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London, England

18. September 1805

»Es wird behauptet, er sei ein Zigeuner.«

»Pah! Halb London hat dieses Geschwätz über sein ›unreines‹ Blut schon gehört – das macht ihn doch nur noch faszinierender.«

Lady Dartmoor lachte und hielt sich eine zarte Hand, die in einem weißen Handschuh steckte, vor den Mund. »Ich nehme an, Sie haben recht. Die Klatschmäuler stürzen sich immer mit Begeisterung auf solche Geschichten, aber trotzdem...« Sie musterte die fesche Erscheinung in makellosem schwarzem Gehrock und gutsitzender grauer Kniebundhose, die am anderen Ende des Ballsaals auf dem Marmorboden stand. Glatte dunkle Haut und kühn geschwungene schwarze Augenbrauen bildeten einen starken Kontrast zu dem Weiß seines steifen Kragens und seines Halstuchs.

Sie beäugte ihn schmachtend und strich eine nicht vorhandene Falte in ihrem grünen Seidenkleid glatt. »Bei Gott, ich glaube wahrhaftig, Dominic Edgemont ist einer der attraktivsten Männer in ganz London, so attraktiv, daß er fast schon gefährlich ist.«

Die stattliche Lady Wexford, die neben ihr stand, schien ihr zuzustimmen. Sie sagte etwas im Flüsterton, dann lachten beide. Ihre nächsten Worte wurden von der Musik und der Fröhlichkeit der elegant gekleideten Damen und Herren um sie herum übertönt, aber die rosige Röte auf den Wangen der jüngeren Frau drückte den Sinn der Worte mehr als deutlich aus.

Lady Catherine Barrington, Gräfin von Arondale, beobachtete, wie die beiden Frauen lächelnd weitergingen. Sie fühlte sich ein wenig schuldbewußt, weil sie sie belauscht hatte, war aber dennoch neugierig geworden.

»Ich frage mich, Amelia, von wem diese Damen wohl gesprochen haben.« Sie sah sich noch einmal im Saal um, konnte sich aber nicht entscheiden, welcher der gutgekleideten Männer es war. »Sie scheinen von dem betreffenden Herrn recht eingenommen zu sein.«

Catherine, die ein perlenbesetztes weißes Ballkleid mit einer hoch angesetzten Taille trug, das ihren bleichen Teint und ihr ungewöhnliches goldrotes Haar hervorhob, wandte ihre Aufmerksamkeit Amelia Codrington Barrington zu, der Baronin Northridge, die mit ihrem Cousin Edmund verheiratet und zugleich ihre engste Freundin war.

»Diese schrecklichen Klatschmäuler«, sagte Amelia aufgebracht. »Ich begreife nicht, warum sie sich nicht um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern können.«

»Sag es mir«, beharrte Catherine. »Wenn man sieht, wie sie immer noch kichern, könnte man meinen, daß er sich der allergrößten Beliebtheit erfreut.«

In dem Moment kam ein Bediensteter vorbei, der ein silbernes Tablett auf der Schulter balancierte, und die Kristallperlen des Kronleuchters über ihren Köpfen klirrten leise. Am anderen Ende des Marmorbodens spielten schwarzgekleidete Musiker einen lebhaften Rundtanz, und in der Ferne sah man durch die offene Tür etliche Herren an einem mit grünem Boi bezogenen Spieltisch sitzen und Karten spielen. Der Rauch ihrer Zigarren wogte in dichten Schwaden um ihre Köpfe.

»Sie haben von Dominic Edgemont gesprochen«, berichtete ihr Amelia. »Lord Nightwyck, Erbe des Marquis von Gravenwold.« Amelia, die fünf Jahre älter war als Catherine, lächelte vielsagend. »Das ist der Mann, der neben diesem großen vergoldeten Spiegel am anderen Ende des Ballsaals steht.«

Catherines Augen suchten den prächtigen Salon ab und schauten über die Frauen in den Seidenkleidern und den funkelnden Juwelen und die Männer in den kostspieligen Gehröcken hinweg. Kerzen in kunstvoll verzierten Leuchtern flackerten vor dem Goldbrokat an den Wänden, und die Tische waren mit Leinen und Silber gedeckt und mit Speisen beladen, denen würzige Düfte entströmten. Links von dem Grüppchen, das sie neben dem Spiegel ausfindig machte, funkelten auf Tabletts Champagnerkelche aus Kristallglas wie Prismen.

»Welcher ist er? Da steht doch mindestens ein halbes Dutzend Leute.«

»Nightwyck ist der Große. Der Mann mit dem gewellten schwarzen Haar. Der ist doch wirklich etwas Besonderes, findest du nicht? Die Hälfte aller Frauen in London ist seinen Reizen bereits erlegen, und die andere Hälfte wäre es auch, wenn sie sich nicht mehr als eine Spur vor ihm fürchten würden.«

Catherine konnte ihn augenblicklich identifizieren, doch der Mann, von dem ihre Cousine sprach, war von ihr abgewandt. Sie konnte nur seinen Hinterkopf sehen, das schimmernde Blauschwarz seiner Haare, das im Kerzenschein glänzte, und seine auffallend breiten Schultern, die durch den Schnitt seines einwandfreien schwarzen Gehrocks deutlich betont wurden. Illustre Damen und Herren aus der Oberschicht standen um ihn herum, und die Frauen wirkten verzaubert, die Männer eher neidisch als amüsiert.

»Kennst du ihn?« fragte Catherine, die ihn immer noch nicht sehen konnte, aber die Geschicklichkeit bemerkte, mit der sich Lady Wexford dicht neben seinen Ellbogen manövriert hatte. Gelegentlich wedelte sie mit ihrem handbemalten Fächer.

Amelia zuckte die Achseln. »Wir sind einander hier und da begegnet. Nightwyck zieht das Landleben vor, erfüllt jedoch immer dann seine gesellschaftlichen Verpflichtungen, wenn er das Gefühl hat, es sei um des Anstands willen notwendig.«

Die elegante, statuenhafte Amelia Barrington mit dem kurzen blonden Haar, das ein zartgeschnittenes Gesicht umrahmte, besaß die Form von Schönheit, die Catherines Neid erregte. Vor sechs Jahren hatte sich ihr Cousin Edmund praktisch auf den ersten Blick in Amelia verliebt. Sie hatten einen vier Jahre alten Sohn, der Eddie hieß und den Catherine ganz und gar reizend fand.

»Sind die Gerüchte über ihn wahr?« fragte sie und beobachtete die verführerischen Blicke, die ihm eine dunkelhaarige Frau zuwarf.

»Natürlich nicht. Aber niemand weiß allzuviel über ihn, und Nightwyck zieht es vor, es dabei zu belassen. Er ist allerdings wirklich eine gute Partie. Intelligent, gutaussehend, reich. Dein Vater hatte früher einmal die Hoffnung, er könnte euch beide zusammenbringen.«

Catherine hob mit einem Ruck den Kopf. »Vater ist doch bestimmt nicht an ihn herangetreten.«

»Nur in Form einer subtilen Andeutung durch einen sehr engen Freund. Nightwyck wollte natürlich nichts davon wissen. Er sagt, er hat kein Interesse an einer Heirat, ganz gleich, mit wem. Weder heute noch jemals später.«

»Aber eines Tages wird er zwangsläufig heiraten. Wenn er der Erbe des Marquis ist, wird er heiraten müssen.« Bis vor kurzem hatte ihr stilles Leben auf dem Lande in der Umgebung von Devon Catherine vollauf in Anspruch genommen, sie hatte nichts mit dem gesellschaftlichen Trubel Londons zu tun gehabt und war gegen Gerüchte bestens abgeschirmt gewesen. Mit ihren knapp neunzehn Jahren war sie zwar etwas älter, als sie es hätte sein sollen, doch heute abend fand der Ball statt, auf dem sie in die Gesellschaft eingeführt wurde, ihre erste wirkliche Bekanntschaft mit der eleganten Welt der oberen Zehntausend.

»Das ist eine lange Geschichte«, sagte Amelia zu ihr. »Da ihr beide wohl kaum zusammenpassen würdet, ist sie eigentlich nicht von Bedeutung.«

Catherine machte den Mund auf, um das Thema weiterzuverfolgen, aber Jeremy St. Giles kam auf sie zu, um den Tanz einzufordern, den sie ihm versprochen hatte. Catherine hing sich mit einem Lächeln bei dem gutaussehenden jungen Mann ein, den sie am selben Abend erst kennengelernt hatte.

»Ich hatte schon gefürchtet, Sie hätten es vergessen.« Warme braune Augen glitten über ihr Gesicht.

»Ein Versprechen vergesse ich selten«, sagte sie schlicht und einfach.

Darüber schien sich Jeremy zu freuen, und er lächelte, als er sie auf die Tanzfläche führte. Die schwere, mit Perlen besetzte Schleppe ihres weißen Seidenkleids, die an ihrem Handgelenk befestigt war, hob sich, als sie ihre Hand auf seine Schulter legte. Das Kleid, ein Geschenk ihres Onkels, des Herzogs von Wentworth, fiel gerade geschnitten von ihren Hüften auf den Boden und hatte kleine Puffärmel; der eckige Ausschnitt ließ den oberen Ansatz der Rundungen ihrer hohen, vollen Brüste frei.

»Sie sehen bezaubernd aus, Lady Arondale«, sagte Jeremy, der sie so hielt, als könnte sie zerbrechen. »Sie sind ganz entzückend anzusehen.«

Catherine reagierte angemessen auf die Schmeichelei, obgleich das kaum die Worte waren, die sie selbst gewählt hätte, um sich zu beschreiben. Sie war keine zerbrechliche Schönheit wie Amelia. Sie war nicht schmal und zart gebaut, sondern besaß eine reife Figur mit einer Wespentaille und üppigen Rundungen.

Ihre Haut war zart und rein, von ein paar kleinen Sommersprossen auf der Nase abgesehen, aber ihre Augen waren etwas zu groß und ein wenig zu grün, und ihre Lippen waren etwas zu voll. Sogar ihre schlichte geflochtene Haarkrone vermochte nicht zu kaschieren, wie dick und auffallend goldrot ihr Haar war.

Da ihr der Rhythmus des Tanzes Spaß machte, lächelte Catherine höflich, als sie auf der Tanzfläche herumwirbelte und gelegentlich in den Spiegeln, die die Wände säumten, einen Blick auf sich und ihren Partner erhaschte. Doch ihre Gedanken schweiften immer wieder zu dem faszinierenden Lord Nightwyck ab. Immer wieder ertappte sie sich dabei, daß sie nach ihm Ausschau hielt und neugierig auf sein Gesicht war, aber zu ihrem Verdruß konnte sie nur von hinten einen Blick auf seine großgewachsene Gestalt werfen, als er auf der Terrasse verschwand.

»Was ist los, Dominic?« Rayne Garrick, der Vierte Vicomte Stoneleigh, blickte von dem großgewachsenen dunkelhäutigen Mann an seiner Seite auf den mit Wachs versiegelten Umschlag, den der schmächtige Lakai mit dem rotblonden Haar gerade gebracht hatte.

»Ein Sendschreiben von Vater.« Dominic riß es auf, zog den Brief heraus und überflog die schwach hingekritzelten Worte. »Hier steht, daß sein Zustand eine Wendung zum Schlechteren genommen hat und daß ich mich umgehend bei ihm einfinden soll.«

»Vielleicht ist es diesmal wahr.«

»Und vielleicht können Pferde fliegen.« Dominics schwarze Augenbrauen zogen sich zusammen. »Das ist doch nur einer seiner vielen Versuche, über mich zu bestimmen. Die Entschlossenheit dieses Mannes ist kaum zu überbieten, das muß ich ihm lassen.«

»Du beurteilst ihn furchtbar ungerecht, Dom. Der Mann ist alt und kränklich. Vielleicht bemüht er sich, all die Jahre wiedergutzumachen, in denen er sich nicht um dich gekümmert hat.«

Ein Muskel in Dominics Kiefer spannte sich an. Seine Lippen, die normalerweise voll und sinnlich waren, zogen sich zu einem dünnen, grimmigen Strich zusammen. »Und vielleicht kommt das achtundzwanzig Jahre zu spät.« Er knüllte die Nachricht zu einem kleinen elfenbeinfarbenen Knäuel zusammen, warf sie dem Lakaien zu und wandte sich ab, um zu gehen.

»Werden Sie das Schreiben beantworten, Ihre Lordschaft?« rief ihm der Junge nach.

»Ich werde ihm meine Antwort persönlich übermitteln.« Sein Ausdruck war verkniffen, und seine langen braunen Finger waren zu Fäusten geballt, als Dominic sich auf die Suche nach der Garderobe machte.

Rayne schaute ihm nach und beobachtete, wie etliche Frauen ihn auf dem Weg aufhielten. Er grinste, als er zusah, mit welchem Geschick Dominic mit jeder einzelnen umging, sein einstudiertes Lächeln aufsetzte und schmeichelhafte Worte sagte, die ihm Einlaß in das Boudoir so gut wie jeder Dame verschafft hätten.

Er hatte etwas an sich, was die Frauen faszinierend fanden, etwas Finsteres und Undurchschaubares. Dominic wurde ihrer leicht überdrüssig, und dann ließ er sie schmachten und ersetzte sie für eine ebenso kurze Zeitspanne durch andere. Der Umstand, daß keine ihn halten konnte, schien die Frauen nur noch mehr zu reizen.

Rayne beobachtete, wie sein Freund den Saal verließ und haarscharf einer Begegnung mit der herrschenden Schönheit des Abends, Lady Arondale, entging. Wenn ihre Unschuld nicht ganz so offenkundig gewesen wäre – und ihr Onkel nicht ganz so einflußreich –, dann hätte es interessant sein können, mit Nightwyck um die Aufmerksamkeit der Dame zu wetteifern. So, wie die Dinge standen, würde Dominic wahrscheinlich für den Rest der Ballsaison fort sein, und die allzu offensichtlichen Reize der bezaubernden jungen Dame stellten eine zu große Bedrohung für Raynes Junggesellenstand dar.

Er beobachtete, wie sie sich mit ihrem Cousin Edmund und seiner hübschen Frau Amelia unterhielt. Rayne hatte den schlanken, leicht verweichlichten, allzu geckenhaften Mann noch nie leiden können, doch seine Frau konnte ganz reizend sein. Er fragte sich, ob der Baron seiner jungen Cousine wegen ihrer kürzlich angetretenen Erbschaft grollte – der Grafschaft von Arondale, die an ihn gefallen wäre, hätte ihr Vater nicht bei der Krone eine Petition eingereicht, um Catherine als seine rechtmäßige Erbin einsetzen zu lassen. Was Northridge auch empfinden mochte, er verbarg es geschickt, denn es war deutlich zu erkennen, daß das Mädchen ihn sehr gern hatte.

Rayne beobachtete sie noch einen Moment lang, fragte sich, welche unerforschten Leidenschaften in ihr schlummern mochten, und spürte, wie sein Körper sich regte. Mit einem leisen Seufzer des Bedauerns darüber, daß es weder ihm noch seinem Freund vergönnt sein würde, ihre Reize zu kosten, wandte er sich von der unschuldigen Versuchung ab, die sie darstellte, und mischte sich unter die Gäste.

»Ich glaube, Catherines gesellschaftliches Debüt hat sich als recht erfolgreich erwiesen«, sagte Amelia.

Edmund Barrington, Baron Northridge, sah zu, wie seine junge Cousine wieder einmal auf die Tanzfläche geführt wurde. Ganz im Gegensatz zu der zerbrechlichen und vornehmen Schönheit seiner Frau strömte Catherines kleingewachsene Gestalt eine üppige Sinnlichkeit aus, der die wenigsten Männer widerstehen konnten. Den ganzen Abend über hatten sie sie umschwärmt wie Bienen eine leuchtendrote Blüte.

»Drei Earls, ein Baron und ein Herzog haben ein Auge auf sie geworfen«, sagte Edmund. »Der alte Arondale hätte sich gefreut. Es ist wirklich ein Jammer, daß er nicht lange genug gelebt hat, um sie zu verheiraten.« Da die beiden als Kinder miteinander aufgewachsen waren, hatte Edmund Catherine immer sehr gern gehabt und verspürte Beschützer-instinkte, wie ein Bruder sie seiner kleinen Schwester gegenüber hätte empfinden können.

Sie war ein süßes junges Ding, obgleich sie schon immer ein wenig zu lebhaft gewesen war. Und sie sorgte sich übermäßig um die Menschen, die in ihren Diensten standen. Ein solches Verantwortungsbewußtsein bei einem so jungen Mädchen war eigentlich wirklich albern.

Edmund beobachtete sie jetzt, und ihr silbernes Lachen ließ etliche junge Kerle, die in der Nähe standen, die Köpfe umdrehen. Als sie an ihm vorüberkam, lächelte sie, als wollte sie sich damit für alles bedanken, was er getan hatte. Sie hatte ihm schon immer nahegestanden.

»Sie scheint den jungen St. Giles zu mögen«, sagte Amelia. »So, wie er sie immer wieder ansieht, wird er ihr ganz bestimmt einen Antrag machen. Es ist ein Jammer, daß er nur der zweitgeborene Sohn und nicht der Erbe ist.«

Edmund nickte. »Wir müssen vorsichtig sein und immer daran denken, was für Catherine das Beste ist.« Aber war es nicht schon immer so gewesen?

Als ihr Vater, Christian Barrington, Earl von Arondale, gestorben war, hatte Catherine Edmund und seine Familie gebeten, nach Devon zu kommen und zu ihr ins Schloß zu ziehen. Natürlich waren sie ihrem Wunsch gefolgt, denn Catherine verwaltete die Finanzen, und ihr Onkel, der Herzog, hatte sich darüber gefreut. Da er vollauf mit eigenen Angelegenheiten beschäftigt war, hatte Gilbert Lavenham, Herzog von Wentworth, diese familiären Beziehungen unterstützt. Da seine Schwester, Catherines Mutter, schon lange tot war, glaubte der Herzog, Amelia würde einen guten Einfluß auf sie haben, da ein junges Mädchen die Anleitung einer älteren Frau brauchte.

Diese Regelung war allen außer Edmund gelegen gekommen, der das Landleben haßte und den Trubel der Stadt vermißte. Nach einigen Monaten war es Edmund endlich gelungen, sie zu bewegen, daß sie in Catherines Stadthaus in London zogen.

Ihr Onkel, der Herzog, war außer sich vor Begeisterung.

»Es ist an der Zeit, daß du einen Mann findest«, sagte Wentworth. »Du mußt schließlich an den Namen und den Besitz der Arondales denken. Als dein Vater dich zu seiner Erbin eingesetzt hat, hat er von dir erwartet, daß du heiratest und ihm einen Enkel gebierst.«

Catherine war zwar in ihrer Unschuld bei den Worten des alten Herzogs errötet, doch sie hatte eingewilligt. »In dem Punkt könnte ich deinen Rat gebrauchen«, sagte sie zu ihm, denn sie war sicher, er würde ihr bei der Wahl eines Partners einen großen Spielraum lassen.

»Selbstverständlich, meine Liebe.«

»Amelia und ich werden unser Bestes tun, um dir bei einer weisen Wahl zu helfen«, hatte Edmund eingeworfen.

Das war der Moment, in dem er wußte, daß seine Träume in Kürze wie Seifenblasen zerplatzen würden.

Und das war auch der Moment, in dem er beschloß, etwas zu unternehmen, um dies zu verhindern.

Catherine brachte ihre erste Saison in London hinter sich, und gerüchteweise hieß es, sie sei »der große Schrei«. Als sich die Tage jedoch dahinschleppten und sie eine Soiree nach der anderen besuchte, zahllose Kostümbälle, private Parties und Abende im Theater absolvierte, begann sie seltsamerweise, all dieses Trubels überdrüssig zu werden und sich danach zu sehnen, wieder ihr einfacheres Leben zu Hause zu führen.

Aber andererseits hatte sie etliche Heiratsanträge von Männern aus den besten Familien Englands bekommen, und es standen noch ein Dutzend weitere Anwärter aus, mit deren Anträgen zu rechnen war. Dennoch war keiner darunter, den sie gern geheiratet hätte. Statt dessen bat sie ihren Onkel, sie für die Feiertage mit Edmund und Amelia nach Arondale zurückkehren zu lassen, und Onkel Gil erlaubte es ihr – solange sie nach London kommen würde, sowie das kalte Winterwetter erstmals eine gewisse Besserung versprach.

Als sie jetzt im Londoner Stadthaus ihrer Familie durch ihr Schlafzimmer lief, die Waltranlampe neben ihrem breiten vierpfostigen Bett löschte und matt unter die Zudecke kletterte, seufzte sie bei dem Gedanken an die Tage, die vor ihr lagen.

Edmund war natürlich heilfroh, wieder inmitten des geselligen Trubels zu stehen, doch Catherine hatte die Soiree des heutigen Abends lediglich als eine weitere Runde von endlosen Schmeicheleien und bedeutungsloser Konversation empfunden. Und bei der Wahl eines Ehemannes schien es eher darum zu gehen, unpassende Bewerber auszusondern, als darum, einen Mann zu finden, mit dem sie den Rest ihres Lebens glücklich sein konnte.

Und was ist mit Verlieben? dachte sie und starrte trostlos zu der figurenverzierten Decke über ihrem Kopf auf. Es fiel ihr schwer zu glauben, daß sie sich tatsächlich eingebildet hätte, dazu könnte es kommen. Bloß, weil ihr Vater und ihre Mutter einander geliebt hatten, hieß das noch nicht, daß ihr so etwas zustoßen würde. Das hatte sie gewußt, und sie hatte es als eine Möglichkeit hingenommen, als sie die Verantwortung für den Titel Arondale und das Vermögen übernommen hatte, und doch...

Catherine seufzte in der Dunkelheit. Sie brauchte einen Mann, um einen Erben zu gebären, und obgleich Edmund und Amelia geduldig gewesen waren – sie sogar ermutigt hatten, sich jede Menge Zeit zu lassen und die richtige Wahl zu treffen –, würde sie sich früher oder später in das Unvermeidliche fügen müssen. Dazu kam noch, daß sie um so eher wieder nach Hause fahren konnte, je schneller sie ihre Entscheidung traf.

Als sie unter der Satindecke lag, zog Catherine sich gegen die Kälte, die sich in das Zimmer eingeschlichen hatte, die Decken bis ans Kinn hoch. Das Feuer im Kamin war heruntergebrannt, und ihr weißes Baumwollnachthemd war nicht dick genug, um ihr viel Schutz gegen die Kälte zu bieten. In ihrem Hinterkopf wußte sie, daß sie nach einem Dienstmädchen hätte läuten sollen, damit es ihr eine zusätzliche Decke brachte, doch ihre Gedanken weilten ganz bei ihren Problemen und der drohend bevorstehenden Lösung.

Während die Uhr in der Stille tickte, beschlich sie Mattigkeit, und Catherine schloß die Augen. Sowie ihr Atem langsamer ging und ihre Sorgen zu verblassen begannen, ließen die Dunkelheit und die Ruhe im Raum sie in einen tiefen Schlummer sinken. Selbst als sie leise Geräusche hörte, das Quietschen des Parkettbodens, schien sie sich einfach nicht zwingen zu können, die Augen aufzuschlagen.

Sie tat es erst, als sie spürte, wie sich rauhe, grobe Finger auf ihren Mund preßten und eine riesige Männerhand sich in ihre Schulter grub und sie von der weichen Federmatratze hochriß.

Gott im Himmel, was passiert hier! »Edmund!« rief Catherine laut, doch die schwielige Handfläche des Mannes erstickte den Laut. »Hilf mir!« Die Furcht ließ ihr Herz in einem rasenden Stakkato schlagen. Catherine wehrte sich heftig und schlug mit Armen und Beinen um sich, und ihre grünen Augen waren groß vor Angst.

»Sei ruhig!« fauchte der Mann und schüttelte sie zur Warnung grob.

Wer es auch sein mochte, er war groß und kräftig, und während sie sich noch wehrte, um sich ihm zu entwinden, explodierte ihr Kiefer vor Schmerz. Catherine wimmerte leise, als das Zimmer sich zu drehen begann; dann verblaßte die Welt um sie herum, und Dunkelheit umfing sie.

Sie sackte in die Arme ihres Angreifers, ihr Kopf fiel matt an seine Schulter, und sie wehrte sich nicht mehr.

In den Fängen der Leidenschaft

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