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Alexis

Stolz und breit grinsend kam Josie wieder zu uns zurück und hielt mir die drei hübschen Gänseblümchen entgegen. »Mommy, ich will sie dir ins Haar machen«, bettelte sie mit ihrem kleinen Schmollmund und ich musste lächeln, auch wenn mir momentan eigentlich nicht zum Lächeln zumute war.

Ich wollte es Cage so gerne sagen, musste es endlich tun. Es war unglaublich schrecklich und makaber, was ich hier mit ihm trieb. Doch es ging trotzdem nicht anders, ich konnte ihm nichts erzählen, solange Josie bei uns war, solange sie zuhören könnte. Also hatte ich keine andere Wahl als mitzuspielen, mir nichts anmerken zu lassen – zumindest ihr gegenüber, und mir die Gänseblümchen von ihr ins Haar stecken zu lassen.

Abermals sah ich Cage entschuldigend an, doch dieser schien so gar nicht zu verstehen, was ich ihm denn so Wichtiges und Dringendes sagen wollte. Offensichtlich dachte er bisher nicht einen Moment darüber nach, wie ähnlich Josie nicht nur mir sah, sondern vor allem auch ihm. Laney hatte es offenbar sofort bemerkt und ich war ihr unendlich dankbar, dass sie ihrem Bruder nichts gesagt hatte.

Cage schien vollkommen ahnungslos und das sogar nachdem Josie ihm verraten hatte, wie alt sie war. Er hätte nur eins und eins zusammenzählen müssen, doch das tat er nicht. Dabei schien es mir so verräterisch und eindeutig, wenn man bedachte, dass wir uns vor knapp fünf Jahren das letzte Mal gesehen hatten. Schließlich war ich mir sicher, er erinnerte sich an den verhängnisvollen Abend und wusste genau, was passiert war.

Dennoch konnte oder wollte Cage die Fakten nicht sehen, schien sie vielleicht auch nicht so recht wahrhaben zu wollen, was ich natürlich verstehen konnte. Ihm machte ich sicherlich keinen Vorwurf deswegen – es war alles nur meine Schuld, meine eigene fatale Entscheidung.

»Darf ich dir vielleicht dabei helfen?«, durchbrach ausgerechnet Cage‘ Stimme meine Gedanken und ich blickte zu dem Vater meiner Tochter, wie er sie liebevoll anlächelte.

Mein Körper verspannte sich und mein Herz schien jedes Mal zu explodieren, seitdem ich die beiden so zusammen sah. Ich zitterte und musste mich unendlich zusammenreißen, damit ich mich nicht verriet. Der Anblick der beiden zerstörte mich innerlich, denn meine Schuldgefühle nicht nur ihm – Josies Vater –, sondern auch meiner eigenen Tochter gegenüber wuchsen ins Unermessliche und ich hatte unfassbar große Mühe, mich selbst aushalten zu können.

Ich hasste mich in diesem Augenblick dafür, dass ich es ihm nicht schon viel früher gesagt hatte. Hasste mich dafür, dass ich meiner Tochter den Vater vorenthalten und sie nicht an seinem Leben hatte teilhaben lassen. Ich hasste mich für all das!

Dennoch wusste ich tief in mir drin, dass es Gründe gab, weshalb ich mich für diese Lösung entschied und diese Gründe überwogen damals, wenn ich Zweifel bekam, ob ich tatsächlich das Richtige tat. Doch mit diesem Schwall an Gefühlen und Gedanken, die in diesem Moment auf mich einpeitschten und mich zu Boden rangen, seitdem ich Vater und Tochter nach vier langen Jahren endlich vereint sehen und erleben konnte, damit hatte ich schlicht nicht gerechnet.

Ich hatte nicht erwartet, dass plötzlich alles in mir verrücktspielte und ich mir unweigerlich und augenblicklich wünschte, ich hätte mich damals anders entschieden, hätte nie diesen Fehler begangen, die beiden voneinander zu trennen, Cage und Josie im Ungewissen zu lassen.

»Du kannst die hier rein machen.« Meine Kleine hielt ihrem Vater eines der Gänseblümchen hin und deutete auf eine Stelle direkt neben meinem rechten Ohr.

»Das wird hübsch aussehen, Mommy«, meinte Josie strahlend bis über beide Ohren, als sie und Cage sich ans Werk machten, meine Haare zu verschönern. Josie kicherte leise vor sich hin, als ihr Dad sich offenbar absichtlich ungeschickt anstellte und sie ständig dabei um Hilfe bat, mir das Gänseblümchen in die Haare zu stecken.

Ich konnte nicht anders, musste schmunzeln über sein Verhalten Josie gegenüber. Schließlich hatte er doch absolut keine Ahnung, dass er gerade tatsächlich seiner eigenen Tochter dabei half, ihre Mutter aufzuhübschen. Und dennoch war er unheimlich aufmerksam und ließ sich auf Josie ein, spielte sozusagen den netten Onkel, damit sie ihn direkt ins Herz schloss, ohne zu ahnen, dass der liebe Onkel eigentlich ihr wunderbarer Dad war.

Absurd.

Unwirklich.

Und ich fühlte mich so unendlich schrecklich deswegen!

»Fertig!«, verkündete Josie nach einer Weile, in der ich einfach nur versuchte stillzuhalten und mir immer noch nichts anmerken zu lassen. »Jetzt siehst du schön aus, Mommy«, lachte meine Kleine und ich sah sie und Cage gespielt empört an.

»Wie? Etwa erst jetzt?«, schmollte ich, musste aber dennoch grinsen und Josie schüttelte sofort den Kopf.

»Du bist immer schön«, gab sie zu und hauchte mir einen Kuss auf die Lippen, während Cage bestätigend und mit einem undefinierbaren Lächeln auf seinen Lippen nickte. Ein Lächeln, das ich so bisher noch nicht von ihm kannte.

»Wollen wir vielleicht wieder zu den anderen gehen?«, fragte er und sah uns liebevoll an, deutete zum Gutshof, aus dem seit einigen Minuten schallende Musik dröhnte. »Schließlich hatten wir noch nichts von der Torte«, schob er grinsend hinterher und brachte Josie damit in Panik.

»Oh nein! Mommy, bitte! Ich mag auch noch ein bisschen Torte haben. Die sah so schön bunt aus wie ein Regenbogen«, bettelte meine Kleine mit großen Kulleraugen, denen ich sowieso selten etwas abschlagen konnte.

»Ist gut, lasst uns die Torte plündern gehen, bevor die anderen Gäste sie aufessen und uns nichts übrig lassen!« In diesem Moment war mir leider nicht so recht bewusst, was ich da sagte, und genau das würde sich prompt rächen, das ahnte ich.

Uns. Ein Wort mit viel zu gewichtiger Bedeutung ...

Unsicher sah ich zu Cage, der mich wieder einmal nur musternd, aber lächelnd ansah, während Josie vor uns herlief und den Weg zu ihrer Regenbogentorte suchte.

»Deine Tochter also, hm?« Cage grinste verschmitzt. Dabei sah er aus wie der Junge von damals, in den ich mich unsterblich verliebt hatte. »Gibt es einen Grund, warum du sie ausgerechnet Josie genannt hast?«

»Josephine«, wisperte ich nur leise, versuchte meine Stimme stark und klar zu halten, doch es gelang mir nicht. Erneut brach sie ab, denn ich hatte schlichtweg Angst, was passieren würde, würde Cage die Zeichen endlich deuten, die ich ihm gab.

»Josephine«, wiederholte er mit verträumtem Lächeln. »Der Name meiner Grandma.«

Ich stolperte fast, als die Worte über seine Lippen kamen, doch in letzter Sekunde fing Cage mich auf, noch bevor ich den Boden küssen konnte. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und meine Kehle schnürte sich so sehr zu, dass ich kaum atmen konnte.

Cage schien meine Anspannung zu merken und starrte mich aus einer Mischung von Unglauben und Verwirrung entgegen, während er mich noch immer in seinen Armen hielt.

Noch bevor er weitere Fragen stellen und mich in eine Zwickmühle bringen konnte, zupfte Josie plötzlich an dem Ärmel seines Hemdes.

»Könntest du mir bitte ein Stückchen Torte holen?«, fragte sie ihn mit ihrem typischen Hundewelpenblick und ich wunderte mich über ihre Offenheit Cage gegenüber. Schließlich kannte sie ihn doch gerade mal ein paar Minuten. Wieso fragte sie also nicht mich, ob ich ihr ein Stück der Torte holen konnte? Seltsam.

»Natürlich«, erwiderte ihr Dad lachend. »Aber wir machen das gemeinsam, ja?« Cage warf mir noch einmal einen fragenden Blick zu, ehe er Josie an die Hand nahm und die beiden mich stehenließen.

Meine Tochter schien meine Unsicherheit bisher nicht zu merken, wofür ich unglaublich dankbar war. Dennoch war es absolut surreal und seltsam, sie plötzlich zusammen mit ihrem Vater zu sehen. Und das auch noch ohne, dass einer der beiden etwas davon ahnte.

Es war schrecklich und tat mir unendlich weh, denn ich wollte keinen der beiden verletzen. Josie war zwar noch zu klein, um das alles zu verstehen und ich wusste, sie würde damit relativ gut zurechtkommen. Zumindest irgendwann einmal. Doch wie es Cage damit gehen würde, würde er endlich erfahren, dass er nicht nur eine Tochter hatte, sondern dass ich ihn all die Jahre belogen und ihm sein Kind vorenthalten hatte, darüber konnte und wollte ich nicht nachdenken.

»Die beiden sehen zusammen irgendwie total niedlich aus«, kam es plötzlich von meiner Rechten und als ich mich umdrehte, war es ausgerechnet Kelsey, die neben mir stand und meiner kleinen Familie hinterher sah. »Ich wusste schon immer, Cage würde ein guter Dad sein«, flüsterte sie andächtig lächelnd. »Allerdings war ich damals noch lange nicht soweit und ich glaube, er hat es sich bisher nur nicht wirklich zugetraut«, gestand sie und drehte sich dann wieder zu mir um, sah mich verstehend an und seufzte leise.

»Du weißt, ich will nur das Beste für ihn, oder?«, fragte sie wispernd und ich nickte sachte. »Dann sag es ihm bitte bald, lass ihn nicht zu lange warten.«

Ertappt und wie zur Salzsäule erstarrt stand ich da, schluckte hart und versuchte meinen weichen Knien nicht nachzugeben.

»Ich bin sicher, du hattest deine Gründe, warum du es ihm bis heute nicht gesagt hast. Und ich bin auch sicher, dass sie damals aus deiner Sicht richtig waren. Aber ...« Kelsey sah erneut zu Josie und Cage, die gerade an der Hochzeitstorte standen und sich zwei Kuchenteller schnappten.

»Woher ...?«, rutschte es mir unweigerlich heraus, denn ich begriff nicht, wie sie das wissen konnte und vor allem, wie lange schon.

Kelsey lächelte warm und deutete zu den beiden. »Auch wenn das heute meine Hochzeit ist und ich mich vielleicht mehr auf Shawn und mich konzentrieren müsste, fiel mir Josie sofort ins Auge, als du uns beiden gratuliert hast. Ich erkannte sofort die Ähnlichkeit. Josie hat dasselbe freche, breite Grinsen wie ihr Vater und ihre aufgeschlossene Art erinnerte mich auch stark an Cage.« Kelsey lächelte noch immer, schien mich zu verstehen und mir keine Vorwürfe machen zu wollen, was mich sehr überraschte.

»Ich hatte schon befürchtet, dass es vielleicht einige sehen könnten«, gestand ich beschämt. »Schließlich kennen ihn seine Freunde und seine Schwester am besten und daher ...« Ich seufzte, wurde immer unsicherer und wusste nicht, was ich tun sollte. Ich hatte Angst, Cage würde es von jemand anderem erfahren und das wollte ich keinesfalls. Es war meine Bürde, es ihm zu sagen. Denn ich allein trug die Schuld an dieser Tragödie.

»Ich wünsche euch wirklich, dass er schnell damit klarkommt, denn ich glaube, es ist kein Fehler, der Kleinen ihren Papa zu lassen.« Kelsey nahm meine Hand und drückte sie kurz, um mich aufzumuntern, was seltsam war, denn schließlich war sie diejenige, die damals nach Cage‘ und meiner Beziehung in sein Leben trat und eine sehr lange Zeit mit ihm zusammen war.

»Ich habe wirklich Angst davor. Denn jetzt, wo ich die beiden zum ersten Mal zusammen sehe, da ...«

»Da wird dir auf einmal bewusst, dass es vielleicht doch falsch war, die beiden voneinander getrennt zu haben?«, vollendete sie meinen Satz.

Ich nickte zaghaft.

»Du kennst Cage mindestens genauso gut wie ich, wenn nicht sogar besser. Daher solltest du wissen, dass er keine nachtragende Person ist. Er weiß, dass jeder Mensch Fehler macht und wichtig ist für ihn nur, dass man diese auch einsieht und eingesteht. Natürlich wird er im ersten Moment geschockt sein und sich verraten fühlen, aber ... Ich bin sicher, mit der Zeit legt sich das und der Wunsch, seine Tochter richtig kennenzulernen und bei ihr sein zu können, wird deutlich überwiegen.«

Dankbar lächelnd sah ich Kelsey an, konnte nicht fassen, dass es ausgerechnet sie war, die mir Mut zu machen versuchte, die mir Kraft gab, das Richtige zu tun.

»Ehrlich, Alexis, die beiden sind einfach nur zu süß zusammen«, flüsterte sie plötzlich leise lachend, als sie wieder zu Cage und Josie blickte.

Überrascht drehte ich mich zu den beiden um und erkannte, wie Vater und Tochter in unbewusst exakt gleicher Haltung an einem Tisch saßen und auf die exakt selbe Art und Weise ihre Torte aßen.

Das war eigentlich unmöglich. Und doch war es genau so, es war kein Traum. Die beiden waren sich ähnlicher, als ich dachte und ähnlicher, als ich je geglaubt hatte.

Sie waren eben Vater und Tochter.

Meine kleine Familie.

Be still

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