbachtal und über den Königssee. Wie ein Fjord zieht dieser sich durch die Landschaft, eingerahmt von steilen Bergflanken, die fast senkrecht zum Ufer abfallen. Der Königssee ist ein Relikt der Eiszeit, riesige Gletscher haben hier ganze Arbeit geleistet und auf einer Länge von knapp 7,2 Kilometern ein Seebecken hinterlassen. 190 Meter misst es an seiner tiefsten Stelle.

Einen Fußweg um den See herum gibt es nicht, auch nicht zur Halbinsel St. Bartholomä, hinter der sich die mächtige Watzmann-Ostwand so imposant erhebt. Die barocke Wallfahrtskirche mit ihren weinroten Zwiebeltürmen ist dem heiligen Bartholomäus gewidmeten. Gleich daneben steht das ehemalige königliche Jagdschloss, heute eine Gaststätte. Wer hierher will, nimmt das Boot, wie anno dazumal.


Die Bootswerft am Königssee.


Frühmorgens ist es an den Anlegestellen am ruhigsten. Später drängen sich hier Ausflügler, Wanderer, Bergsteiger, um über den See zu setzen.


Der Königsee – hier vom Malerwinkel aus gesehen – ist ein Relikt der Eiszeit, riesige Gletscher haben hier ganze Arbeit geleistet.


Auf dem Königssee verkehren umweltfreundliche Elektroboote. Auf jeder Hinfahrt wird ein Stopp an der Echowand gemacht, Flügelhornblasen inklusive.


Nach circa 35 Minuten Fahrtzeit erreicht man St. Bartholomä.

Als Berchtesgaden 1810 zum Königreich Bayern kam, wurde das Gebiet rund um den Königssee zur Spielwiese für die königliche Hofjagd und die Sommerresidenz in St. Bartholomä als Jagdsitz genutzt. Die fünf Kilometer dorthin mussten mit Ruderbooten, den sogenannten Landauern (Flachbooten), zurückgelegt werden. Sie waren das einzige Verkehrsmittel. Die Königsseeschiffer ruderten und ruderten und schlossen sich sogar zu einer eigenen Zunft zusammen. Der Berufsstand war sehr angesehen. Als durch die Eisenbahnverbindung Anfang des 20. Jahrhunderts immer mehr Gäste an den Königssee kamen, wurden auf Geheiß von Prinzregent Luitpold 1909 die ersten vier Elektroboote sowie zwei mit Petroleum befeuerte Dampfmaschinenboote bestellt. Elektroboote deshalb, weil sie keinen Lärm machen und das Wild nicht verscheuchen – heute verkehren auf dem Königssee immer noch ausschließlich Elektroboote, und dies nicht mehr wegen der Jagd und weil sie fast geräuschlos dahingleiten, sondern der Umwelt zuliebe. So schreibt es auch der Nationalpark Berchtesgaden vor.


Mystische nächtliche Stimmung auf St. Bartholomä. Bayerns Märchenkönig Ludwig II. sorgte einst dafür, dass die barocke Wallfahrtskirche nicht verfiel.


Einen direkten Uferweg um den Königssee gibt es nicht. Wer zu Fuß nach St. Bartholomä will, wer ausdauernd und schwindelfrei ist, wählt den steilen Rinnkendlsteig – und genießt an der Archenkanzel diesen Ausblick.


ÜBER’N SEE

Die Elektroboote der Königssee-Schifffahrt legen an der nördlichen Seelände ab. Es geht vorbei an der ältesten Kunsteisbahn der Welt und an der kleinen und einzigen Insel im Königssee, dem Christlieger mit dem Heiligen Nepomuk, dem Schutzpatron der Schifffahrer. Am Falkensteiner Eck macht der See eine leichte Rechtskurve. Ein rotes Kreuz am Felsen erinnert an ein Schiffsunglück von 1688, als bei einem plötzlich aufziehenden Gewittersturm ein Floß kenterte. 71 Pilger ertranken im See, sie kehrten von der Almer Wallfahrt über das Steinerne Meer nicht mehr zurück.

Erst nach dem Falkensteiner Eck breitet sich der Königssee in seiner ganzen Pracht aus. Es ist derselbe Anblick wie vom Aussichtspunkt Malerwinkel. Pflicht auf jeder Bootsfahrt: der Stopp an der Echowand. Eine halbe Stunde dauert die Fahrt bis St. Bartholomä, und weitere 20 Minuten sind es bis zur Endstation Salet. Nach einem kurzen Spaziergang erreicht man dort den Obersee mit dem Röthbach-Wasserfall, dem höchsten in Deutschland.

Nur in sehr kalten Wintern friert der Königssee zu. Das letzte Mal war das im Januar und Februar 2006 der Fall: Eine bis zu 40 Zentimeter dicke Eisschicht trug Spaziergänger und Langläufer. In normalen Sommern beträgt die Wassertemperatur an der Oberfläche rund 15 °C.

Am Königssee gibt es seit jeher nur einen einzigen Fischer. Das Fischerhäuschen steht auf der Insel St. Bartholomä, die Räucherkammer ist über 400 Jahre alt. Eine besondere Delikatesse sind die Schwarzreiter, kleine und über glimmendem Buchenholz geräucherte Saiblinge.

Abenteuer Watzmann

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