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5.

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Zwei Tage später sitzt Savannah abends wieder alleine auf dem Sofa und schaut Ally McBeal. Die verrückten Erlebnisse von Ally vor Gericht haben sie schon früher zum Lachen gebracht. Doch als die Kamera im Vorspann aus der Vogelperspektive über Boston schwenkt, drückt Savannah schnell die Vorspultaste. Die goldene Kuppel der Massachusetts Hall und all die anderen Gebäude der hübschen Innenstadt erinnern sie an den Tag, an dem sie mit Eric im letzten Urlaub bei schönstem Wetter mit einem großen Caffè Latte in den Händen dem gekennzeichneten Freedom Trail neugierig quer durch die Stadt folgten. Die Kennzeichnung war eine rote Linie auf dem Bürgersteig. Sie führte an allen historischen Sehenswürdigkeiten vorbei und begann für sie an der Park Street Church. Sie erinnert sich noch an den witzigen Moment, in dem die Spur für sie abrupt mitten in einem Wochenmarkt endete. Leider konnten sie wegen der vielen Obst- und Gemüsestände nicht sehen, wo die Kennzeichnung weiterverlief. Das Telefonklingeln reißt sie aus ihren Gedanken. Sie drückt auf Pause und nimmt den Anruf entgegen.

„Brooks.“

„Hey, Schwesterchen, ich bin’s Brandon! Ich habe schon so lange nichts mehr von dir gehört! Wie geht es dir? Was machen die Fellnasen? Hast du schon mit Mum und Dad telefoniert?“

„Sorry, mir war die letzten Tage nicht wirklich nach Telefonieren zumute.“

„Ich wollte auch nicht lange stören, ich muss Jaden gleich noch von seinem Kindergartenfreund abholen. Coco ist berühmt. Ich habe eure Hausanzeige bei Real-Estate-Net im Internet entdeckt. Ganz schön finster. Habt ihr euch das wirklich überlegt?“

„Echt, Coco ist mit auf einem Foto?“

„Ja, auf mehreren. Bei dem Foto vom Gästezimmer steht er wie ein Stofftier neben der Kommode am Bett… ist auch egal. Wenn du reden möchtest, kannst du mich jederzeit anrufen, okay?“

„Danke, das ist lieb von dir. Mache ich bestimmt. Aber im Moment bringe ich es nicht über das Herz… Bald hier ausziehen zu müssen und gleichzeitig Eric zu verlieren, tut einfach scheiße weh.“

„Warte erst einmal ab, noch ist es ja nicht verkauft.“

„Das stimmt. Aber vielleicht gibt es schon Interessenten. Eric hat bei der Anzeige seine Mailadresse hinterlegt. Er will, dass wir das Haus verkaufen. Na ja, ich halte dich auf dem Laufenden.“

Nach dem Telefonat schaltet Savannah den Fernseher aus und geht nach oben. Sie kann zwar jetzt noch nicht schlafen, aber nach Fernsehen ist ihr auch nicht zumute. Kaum liegt sie im Bett, springt Coco auf den Nachttisch, schmeißt einen Fotorahmen um und krabbelt anschließend unter die Decke. Lucy knetet im gleichen Moment das Ende der Bettdecke durch und schnurrt. Wenige Minuten später schlafen die Katzen tief und fest. Savannah kann nicht einschlafen. Sie steht wieder auf und lässt ein heißes Bad einlaufen. Während sie den Eukalyptusduft des Schaumbades einatmet, denkt sie über ihren Geburtstag nach.

Seit ihrem Neunzehnten hat sie keinen Geburtstag ohne Eric gefeiert. Ihr erstes Geschenk hatte er in einen gewöhnlichen Karton gepackt, den er rundherum beschriftet hatte. Beim Lesen seiner Worte musste sie den Karton mehrfach in ihren Händen drehen und dabei lauthals lachen: Ich wünsche dir alles Liebe zum Geburtstag. Leider kann ich dein Geschenk jetzt nicht mehr einpacken. Du bist zu früh aufgetaucht. Während du jetzt unten an der Tür wartest, dass ich dir aufmache, hocke ich hier und beschrifte diesen Karton… Freue mich, gleich mit dir zu feiern…

Unter dem Text hat er noch eine Karikatur von sich gemalt und in Großbuchstaben Ich liebe dich sehr! geschrieben. Das, was da gerade mit ihrem Leben passiert, ist unfassbar schwer zu verstehen. Die damalige unbeschwerte Verliebtheit hatte sich im Laufe der Jahre in eine ernste und erwachsene Beziehung verwandelt. Letztes Jahr um diese Zeit waren sie an der Westküste in den USA unterwegs und hatten den ersten Schritt in Richtung Nachwuchs gestartet. Ganz bewusst ohne Verhütung miteinander zu schlafen, war nach so vielen Jahren der Zweisamkeit eine aufregende Zeit – für Savannah zumindest.

Als Barkley und Bradford die Kanzlei am Freitag wegen einem gemeinsamen Ortstermin schon gegen 15 Uhr verlassen, nutzt sie die Chance auf einen frühen Feierabend, packt ihre Tasche und gönnt sich im CCC eine Auszeit, bevor sie mit der S-Bahn nach Hause fährt. Zu der Uhrzeit ist das Café leerer als in der Mittagszeit. Sie sucht sich an der Theke einen Nussmuffin aus, während ihr der vertraute Kellner von der neuesten Kaffeespezialität des Hauses vorschwärmt.

„Sie wollen wirklich nur einen normalen Kaffee mit Milch?“

„Ja. Danke. Was kostet der Muffin? Der mit dem Nussstreusel oben drauf.“

„1.85 Dollar. Übrigens würde der neue Kaffee-Flip mit Ahornsirup perfekt zu Ihrem Nussmuffin passen…“

Savannah schaut ihn regungslos an. Er dreht sich daraufhin etwas weg und füllt frische Bohnen in den Kaffeevollautomaten hinter dem Tresen. Vor wenigen Monaten hätte sie sich fröhlich auf eine angenehme Unterhaltung mit dem sympathischen Kellner eingelassen. Aber heute steht ihr echt nicht der Sinn danach. Während sie mit den Händen in ihrer Handtasche nach dem Fünf-Dollar-Schein sucht, den sie heute früh noch hineingeworfen hatte, holt der Kellner mit einer silbernen Zange den Nussmuffin aus dem kleinen Schaufenster und legt ihn zusammen mit drei großen Erdbeeren und einem Klecks Sahne auf einen grünen Porzellanteller. Dann stellt er ihn auf ein hölzernes Tablett und legt noch einen kleinen Löffel dazu. Savannah legt den Fünf-Dollar-Schein neben die Kasse und zieht das kleine Tablett zu sich.

„Könnten Sie bitte etwas Milch für den Kaffee heiß aufschäumen? Das wäre lieb. Dann bleibt er länger warm.“

„Sehr gerne. Wenn Sie das nächste Mal hier sind, müssen Sie aber unbedingt die neue Kaffeesorte probieren, okay?“

„Sicher, dann bringe ich auch bessere Laune mit, versprochen.“

Wenige Minuten später sackt Savannah in einem der Korbsessel in der Bücherecke zusammen. Sie löffelt die Sahne mit den Erdbeeren vom Teller, trinkt einen Schluck Kaffee und blättert entspannt durch einen schweren Bildband über Spanien. Bilder von grünen Berglandschafen und tiefblauen Meeresküsten hellen ihre Laune etwas auf. Wenige Seiten später stolpert sie über ein Foto von einer haushohen, brennenden Clownfigur und einen Bericht über ein spanisches Frühlingsfest. Die sogenannten Fallas finden im März jeden Jahres in Valencia und in zahlreichen anderen Orten um Valencia herum statt. Hauptattraktion sind große Skulpturen aus Pappmaché und anderen brennbaren Materialien, die am letzten Tag des Festes mit einem Preis gekrönt und anschließend feierlich angezündet werden. Da zuzuschauen, macht bestimmt Spaß! Schade, dass sie und Eric in neun Jahren nicht mehr Reisen zusammen unternommen haben.

Ein Gemisch aus leisem Piepen und Brummen dringt langsam zu Savannahs Ohren vor. Bevor sie nachschaut, wer ihr eine SMS geschickt hat, liest sie in Ruhe den Artikel zu Ende. Sicher haben ihre Eltern wieder ein paar liebe und aufmunternde Worte zum Wochenende geschickt. Sie beugt sich so weit nach vorne, dass der Bildband nicht vom Schoß rutscht und zieht das Handy aus ihrer Handtasche hervor. Ihr stockt der Atem. Schnell klappt sie das Buch zu, legt es auf den Tisch und setzt sich aufrecht hin. Ihr Herz pocht. Die kleine Briefumschlag-Grafik auf ihrem Handydisplay kündigt eine SMS von Eric an. Es kommt ihr wie eine Ewigkeit vor, seit sie seinen Namen zuletzt auf dem Display gesehen hat. Früher war dieser Anblick selbstverständlich. Sie starrt weiter auf ihr Handy und nimmt einen Schluck Kaffee zu sich. Was wird hier wohl drin stehen? Gibt es einen Käufer für das Haus? Savannah hat Angst davor, endgültige Worte vorzufinden. Doch die Neugier siegt. Sie drückt die Eingangstaste.

Hi, wollt nur kurz sagen, dass ich dieses Wochenende im Haus bin. Ich werde im Gästezimmer schlafen und dich nicht stören.

Sie weiß nicht so recht, wie sie diese Worte einordnen soll. Es ist schön, dass er am Wochenende zu Hause ist. Aber zu lesen, dass er im Gästezimmer schlafen will, um sie nicht zu stören, trifft sie schmerzvoll mitten ins Herz. Stören? Ihm nicht mehr nah sein zu dürfen, ist das, was sie seit Wochen stört.

Sie umwickelt den unangerührten Nussmuffin mit zwei Taschentüchern und legt ihn zusammen mit dem Handy behutsam in ihre Handtasche. Dann lehnt sie sich mit dem Kaffeebecher in beiden Händen im Korbsessel zurück und starrt das große Bücherregal an. Als sie gut zwanzig Minuten später das dicke Buch über Spanien in die einzige freie Lücke ins Bücherregal schiebt, kommt ihr plötzlich eine Idee.

In Davisville steigt sie hoch motiviert aus der S-Bahn und springt schnell gegenüber von der Haltestelle beim JB-Supermarkt rein. Während sie mit dem Einkaufswagen durch die Gänge jagt, ruft sie sich die Bilder vom letzten romantischen Abendessen mit Eric beim Spanier in der Innenstadt in den Kopf. Nach und nach packt Savannah die Zutaten dafür in den Einkaufswagen. Zumindest die Dinge, die sie anhand ihrer Erinnerungen als Zutaten vermutet. So schwer kann das Zubereiten von Tapas nicht sein! An der Kasse legt sie voller Stolz ein edles Fläschchen Rioja, Shrimps, eingelegte Paprika, Oliven, Eier, Datteln, Frühstücksspeck, eine kleine Aubergine, Fetakäse, ein Baguette, Zahnstocher und Servietten mit Herzmotiven auf das schwarze Gummilaufband. Alles zusammen kostet weit über 50 Dollar, aber das stört sie nicht. Sie möchte Eric unbedingt überraschen und ihm zeigen, dass sie ihn immer noch vermisst.

Samstag ist sie schon früh auf und googelt im Internet nach einigen Tapas-Rezepten. Anschließend räumt sie alles auf, bügelt die Wäsche, geht zum Frisör und trifft sich um 13 Uhr auf einen kurzen Kaffee mit ihrer Freundin Melissa im Cozy Coffee Club. Melissa sitzt schon neben dem großen Bücherregal und hält einen Platz frei. Auf dem Tisch stehen zwei große Milchkaffees mit Sahne, Kokosflocken und einer leuchtend roten Kirsche oben drauf. Direkt neben Savannahs Kaffee liegt ein kleines Geschenk.

„Hey! Wow, der neue Stufenschnitt steht dir super. Lass dich mal anschauen.“

Melissa erhebt sich vom Stuhl und läuft halb um sie herum.

„Toll, wie schwungvoll deine Haare jetzt wieder über die Schulter fallen. Also das wird Eric sicher umhauen.“

Savannah strahlt über das ganze Gesicht, legt ihren neonfarbenen Mantel ab und lässt sich in den Sessel zurückfallen.

„Ich hoffe auch, dass ich ihm gefalle. Ist das Geschenk für mich?“

„Ja klar, was denkst du denn?! Los, pack schon aus!“

Sie trinkt erst einen Schluck von ihrem Kaffee und nimmt dann vorsichtig das flache quadratische Geschenk zur Hand. Vorsichtig faltet sie das Geschenkpapier auseinander, bis ein Schriftzug zum Vorschein kommt: Kopf hoch. Das wird schon wieder!

„Och, wie süß, ein kleines Mut-Mach-Buch. Das ist so lieb von dir.“

Savannah steht auf und nimmt Melissa in den Arm.

„Lies es, bevor Eric heute zu Hause ist, okay? Es wird dir Mut machen. Du wirst schon sehen. Ihr zwei macht gerade eine miese Phase durch, aber er fängt sich schon wieder. Jeder, der euch beide kennt, weiß, dass ihr zusammengehört.“

„Ich wünsche mir so sehr, dass du Recht hast. Weißt du was? Ich habe gestern ganz viel eingekauft und werde ihn mit etwas Selbstgemachtem überraschen!“

Melissa reißt die Augen auf und schlägt sich entsetzt die Hand vor den Mund.

„Oh je… kochen?! Du… Du willst etwas kochen?!“

Savannah schaut zum Bücherregal hinüber, wo sie neulich das große Buch über Spanien gefunden hatte.

„Ja. Also eigentlich ist es kein richtiges Kochen. Es sind bloß Tapas. Hier ein bisschen anbraten, dort ein wenig in Öl einlegen. Und eine Scheibe Schinken um eine Dattel zu wickeln, ist wohl auch kein Kunststück.“

„Wow, du bemühst dich wirklich um ihn.“

Melissa nimmt ihren Kaffee zur Hand und rührt nachdenklich mit dem Löffel durch den Milchschaum.

„Hast du Datteln ohne Steine gekauft?“

Savannah schließt die Augen und denkt nach.

„Ohne Stein? Datteln haben einen Kern? Ich kenne sie nur kernlos! Steht so etwas auf der Packung mit drauf?“

Melissa kann sich ihr Schmunzeln kaum verkneifen.

„Er wird deinen Aufwand schon zu schätzen wissen …auch wenn er schmerzvoll auf einen Kern beißt. Du machst das schon mit den Tapas.“

„Als ich zum ersten Mal für ihn gekocht habe, waren wir gerade eine Woche zusammen. Ich wollte ihn mit etwas Besonderem umhauen. Nach dem Essen sagte er mir, dass es ein interessantes Abendessen sei und doch besser geschmeckt habe, als es aussah.“

Savannah lacht bei der Erinnerung an damals leise auf. Eric stand mit einer teuren Flasche Wein vor ihrem Apartment und sie hatte für beide das einzige gekocht, was sie bis dahin konnte.

„Was gab’s denn so Interessantes?!“

„Reibekuchenburger.“

„Was bitte schön sind denn Reibekuchenburger?“, Melissa fischt mit dem Löffel nach der kleinen roten Kirsche, die wenige Minuten vorher noch dekorativ auf der Sahnehaube thronte.

„Dafür braucht man eigentlich nur tiefgefrorene Reibekuchen anbraten und abwechselnd mit einer Scheibe Käse und Salami – wie einen Burger – auf einem Teller anrichten. Dazu hatte ich den noch leeren Platz auf dem Teller mit kleinen Camembert-Happen in Herzform und Mini-Bratwürsten aufgefüllt.“

Je tiefer Savannah ins Detail geht, desto mehr verzieht Melissa ihr Gesicht:

„Wow, und nach diesem Essen seid ihr trotzdem so viele Jahre zusammengeblieben?“

„Ja. Manchmal glaube ich – gerade wegen diesem Essen. Ich bin halt ein wenig anders als andere Frauen und hatte immer den Eindruck, dass ihm das gefällt. Wer kocht für seinen Freund schon Käse in Herzform?!“

„14-jährige Mädchen auf einem Ponyhof? Sorry, das ist gemein. Eigentlich finde ich es süß, dass du immer auf so kitschige Ideen kommst. Wie vor zwei Jahren mit der versteckten CD… Wie war das noch?“

„Du meinst Stickwitu von den Pussycat Dolls? Über die Weihnachtstage war ich bei meinen Eltern in Florida und fand es doof, ihm schon vorher ein Geschenk in die Hand zu drücken. Da habe ich die CD mit seinem Geschenk zusammen in der kleinen indischen Kommode in unserem Flur versteckt…“

„Ach ja, genau so war das! Und als ihr abends telefoniert habt, hast du ihm gesagt, er solle nach dem Gespräch mal in der Kommode nachschauen.“

Melissa seufzt: „Ich wünschte, mich würde mal jemand so überraschen. Tapas klingen gut! Ich drücke wirklich beide Daumen, dass er sich über dein Essen freut.“

Happy End vergriffen

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