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Quantitative Entwicklung der Heimerziehung seit 1991
ОглавлениеNach Angaben des Statistischen Bundesamtes waren im Jahre 1970 in den alten Bundesländern 88.810 Minderjährige in Heimen der Jugendhilfe untergebracht. 10.126, dies sind 11,4 % der betroffenen Kinder und Jugendlichen, lebten dort im Rahmen der Fürsorgeerziehung, also in der Regel unfreiwillig, überwiegend in sogenannten Erziehungsheimen und auch in geschlossener Heimerziehung. Die Zahlen haben sich zunächst verringert. So waren im Jahre 1982 noch 52.699 Kinder und Jugendliche in Heimerziehung, davon 2,9 % in Fürsorgeerziehung. Gegen Ende des Jahres 1993 lebten – bezogen auf die alten Bundesländer – 57.538 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in Heimen, Wohngruppen oder in sonstigen betreuten Wohnformen. In den neuen Bundesländern waren es zum gleichen Zeitpunkt 18.639 (Statistisches Bundesamt 1994).
Trotz des stetigen Ausbaus der unterschiedlichen ambulanten Erziehungshilfen hat sich über Jahrzehnte hinweg die Inanspruchnahme von Heimerziehung als sehr stabil erwiesen (Bundesministerium für Familie 2013, S. 342). Durch die hohe Anzahl geflüchteter junger Menschen ist die Zahl zusätzlich nochmals deutlich angestiegen.
Damit ist der prozentuale Anteil der jungen Menschen in Heimerziehung im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung im Alter von 0 bis 20 Jahren von 0,37 % in 1991 auf 0,59 % in 2016 angestiegen.
Prozentanteil zur Bevölkerung im Alter von 0–20 Jahre
(Statistisches Bundesamt 2010a/2014/2018/2019)
Im Jahr 2005 hatte für insgesamt 25.307 junge Menschen die Hilfe zur Erziehung in einem Heim oder in einer sonstigen betreuten Wohnform (wieder) neu begonnen und war im Jahr 2012 bereits um 42 % auf 36.048 junge Menschen angestiegen. Im Jahr 2016 gab es einen erneuten Anstieg um 30 % auf 95.582 Kinder und Jugendliche in stationärer Erziehungshilfe. Dieser Anstieg ist wohl primär mit dem Schutzauftrag der Jugendhilfe zur Prävention und Abwehr von Kindeswohlgefährdung zu erklären. Auch die geflüchteten Kinder und Jugendlichen bedürfen der Unterstützung durch die Jugendhilfe. Die absolute Zahl der in Heimen oder sonstigen Wohnformen lebenden Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen war dagegen im Vergleichszeitraum relativ gleich. Betrug im Jahr 2005 die durchschnittliche Aufenthaltsdauer noch 27 Monate, waren es im Jahr 2012 nur noch 20 Monate und im Jahr 2016 sogar nur noch 17 Monate (Statistisches Bundesamt 2014, 2018b). Unterschiedliche Evaluationsstudien zeigten auf, dass Hilfen zur Erziehung im Durchschnitt erst ab dem zweiten Jahr der Hilfe nachweisbare Erfolge aufweisen, die im dritten Jahr noch weiter ansteigen. Dem würde die oftmals vorgefundene Praxis widersprechen, aus Kostengründen von Beginn an festzulegen, Erziehungshilfen schon nach kürzerer Zeit zu beenden (Macsenaere/Herrmann 2004, S. 39). Die Realität bietet gegenwärtig folgendes Bild: Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer war bei den im Jahre 2016 aus der Heimerziehung Entlassenen mit 17 Monaten deutlich kürzer als die für erforderlich gehaltene Mindestdauer von zwei Jahren. Rechnet man die 23 % Kinder und Jugendlichen heraus, welche nur bis zu drei Monaten im Heim verblieben (vermutlich zur Klärung ihrer Lebenssituation und/oder zur Überbrückung einer akuten Notlage), so wurden weitere 35 % bereits nach einer Aufenthaltsdauer von drei bis zwölf Monaten und insgesamt 47 % nach einer Dauer von bis zu eineinhalb Jahren entlassen. Als Gründe lassen sich jedoch keineswegs nur fiskalische Überlegungen der Kostenträger anführen. Denn in 32 % aller Fälle wurde die Hilfe abweichend vom Hilfeplan bzw. den Beratungszielen vorzeitig abgebrochen, davon zu 51 % auf Veranlassung der Sorgeberechtigten und/oder den jungen Volljährigen und zu 24 % durch Minderjährige (Statistisches Bundesamt 2018b). Rumpf (2009, S. 28) beklagt, „dass die betroffenen Personensorgeberechtigten nur halbherzig die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Hilfemaßnahme mittragen und sie wie auch das der Hilfe bedürftige Kind das Prinzip der Freiwilligkeit überbewerten. Es ist wohl nicht immer gelungen, ihnen zu vermitteln, dass die gleichberechtigte Beteiligung am Kommunikationsprozess über geeignete Hilfen nicht bedeutet, gemeinsam geplante Ziele kurzfristig eigenmächtig zu verändern.“
54 % der jungen Menschen erhielten nach ihrer Entlassung aus der Heimerziehung weitere Hilfe(n) zur Erziehung bzw. Eingliederungshilfe, 5 % wurden durch den Allgemeinen Sozialdienst des Jugendamtes oder weitere Beratungsstellen unterstützt, in 41 % wurden allerdings keine weiteren Hilfen mehr gewährt (Statistisches Bundesamt 2018b).