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Der Mond war voll,

Und als ich da so lief,

Da war kein Laut,

Nur wenn der Wind blies,

Flüsterten Sträucher dem Boden

Ein Liedlein zu.

Zigeunergedicht

Walter Starkie

Sie brauchten zwei Tage für die Reise an der Durance entlang und dann durchs Inland zu der kleinen französischen Ortschaft Durance, in deren Umgebung sich sowohl die Zigeuner als auch die Bauern zum Pferdemarkt trafen.

Während des größten Teils der Reise saß Catherine neben Dominic und genoß seine Liebe zu dem Land. Er erzählte ihr Legenden der Zigeuner, darunter auch eine über ein Schloß, das Große Ida hieß und von Zigeunern verteidigt wurde, die in einer fruchtlosen Schlacht ihr Leben ließen. Die Zigeuner beklagten bis heute diesen Tag, sagte er. Sie sangen melancholische Lieder darüber und weinten, wenn sie davon hörten.

Er brachte ihr die Namen der Roma für bestimmte Blumen und Bäume und die Namen etlicher Tiere bei. Als ein kleiner Vogel ihnen vom Zweig einer keimenden Pappel aus etwas zusang, deutete er darauf und lächelte.

»Eine gescheckte Bachstelze. Auf Romani heißt sie Chiriklo. Es heißt, wenn man auf eine trifft, dann wird man bald auf Zigeuner stoßen.«

Und so war es dann auch. Wenige Stunden später bog direkt vor ihnen ein anderer umherziehender Zigeunerstamm auf die Straße ein und führte viele Pferde mit sich zum Markt, genau wie Dominic, und die buntbemalten Wagen rollten in dieselbe Richtung.

»Sie folgen den Patrin – Laub oder Zweigen, die auf Wegkreuzungen als Zeichen dafür zurechtgelegt werden, wo wir uns treffen sollen.« Er lächelte wieder, und die Wärme in seinem Blick war ansteckend.

»Dann liebst du dieses Leben also so sehr?«

Er überraschte sie mit einem Achselzucken. »Früher einmal hat es mir alles bedeutet. Jetzt stehen die Dinge anders. Ich bin anders. Ich genieße den Luxus, den mir mein Wagen bietet, wogegen die anderen sich nichts aus den simpelsten Annehmlichkeiten machen. Ich ertappe mich dabei, daß ich an die Zukunft denke, aber die Roma leben nur in der Gegenwart. Sie rühmen überschwengliche Freigiebigkeit und verabscheuen Vorsicht oder jede Notwendigkeit, an ihre spätere Absicherung zu denken, vom blanken Überleben abgesehen. Für den Zigeuner ist die Kerze nicht aus Wachs gemacht, sie besteht nur aus der leuchtenden Flamme.«

Catherine spürte Wärme in sich aufwogen, weil er ihr seine Gedanken anvertraut hatte. »Vom Tag meiner Ankunft an war ich darüber erstaunt, wie teilnahmslos sie Härten hinnehmen. Manchmal habe ich mich gefragt, ob ich ein solches Leben, wie sie es führen, überleben würde.«

»Aber du hast es geschafft, Catrina. Sogar meine Mutter beginnt schon, einiges von dir zu halten.« Er grinste schalkhaft. »Ich habe gehört, wie sie Czinka erzählt hat, du hättest einen kräftigen Rücken und stramme Schenkel. Sie hat gesagt, du könntest sehr gut zupacken.«

Catherine errötete von Kopf bis Fuß. »Du bist der fürchterlichste Mann, den man sich vorstellen kann.« Sie war wütend über seine Taktlosigkeit. »Manchmal glaube ich, du bist der Teufel persönlich.«

»Wir nennen ihn Beng, und ich glaube, du bist diejenige, die mich in Versuchung führt, mich wie einer zu benehmen, gula Devla

»Mir graut davor zu fragen, was das heißt.«

Er lachte wieder, ein kräftiger männlicher Laut. »Das heißt süße Göttin, und nie habe ich wahrere Worte gesprochen.«

Sie ist wirklich süß, fand er, und sie ist so reizend interessiert an der Welt um sie herum. Jedesmal, wenn er ihr ein Wort auf Romani beibrachte, wiederholte sie es so lange, bis sie die richtige Aussprache hingekriegt hatte – als spielte das tatsächlich eine Rolle für sie. Sie hatte über einige seiner Geschichten gelacht, und bei der Legende von der Großen Ida waren ihre Augen vor Traurigkeit feucht geworden. Warum bloß, fragte er sich, wenn die Zigeuner sie doch so schlecht behandelt hatten?

Seine Augen glitten zu der Wölbung ihrer Brust herunter. Die verführerischen Hügel hoben sich, als sie tief Atem holte, um sich zu fassen. Er mußte sich sehr zusammenreißen, um nicht eine Hand auszustrecken und sie auf ihre Brust zu legen. Ihre Brustwarzen wurden so steif, als hätte er es getan, und die strammen kleinen Knospen preßten sich gegen ihre dünne Baumwollbluse.

»Ist dir kalt, Catrina?« neckte er sie.

Catherines Gesicht lief noch roter an. »Du bist tatsächlich ein Teufel! Und noch dazu grob und bar jeglichen Benehmens! Halte sofort diesen Wagen an. Lieber laufe ich, als mit jemandem hier zu sitzen, der so ungeschlacht ist wie du.«

Dominic kicherte leise in sich hinein, verlangsamte aber nicht, bis Catherine damit drohte abzuspringen. »Ich hätte geglaubt, nach dieser langen Zeit sei dein Feingefühl abgestumpft. Wie ich sehen kann, habe ich mich getäuscht. Ich entschuldige mich aufrichtig.«

Seltsamerweise stellte er fest, daß er es ernst meinte. Er hätte sie nicht so erbarmungslos necken sollen, doch er war neugierig auf ihre Reaktion gewesen. Daß sie behütet aufgewachsen war, hatte er gerade erst heute wieder einmal selbst feststellen können. In den letzten Monaten hatte sie getan, was sie tun mußte, um zu überleben, und doch benahm sie sich immer noch wie eine Dame. Sie hatte es verdient, wie eine Dame behandelt zu werden.

»Es tut mir leid«, wiederholte er, als sei es möglich, daß sie ihn nicht gehört hatte.

»Ich will trotzdem absteigen.«

Er fühlte eine leichte Gereiztheit in sich aufkeimen. »Also gut«, räumte er mürrisch ein und ließ den Wagen anhalten. Wahrscheinlich hätte sie sich den hübschen schmalen Hals gebrochen, wenn sie abgesprungen wäre, und er wußte ohne jeden Zweifel, daß das ihre Absicht war. »Gib mir Bescheid, wenn dich das Laufen ermüdet.«

»Dank der Güte deines Volkes«, sagte sie sarkastisch, »kann ich den ganzen Tag auf dieser Straße laufen.«

Bei der Erinnerung daran verzog sich sein Mund grimmig. Dominic wartete, bis ihre Füße den Boden berührt hatten, und dann klatschte er den Pferden die Zügel gegen den Rumpf, und sie legten sich mächtig ins Zeug. Sowie sie aus seiner Sicht verschwunden war, ließ er die Pferde wieder im Schritt laufen und beobachtete aus dem Augenwinkel, wie sie neben ihm herlief.

Was hatte sie bloß an sich, was ihn wünschen ließ, sie in seiner Nähe zu haben? Ihr Dinge zu erzählen, die er selten eingestand, sogar sich selbst nur äußerst ungern? Was er ihr gestanden hatte, war verblüffend wahr gewesen. Während ein Teil von ihm noch nach dem Gefühl von Freiheit lechzte, das ihm die Zigeuner gaben, verspürte ein anderer, größerer Teil von ihm die eifrige Bereitwilligkeit, Wurzeln zu schlagen, etwas zu erreichen und etwas aufzubauen. Wie seine Mutter schon vor langer Zeit vorhergesagt hatte, war sein englisches Blut immer stärker geworden.

Er dachte an seine Vergangenheit, und dieselbe heftige Ablehnung, die er immer empfand, stieg in ihm auf. Mit dreizehn, viele Jahre nachdem er von seinem Vater, von dessen Existenz er nur vage gewußt hatte, im Stich gelassen worden war, war er gezwungen worden, seine Mutter, seine Großeltern und den Rest des Stammes, den er liebte, zu verlassen. In England war er einem Vorurteil zum Opfer gefallen und ein einsamer Jugendlicher gewesen, der sich danach sehnte, nach Hause zurückzukehren. Er tat es nicht, weil seine Mutter ihn gebeten hatte, dortzubleiben, und ein Zigeunerkind gehorchte immer seinen Eltern.

Selbst jetzt noch konnte er sehen, was dieser Entschluß sie gekostet hatte. Ohne ihren Sohn war Pearsas Schönheit verblichen, und sie war vorzeitig alt geworden, auf eine Art gebrechlich, die ihm das Herz brach. Und dennoch war er um Pearsas willen bei seinem Vater geblieben. Ganz gleich, wie trostlos sein Dasein auch gewesen war, er hatte überlebt und war an der Herausforderung jedes einzelnen Tages, der verging, gewachsen und nur immer stärker geworden.

Als er das Alter von zwanzig Jahren erreicht hatte, hatte sich Dominic so sehr verändert, daß er sich selbst kaum noch erkannte. Er war ein gespaltener Mann. Er wurde nicht mehr vollständig von den Roma akzeptiert, gehörte aber auch nicht ganz der englischen Welt an, in der er inzwischen die meiste Zeit verbrachte. Und aufgrund seiner Qualen hatte sich der Haß auf seinen Vater noch mehr verstärkt.

Heute, mit achtundzwanzig, war Dominic Edgemont, Lord Nightwyck, ein rundum erwachsener Mann. Er wußte, was er wollte, wußte, wohin er gehörte, wußte, daß das das letzte Jahr sein würde, das er in der Welt der Zigeuner verbrachte. Ja, sicher, er würde sich immer um seine Mutter kümmern und sie sehen, so oft er konnte. Aber es war das letzte Mal, daß er mit ihnen durch die Lande ziehen und so leben würde, wie sie lebten.

Es machte ihn traurig – und doch endete damit ein Teil seiner Folter.

Er sah sich um, atmete den süßen Duft in der Luft ein und war entschlossen, sich jeden dieser letzten kostbaren Tage ins Gedächtnis einzuprägen. Inmitten von weißen Wolkenballungen und dem blauen Himmel wärmte die Frühlingssonne das Land, forderte zum Aufkeimen von neuem Wachstum auf und ließ die Landschaft in bunter Blumenpracht erstrahlen.

Auch auf Gravenwold gab es Blumen, rief er sich ins Gedächtnis zurück.

Aber keine feurige Frau mit einer dichten rotgoldenen Mähne.

Catherine lief den größten Teil des Nachmittags zu Fuß auf der staubigen Straße. Sie war nicht mehr wütend auf Dominic – diesem Mann mit den freundlichen, zarten Blicken konnte man schlecht lange Zeit böse sein –, aber sie fühlte sich einfach wesentlich sicherer, wenn sie nicht in seiner Nähe war. Außerdem hatte sie ihre Freude. In dem Getümmel von buntbemalten Zigeunerwagen, Männern, Frauen, Kindern, Ziegen, Kühen, Schweinen und zottigen Hunden lief der kleine Janos neben ihr her und hielt sie manchmal an der Hand. Er war ein so süßer kleiner Junge, nicht mehr als sechs oder sieben Jahre alt, und mit seinen großen dunklen Augen und der glatten dunklen Haut sah er wahrscheinlich ganz ähnlich aus, wie Dominic in seinem Alter ausgesehen haben mußte. Erst war sein Vater gestorben, fand sie heraus, dann seine Mutter. Er lebte mit einem großen, stämmigen Zigeuner zusammen, der Zoltan hieß und den seine Mutter anscheinend zum zweiten Gatten genommen hatte.

Janos mochte ihn nicht besonders gern.

»Er ist immer so mürrisch«, sagte er. »Er trinkt, und er hat meine Mutter oft geschlagen. Du hast Glück, daß du einen Mann wie Domini hast.«

»Du glaubst nicht, daß Dominic mich schlagen würde?« fragte sie in gespieltem Ernst, denn selbst sie glaubte nicht mehr, daß er das jemals tun würde.

»Oh, nein. Medela sagt, das merkt sie daran, wie er lächelt, wenn er von dir spricht.«

»Dominic redet über mich? Was sagt er denn?«

»Er sagt, du bist anders als die anderen Gadjos. Du haßt die Zigeuner nicht so wie sie.«

Aber das tat sie doch, oder nicht? Sie verabscheute alles an ihnen.

Niemals würde sie ihre Grausamkeit vergessen, die Mißhandlungen, die ihr durch die Zigeuner zugefügt worden waren.

Sie würde niemals vergessen, wie Dominic zu ihrer Rettung gekommen war. Wie Pearsa sie vor Yana beschützt hatte. Die Worte der Dankbarkeit, die Medela ausgesprochen hatte, als sie ihr eine Haarsträhne geschenkt hatte.

»Was hat Dominic sonst noch gesagt?«

»Warum nennst du ihn nicht Domini, wie wir ihn nennen?«

Warum tat sie es nicht? Weil Dominic nicht annähernd so fremd klang, nicht gar so sehr nach dem Namen eines Zigeuners. Aber das konnte sie dem Kind nicht sagen. »Ich nehme an, daß mir sein anderer Name einfach besser gefällt.«

In jener Nacht schlugen sie ihr Lager außerhalb von Reillanne auf. Schon ehe die Feuer angezündet waren, konnte sie den Klang von Gelächter und Geigen hören.

»Heute abend ist Patshiva«, sagte Dominic. »Sie werden ein Festmahl zubereiten und feiern, singen und den Czardas tanzen.«

»Was feiern sie?« fragte Catherine.

Dominic zuckte die Achseln. »Nichts Bestimmtes. Wenn jemand Geld hat, veranstaltet er ein Festmahl. Morgen wird mit Pferden gehandelt, heute abend feiern sie und sehen alte Freunde wieder. Mein Volk lebt von Patshiv zu Patshiv. Der Stamm schlägt sich mit kärglicher Kost durch, und dann verwöhnt man sich mit einem üppigen Festmahl. Es zählt nichts anderes als der heutige Tag.«

Selbst nach den Monaten, die sie mit ihnen verbracht hatte, bereitete es Catherine noch Schwierigkeiten, die Mentalität der Zigeuner zu verstehen. »Nimmst du mich mit?«

Dominic lächelte. »Ich freue mich schon darauf.«

Sie bauten das Lager fertig auf, da Pearsa fortgegangen war, um alte Freunde zu treffen, und dann schlenderten sie zu dem fernen Wagenlager. Der Duft von Feuern aus Kiefernholz und Torf hing in der Luft, Eisenkessel standen auf dreibeinigen Gestellen über den Flammen, und Hunde warteten geduldig auf irgendwelche Happen, die man ihnen vielleicht vorwerfen würde.

Dieses Lager hier strahlt eine Unbeschwertheit aus, die in dem vorherigen gefehlt hat, stellte Catherine fest. Seit das Wetter umgeschlagen war und sie Sisteron verlassen hatten, waren sie von einem Gefühl von Vorfreude begleitet worden. Catherine entdeckte außerdem, daß sie nicht nur ihre trübsinnige Stimmung abgeworfen, sondern ihre vielen Schichten von zerlumpter Winterkleidung abgelegt und sie gegen leuchtendbunte Seidenhemden, goldene Armbänder und farbenfrohe, weite, schwingende Röcke eingetauscht hatten.

Als Dominic erschien, trug er seinen silbernen Ohrring, eine enganliegende schwarze Kniebundhose, die er in seine Stiefel gesteckt hatte, und seine goldbestickte Teppichweste. Er sah so gut aus, daß ihr Herzschlag sich beschleunigte. Im Gegensatz zu Vaclavs Brust, die dichtes schwarzes Haar dunkel gefärbt hatte, bestand Dominics Brust vorwiegend aus geschmeidigen Muskeln und war nahezu unbehaart. Sie hätte gern die Hand ausgestreckt und sie daraufgelegt, weil sie wissen wollte, ob sich seine Brust so fest anfühlte, wie sie aussah. Seine Arme waren sehnig und stark, und sein Bauch war flach und straff.

Als er ihren beifälligen Blick auffing, zwang sie sich, ihm ins Gesicht zu sehen und die Handvoll kleiner Goldmünzen entgegenzunehmen, die mit Löchern durchbohrt waren und die er ihr reichte.

»Ich hoffe doch sehr, daß das ein beifälliger Blick war«, sagte er mit einem heimtückischen Grinsen.

Catherine errötete, sagte aber nichts. Sie setzte sich nur einfach hin und begann, sich die Münzen ins Haar zu flechten.

Ihr fiel auf, daß Pearsa und die meisten anderen Frauen sich weitaus üppiger geschmückt hatten und goldene oder silberne Armreifen trugen oder sich Goldketten um die Handgelenke geschlungen hatten.

»Zigeuner wirken immer so arm, und doch scheint es ihnen nie an Gold zu mangeln«, sagte Catherine, als sie mit Dominic zur Mitte des Nachbarlagers lief, in dem Musik gespielt wurde.

Zelte aus schwarzem Mohair sprenkelten das offene Feld neben den Wagen. Der Geruch von Knoblauch und Zigarren und ein schwacher Moschusduft erfüllten die Luft. Vor einem der Zelte kauerten etliche Männer mit schwarzen Bärten auf den Hacken und rauchten selbstgedrehte schwarze Zigaretten.

»Sie tragen das Gold um seiner Schönheit willen. Geld bedeutet ihnen wenig.« Dominic lächelte, und die weißen Zähne setzten sich strahlend gegen seine dunkle Haut ab. »Wenn es ihnen ausgeht, schröpfen sie den nächstbesten Gadjo und besorgen sich neues. Morgen werde ich dir zeigen, wie das geht.«

»Du wirst jemanden bestehlen?«

Er lächelte nachsichtig. »Es gab eine Zeit, in der ich das getan habe. Aber heute nicht mehr.«

Erleichterung durchflutete sie. »Und warum nicht?«

»Weil ich es nicht mehr nötig habe und weil ich weiß, daß ich es kann. Ich muß mir heute nichts mehr beweisen.«

Sie war nicht sicher, ob ihr diese Antwort gefiel, aber mittlerweile hatten sie ihr Ziel erreicht. Ihr Blick fiel auf den Mann und die Frau, die im Lichtschein neben dem Feuer tanzten, und die Musik begann, in Wogen über sie hinwegzuspülen. Auf der anderen Seite des Pfades erkannte sie den alten Joszef, der neben Czinka saß und seine gewaltigen Körpermassen im beschwingten Takt der Melodie wiegte.

Nicht weit von den beiden stand Medela, deren Schwangerschaft so weit fortgeschritten war, daß sie fast so dick wie er wirkte. Das schwarzhaarige Mädchen lächelte und winkte und tätschelte dann seinen dicken Bauch. Catherine winkte zurück, und Dominic lächelte.

»Siehst du, du hast dir noch jemanden zum Freund gemacht.«

»Noch jemanden? Und wer ist der erste?«

»Ich natürlich, wer denn sonst?«

Ihr gefiel, wie er sie ansah, als er das sagte, und für diesen einen Abend würde sie so tun, als glaubte sie ihm.

»Ich bin gleich wieder da.« Er brachte ihr einen Becher Pastis, ein alkoholisches Getränk mit Anisgeschmack, das man in Südfrankreich auf dem Land trank, und Catherine mochte den süßen Likörgeschmack.

»Es heißt, mit Wasser und Zigeunergeigen kann man einen Bauern betrunken machen«, sagte Dominic, als er sah, wie sie sich im Takt der Musik wiegte. Ein Mann begleitete den Geiger auf einer Flöte, während ein anderer Zimbel spielte, ein Instrument, das wie ein kleines Klavier geformt war und bei dem ein filzbezogener Hammer auf offenliegende Saiten schlug.

Catherine spürte Dominics Hand auf ihrer Taille und seinen Körper dicht neben sich, doch der Pastis hatte sie gelockert, und die Musik war so hypnotisch, daß sie nicht von ihm abrückte. Tanz für Tanz ging es so weiter, bis die Wirkung des Getränks und der sinnliche exotische Rhythmus Catherines Kopf schwirren ließ. Ihre Füße bewegten sich im Rhythmus zur Musik, ihre Handflächen prickelten vom Klatschen, und ihre Brüste schienen ihr übermäßig warm zu sein.

Unbewußt fuhr sie mit einer Hand in ihr dichtes flammendrotes Haar und hob es sich von den Schultern. Als sie sich umdrehte, sah sie, daß Dominic sie beobachtete, und seine schwarzen Augen funkelten. Er hielt sie mit der Wärme seines Blickes fest und wich von ihr zurück in den Feuerschein. Um ihn herum klatschten und jubelten Zigeuner, nannten ihn Pral, Bruder, und riefen seinen Namen.

Dominic schien sie nicht zu hören. Er schlug zwar die schmalen braunen Hände über dem Kopf zusammen, bog den Rücken durch und stapfte mit den Füßen im Takt zur Musik, doch seine Augen, die so schwarz waren, daß sie glitzerten, blieben unbeweglich auf ihr Gesicht gerichtet. In den glühenden Blick, mit dem er sie ansah, schien die Erinnerung an jede ihrer Berührungen und an jedes einzelne der Male, wenn sein Mund ihre Lippen gestreift hatte, eingemeißelt zu sein. Er trat vor und wich dann wieder zurück, so anmutig und doch so maskulin, versagte sich ihr und lockte sie doch gleichzeitig an.

Als er die Hand ausstreckte, wäre sie vielleicht zu ihm gegangen, doch Yana trat zwischen sie und ihn und tanzte mit ihm. Als sie ihre vollen Brüste vorstieß und in sein schönes Gesicht lachte, verspürte Catherine einen brennenden Stich rasender Eifersucht. Wut durchzuckte sie, als sie sich abwandte, um zu gehen. Sie hatte erst wenige kleine Schritte gemacht, als Dominics Hand sich um ihr Handgelenk schloß.

»Komm«, sagte er sanft. »Du bist die, mit der ich tanzen möchte.«

»Aber ich weiß nicht, wie das geht. Ich kann unmöglich...«

»Laß dich einfach nur gehen«, redete er ihr zu und führte sie zum Feuer. »Laß deinen Körper die Musik fühlen.«

Was ist mit Yana? dachte sie, und ihre Augen suchten den Feuerschein ab. Als Dominic sie in den Lichtkreis zog, sah sie die Frau neben Vaclav stehen, so wütend, daß ihre Augen regelrecht brannten. Dominic ignorierte sie. Statt dessen setzte er für Catherine zu seinem langsamen, sinnlichen Tanz an, hob die Hände, stieß das Becken vor, warf den Kopf zurück und forderte sie auf, die Herausforderung anzunehmen, die in seinen dunklen, sinnlichen Augen stand.

Catherine warf einen Blick auf Yana und sah dort den selbstgefälligen Gesichtsausdruck und die Gewißheit, daß sie sich bestimmt lächerlich machen würde. Sie zwang sich zu einem Lächeln und hob ihren Rock, damit er ihr nicht im Weg war. Sie kannte zwar die Schritte nicht, doch sie hatte den ganzen Abend über die anderen beobachtet und fühlte den Rhythmus der Musik. Wenn sie die Augen schloß und sich dem Takt hingab, würde ihr Körper den Rest erledigen.

Und das tat sie dann auch. Sie fuhr sich mit den Händen durch das Haar, warf es zurück und begann, sich zu bewegen wie Dominic. Sie wiegte sich, klatschte in die Hände und stampfte mit den Füßen auf, wenn er es tat. Innerhalb von Minuten verschwamm die Menschenmenge zu einem farbenfrohen Muster, und ihre Aufmerksamkeit war ganz auf den Mann gerichtet, dessen fester, muskulöser Körper vor Anstrengung im Schein des Feuers schimmerte. Nackte Sehnen spannten sich auf seiner Brust, als er die Hände wieder einmal über den Kopf hob, und seine langen Beine bewegten sich mit einer sinnlichen Grazie, gegen die es nur die klaren Klänge der Geige aufnehmen konnten.

Einmal umfing er sie mit seinen Armen, hob sie über seinen Kopf, senkte sie dann herab und bog sie über seinen Arm. Catherine spürte, wie ihr Kopf zurückfiel und ihr goldrotes Haar, das im Feuerschein schimmerte, auf den Boden fiel. Sie sah nur noch Dominic und tanzte mit glutvoller Hingabe. Sie ahmte eine ewig alte Aufforderung nach, die ihr nur vage bewußt war, als sie die Hände über ihre Brüste und ihren Hals gleiten ließ.

Wie lange es so weiterging, konnte sie nicht einmal erraten. Im einen Moment tanzten sie noch, kreisten in der wogenden Schar von Zigeunern, ihre Füße stampften, Löffel schlugen gegen Handflächen, Zungen schnalzten, und Knöchel trafen auf Holz. Im nächsten Augenblick hoben Catherines Füße vom Boden ab, und sie wurde von Dominics Armen umfangen.

Er schritt von der Musik fort und lief mit ihr zu seinem Wagen zurück, und der Jubel und das Gelächter der Zigeuner folgten ihnen. Als sie die Dunkelheit neben seinem Vardo erreicht hatten, ließ er sie los, und sie glitt an seinem Körper hinunter, bis ihre Füße den Boden berührten.

Catherine riß die Augen weit auf, als sie seine Härte spürte, die sich an sie preßte, einen Schaft, der so dick war und derart pulsierte, daß sogar durch die vielen Kleiderschichten kein Irrtum möglich war.

»Ich will dich«, sagte er, und seine Augen loderten. »Ich habe noch nie jemanden so tanzen gesehen wie dich. Ich habe nie eine Frau mehr begehrt.«

Dann küßte er sie, und ein Blitzstrahl zuckte durch ihren Körper. Es war ein roher, fordernder Kuß, der der Glut ihres Tanzes entsprach. Catherine stöhnte. Dominics Hand legte sich auf ihre Brust, und durch den Stoff drehten seine Finger die Spitze. Seine Zunge fand ihren Weg in ihren Mund, und Catherine fühlte sich von der Hitze seiner Zunge versengt.

Sie wollte ihm die Arme um den Hals schlingen und ihre Finger durch sein Haar gleiten lassen. Sie wollte seine feste, muskulöse Brust berühren, seine Hände auf ihrem Körper spüren. Sie wollte ihm so nahe kommen, wie es nur irgend möglich war, eins mit ihm werden und ihn nie mehr loslassen.

Statt dessen riß sie sich mit einem Ruck los.

»Was ist mit dir?« fragte er, und sein Atem war schwer und ging stoßweise.

Catherines eigener Atem ging ebenfalls keuchend. »Zählt dein Wort denn gar nicht?«

»Was... wovon sprichst du?« Er fuhr sich mit einer Hand durch das wellige schwarze Haar und rang um Selbstbeherrschung. »Sollen wir reingehen, ist es das? Hast du Angst, jemand könnte uns sehen?« Er streckte die Arme nach ihr aus, um ihr in den Wagen zu helfen, doch Catherine wich zurück.

»Ich habe dir gesagt, daß es dazu nicht kommen wird. Für wie dumm hältst du mich eigentlich? Glaubst du, ich wüßte nicht, wohin das alles führt?«

Ein ganz anderer Glanz trat in Dominics Augen. »Es wird in mein Bett führen, Catrina. Und das ist doch wohl genau der Ort, an den wir uns beide wünschen.«

»Du täuschst dich, Dominic. Vielleicht wünschst du dir das, aber ich nicht.«

»Du machst dir etwas vor. Du wünschst es dir genausosehr wie ich.«

Gott im Himmel, wie wahr seine Worte doch waren! »Ich will nichts von dir wissen.« Als sie sich abwenden wollte, fiel ihr Blick auf die Peitsche, die er benutzte, um seine Pferde zuzureiten, und sie griff danach und nahm sie in die Hand. »Du hast gesagt, wenn wir zusammenkommen, dann nicht, weil du mir damit drohst, mich auszupeitschen. Es wird nur dann dazu kommen, wenn du mich zwingst. Falls es das ist, was du vorhast, dann tu es jetzt gleich.«

Dominic biß die Zähne zusammen, und seine Gesichtszüge wurden hart. Er starrte die Peitsche an, sah dann sie an und riß sie ihr aus der Hand. Sie dachte daran, wie er sie geküßt hatte, und daran, wie sie darauf reagiert hatte. Sie malte sich aus, was für ein Gefühl es wohl sein mußte, neben ihm zu liegen, ihn zu küssen und seine braunen Hände auf ihrem Körper zu fühlen. Sie warf einen Blick auf die Peitsche, und in dem Moment wünschte sie sich fast, er würde sie dazu benutzen, sie zu dem zu zwingen, wovon sie beide wußten, daß sie es wollte.

Er warf die Peitsche hin. »Es scheint, meine Liebe, als sei ich ein noch größerer Dummkopf als du.« Mit einem letzten wütenden Blick stolzierte er in die Dunkelheit.

Catherine sah ihm nach. Sie mußte ihre gesamte Willenskraft aufbieten, um ihm nicht nachzulaufen, sich in seine Arme zu stürzen und ihn anzuflehen, er möge sie noch einmal küssen.

Sie zwang sich, die Dunkelheit nicht länger mit den Augen abzusuchen, zwang sich, den Kloß in ihrer Kehle zu schlucken. Wie lange war es her, daß sie sich die erlösende Wirkung von Tränen gegönnt hatte? Nie hatte sie inbrünstiger gegen diesen Drang angekämpft, und doch war das eine Schwäche, die sie sich kaum leisten konnte. Und schon gar nicht jetzt, wenn überhaupt jemals wieder.

Matt stieg Catherine die Stufen hinauf. Morgen würden sie nach Reillanne hineinfahren, um den Pferdemarkt zu besuchen. Mit neuerlicher Entschlossenheit – und einem klein wenig Glück – würde ihr die Flucht gelingen.

Dominic strengte sich gewaltig an, um seinen auflodernden Zorn zu ersticken. Nie in seinem ganzen Leben war er wütender gewesen. Ihm war danach zumute, die Tür zu seinem Wagen aufzureißen, in Catherines Bett zu steigen und sich in ihren strammen kleinen Körper zu stoßen. Er glaubte nicht einen Moment lang, daß es ihr nicht verdammt viel Spaß gemacht hätte. Aber er hatte noch nie in seinem Leben eine Frau dazu gezwungen, und er hatte nicht die Absicht, jetzt damit anzufangen.

Er tätschelte die Nüstern seiner geschmeidigen kleinen Apfelschimmelstute. »Ganz ruhig, meine Hübsche.« Sie wieherte und suchte nach etwas Süßem in seiner Hand. »Wenn du dich gut benimmst, bekommst du morgen etwas Leckeres.« Er würde einige der anderen eintauschen, aber nicht Sumadji. Sie war zu kostbar. Gemeinsam mit ihrem Gefährten, dem großen, kräftigen Hengst Rai, würde sie für seinen Stall in England eine unschätzbare Bereicherung sein.

»Warum kann meine Catherine dir nicht ähnlicher sein?« fragte er und dachte an die widerspenstige kleine Göre, die er im Lager zurückgelassen hatte. Selbst jetzt noch verlangte sein Körper nach ihr; es würde Stunden dauern, bis seine Begierde verging. Er konnte das Gewicht ihrer Brüste fast in seinen Händen spüren.

Die Macht ihres Widerstands überraschte ihn immer noch. Als sie miteinander getanzt hatten, hatte sie für ihn in Flammen gestanden. Jede einzelne ihrer Bewegungen hatte Verlangen ausgedrückt – kein Mann auf Erden hätte das übersehen können. Er war sicher gewesen, daß sie freiwillig und nur zu gern in sein Bett kommen würde.

Statt dessen hatte sie es ihm verweigert, wie schon zuvor. Seine Hände umklammerten Sumadjis Zügel. Bei Gott, diese Frau machte ihm das Leben zur Hölle. Er dachte daran, wie er sie geküßt hatte, und dann fiel ihm zu seiner glühenden Zufriedenheit wieder ein, wie leidenschaftlich sie seinen Kuß erwidert hatte. Wenn er jetzt verspannt und verkrampft war, wie mußte sie sich dann erst fühlen? Er hätte wetten können, daß sie in der kommenden Nacht nicht mehr Schlaf finden würde als er. Viel länger konnte sie ihm nicht mehr widerstehen. Wenn er doch bloß noch ein paar Tage gehabt hätte...

Zum ersten Mal lächelte Dominic. Vielleicht hatte er ja doch noch Zeit. Er hatte bereits beschlossen, seinen Aufenthalt hier länger zu gestalten als geplant, und anschließend würde er mit ihr nach England reisen. Er hatte ihr versprochen, sie zurückzubringen, aber er hatte sich nie genauer dazu geäußert, was er mit ihr anfangen würde, wenn sie erst einmal dort waren.

Ihm schoß der Gedanke durch den Kopf, daß er ihr für die Überfahrt ihre Bereitschaft im Bett abnötigen könnte, doch fast im selben Moment tat er diese Idee wieder ab. Wenn er sie bestechen mußte, um ihre Leidenschaft für sich zu gewinnen, dann wollte er sie nicht haben. Nein, lieber würde er doch noch etwas länger warten und das Spiel ein bißchen weiter führen.

Catherine war eine leidenschaftliche Frau. Früher oder später mußte sie ihm zwangsläufig nachgeben.

In den Fängen der Leidenschaft

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