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Familienersatz

Ein Bewohner der schon sehr lange bei uns ist, ist Werner. Er und Johann sind 30 Jahre bei uns. Im Laufe der Jahre wurde ich mehr und mehr zur Vertrauensperson und Familienersatz. Ich kenne sämtliche Eigenschaften des alten Herrn. Aufgewachsen auf einem Bauernhof, arbeitete Werner von Früh bis Spät. Stolz fuhr er mit seinem Traktor über die Felder, freute sich über die Ernte. Die Welt um sich herum vergaß er, wenn er bei seinen Hasen war. Noch immer bekommt Werner glänzende Augen, wenn wir auf das Thema zu sprechen kommen. Als er krank wurde und im Rollstuhl landete, kam er mit gerade mal 49 Jahren zu uns ins Heim. Werner ist alleine. Seine Mutter und sein Bruder sind tot, mehr Familie gibt es nicht. Inzwischen hat Werner einen großen Bekanntenkreis aufgebaut. Dabei handelt es sich um ehemalige Kollegen/-innen, die in Rente sind und denen er regelmäßig Postkarten zukommen lässt. Seinen Geburtstag feiert er gerne mit allen zusammen. Für mich fühlt es sich jedes Jahr wie ein ,,Klassentreffen“ an. Werner hat nur seine kleine Welt um sich herum. Sein schönes Zimmer, welches er nach seinen Wünschen einrichten lassen hat und dekorieren lässt. Da Werner vom Hals abwärts gelähmt ist, ist er auf jede Hilfe angewiesen. Er kann sich nicht das Haar weg streichen, wenn es ihm auf das Gesicht fällt. Juckt ihm die Nase, so ist er auf Hilfe angewiesen. Jemand muss ihm ein Taschentuch reichen. Selbst wenn der Arm beim liegen ungünstig wegrutscht, kann er ihn nicht einfach zurück ziehen. Ich versuche, einen gewissen Abstand zu wahren, erfülle ihm gerne einige Wünsche. Wenn Blumen zu gießen sind, er neue Kleidung braucht, die Kalender für das neue Jahr zu besorgen sind, … all das sind für uns Kleinigkeiten, für ihn eine große Hürde.

Ich finde, gerade wenn jemand viele Jahre im Heim lebt und auf Hilfe angewiesen ist, verstehe ich es, wenn er Vertrauenspersonen sucht, die doch mal den einen oder anderen Wunsch außer der Reihe erfüllen. Über jeden Besuch den er bekommt, bin ich sehr froh und dankbar. Denn damit wird für Abwechslung gesorgt.

Wenn im Heim eine lockere Atmosphäre herrscht, sind die Bewohner entspannter und manch einer äußert dankbare Worte. Gerade wenn am Morgen der Kaffee, Suppe und Frühstück pünktlich serviert werden, höre ich auch ab und zu den Satz: ,,Sie sind wie eine gute Mutti.“ Oder ich bekomme ein Gedicht oder ein Lied vorgetragen. So beginnt auch für mich der Tag viel positiver, und ich gehe beschwingt meiner Arbeit nach. Von manch einem Bewohner/-in können wir auch lernen. Es gibt Tage, da ist Personal ausgefallen, ich gehe einen Schritt schneller. Dann weiß ich manchmal nicht, wo ich zuerst anfangen soll. Wenn dann Frau Stein sagt: ,,Wenn Du es eilig hast, geh langsam“ horche ich auf und denke: ,,Recht hat sie.“

Flach gelegt und kalt gemacht

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