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Wieder zu Hause, erzählte ich allen von unseren Hochzeitsplänen. Meine Freunde freuten sich zwar für uns, schienen jedoch überrascht von unserem Entschluss, so schnell heiraten zu wollen; schließlich kannten wir uns erst seit fünf Monaten. Verliebt und begeistert von der Idee, nach Australien auszuwandern, ignorierte ich ihre besorgten Blicke und fing an, die bevorstehende Hochzeit zu planen. Erst Jahre später wurde mir bewusst, dass mein damaliger Entschluss für meine Mutter sehr schmerzhaft gewesen sein musste, hatte sie doch erst zweieinhalb Jahre zuvor ihren Mann verloren. Als Gavin und ich ihr mitteilten, dass wir heiraten und anschließend in Australien leben wollten, zeigte sie aber weder Trauer noch Schmerz, sondern nur Freude. Gavin machte mich offensichtlich glücklich, und das bedeutete ihr viel.

Ein großes Hochzeitsfest wollten wir alle nicht. Ohne meinen Vater konnten wir uns so etwas gar nicht vorstellen. Nur ein paar Monate vor seinem Tod hatte er gesagt: »Wenn du einmal heiratest, Katrin, dann machen wir ein Riesenfest.« Wir beide liebten solche Anlässe und freuten uns damals bereits gemeinsam auf eine schöne Feier mit vielen Gästen, toller Musik, witzigen Reden und fröhlichem Gelächter. Nach seinem Tod hatte ich keine Lust mehr darauf – ohne ihn wäre es wie eine Torte ohne Zucker gewesen. Später habe ich mich oft gefragt, ob er mich wohl so einfach nach Australien hätte ziehen lassen. Ich werde es nie erfahren; aber wäre ich damals nicht ausgewandert, wüsste ich nicht, was ich heute weiß, und hätte wohl auch nie als psychologische Beraterin so vielen Leuten geholfen.

Gavin und ich entschlossen uns für eine schlichte Trauung mit anschließendem Aperitif. Seiner Familie war es leider nicht möglich, an der Feier teilzunehmen, da die Reise von Australien zu weit war und die Mutter gerade gesundheitliche Probleme hatte. Ihm schien ihre Abwesenheit nichts auszumachen. Am 23. Oktober 1987 heirateten wir auf dem Standesamt in Jegenstorf, und eine Woche später fand in Thun die kirchliche Trauung statt.

Die Scherzligkirche war zum Platzen voll mit Leuten, die den schönen Tag mit uns verbringen wollten. Glücklich, meine Schüler, meine Freunde und meine Verwandten unter den Gästen zu sehen, wusste ich nicht, ob ich vor Aufregung zitterte oder wegen des sommerlichen Hochzeitskleids, das ich von einer Freundin ausgeliehen hatte – mir war damals nicht bewusst gewesen, wie kalt es im Oktober in der Schweiz schon sein konnte; ich hatte mich einfach darüber gefreut, dass mir das hübsche Kleid so gut passte.

Endlich war es so weit: Die Orgel fing an zu spielen, und Gavin und ich machten uns auf den Weg zum Altar, wo der Pfarrer auf uns wartete. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, was in diesem Moment in mir vorging, aber ein lieber Freund schickte mir später eine Karte, in der meine Gefühle bestens beschrieben waren: »In deinen Augen spiegelte sich eine solch tiefe Freude, wie ich sie noch nie bei jemandem gesehen habe. Du hast ganz eindeutig die Liebe deines Leben gefunden, Katrin.« Er hatte recht, ich war sehr glücklich an diesem herbstlichen Tag in der kleinen Kirche am Thunersee. Am Arm von Gavin und im Kreis meiner Lieben fühlte ich mich warm und geborgen. Erst sangen meine Schüler englische Lieder, dann hielt der Pfarrer eine wunderschöne Predigt. Schließlich war es Zeit für das Jawort.

Zuerst fragte der Pfarrer mich, und ich sagte ohne zu zögern Ja. Als er Gavin auf Englisch die gleiche Frage stellte, gab er keine Antwort. Eine peinliche Stille breitete sich in der Kirche aus, und die Gäste hielten gespannt den Atem an; aber Gavin sagte immer noch nichts, sondern runzelte nur die Stirn, als ob er das Ganze noch einmal überdenken müsste. Der Pfarrer sah ihn verwundert an, räusperte sich und wollte gerade zum zweiten Mal fragen, als Gavin nach einem tiefen Seufzer endlich »Okay« sagte. Nicht »Yes« oder »I will«, sondern einfach »Okay«. Dann riss er mich in die Arme und küsste mich so inbrünstig und wild, dass meine arme Großmutter fast vom Stuhl fiel. Ein Aufatmen ging durch die Menge, und ich fragte mich, warum er sich wohl so komisch verhalten hatte. »Ich wollte deinen Bruder zum Lachen bringen«, erklärte er mir später, »ich weiß doch, wie sehr er meine Witze mag.«

Damals hatte ich keine Ahnung, warum Gavin so total unberührt schien von den Festivitäten. Er war zwar fröhlich und nett, aber in keiner Weise anders als an jedem anderen Tag. Ich selbst war zu Tränen gerührt, als wir aus der Kirche traten und unter einem Tor aus Rosen durchschritten, das meine Schüler gemacht hatten. Es gab für mich nichts Schöneres, als diesen Tag mit meinen Lieben zu verbringen.

Nach der Hochzeitszeremonie spazierten wir zum Aperitif in den Schadaupark. Als wenig später die Sonne über dem See unterging, sah ich glücklich meinen neuen Ehemann an und freute mich auf unser gemeinsames Leben. Meine Freunde waren nach wie vor ein wenig besorgt und fragten mich, ob ich denn keine Bedenken hätte, in ein Land zu ziehen, wo ich außer Gavin niemanden kannte. Ich aber lachte nur und sagte, dass ich sie zwar sehr vermissen würde, wir uns aber doch gegenseitig besuchen könnten. Angst vor dem bevorstehenden Abenteuer hatte ich keine, im Gegenteil. Ich träumte von einem schönen Haus am Meer, einer großen Familie und vielen tollen Erlebnissen mit Gavin. Nie hätte ich mir vorstellen können, wie sehr mir meine Familie und meine Freunde einmal fehlen würden.

Da wir nach der Trauung kein formelles Hochzeitsfest hatten, wollte ich eine Woche später eine Waldhüttenparty für meine Freunde und die Familie geben. Als begeisterte Köchin hatte ich mir vorgenommen, die Speisen alle selber zuzubereiten. Das war zwar eine Riesenaufgabe, aber eine, die ich mir ohne weiteres zutraute. Es war ja nicht mein erstes Fest, im Gegenteil, ich feierte meine Geburtstage meist im Freundeskreis und genoss es von ganzem Herzen, gesellige Abende zu organisieren. Schon Wochen vorher hatte ich mit den Vorbereitungen begonnen. Etliche Kuchen und Desserts waren bereits in der Tiefkühltruhe und warteten bloß noch darauf, dekoriert zu werden. Am Vorabend des Festes bereitete ich dann die Salate und Aperitif-Häppchen zu. Da ich immer noch unterrichtete, musste ich meine Zeit sorgfältig einteilen, damit alles rechtzeitig fertig wurde. Gavin hatte einige Wochen zuvor einen Job als Kellner angenommen. Ich verstand, dass ihn die neue Arbeit ermüdete, hoffte aber trotzdem auf ein wenig Mithilfe am Tag unseres Festes. Nach der Schule bereitete ich noch einige Dips und Kleinigkeiten vor. Anschließend fuhr ich mehrere Male in die Waldhütte, um die Speisen dort kühl zu stellen. Dann war es Zeit, den Raum zu dekorieren und Holz für den Kamingrill zu organisieren.

Gavin hatte am Morgen auch gearbeitet und sich danach einfach ins Bett gelegt. Als Kellner musste er sehr viel umherlaufen und alle Bestellungen im Kopf behalten, daher ließ ich ihn erst mal ein wenig ausruhen. Nach einer Stunde fragte ich ihn, ob er mir helfen könne, worauf er sagte, er sei immer noch müde. Geduldig ließ ich ihn weiter im Bett liegen und versuchte es dann ein zweites Mal, aber wieder ohne Erfolg. »Du hast diese Party organisiert, jetzt musst du auch die Arbeit machen», brummte er. Das war korrekt, ich wollte dieses Fest feiern, aber natürlich hatte ich angenommen, er freue sich auch darauf und würde sich zumindest am Schluss an den Vorbereitungen beteiligen. Damit, dass ich alles selber machen musste, hatte ich nicht gerechnet, schließlich waren wir doch jetzt ein Ehepaar!

Gavins Erschöpfung nach ein paar Stunden Arbeit war mir ein Rätsel. In Anbetracht seiner Fitness und seiner erst zwanzig Jahre musste das eine Ausrede sein. Offensichtlich freute er sich nicht auf das Fest und hatte daher keine Lust, mir zu helfen. Ich fand das sehr traurig, aber letztlich blieb mir nichts anderes übrig, als die Vorbereitungen allein zu Ende zu führen. Als ich später unter der Dusche stand, war ich so müde, dass ich am liebsten auch einfach ins Bett gefallen wäre. Der Gedanke an meine Freunde gab mir schließlich die Kraft, mich anzuziehen und mich mit Gavin auf den Weg ins Schulhaus zu machen, wo der Abend mit einer Diaschau über Australien begann. Anschließend fuhren wir alle ins Waldhaus und aßen und lachten bis in den frühen Morgen. Tanzen konnten wir leider nicht, da etwas mit dem Soundsystem nicht funktionierte, aber das machte nichts; ehrlich gesagt wäre ich ohnehin zu müde gewesen. Ein paar Gäste spielten Gitarre, und ich fühlte mich im Kreise meiner Freunde wie immer glücklich und geborgen. Gavin schien auch wieder fröhlich, und die komische Situation am Nachmittag trat mehr und mehr in den Hintergrund. Damals hatte ich sowieso die Tendenz, alles, was mich beunruhigte, zu übersehen und darauf zu vertrauen, dass Gavin mich liebte. Das fiel mir in der Schweiz sehr leicht.

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