Читать книгу Be still - Katie Weber - Страница 8
Cage
ОглавлениеUngläubig und wie von einem Zehntonner überrollt starrte ich sie an, wusste nicht, wie ich reagieren, geschweige denn, was ich tun oder sagen sollte. Alexis überfuhr mich mit dieser Neuigkeit, hatte ich mich doch eben erst damit abgefunden und auch angefreundet, sie würde wieder hier sein. Nun gestand sie mir also tatsächlich auch noch, dass sie eine Tochter hatte? War das ihr verdammter Ernst?
Wieso erzählte sie mir das? Warum ausgerechnet jetzt und wieso konnte es nicht warten, bis wir irgendwann allein waren und uns in Ruhe und ohne diesen Trubel um uns herum hätten unterhalten können? Ich verstand es nicht. Und wenn ich ehrlich war, so wollte ich es auch nicht verstehen. Es tat weh zu hören, dass sie Mutter eines kleinen Mädchens war, es schmerzte zu wissen, dass auch Alexis – nein, vor allem Alexis – für immer an jemanden gebunden war. Ganz egal, ob sie mit dem Vater ihrer Tochter überhaupt noch zusammen war oder nicht. Sie würde immer mit ihm verbunden bleiben.
Die Gewissheit darüber zerfraß mich innerlich.
Auch wenn ich die meiste Zeit versuchte, gelassen zu wirken und einen abgeklärten Eindruck auf alle Menschen um mich herum zu machen, so war ich im Grunde genau das Gegenteil davon. Alexis wusste das, sie kannte mich – so, wie ich wirklich war und nicht so, wie die Presse mich darstellte. Ich war weder der Hockey-Badboy der kanadischen NHL, noch hatte ich ein Aggressionsproblem, wie mir die Medien immer wieder unterstellten. Ich war nachdenklich, sensibel und leidenschaftlich in allem, was ich tat. Und deswegen traf mich die Erkenntnis darüber, dass ausgerechnet Alexis – meine Alexis – Mutter geworden war, ganz besonders.
Ich wollte es nicht glauben.
»Cage«, riss Alexis‘ besorgte Stimme mich aus meiner Starre und ich hob den Blick, sah ihr, so tapfer wie es mir in diesem Moment nur möglich war, in die Augen, nickte verstehend, auch wenn mein Verstand noch lange nicht alles begriffen hatte, weil mein Herz es zu verhindern wusste.
»Es tut mir leid, dass ich dich damit so überfalle und das auch noch ausgerechnet hier auf der Hochzeit von Kelsey und Shawn.« Alexis drehte sich unsicher zu dem Brautpaar hinter uns um und seufzte tief. »Kelsey sieht wirklich wunderschön aus.« Ein sanftes, aber reumütiges Lächeln schlich sich auf ihre Lippen, ehe sie sich wieder zu mir umdrehte und mich entschuldigend ansah. »Ich weiß, dass es schwer für dich sein muss, auch wenn ihr euch schon vor einem Jahr getrennt habt.« Alexis griff nach meiner Hand, was ich nur zögerlich zuließ. »Ich weiß, dass es nicht der passende Ort ist, dir von meiner Tochter zu erzählen, weiß, dass es nicht schön ist, dich so auflaufen zu lassen, ausgerechnet jetzt, nachdem wir uns zum ersten Mal nach fünf Jahren wiedersehen konnten und du eigentlich meine Unterstützung und meinen Halt brauchst«, wisperte sie leise und ließ meinen Blick nicht los. »Ich hatte nur leider keine andere Wahl, Cage«, gestand sie bedauernd und schaute sich kurz um.
»Sie ist hier, nicht wahr? Josie, meine ich. Du hast sie mitgenommen«, mutmaßte ich, schluckte trocken und schwer, ehe meine Stimme versagte und zerbrach.
Alexis nickte zaghaft. »Ich konnte sie nicht zu Hause lassen und als ich dann gesehen habe, dass du auch hier bist, wusste ich, ich muss es dir endlich sagen, ich muss dir von ihr erzählen und ...« Wieder einmal stoppte sie und schien zu überlegen, ob sie überhaupt weiterreden sollte, doch in ihren Augen erkannte ich längst, dass da mehr war, was sie mir sagen wollte.
Dazu kam es leider nicht mehr, denn abermals wurde Alexis von einem lauten Knall unterbrochen – diesmal war es das Feuerwerk hoch über unseren Köpfen, das allerdings eine Fehlzündung hatte, denn noch war es nicht dunkel genug, um das wunderschöne Schauspiel der Lichter am Nachthimmel bewundern zu können.
Ein amüsiertes Gelächter ging durch die Gäste und Alexis und ich sahen uns nachdenklich an. »Wollen wir vielleicht kurz ein paar Schritte laufen, damit wir reden können?«, fragte ich unsicher, denn ich sah ihr viel zu deutlich an, dass ihr noch etwas Schweres auf dem Herzen lag, das sie loswerden wollte.
Dankbar nickend nahm Alexis meinen Vorschlag an und stand auf, um mir zu folgen.
Da die Hochzeit auf einem alten Gutshof unweit der Stadt stattfand, war es schwer einen Platz für uns beide zu finden, an dem wir wirklich allein und ungestört sein konnten. Doch Alexis und ich kannten uns hier hervorragend aus, kannten den Hof und die umliegenden Wälder in- und auswendig, waren früher sehr oft hier gewesen. Und so liefen wir ein paar Schritte und setzten uns auf der hinteren Seite des Hofes auf eine abgesenkte Mauer.
»Also, was ist los?« Ich sah sie auffordernd an, wusste doch, dass da irgendetwas war, was sie mir sagen wollte, kannte sie immer noch viel zu gut. »Gestehst du mir jetzt auch noch, dass du nicht nur eine Tochter hast, sondern auch schon lange glücklich verheiratet bist? Etwa auch mit einem Freund von mir?«, scherzte ich zwar, allerdings nur, um meine Unsicherheit und den Frust darüber zu verbergen. Schließlich war sie bereits nervös genug.
Lächelnd schüttelte sie den Kopf, sah mich ausgiebig musternd an und schluckte hart. Tränen sammelten sich in ihren Augen, die mich vollkommen verwirrten. »Großer Gott, du ... Du siehst ihr so unfassbar ähnlich. Ich hatte das vorher nie so recht glauben wollen, doch so ist es. Es ist wirklich faszinierend.« Es war nur ein schrecklich leises Flüstern, unbedacht und unüberlegt, das sah ich ihr an. Und doch verstand ich kein Wort, war viel zu sehr damit beschäftigt, meine Enttäuschung herunterzuschlucken. »Es tut mir wirklich so unendlich leid, Cage. Ich weiß, ich kann das alles nicht wiedergutmachen, kann die Zeit leider nicht mehr zurückdrehen, aber ...« Ihre Tränen erstickten ihre Stimme, trieben mich immer weiter einer ungewissen Angst entgegen.
Was war es, was sie mir sagen wollte und weswegen entschuldigte sie sich bei mir?
»Hätte ich doch bloß früher gewusst, du würdest heute hier sein ... Ich wollte dir das nicht antun! Ehrlich nicht. Ich wollte es dir nicht in so einer Situation sagen müssen – auf der Hochzeitsfeier deiner Ex-Freundin. Das tut mir furchtbar leid, Cage. Es war nicht meine Absicht, dich ausgerechnet hier und jetzt damit zu konfrontieren, aber ich schätze, es geht nicht anders. Ich habe keine Wahl – du hast keine Wahl ... Und ich fürchte, wir werden ...«
»Alexis!«
Irritiert über diese Unterbrechung drehten wir uns beide um und sahen plötzlich meine Schwester auf uns zukommen, an der Hand ein kleines, blondes Mädchen mit strahlend blauen Augen.
»Du bist also wirklich wieder hier. Und ich dachte schon, Kelsey macht Witze, als sie sagte, diese kleine Prinzessin gehört zu dir.« Laney schloss Alexis mit breitem Grinsen in ihre Arme, als sich das kleine Mädchen auf einmal zwischen die beiden drängte.
»Mommy, Onkel Shawn hat mir eine Blume geschenkt«, quiekte sie und sprang Alexis direkt in die Arme, während ich wie ein Idiot erstarrte und nicht wusste, wie ich reagieren sollte.
Das blonde Mädchen streckte ihrer Mutter sichtlich stolz und mit leicht geröteten Wangen eine kleine Lilie entgegen und strahlte bis über beide Ohren. Ihre himmelblauen Augen erinnerten mich an jene, in die ich mich einst verliebt hatte. Und ihr Lächelns war das wahrhafte Abbild Alexis‘ Lächeln, das war nicht zu bestreiten.
Es war Josie, die fragend und neugierig zu mir herüber sah, als ich ihre Mutter ratlos musterte. Schüchtern schmiegte sie sich an Alexis‘ Schulter, die so gar nicht wusste, was sie tun oder sagen sollte. Zumal Laney bei uns stand und meine ehemals große Liebe herzlich anlächelte.
»Ihr habt euch also schon kennengelernt?«, fragte Alexis meine Schwester. Diese nickte nur stumm und grinste wieder, jedoch nicht ohne mir vorher einen vielsagenden Blick zuzuwerfen.
Alexis gab Josie einen liebevollen Kuss auf die Stirn, als ich wieder zu ihr sah und sich etwas in meinem Magen in Gang setzte.
»Schön, dass du wieder in der Stadt bist«, sagte meine Schwester ehrlich lächelnd. »Ich nehme an, ich werde euch beide jetzt häufiger sehen können.« Laney zwinkerte Alexis zu, doch dieser schien es eher unangenehm zu sein. »Falls du mal einen Babysitter brauchst, weißt du hoffentlich, dass du mich jederzeit anrufen kannst. Cage gibt dir sicher später meine Nummer, denn ich will euch ehrlich gesagt nicht weiter stören. Ich wollte eigentlich nur Josie zu ihrer Mama bringen, deswegen war ich auf der Suche nach euch.«
»Danke dir, Laney. Du bist ein Schatz.« Alexis nahm meine Schwester noch einmal vorsichtig in den Arm und wandte sich dann flüsternd an ihre Tochter, die daraufhin Laney angrinste und ihr zum Abschied winkte.
Meine Schwester ließ uns wieder allein und ich konnte nicht anders, als Alexis dabei zu beobachten, wie sie versuchte, Josie die kleine Lilie ins blond gelockte Haar zu stecken.
Ihr fliederfarbenes Kleidchen passte perfekt zu dem von Alexis, wahrscheinlich wollte die Kleine genauso schön aussehen wie ihre Mutter, was ich nur allzu gut nachvollziehen konnte. An ihrem schmalen, kleinen Handgelenk entdeckte ich ein zwar schlichtes, aber goldenes Armband, eines, das dem, welches ich Alexis einst geschenkt hatte, sehr ähnelte. Ich wusste, es konnte nicht dasselbe sein, doch ich fand es schön und es schmeichelte mir auch irgendwie, dass Alexis ihrer Tochter zumindest ein Ähnliches kaufte.
Kichernd forderte die Kleine ihre Mutter auf, die Blume fester in ihr Haar zu stecken, damit sie diese beim Tanzen nicht verlor und ich spürte, wie sich ein zaghaftes Lächeln auf meine Lippen schlich, ohne zu wissen, warum. Normalerweise konnte ich nichts mit Kindern anfangen. Ich hatte schlicht noch keinerlei Erfahrungen mit ihnen sammeln können und benahm mich immer wie ein unbeholfener Vollidiot, wenn einer meiner Mannschaftskameraden seinen Sohn oder seine Tochter zum Training mitnahm.
»Mommy, tanzt du später noch mit mir?«, fragte Josie mit immer noch leicht geröteten Wangen und schielte einmal kurz zu mir herüber.
»Sicher, Schatz, das machen wir.« Alexis lächelte ihre Tochter an und stellte sie wieder auf ihre eigenen Füße, nachdem die Blume tatsächlich im goldblonden Haar festsaß, sodass sie nicht mehr herausfallen konnte.
Josie schien nicht so recht zu wissen, was sie nun tun oder sagen sollte, stand etwas schüchtern neben ihrer Mutter, sah unsicher zu mir auf und zupfte am Kleid von Alexis.
Mir ging es jedoch nicht anders. Auch ich wusste mit der Situation nichts anzufangen und starrte beide deswegen nur stumm an.
»Mommy«, flüsterte Josie plötzlich leise, was ich allerdings dennoch verstand. »Wer ist der Mann?«, wollte sie neugierig wissen und ich musste beinahe grinsen, weil sie mich dabei so skeptisch musterte.
Alexis verspannte sich erneut, wurde blass wie eine Wand und sah hilflos zu Boden, ohne ihrer Tochter eine Antwort zu liefern. Entweder fehlten ihr die richtigen Worte oder sie wollte mich Josie einfach nicht vorstellen.
Der letzte Gedanke kränkte mich so sehr, dass ich mich von selbst zu der Kleinen kniete und ihr meine Hand entgegenhielt, während ich tapfer lächelte und versuchte, nicht wie ein unheimlicher Typ zu wirken. »Hallo, Kleine«, begrüßte ich sie. »Ich bin Cage, ein alter Freund deiner Mom«, erklärte ich ihr und hoffte, sie würde mich nicht direkt und auf Anhieb schrecklich finden.
Doch Josie musterte mich zunächst nur, sah dann einmal kurz zu ihrer Mutter auf, die mich jetzt leichenblass und mit geschocktem Blick ansah, und schüttelte dann meine Hand. »Hallo!« Sie lächelte, diesmal nicht ganz so schüchtern. »Ich bin Josephine, aber alle nennen mich Josie«, sagte sie stolz und grinste.
Entzückt sah ich kurz zu Alexis, doch diese räusperte sich nur umständlich und sah mich mit feuchten Augen und einem erneut unfassbar reumütigen und entschuldigenden Blick an.
»Sag mal, wie alt bist du denn schon, Josie?«, versuchte ich es also doch lieber wieder bei dem kleinen Mädchen mit dem zauberhaften Lächeln. »Gehst du schon in den Kindergarten?«, schob ich grinsend hinterher und versuchte mich mit der Kleinen ein wenig anzufreunden. Denn schließlich war sie ganz offensichtlich die Tochter einer der wichtigsten Personen in meinem Leben. Alexis bedeutete mir noch immer sehr viel. Und ich wollte keinesfalls, dass ausgerechnet ihre Kleine mich nicht mochte oder mich gar verabscheute.
Nach kurzer Überlegung zeigte mir Josie vier Finger vor und strahlte. »Ich bin vier und gehe schon lange in den Kindergarten und bald komme ich sogar in die Schule«, erzählte sie voller Vorfreude und Alexis lachte einmal kurz auf, auch wenn ich heraushörte, dass es ein verzweifeltes und leicht schluchzendes Lachen war.
»Nein, Schatz, das ist nur die Vorschule«, korrigierte Alexis ihre Tochter und strich ihr sanft und liebevoll über die Haare, während sie meinen Blick mied. »Schatz, wärst du so lieb und würdest die kleine Blume dort hinten an der Mauer für mich pflücken? Dann kann ich mir auch eine ins Haar stecken«, bat sie Josie lächelnd, die sichtlich begeistert von der Idee schien und sofort nickte.
»Die da hinten?«, fragte die Kleine und zeigte auf ein Gänseblümchen am unteren Rande der Hofmauer, das einige Meter von uns entfernt blühte.
Ich wusste, es war nur ein Vorwand, Josie ein paar Sekunden von uns beiden zu trennen, mischte mich daher nicht ein und wartete, bis die Kleine zu dem Gänseblümchen rannte und es vorsichtig zu pflücken versuchte.
»Da sind noch ein paar mehr. Wenn du willst, kannst du die auch für mich pflücken«, rief Alexis ihr zu und sah mich dann niedergeschlagen und entschuldigend an. Abermals.
»Es tut mir so unendlich leid, Cage. Ich muss dir wirklich dringend etwas sagen, aber es geht einfach nicht, wenn ...«
»Mommy, ich pflücke dir drei Stück«, unterbrach Josie die Erklärung ihrer Mutter.
»Ist gut, Schatz. Mach das!«, rief Alexis zur Antwort und wandte sich dann schnell wieder mir zu, ehe ihre Tochter zurückkam.
»Ich kann nicht mit dir darüber reden, solange Josie die ganze Zeit bei uns ist, das geht einfach nicht, vertrau mir! Es ist nicht so, dass ich es dir nicht sagen will oder dass ich es extra hinauszögere, aber es geht ehrlich nicht, solange sie dabei ist. Bitte vertrau und verzeih mir ... Bitte, verzeih mir!«