Читать книгу Happy End vergriffen - Kavitha Rasch - Страница 6

3.

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Die nächsten zwei Wochen vergehen unglaublich schnell. In der Kanzlei ist die Hölle los und Barkley hat ihr permanent neue To-dos auf den Tisch gelegt. Ihre Notizkladde ist voll von quer durcheinander gekritzelten Zurufen ihrer Chefs, die einer Geheimschrift gleichen, die nur sie selbst entziffern kann. Meistens zumindest. Am Computerbildschirm kleben ringsherum kleine gelbe Haftnotizen mit weiteren Erinnerung wie: Miss Babcob – Gerichtsgeb. einfordern; Chandler/Wilson – Urteil abfragen; Materialbestellung; Barkleys Pflanze gießen… Die meiste Zeit hatte sie damit verbracht, Mandanten anzurufen. Es waren diesen Monat noch so viele Rechnungen offen und die Leute hatten die verrücktesten Ausreden parat, warum das Geld noch nicht auf dem Kanzleikonto eingegangen ist. Einer wollte ihr sogar weismachen, seine Bank hätte sich gegen ihn verschworen und den Überweisungsträger absichtlich nicht bearbeitet. Nach der Arbeit hat sie sich meist sofort auf die Couch gelümmelt, den tagsüber unterdrückten Tränen freien Lauf gelassen und ihr Handy angestarrt.

Als sie Freitag die Haustür aufschließt, klingelt zeitgleich das Telefon. Sie lässt die Tasche im Flur zu Boden fallen und stürmt ins Wohnzimmer auf das Telefon zu.

„Brooks.“

„Hey, wie geht es dir heute?“

„Hallo, Dad.“

Savannah freut sich, die Stimme ihres Vaters zu hören, auch wenn sie gehofft hatte, dass es Eric ist.

„Mir geht es okay. Endlich Wochenende. Wie geht es euch?“

„Wir sind gerade mit Lona am Strand spazieren und üben Stöckchen-Apportieren. Unsere Gedanken sind bei dir. Habt ihr geredet?“

„Nein. Ich habe noch immer nichts gehört.“

„Das tut mir alles so leid für dich. Sei nicht traurig, okay? Ich gebe dir eben Mum. Tschüss und Kopf hoch!“

Am anderen Ende der Leitung raschelt es kurz. „Savannah? Wie geht es dir?“, fragt ihre Mutter besorgt.

„Na ja, geht schon.“

„Hast du schon was von Eric gehört?“

„Nein, nein. Leider noch nicht.“

„Lass den Kopf nicht hängen. Wir fühlen mit dir. Sei stark, okay?! Schöne Grüße auch von Grandma! Hast du diese Woche denn wieder etwas essen können?“

Savannah schaut an sich herunter und fährt langsam mit dem Daumen am inneren Rand ihres Hosenbundes entlang. Der Bund fühlt sich ungewohnt entspannt an. Ihr Appetit ist noch nicht zurückgekehrt und nach so manchem Heulkrampf muss sie sich immer noch oft vor Anstrengung und Aufregung übergeben.

„Ja, Mum, habe ich. In der Kantine gab es Nudelauflauf mit Huhn und...“

„Das freut mich. Du darfst dich jetzt nicht hängen lassen, okay? Es kommen auch wieder andere Zeiten für dich. Wir stehen das mit dir gemeinsam durch und rufen morgen wieder an. Kopf hoch und pass auf dich auf!“

Nach dem Telefonat geht Savannah an den Kühlschrank. Doch statt nach der Butter und dem Aufschnitt zu greifen, entscheidet sie sich doch bloß wieder für die offene Flasche Wein. Der Rosé aus Niagara-on-the-Lake ist noch zu fast einem Drittel voll und ein besonderer Moment – um den Rest aufzuheben – lange nicht in Sicht.

Während sie auf dem Sofa sitzt und wieder in dem Fotobuch blättert, fällt ihr plötzlich ein, dass sie und Eric morgen Abend bei den Nachbarn zum Geburtstag eingeladen sind. Erika gibt eine Gartenparty. Savannah fragt sich, ob von den Nachbarn schon jemand bemerkt hat, dass Eric nicht mehr im Haus schläft. Sie nimmt ihr Handy zur Hand und tippt eine SMS:

Hi, Eric, wo bist du? Morgen sind wir bei Erika zum Geburtstag eingeladen. Hoffe, du bist bald wieder zu Hause. Liebe dich, Savannah

Bis Mitternacht wartet sie vergebens auf eine Antwort, leert ihr viertes Weinglas und geht zu Bett.

Samstagmorgen starrt Savannah vor dem Aufstehen auf ihr Handy, das die Nacht mal wieder auf ihrem Nachttisch zwischen all den Fotos verbracht hat. Er hat sich immer noch nicht gemeldet. Sie streift eine Jogginghose über, bindet ihr zerzaustes Haar zu einem Zopf zusammen und trinkt zum Frühstück einen großen Kaffee auf dem Sofa. Ihren Esstisch behandelt sie immer noch wie Luft. Zu groß ist die Erinnerung an zahlreiche gemütliche Frühstücke zu zweit. Während sie auf dem Sofa sitzt, schaut sie sich im Wohnzimmer um und beschließt, das Haus zu putzen. Eric soll sich so richtig wohlfühlen, wenn er endlich wieder nach Hause kommt. Sie beginnt mit der Küche, arbeitet sich zum Wohnzimmer vor und macht dann die obere Etage fertig. Die Arbeit lenkt sie von ihren traurigen Gedanken ab. Coco folgt ihr auf Schritt und Tritt und attackiert voller Freude den Wischmob, während Savannah versucht, damit die Böden zu entstauben. Lucy findet ebenfalls Gefallen an dem Spiel. Habt ihr zwei kein eigenes Leben? Lächelnd bewegt Savannah den Mob ruckartig auf die Katzen zu.

Um 13 Uhr ist alles gemütlich und sauber hergerichtet. Noch immer keine Antwort von Eric. Wie kommt sie nur um diese Gartenparty herum, ohne dass sie jemand nach dem Grund fragt? Ihr ist wirklich nicht nach Gesellschaft zumute. Alle werden direkt nach Eric fragen. Und sie wird unkontrolliert in Tränen ausbrechen. Sie schüttelt ihren Kopf. Das braucht sie heute sicher nicht. Allein der Gedanke daran ist ihr schon unangenehm genug.

Sie läuft zur großen Glasscheibe im Wohnzimmer hinüber und betrachtet den Garten. Sie liebt den Ausblick in den eigenen Garten. Es hat so etwas Beruhigendes und ist so ein Unterschied zu dem Ausblick aus ihrem ersten Apartment in Downtown. Die schokoladenfarbene Holzterrasse ist ein echter Hingucker und toller Kontrast zum Grün. Leider sieht man dem Rasen auch schon an, dass Eric seit über zwei Wochen nicht mehr da war. Die Grashalme stehen lang und durcheinander nach oben. Die großen Schilfbüschel mit ihren unzähligen cremefarbenen plüschigen Graspinseln läuten ebenfalls den Herbst ein.

Sie öffnet die Terrassentür und betritt die Holzbohlen. Überall liegen kleine rote Blütenblätter von dem Rosenbäumchen herum, das sie zum Einzug von ihren Eltern geschenkt bekommen hatte. Schnell holt sie einen Besen aus dem Keller und beginnt, die große Terrasse zu fegen. Die Sonne ist noch so stark, dass sie die orangefarbene Markise komplett ausdreht, welche die Terrasse in ein angenehmes warmes Licht taucht. Nachdem sie den Boden peinlich genau bis in die kleinste Ecke gefegt hat, ordnet sie die Blumenkübel neu an und entscheidet sich spontan dafür, im Gartencenter ein paar neue bunte Blumen zu kaufen. Irgendetwas, das sich von ihr nicht so schnell kaputtpflegen lässt und vielleicht noch bis in den Oktober hinein bunt blüht, damit sie und Eric etwas davon haben, wenn sie wieder gemeinsam draußen sitzen.

Im Gartencenter ist es unter dem gewellten Glasdach brüllend heiß. Da sie bloß zwei, drei Blumen kaufen möchte, nimmt sie sich ein Tragekörbchen von dem Stapel an der Eingangstür weg und läuft von Gang zu Gang. Ihre Augen richtet sie dabei weniger auf die prächtigen Blumenfarben, sondern immer nur auf eine bestimmte Stelle auf den dabeistehenden Kärtchen, die in der Mitte eines jeden Tisches stehen. Leise flüstert sie vor sich hin:

„Viel Pflege. Viel Wasser. Wenig Sonne. Nicht winterhart… Ah, Bingo: pflegeleicht, wenig Wasser.“

Sie greift nach den lilafarbenen Pelargonien und verfrachtet drei kleine Töpfe davon in ihr Tragekörbchen. Ein schneller Blick auf ihr Handy verrät ihr, dass es schon 15 Uhr ist und Eric sich immer noch nicht gemeldet hat. Was soll sie bloß wegen der Party machen?

Auf dem Weg nach Hause denkt sie sich im Auto Ausreden aus. Sie könnte sagen, sie und Eric seien gestern beim Chinesen gewesen und haben es beide nicht vertragen. Sie könnte auch sagen, dass sie beide spontan bei Erics Freund in Downtown zum Essen eingeladen sind und eventuell später nachkommen. Als sie mit ihrem Auto in die Privatstraße vor dem Haus einbiegen möchte, sieht sie, dass der Parkplatz besetzt ist. Eric ist wieder da! Endlich! Ihr Herz rast. Es gibt so vieles, was sie ihm sagen möchte. Sie hat ihn so sehr vermisst. Savannah legt den Rückwärtsgang ein und parkt ihren schwarzen Mini Cooper in einer Parkbucht an der Straße. Dann holt sie die Tüte mit den Blumentöpfen aus dem Kofferraum und geht zügig zum Haus. Drei Wochen lang hatte sie auf diesen Moment gewartet. In der Hoffnung, dass er sie genauso vermisst hat wie sie ihn, werden ihre Schritte immer schneller. So schnell, dass sie rennt und dabei fast stolpert.

Während sie strahlend den Flur betritt, fliegt ihr schon der vertraute Duft seines Aftershaves entgegen. All About Adam. Sie bringt die Blumen in die Küche und begibt sich direkt nach oben, um Eric zu begrüßen. Auf halbem Weg kommt er ihr auf der Treppe entgegengerannt:

„Hast du meine Flipflops gesehen?“

„Äh… nein. Habe ich nicht. Möchtest du die heute Abend anziehen…?“

Eric lässt sie nicht ausreden und klappt hektisch der Reihe nach alle drei Fächer des Schuhschranks im Flur auf: „Ich habe oben schon überall nachgeschaut. Orrr! Die passen so gut zu meinem Hemd.“ Eric dreht sich um und geht wieder nach oben ins Bad. Sie folgt ihm.

Er steht vor dem Spiegel, sprüht eine Kugel Haarschaum in seine Hände und fährt mit seinen Fingern durch sein feuchtes, blondes Haar. Dann wäscht er sich die Hände, trocknet sie ab, rückt seinen Hemdkragen zurecht und läuft an Savannah vorbei, als wäre sie Luft.

„Wo sind nur meine Flipflops?… Ach ich weiß, vielleicht sind sie noch in meinem Kofferraum.“

Savannah folgt ihm wieder die Treppe hinunter ins Wohnzimmer:

„Die Party beginnt erst um 19 Uhr, warum bist du schon fertig angezogen?“

„Ich bin noch in der Stadt auf ein Bierchen verabredet. Vielleicht komme ich noch nach, vielleicht aber auch nicht. Viel Spaß drüben, Grüß alle von mir.“

Wenige Minuten später fällt die Haustür ins Schloss. Wieder herrscht Totenstille im Haus. Alles, was ihr noch für einen Moment bleibt, ist der Duft von All About Adam. Savannah holt die Blumen aus der Küche, geht nach draußen auf die Terrasse und buddelt mit ihren bloßen Händen geistesabwesend in der Erde herum. Bei dem Versuch, aufkommende Tränen aus dem Gesicht wegzuwischen, ehe sie jemand sehen könnte, verschmiert sie ihr Gesicht mit feuchter Erde. Was habe ich ihm nur getan, dass er mich so ignoriert?

Nachdem alle Blumen im Kübel ihren Platz erhalten haben, setzt sich Savannah auf einen der Holzstühle unter die Markise und denkt nach. Die Erdspuren in ihrem Gesicht werden durch die Sonnenwärme trocken und krümeln auf ihr T-Shirt hinab. Sie klopft das Shirt aus und geht duschen. Sie möchte nicht, dass ihr irgendjemand ihren Kummer ansieht. Weder Eric, falls er noch kommt, noch die Nachbarn. Heute mache ich mich richtig schön, vielleicht nimmt Eric mich ja dann wahr ...

Nach dem Duschen lackiert sie sich die Fingernägel und die Fußnägel dezent in Perlmutt. Dann zieht sie eine blaue Jeans, weiße Sandalen und ein weißes schulterfreies Top an, welches am V-Ausschnitt mit perlmuttfarbenen Perlen verziert ist. Dazu trägt sie eine dünne Silberkette und passende Ohrstecker aus Silber und Strass. Ihr langes schwarzes Haar bindet sie zu einem hoch sitzenden Zopf zusammen. Danach färbt sie ihre Augenlider zart rosa und zieht dazu den Lidstrich fein säuberlich mit einem schwarzen Kajalstift nach. Anschließend betrachtet sie sich einen Moment im Ankleidezimmer im Wandspiegel. Dass sie schon drei Kilo abgenommen hat, sieht man ihr kaum an. Vielleicht auch, weil es ihrer Figur eher gut tut, als schadet. Die letzten paar Jahre hatte sie gut zehn Kilo zugelegt. Bin ich ihm vielleicht zu dick geworden? Findet er mich nicht mehr attraktiv genug als Freundin? Wenn ich doch bloß wüsste, was ich tun kann. Als sie damals zusammengekommen sind, hat er sie oft einfach nur wortlos angestarrt und ihr später gesagt, wie wahnsinnig hübsch er sie findet. Mein Gesicht ist schon irgendwie runder als früher und diese Hüften … aber trotzdem – wie ein Unglück sehe ich nun auch nicht aus. Savannah streicht ihr Oberteil in der Hüftgegend glatt und zieht den Bauch ein. Dem sieht man die drei verlorenen Kilos leider am wenigsten an.

Durch das Kippfenster dringen laute Stimmen herein. Die Gartenparty hat offensichtlich schon begonnen. Savannah holt tief Luft und verlässt das Haus durch die Terrassentür. Sie hat sich noch nicht ganz durch die Hecke hindurchgequetscht, da gucken die anderen Gäste schon suchend in der Gegend herum.

„Kommt Eric nach?“, fragt Alvin, während er mit der Grillzange in der Hand durch die Luft wirbelt. Alle schauen Savannah an.

„Später. Er hat noch … noch etwas vor.“

Savannah spürt wie ihre Sicht langsam verschwimmt.

„Erika, kann ich dich mal kurz sprechen?“

„Ja klar!“ Erika folgt Savannah durch die Hecke in den Nachbargarten.

„Ich weiß nicht, ob Eric heute wirklich nachkommt.“

„Nicht? Na ja, hat er keine Lust mehr auf uns Nachbarn?“

Erika unterbricht ihr Lachen abrupt bei dem Anblick von Savannahs traurigem Gesicht.

„Wir haben zurzeit Stress … ich glaube, er verlässt mich.“

Jetzt kann Savannah die Tränen nicht mehr zurückhalten. Die Worte gegenüber Dritten auszusprechen, tut viel mehr weh, als sie nur für sich alleine im Kopf zu denken. Die Aussprache macht ihren Kummer so real.

Erika nimmt Savannah sofort in die Arme.

„Das tut mir so leid für euch. Kann ich mir kaum vorstellen, ihr passt so toll zusammen! Komm mit rüber. Gleich ist das erste Fleisch fertig und dann isst du erst einmal etwas.“

Als beide wieder auf der Party erscheinen, ist es unschwer zu erkennen, dass sie geweint hat. Niemand fragt sie mehr nach Eric. Von allen Seiten bekommt sie ein Bier gereicht. Als ob das hilft … Draußen wird es langsam dunkler und kühler. Alle rutschen unter dem Gartenbaldachin mit ihren Stühlen näher an den Tisch heran. Auf dem Tisch stehen kleine Schüsseln mit Chips und Pralinen. Savannah müsste dringend etwas essen. Ihr Kopf ist leicht benommen vom Alkohol. Irgendwie hat sie es geschafft, sich diesen Abend nur von etwas Salat und einem Würstchen zu ernähren. Wann immer ihr jemand etwas anbieten wollte, sagte sie, sie esse gleich weiter. In Wahrheit hatte sie überhaupt keinen Hunger. Ihre Gedanken waren nur bei Eric. Bei jedem Rascheln wanderte ihr Blick sofort zur Hecke hinüber, in der Hoffnung, dass er es sein könnte.

Gegen 23 Uhr wird es noch etwas kühler. Paare rücken näher zusammen und kuscheln sich aneinander. Hier und dort wird gelacht, jeder hat etwas zu erzählen. Savannah friert und erlebt zum ersten Mal ganz bewusst, dass sie alleine und einsam ist. Dann tippt sie ihrer Nachbarin Meredith leicht auf die Schulter:

„Hey, ich hole mir einen Pullover, bin gleich zurück.“

Zu Hause nimmt sie sofort ihr Handy zur Hand, das sie auf dem Esstisch liegen gelassen hatte, weil es nicht in ihre Hosentasche passte. Nichts... Dann geht sie nach oben ins Ankleidezimmer und holt einen dicken weißen Strickpullover mit Rollkragen aus einer Schublade. Wenige Minuten später sitzt sie wieder draußen auf der Party und bemüht sich, nicht mal ansatzweise so enttäuscht zu gucken, wie sie sich gerade fühlt.

Um Mitternacht kommt Ethan mit einem Tablett aus dem Wohnzimmer auf die Terrasse heraus. In der Mitte befindet sich ein mit Wunderkerzen bespickter Schokokuchen mit zwei weiß-grün gestreiften Kerzen in Form einer Drei und einer Fünf. Alle beginnen, lauthals Happy Birthday zu singen, während Ethan eine Geburtstagskarte hochhält, auf der ein Fahrrad abgebildet ist, dessen verbogene Reifen die Form eines Herzens haben. Er stellt das Tablett auf dem Gartentisch ab und schiebt ein Fahrrad aus dem Gartenhaus heraus. Um das Lenkrad ist eine rote Schleife gebunden.

Savannah singt nicht ganz so laut mit wie die anderen. Das liegt wohl an dem Kloß in ihrem Hals und dem Versuch, erneute Tränen zu unterdrücken. Bei dem Anblick der brennenden Wunderkerzen auf dem Kuchen wird ihr bewusst, dass sie selbst in wenigen Wochen ihren 28. Geburtstag hat. Wird Eric den Geburtstag mit mir feiern? Was erwartet mich im neuen Lebensjahr?

Sie reiht sich in die Gratulantenschlange ein und versucht, nicht weiter darüber nachzudenken. In dem Moment kommt auch schon Ethans Mutter mit einem Tablett voller Sektgläser vorbei. Savannah nimmt sich eines herunter und trinkt es in einem Schluck leer. Gegen 3 Uhr morgens verlässt sie mit Meredith, Edward und einigen anderen Nachbarn die Party und macht sich auf den kurzen Heimweg.

Kaum betritt sie das leere Haus, beginnt sie auch schon wieder, zu weinen. Wann hört dieses Heulen endlich wieder auf! Ich will einfach wieder glücklich sein. Aber dafür müsste der Schmerz erst mal weniger werden. Sie greift nach dem Handy, läuft nach oben und legt sich mit ihren Klamotten unter die kuschelig knisternde Daunendecke ins Bett. Während sie sich unter der Decke verkriecht, erinnert sie sich an ihren letzten Geburtstag. Eric drückte ihr ein Prospekt aus einer Daunenmanufaktur in die Hände, weil das Paket noch nicht eingetroffen war. Bei dem Gedanken an die Glückwunschkarte krampft sich ihr Magen zusammen:

„Ich und diese Bettdecke werden dich immer warm halten…“

Und wo bist du jetzt? Savannah zittert am ganzen Leib. Beim Aneinanderreiben ihrer Hände springt Coco auf den Nachttisch und guckt sie mit seinen großen Kulleraugen an. Dieser Anblick bringt Savannahs Herz auch nach über sieben Jahren noch zum Schmelzen. Dass Coco immer nur über den Nachttisch ins Bett kommt und nie direkt vom Boden aus hochspringt, ist Eric auch aufgefallen, als sie mit Eric, Coco und Lucy zwei Wochen Urlaub in Florida gemacht hatten.

„Komm her, du süßer Fraggle, ich brauch dich zum Knuddeln!“

Sie hebt ihre Decke ein Stück an, damit Coco seinen Schlafplatz einnehmen kann.

Leider gelingt es ihr nicht, einzuschlafen. Sie hat so sehr gehofft, heute Abend endlich wieder neben ihm liegen zu dürfen. Eric fehlt ihr so sehr. In die Stadt zu gehen, ist eine Sache, gar nicht nach Hause zu kommen, geschweige denn sich zu melden, ist etwas völlig anderes. Sie setzt sich aufrecht ins Bett, zieht ihren Pulli und die Jeans aus und legt die große Bettdecke wie einen Mantel um ihre Schultern. Dann schlurft sie zum Fenster hinüber und setzt sich auf den Teppich. Sie starrt nach draußen. Wo bist du, Eric? Die Einfahrt der Privatstraße ist durch zwei Straßenlaternen ausgeleuchtet. Coco folgt ihr und kuschelt sich unauffällig erneut unter die Decke.

Sie schaut so lange aus dem Fenster, bis es wieder heller wird. Ihre Augen sind ganz schwer und brennen vor Müdigkeit und Tränensalzen. Sie erhebt sich vorsichtig vom Boden. Dabei bemerkt sie, dass ihr linkes Bein eingeschlafen ist und ihr Kreuz vom krummen Sitzen schmerzt. Dann humpelt sie zum Bett herüber und versteckt sich komplett unter der Bettdecke. Es gelingt ihr einfach nicht, ihre Gedanken abzuschalten. Sie kommt nicht zur Ruhe und fühlt sich deshalb seit Wochen wie gerädert. Ich pack das nicht… Was kann ich nur tun, damit alles wieder so wird, wie es war? Ich war so glücklich. Bitte verlass mich nicht, Eric. Bitte, bitte nicht. Nach einem weiteren Heulanfall schläft sie dann doch endlich vor Erschöpfung ein.

An diesem Sonntag steht Savannah nur ein einziges Mal auf, um Coco und Lucy zu füttern.

Happy End vergriffen

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