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Kapitel 2

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Annabel


Zwei Monate zuvor …

Mit einer Patientenakte in der Hand eilte ich durch den Flur. Als ich das Wartezimmer öffnete, hoben sich Köpfe, und erwartungsvolle Blicke trafen auf meinen.

„Herschel Greene?“, fragte ich und sah noch einmal auf die Akte.

Eine ältere Frau in einem ausgeblichenen rosa Tupfenkleid erhob sich vom Stuhl. Zu ihren Füßen brummte eine moppelige Bulldogge, als sie geweckt wurde.

Ich lächelte das Pärchen an. „Kommen Sie bitte mit.“

Mrs. Greene erwiderte mein Lächeln, und sie und Herschel folgten mir den Flur entlang zu den Behandlungszimmern.

„Ich habe Sie hier noch nie gesehen, sind Sie neu?“, fragte sie mich, während ihre Absätze auf den Fliesen klackerten.

Diese Frage hörte ich nicht zum ersten Mal von einem der Stammkunden, seit ich in der Tierklinik als Praktikantin eingestellt worden war, während ich das College besuchte. Immer wenn ich diese Frage beantworten musste, hatte ich ein bisschen mehr Heimweh. Immerhin hatte ich vierundzwanzig Jahre am selben Ort unter denselben Menschen gelebt. Am meisten vermisste ich meinen Freundeskreis.

Zu Hause in Virginia hatte ich mich nie kritischen Blicken stellen müssen, weil mich einfach jeder kannte. Das war unausweichlich, wenn man ständig in den Medien auftauchte, seit man ein Baby war. Annabel Lee Percy, Enkelin von Hamilton Mullinax, ehemaliger über zwei Perioden regierender Gouverneur, und Tochter von Emmett Percy, des amtierenden Senators.

Ich ignorierte mein Heimweh. „Sie haben recht. Ich bin neu hier. Das ist meine dritte Woche. Ich bin gerade erst hergezogen und studiere Tiermedizin an der Texas A&M.“

„Oh, wie wunderbar.“

Ich schloss die Tür des Behandlungszimmers hinter uns. „Was haben wir denn heute für ein Problem?“

Mit heruntergezogenen Mundwinkeln betrachtete Mrs. Greene ihre Bulldogge. „Mein Herschy ist furchtbar krank. Er kann nichts in sich behalten.“

Als ich etwas in die Akte schreiben wollte, las ich den vorherigen Eintrag. Meine Befürchtungen schwanden dahin und ich musste mir ein Lächeln verkneifen.

„Mrs. Greene muss daran erinnert werden, Herschel nichts Fettes zu füttern, wie Kuchen. Ansonsten konnten keine Magenprobleme diagnostiziert werden.“

Ich sah Mrs. Greene an und nickte. „Ich werde bei Herschel Fieber messen und ihn wiegen, und dann wird einer der Ärzte nach ihm sehen.“

„Herschel mag Dr. Jenkins am liebsten.“

Ich lächelte und bereitete das Thermometer vor. „Ja, Dr. Jenkins kann gut mit Patienten umgehen.“ Ich merkte, dass das zu parteiisch klang, und fügte schnell hinzu: „Natürlich auch Dr. Santini und Dr. Baldwin.“

„Ja, aber Dr. Jenkins sieht unglaublich gut aus, oder?“

Ich hielt inne, als ich soeben Herschel mit dem Thermometer quälen wollte. Ich sah sie an. Sie lächelte und zwinkerte mir wissend zu.

„Äh, ja, ich nehme an, dass er gut aussieht.“ Schnell machte ich mit der Fiebermessung weiter, wobei Herschel kurz japste.

Mrs. Greene sah mich erwartungsvoll an.

„Die Temperatur ist absolut normal.“

Erleichtert atmete sie durch. „Das freut mich zu hören.“

Nachdem ich den skeptischen Herschel gewogen hatte, trug ich sein Gewicht in die Akte ein. „Der Arzt wird gleich da sein.“

„Danke, Miss …“

„Percy. Annabel Percy.“

„Ein hübscher Name für ein hübsches Mädchen.“

Nun war es an mir, mich zu bedanken.

„Ich bin gleich wieder da“, sagte ich, wandte mich der Tür zu und rannte praktisch gegen Dr. Jenkins. „Huch!“, rief ich aus, als ich von seiner Brust unsanft gebremst wurde. „Entschuldigung“, sagte ich.

Er lachte. „Schon gut, Annabel. Ich war gerade auf dem Weg zu Ihnen.“

Überrascht hob ich die Brauen. „Echt?“

„Ich habe da einen Fall, wo das Tier für die Impfung beruhigt werden muss. Ich hatte gehofft, Sie könnten mich mit ihren Zauberkünsten dabei unterstützen.“

„Äh, ich kann es versuchen.“

„Das wäre schön, und der Besitzer denkt bestimmt auch so.“

Als ich ihm durch den Flur folgte, war ich ein bisschen überwältigt, dass er mich aufgesucht hatte. An meinem vorherigen Arbeitsplatz hatte man mich scherzhaft Tierflüsterer genannt, weil ich in der Lage war, Tiere zu beruhigen. Man fragte mich oft, was mein Geheimnis sei, doch ich war mir nicht bewusst, dass ich etwas Spezielles tat. Anscheinend hatte ich einfach nur einen Draht zu ihnen, wenn sie Angst oder Schmerzen hatten.

Als ich ins Behandlungszimmer kam, kauerte ein lieb aussehender Golden Retriever in der Ecke. Bei unserem Anblick zeigte er die Zähne und knurrte uns an. Ohne dass Dr. Jenkins etwas sagen musste, ging ich vor dem Hund in seiner Höhe auf die Knie. Bei dessen aggressivem Blick hielt ich inne, sah ihm direkt in die Augen. Schweigend bat ich ihn, sich zu beruhigen, zu entspannen und dem Arzt zu vertrauen.

Der Hund hielt meinen Blick. Inzwischen nahm Dr. Jenkins die Spritzen und ging langsam zur Rückseite des Hundes. Er setzte die Spritzen, ohne einen Ton des Tieres. Als er fertig war, wich der Hund zurück. Vorsichtig streckte ich die Hand nach ihm aus. Der Hund schnupperte an ihr und ich durfte seinen Kopf streicheln. Er fing an, wie verrückt zu wedeln. „Na siehst du, schon vorbei.“

„Das ist erstaunlich“, sagte der Besitzer mit großen Augen.

Dr. Jenkins lächelte. „Das ist es wirklich. Ich habe noch nie jemanden mit dieser Fähigkeit erlebt.“

Wie ein echter Rotschopf trug ich meine Scham auf den Wangen zur Schau. „Ich bin froh, dass ich helfen konnte.“

Nachdem ich noch eine Handvoll vierbeiniger Patienten empfangen hatte, war es Zeit für den Feierabend. Ich nahm meine Handtasche und ging zur Tür, die allerdings von Dr. Jenkins versperrt wurde.

Er lächelte mich freundlich an. „Annabel, ich wollte nur noch mal Danke sagen. Sie sind so wichtig für die Klinik geworden.“

Ich kämpfte schwer dagegen an, erneut zu erröten. „Danke, Dr. Jenkins. Das bedeutet mir sehr viel.“

„Josh“, sagte er. „Nenn mich Josh.“

Ich lächelte. „Danke, Josh.“

Die Stille zwischen uns wurde peinlich, während wir uns an der Grenze bewegten, weiterhin auf beruflicher Ebene zu bleiben oder in privateres Terrain überzugehen. Mit ihm war es von Anfang an anders gewesen. Schon von Beginn meiner Arbeit hier an hatte mich Josh Jenkins anders angesehen als die anderen. Und ehrlich gesagt, ich ihn auch.

Schließlich räusperte sich Dr. Jenkins und trat zur Seite. „Gut, äh, also, einen schönen Abend dann.“

„Danke. Dir auch.“

Als ich durch die Tür entkommen war, unterdrückte ich den Drang, zu meinem Auto zu rennen.

Schon immer hatte ich davon geträumt, Tierärztin zu werden, was meinen Eltern gar nicht gefiel. Als Politikerfamilie sahen sie keine Möglichkeit, wie eine Tierärztin die Karrieren meines Vaters und meines zukünftigen Ehemannes unterstützen könnte. Natürlich verstand es sich von selbst, dass mein Ehemann aus den besten sozialen Kreisen zu stammen hatte. Meine Eltern würden mein Interesse an Dr. Jenkins haarsträubend finden.

Ich war nicht, wie meine ältere Schwester Lenore, auf eine politische Karriere hin erzogen worden. Nachdem sie ihr Jurastudium an der Harvard Uni als Beste ihres Jahrgangs abgeschlossen haben würde, würde sie die nächste Senatorin oder politische Repräsentantin unserer Familie werden.

Ich war mehr das hübsche Gesicht, dessen leiser Charme mehr wie Jackie Kennedy war als Hillary Clinton. In den Augen meiner Eltern sollte mein Lebensziel sein, gut zu heiraten und die politische Karriere meines Ehemanns zu unterstützen.

Während sie schon immer meine wahren Talente unterschätzten, hatte ich diese still und heimlich weiterverfolgt. Nachdem ich mit einer guten Note in Bio graduiert hatte, schockte ich meine Eltern damit, mich für Veterinärmedizin eingeschrieben zu haben. Die Uni in Virginia hatte mich zwar angenommen und ich hatte die Vorlesungen dort begonnen, doch es juckte mich in den Fingern, die Flügel auszubreiten und unabhängiger zu werden. Zuerst wollten meine Eltern überhaupt nichts dergleichen hören. Ich hatte sie nur dazu bringen können, meine weitere Ausbildung zu finanzieren, indem ich auf die Texas A&M Uni ging. Dabei spielte es keine Rolle, dass diese Uni zu den Top-Unis des Landes für Veterinärmedizin gehörte. Nein, es ging ihnen nur darum, dass Texas ein politisch wichtiger Staat war.

Als ich ins Auto stieg, klingelte mein Handy. Ich warf einen Blick auf das Display und stöhnte. „Wenn man vom Teufel spricht“, murmelte ich. Es war die eine Person, die meine innere Zufriedenheit ganz sicher runterziehen konnte.

„Hi, Mutter.“ Ich zwang mich dazu, erfreut zu klingen.

„Hallo, Liebling. Ich wollte mich nur mal nach dir erkundigen. Daddy und ich fragen uns, wie Texas dich behandelt.“

Trotz der Entfernung zwischen uns konnte ich das falsche Interesse in der Stimme meiner Mutter hören. Zwar schuldete sie mir noch den Pflichtanruf nach meinem Umzug, doch ich wusste, dass sie noch aus einem selbstsüchtigeren Grund anrief – der mit meinen Plänen für heute Abend zu tun hatte.

„Damit willst du sagen, dass du nur wissen willst, ob ich auch wirklich mit Preston Bradford ausgehen werde.“

Das hohe Lachen meiner Mutter ging mir auf die Nerven. „Okay, gut, du hast mich durchschaut. Ich sterbe vor Neugier, ob das Date noch steht.“

Meine Eltern und ihre engen Freunde, die Bradfords, die in Houston lebten, ergötzten sich an der Fantasievorstellung, dass Preston und ich einmal heiraten würden. Nicht nur, um zwei politisch mächtige Familien zu vereinen, sondern auch, um den zukünftigen Präsidenten und seine First Lady zu produzieren. Ich war nicht sicher, wie sie den Quantensprung hinbekommen hatten, aus einer simplen Unterhaltung von Preston und mir Hochzeitsglocken zu machen, doch wenn es sie mir eine Weile vom Hals hielt, gönnte ich es ihnen.

„Ja. Er holt mich um sieben ab.“

„Das ist absolut wunderbar. Ich wusste doch, dass es auf der Feier zum vierten Juli zwischen euch gefunkt hat.“

Ich schnaubte. „Den einzigen Funken gab es, als er aus Versehen meinen Kaftan in Brand gesetzt hat.“

Sollte Preston je Präsident werden, würde er mit Sicherheit Gerald Ford in puncto Tollpatschigkeit übertreffen. Es war noch viel zu früh auf der Party gewesen, um als Ausrede zu benutzen, betrunken zu sein. Er konnte nur sich selbst die Schuld dafür geben, über einen Stuhl gestolpert und auf einen Tisch gefallen zu sein, wobei eine Kerze umfiel und meinen Kaftan anzündete, den ich über dem Bikini trug. Der einzige Grund, warum ich ihn nicht sofort abgeschrieben hatte, war der Umstand, dass er sich so aufrichtig entschuldigt und den Rest der Party rührend um mich gekümmert hatte.

„Um Himmels willen, erwähne das heute Abend bloß nicht. Er wird von seiner Familie schon genug mit seiner Tollpatschigkeit aufgezogen. Es auch noch von seinem Date zu hören, ist das Letzte, was er brauchen kann.“

Ich verdrehte die Augen. „Das würde mir im Traum nicht einfallen, Mutter. Weißt du, ich bin in der Lage, eine inhaltvolle Unterhaltung mit einem Mann zu führen. Du hast mich schließlich auf eine Benimmschule geschickt, hast du das vergessen?“

„Ja, ja, ich weiß. Ich will nur nicht, dass du irgendwas sagst, was ihn abschrecken könnte. Er akzeptiert bereits, dass du planst, eine eigene Karriere zu haben.“

„Ich werde eine eigene Karriere haben“, korrigierte ich sie.

Das genervte Seufzen meiner Mutter signalisierte mir, dass sie genug von meinen Launen hatte, wie sie es nannte. „Okay, wie auch immer, ich wünsche viel Spaß. Okay?“

„Danke. Ich werde mich bemühen.“

„Und lass uns so schnell wie möglich wissen, wie es gelaufen ist.“

„Mutter, ich bin vierundzwanzig und keine sechzehn mehr.“

Ihre Stimme wurde eine Oktave höher. „Annabel – sei so gut, ja?“

„Gut, gut“, murmelte ich und spürte, wie die Kopfschmerzen einsetzten, die ich nach jedem Telefonat mit meiner Mutter bekam.

„Bis später dann.“

„Ja, bis später.“ Ich legte auf und warf das Handy auf den Sitz.

Ich schlug mich durch den Feierabendverkehr zu meinem Apartment und eilte hinein, um mich fertig zu machen.

Nach einer schnellen Dusche stand ich vor dem Kleiderschrank und versuchte zu entscheiden, was ich anziehen wollte. Normalerweise sollte es beim ersten Date etwas sein, das sexy war. Aber in diesem Fall glaubte ich nicht, dass Preston mit seinem übermäßig konservativen Hintergrund das begrüßen würde. Ich entschied mich für Jeans, ein edel wirkendes grünes Oberteil, Pumps und hatte soeben das Schminken und Frisieren erledigt, als es an der Tür klingelte.

Als ich die Tür aufriss, lächelte mich ein adretter und polierter Preston strahlend an. Er trug ein Poloshirt und kakifarbene Hosen.

„Annabel, es ist so schön, dich wiederzusehen.“

Ich erwiderte sein Lächeln. „Ich freue mich auch.“

Seine blauen Augen betrachteten mich vorsichtig. „Weißt du, nach unserem ersten katastrophalen Treffen bei meinen Eltern hatte ich befürchtet, dass du mich nie wieder sehen willst.“

Innerlich stöhnte ich, doch ich schaffte es, abwehrend die Hand zu heben. Ich fragte mich ernsthaft, wie sozial unfähig er war, das überhaupt zur Sprache zu bringen. „Ach was. Ich bin froh, dich besser kennenlernen zu können.“

Preston schien sich über meine gut durchdachte Antwort zu freuen. „Dann lass uns essen gehen. Ich dachte ans Pacey’s.“

Ich war über seine Wahl etwas erstaunt. Das Pacey’s war eine College-Bar und der Hotspot außerhalb des Campus. Es war nicht gerade romantisch dort, aber wahrscheinlich ein neutraler Ort fürs erste Date. Um den Campus herum kannte er sich aus, schließlich studierte er Politikwissenschaft.

„Klingt super.“

Im Pacey’s führte uns die Bedienung in eine etwas ruhigere Ecke. Als ich in die Speisekarte schaute, spürte ich plötzlich ein Prickeln im Genick, als ob mich jemand beobachtete. Als mein Blick zur Bar glitt, sah ich einen umwerfend gut aussehenden Mann. Sein rabenschwarzes Haar war kurz geschnitten, wodurch sein markantes Kinn gut zur Geltung kam, das von einem Dreitagebartschatten bedeckt war, und zu alldem besaß er noch volle, zum Küssen einladende Lippen. Obwohl er saß, sah man, dass er sehr groß war. Das erkannte ich daran, wie er die Beine unter dem Barhocker zusammenfalten musste. Unter dem weißen T-Shirt wölbten sich erstaunliche Brustmuskeln. Über dem T-Shirt trug er eine Lederweste. Ich glaubte, man nannte so etwas Kutte. Solche Männer hatte ich bisher nur im Fernsehen gesehen, noch nie persönlich. Die Kutte mit den aufgenähten Abzeichen gehörte definitiv zu einem Biker. Ehe ich mich beherrschen konnte, leckte ich mir über die Lippen. Daraufhin grinste der Mann sexy. Als er mir zuzwinkerte, senkte ich schnell den Blick und studierte die Speisekarte.

„Was hört sich gut an?“, fragte Preston.

Realitycheck: Soeben hatte ich einen Wildfremden angestarrt, der nicht mal drei Meter von meinem Date entfernt saß. Ich schwor mir, mich voll und ganz auf Preston zu konzentrieren.

Doch sobald die Vorspeise serviert wurde und die Unterhaltung sich irgendwie gezwungen anfühlte, erwischte ich mich dabei, immer wieder zu dem Fremden zu schauen. Und jedes Mal lag sein Blick auf mir. Je länger ich mir diesen schlimmen Finger betrachtete, desto öfter dachte ich daran, wie es wäre, ihn zu küssen.

Bei Männern hatte ich mich bisher immer auf der sicheren Seite bewegt. Ich hatte stets nur die Lieben und Guten gedatet, die Ehemann-Typen. Doch tief in mir waren mir diese Kerle nie genug. Die Zahl meiner Sexualpartner konnte ich an einer Hand abzählen, und keiner davon hatte mich im Bett um den Verstand gebracht. Eine meiner Fantasien war, einmal ein völlig hemmungsloses sexuelles Erlebnis zu haben, an das ich noch viele Jahre später mit errötenden Wangen und Hitze zwischen den Schenkeln zurückdenken konnte.

Während sich das Dinner hinzog, wurde mir klar, dass Preston niemals derjenige sein würde, der mir dieses umwerfende sexuelle Erlebnis schenken könnte. Als die Kellnerin die Rechnung brachte, war ich mehr als erleichtert.

„Jo, Preston“, sagte eine laute Stimme hinter uns.

Preston wirbelte herum und brach in ein breites Grinsen aus. „Hi, Jungs.“ Er stand auf, um das männliche Umarmungs- und Rückenklopf-Ritual mit den drei Jungs durchzuführen. „Perfektes Timing. Annabel und ich haben soeben fertig gegessen.“

Ich hob die Brauen. „Wie bitte?“

Prestons Wangen wurden von einer leichten Röte überzogen. „Äh, hast du was dagegen, noch hierzubleiben und das Spiel anzusehen? Die Jungs und ich haben so eine Art Montagstradition.“

Ich kaute an meiner Lippe und kämpfte mit meinen Gefühlen. Entweder könnte ich hysterisch schreien oder in Tränen ausbrechen. Statt ein echtes Date zu haben, hatte Preston mich einfach in seinen Zeitplan eingearbeitet. Hätte ich irgendwelche romantischen Vorstellungen über Preston gehabt, hätten sie sich in diesem Moment in Luft aufgelöst.

Ich zwang mir ein Lächeln auf. „Okay, gut. Solange es nicht allzu spät wird. Ich habe morgen schon um acht eine Vorlesung.“ Dass ich Football leidenschaftlich hasste, behielt ich besser für mich.

„Natürlich“, antwortete Preston.

„Okay, gut.“ Als ich aus der Sitzecke aufstand, begegnete ich wieder dem Blick des Fremden. Er hob eine Braue, als ob er mich herausfordern wollte. Ich wandte den Blick ab und sah Preston an. „Ich gehe mal kurz wohin. Bin gleich wieder da.“

„Kein Problem.“

Er gab mir einen freundschaftlichen Kuss auf die Wange, ehe er mit den Jungs in den Sportraum ging. Ich seufzte, nahm meine Handtasche und ging Richtung Toiletten.

Als ich an dem sexy Fremden vorbeimusste, streckte er den Arm aus und packte meinen. Ich machte mich von ihm los. „Was soll das?“

„Lass dir von diesem steifen Langweiler nicht den Abend vermiesen. Setz dich lieber her und trink ein Bier mit mir. Du verdienst einen richtigen Mann.“

In mir kämpften Anständigkeit und Versuchung miteinander. „Danke für das Angebot, aber lieber nicht.“

„Ich konnte den ganzen Abend nicht den Blick von dir wenden.“

Ich hob die Brauen und lächelte neckend. „Du solltest deine Anmachsprüche überarbeiten, dieser hier klingt etwas unheimlich.“

Er warf den Kopf zurück und lachte. „Ja, das mag sein.“ Seine dunklen Augen funkelten. „Du bist eine ganz schöne Kratzbürste, ja?“

Ich zuckte mit den Schultern. „Mag sein.“

„Weißt du was, Kratzbürste?“

„Was?“

„Du hast mich genauso angebaggert.“ Ein freches Funkeln stand in seinen Augen. „Und weil ich kein Gentleman bin, würde ich sagen, dass du mich den ganzen Abend mit den Augen gefickt hast.“

Ich kreuzte die Arme vor der Brust. „Ach, findest du?“

Er beugte sich zu mir und sein Atem versengte meine Wange. Ganz automatisch schloss ich die Augen bei seiner Nähe. Ich hasste die Empfindungen, die er in mir auslöste, doch gleichzeitig wollte ich sie genießen und erforschen.

„Du fragst dich, wie es mit einem wie mir wäre – einem Biker. Das gute Mädchen, das du bist, will wissen, ob die Gerüchte wahr sind.“

„Du bist dir deiner sehr sicher.“

Er grinste. „So sicher wie das nasse Höschen, das du gerade trägst.“

Mit geweiteten Augen starrte ich ihn an. „So hat noch keiner mit mir geredet.“ Heimlich gefiel mir die Direktheit seiner schmutzigen Worte. Es machte mich neugierig, was er noch alles auf Lager hatte.

„Aber es gefällt dir.“ Als ich protestieren wollte, schüttelte er den Kopf. „Komm schon, ich gebe dir einen Drink aus, Kratzbürste.“

Ich kaute an meiner Lippe und sah zur Tür des Sport- und Spielraumes hinüber. Alles in mir sagte, das sei keine gute Idee. Dass ich so schnell wie möglich zu Preston zurückkehren sollte. Aber ich hatte immer den sicheren Weg gewählt und hatte die Nase voll davon.

„Mach dir um ihn keine Gedanken. Er ist jetzt schon so ins Spiel vertieft, dass er völlig vergessen hat, dass er die geilste Frau, die er je haben wird, vor sich hat.“

„Hast du ein Motorrad?“

Überrascht hob er die Brauen. „Klar habe ich ein Bike. Eine verfickte Harley-Davidson Dyna Super Glide Sport.“

Volltreffer. Jetzt oder nie. „Dreh eine Runde mit mir.“

„Ist das dein Ernst?“

Ich nickte. „Ich habe noch nie auf einem Bike gesessen.“

Er lachte. „Das überrascht mich kein bisschen, Babe.“

Ich dachte an Preston und seine Missachtung meiner Gefühle, was mich antrieb. „Kannst du mich nach Hause fahren?“

„Wartest du nicht auf deinen Freund?“

„Er ist nicht mein Freund. Und nein, ich warte nicht auf ihn.“

Der Mann erhob sich vom Barhocker. „Dann nichts wie raus hier.“

„Warte. Ich weiß nicht einmal, wie du heißt.“

„Johnny.“

„Ich heiße Annabel.“ Als ich ihm folgte, konnte ich die Frage nicht abschütteln, ob das wirklich eine gute Idee war.

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