Читать книгу Seawalkers (2). Rettung für Shari - Катя Брандис - Страница 12

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Kaffeefontänen und Nachforschungen

Shari war nicht die Einzige, die sich die Nase an der Fensterscheibe platt drückte, als wir am Tag darauf – einem Dienstag – in einem gemieteten Bus nach Miami reinfuhren. Blue, Shari und Nestor, die als Tiere aufgewachsen waren, staunten über die vielen Straßen und mit buntem Blech vollgestopften Highways. Diese drei gehörten mit Olivia (die ihre Verwandlungen noch nicht so gut im Griff hatte) zur »blauen Gruppe«, so ihr Codename. Ehrlicherweise hätte man sie »Risiko-Schüler« nennen müssen, aber das klang nicht so nett. Außerdem gab es noch eine »rote Gruppe« mit drei Mitgliedern, nämlich Toco und den beiden Neuen Jerome und Tomkin. Ich und meine Freunde hatten sie sofort in »Ärger-Gruppe« umgetauft.

»Gehört das da draußen alles zu Miami?«, fragte Shari halb fasziniert und halb erschrocken, als vor unserem Autofenster immer weitere Stadtviertel vorbeizogen. »Das ist wie ein graues Meer … ein Meer aus Häusern.«

»Es ist nicht nur grau, sondern auch bunt«, widersprach ich sofort. Miami war noch immer meine Heimat und ich konnte nicht anders, als es zu verteidigen. Zum Glück fuhren wir gleich darauf an der Palmenpromenade des Ocean Drive entlang und an den berühmten rosa, hellblau und hellgrün gestrichenen Häusern dort.

»Hübsch, oder?«, fragte ich Shari, die eine Reihe vor mir neben Blue saß.

»Na ja, das Haus da sieht aus, als hätte ein Flamingo abgefärbt«, meinte Shari.

»Und dieser Kasten daneben, als wäre er mit Grünalgen bewachsen«, sagte Blue.

Ich ächzte. In solchen Dingen waren Delfine einfach hoffnungslos!

»Das ist ja alles ganz nett hier, aber fahren Sie doch mal zu Venetian Island – das ist das beste Viertel und meine Eltern haben dort die schönste Villa«, meldete sich Ella zu Wort. Mehrere Schüler stöhnten genervt auf.

Unsere Lehrer kamen nicht dazu zu antworten. »Jerome, Tomkin, könntet ihr bitte sofort aufhören, die Sitze zu zerlegen?«, rief Mr García. Und Jack Clearwater – der den Bus fuhr – warf einen besorgten Blick in den Rückspiegel. »Leonora, bitte nicht die Metallteile des Autos berühren, wenn du dich aufregst, ja?«

»Ich rege mich überhaupt nicht auf«, regte sich unser Zitteraalmädchen auf.

Schließlich durften wir aussteigen und zu Fuß durch die Straßen schlendern, vorbei an Klamottengeschäften, Restaurants, kleinen Lebensmittelläden und Hotels. Palmen säumten die Straßen und gut gelaunte Touristen fotografierten sich gegenseitig in den Straßencafés.

Wirklich entspannt war ich nicht. Bestimmt wussten die Lehrer, was sie taten, trotzdem war es für Seawalker nun mal gefährlich, an Land zu sein. Zwar hatten die Lehrer Wasserbehälter für den Notfall dabei, aber die waren nur so groß wie eine Kühlbox und hätten höchstens für Juna oder Olivia gereicht. Mara hätte das Ding bei einer versehentlichen Verwandlung einfach unter ihrem Seekuhbauch platt gequetscht.

»Wie geht es dir?«, fragte Farryn García Shari. »Sag gleich Bescheid, wenn du dich irgendwie seltsam fühlst. Hast du dein Bild?«

»Alles prima und na klar«, sagte Shari und zeigte ihm das in Plastik eingeschweißte Foto, das sie in ihrer Mädchengestalt zeigte, wie sie im Bikini auf dem Strand saß und in die Kamera lachte. Wir alle hatten ein solches Bild von uns dabei.

Eigentlich hätte auch ich Angst haben müssen. Seit ich wusste, dass ich ein Tigerhai war, konnte es auch mir leichter als vorher passieren, dass ich mich versehentlich verwandelte. Aber hier in Miami Beach kam mir alles so normal und vertraut vor. Außerdem war ich zu viel mit meiner Sorge beschäftigt, dass Shari etwas passieren könnte.

Wie ich schon erfahren hatte, hatten unsere Lehrer als Ziel des Ausflugs die Lincoln Road Mall ausgewählt. In der Shopping Mall gab es jede Menge Läden und Restaurants, und – im Notfall vielleicht wichtig – draußen vor der Mall, in der Mitte der Straße, verliefen türkis gestrichene Wasserkanäle zwischen Palmen, Farnen und Ziersträuchern.

Sehnsüchtig betrachtete ich einen Laden, in dem man Frozen Yogurt kaufen konnte. Zu schade, dass ich kaum Geld dabeihatte – nur zehn Dollar, die als wöchentliches Taschengeld zu meinem Ratsstipendium dazugehörten.

»Die meisten von euch dürfen eine Stunde lang selbstständig auf Erkundung gehen, dann treffen wir uns in diesem Café hier«, verkündete Jack Clearwater und senkte die Stimme. »Die rote und die blaue Gruppe werden von einem Lehrer begleitet.«

»Nicht übel hier«, sagte Tomkin, der gut aussehende Alligator-Junge. Er, Toco und Jerome steuerten auf zwei Stühle in ebendiesem Café zu – leider an einem Tisch, der schon von einem nicht gerade arm aussehenden Paar im weißen Kleid beziehungsweise Poloshirt besetzt war. Die beiden wirkten zu verdutzt, um zu reagieren. Auf dem Weg zu seinem Sitzplatz trat Tomkin voll auf eine der Einkaufstüten mit Markenlogos, die die Frau neben sich stehen hatte. Es knackte.

»He!«, schrie die Frau auf. »Oh nein, meine brandneuen …«

Leider erfuhren wir nicht, welche brandneuen Gegenstände es gerade erwischt hatte, denn als die Leute am Nebentisch gingen, schnappte sich Jerome ihre halb leere Kaffeetasse. Ohne zu zögern, schüttete er sich den Inhalt die Kehle hinunter, prustete aber innerhalb einer Sekunde alles wieder aus. Eine braune Fontäne schoss dem schicken Paar entgegen. Die Frau kreischte auf und riss beide Hände hoch. Ihr Begleiter versuchte, sich zu ducken, wurde aber trotzdem braun gesprenkelt und begann, sehr hässliche Ausdrücke von sich zu geben.

»Was kann ich dafür, dass Menschen so widerliches Zeug trinken?«, grollte Jerome.

Unsere beiden Lehrer hasteten zum Ort des Geschehens und mit verschmitztem Blick sah Shari mich an. »So, ich glaube, es hat gerade niemand etwas dagegen, wenn wir jetzt diesen verdächtigen Kerl abchecken gehen.« Sie wandte sich an ihre Delfinfreunde. »Wenn jemand nach mir fragt, ich ziehe durch irgendwelche Läden, bin aber pünktlich am Treffpunkt.«

»Legt euch möglichst nicht mit Leuten an, die stärker sind als ihr«, sagte Noah, doch dann blickte er mich an und schien sich daran zu erinnern, was ich in zweiter Gestalt war. »Hm, okay, wahrscheinlich sind das nicht so viele.«

Auch Blue schien nicht ganz wohl zu sein bei der Sache. »Was ist, wenn dieser Kerl gefährlich ist … und euch wiedererkennt?«

»Wird er schon nicht, es war dunkel bei diesem Kampf in den Everglades«, beruhigte ich sie. Ich hatte den Kerl nur deshalb zeichnen können, weil ich wie alle Wandler auch in der Nacht gut sah. »Komm, Shari, wir müssen los.« Unsere Lehrer waren schon dabei, das Chaos in den Griff zu bekommen. Bevor sie es schafften, signalisierte ich Jasper, dass es losging, und gemeinsam mit Shari konnten wir uns unbemerkt wegschleichen.

Ich übernahm die Führung und lotste uns durch die Straßen, während Shari, die ja noch nicht lange an Land lebte, alles neugierig beglotzte: die Touristen, den weggeworfenen Pizzaladen-Flyer, den Hund, der an einer Laterne sein Bein hob.

Jasper sicherte unsere Gruppe nach hinten und putzte vor Nervosität ständig seine Brille. Wahrscheinlich machte auch er sich Sorgen, ob wir mit unserem Abstecher durchkommen würden.

Das Haus, in dem unser Verdächtiger »Sweetkin, G.« lebte, war ein frisch in Pastellgelb gestrichenes, einstöckiges Haus mit einer Palme davor. Nun, da es wirklich ernst wurde, zögerte ich. Hatte Blue recht, konnte uns der Kerl etwa doch wiedererkennen, wenn er es wirklich war? »Ich mache es«, entschied Shari. »Was soll ich sagen, wenn er aufmacht?«

Ich drückte ihr eine Sammelbüchse in die Hand, die ich in der Schule aus einer leeren Coladose gebastelt hatte. »Du bittest ihn um eine Spende für notleidende Delfine und streckst ihm das Ding hin.«

Shari blickte besorgt drein. »Bei der großen Welle! Es gibt hier notleidende Delfine?«

Ich räusperte mich verlegen. »Na ja, du und Blue, ihr habt doch fast kein Geld, weil ihr als Tiere aufgewachsen seid, oder?«

»Hm, stimmt«, meinte Shari nach kurzem Nachdenken. »Und wenn wir einen Delfin treffen, der noch weniger hat, gebe ich ihm einfach die Spendendose mit allem, was drin ist.«

Sie scheuchte uns mit einer Handbewegung zurück und drückte auf den Klingelknopf. Wir zogen uns ein paar Meter die Straße hinunter zurück, dann warteten wir gespannt. Wenn wir Pech hatten, passierte gar nichts, um die Uhrzeit waren viele Leute ja bei der Arbeit.


Da – die Tür ging auf. Eine kleine, rundliche Frau mit schwarzem Haar lugte heraus, sie trug eine Schürze und hielt einen Staubwedel. »Sí?«, fragte sie.

»Hallo«, sagte Shari mit einem freundlichen Lächeln. »Bitte eine Spende für … äh …«

Verständnislos blickte die Frau sie an und ließ einen spanischen Wortschwall über sie niedergehen. Mit langen Schritten eilte ich an Sharis Seite, signalisierte ihr, dass die Spende sich erledigt hatte, und kramte das Phantombild sowie meine Spanischkenntnisse hervor. »Wir suchen diesen Mann, lebt er zufällig hier?«

»Nein, nie gesehen«, versicherte uns die Haushälterin und betrachtete das Bild mit gerunzelter Stirn. Ich selbst vermied es hinzuschauen, und nicht nur, weil dieses Gesicht sowieso klar vor meinem inneren Auge stand. Jedes Mal, wenn ich meine Zeichnung ansah, schmeckte ich wieder Straßensplitt im Mund und roch die ätzenden Dämpfe der auslaufenden Chemiebrühe. Blickte wieder in den Lauf der Pistole und spürte, wie Angst meinen Körper flutete.

Wir verabschiedeten uns und machten uns enttäuscht auf den Rückweg.

»Wär auch zu viel Glück gewesen, wenn wir die Wasservergifter schon beim ersten Versuch gefunden hätten«, versuchte ich, die anderen zu trösten … und stoppte, als wäre ich gegen einen Baum gelaufen.

Zwei hochgewachsene junge Frauen versperrten uns den Weg. Beide schlank und langbeinig wie Models, mit schönen Gesichtern und hüftlangen, rötlich blond gesträhnten Haaren. Sie gingen so geschmeidig, dass ihre High Heels auf dem Asphalt kaum ein Geräusch machten. Ich erkannte sie ebenso schnell wie Shari und Jasper und bekam einen Moment lang keine Luft.

Die Tigerzwillinge. Lydia Lennox’ Bodyguards.

Sie waren so nah, dass ich spüren konnte, dass sie Wandlerinnen waren. Die Blicke aus ihren Mandelaugen hypnotisierten mich.

»Wer hätte gedacht, dass wir uns so schnell wiedersehen würden? Ich bin Latisha«, sagte die eine junge Frau mit einer Stimme, die klang, als würde goldener Honig darin fließen. Ihre Augen wirkten etwas asiatischer als die ihrer Schwester und sie hatte einen kleinen schwarzen Fleck auf der Wange.

»Tja, Zufälle gibt’s«, ergänzte ihre Zwillingsschwester, während sie hinter uns glitt und uns den Fluchtweg abschnitt. »Mein Name ist übrigens Natascha.«

»Äh … hallo«, war das Einzige, was mir einfiel.

»Wir wissen, was ihr sucht«, sagte Latisha, und als sie lächelte, sah ich, dass sie ihre Eckzähne teilverwandelt hatte. »Hier entlang.«

Seawalkers (2). Rettung für Shari

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