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2 Geschichte des Tauchens

U. Hoffmann, Chr. Beyer

Der Begriff „Tauchen“ wird traditionell als Oberbegriff für Aktivitäten unter Wasser mit und ohne Atemgerät verstanden. Die Motivation zum Tauchen ist unter geschichtlichen Gesichtspunkten geprägt von materialistischen Zielen, die mit Kriegsführung, Bergungsunternehmen und Nahrungserwerb zusammenhängen. Neugierde und Spaß waren offensichtlich zweitrangig. Ausgangspunkt war stets die Geräteentwicklung zu Seh- und Antriebshilfen sowie Atemgeräten, um die Aufenthaltszeit unter Wasser zu verlängern und effektiver zu gestalten. Ein hervorragender Überblick findet sich bei Jung (1999).

Zwangsläufig musste diese Entwicklung auch die menschliche Leistungsfähigkeit einschließen, um den Schritt von Prototypen zu geeigneten Geräten für die verbreitete Nutzung zu ermöglichen. Zwar wird das Tauchen in der westlichen Welt in der Regel mit maskulinen Eigenschaften in Verbindung gebracht, man kann aber festhalten, dass es bereits vor mehr als 2000 Jahren Frauen gab, die ohne Atemgerät tauchten. In diesem Sinne stehen die Amas, die bereits im 3. Jh. vor Christus erwähnt werden, im krassen Gegensatz zu den Tauchern, die Stelzner 1931 als „… Männer hoher geistiger Kräfte, von Verstand und einwandfreier Moral“ beschreibt. Die Abbildungen in der Literatur, die historische Atemgeräte darstellen, verstärken aber die These von Stelzner. Es wurden bereits im 16. Jahrhundert in England und Frankreich die ersten Helmtauchanzüge bis zu einer Tiefe von 20 Metern eingesetzt.


Abb. 2.1: Erprobung der US-Navy Diving Tables (1915): Der Bordkran benötigte eine Minute für 60 Fuß = 18 Meter (Quelle: US Navy Diving Manual, Washington, 1985)

Die Entwicklung des Tauchens mit kleinen autonomen Drucklufttauchgeräten als Voraussetzung für das Tauchen als Sport und Freizeitaktivität hatte ihren Ausgangspunkt von 1930 bis 1950 in Frankreich (Le Prieur, Tailliez, Cousteau). In Deutschland haben Mitte des 20. Jahrhunderts Hans und Lotte Hass mit ihren Filmen und Fernsehserien bei vielen den Wunsch nach dem Sporttauchen geweckt.

Es lassen sich zwei Stränge unterscheiden, die in Ausbildung und Training verfolgt werden: Tauchen mit angehaltenem Atem und Tauchen mit Atemgerät.

2.1 Tauchen mit angehaltenem Atem und ABC-Ausrüstung

Das Tauchen mit angehaltenem Atem lässt sich sogar schon bis in die Zeit der alten Ägypter zurückverfolgen. Für die Thematik „Tauchen mit Kindern“ ist zuerst das Schnorcheln bzw. das Apnoetauchen relevant. Tauchbrillen bzw. -masken machen es überhaupt erst möglich, mit angehaltenem Atem die Unterwasserwelt zu erkunden, Schnorchel und Flossen erweitern den Aktionsradius erheblich. Die Entwicklung dieser drei Geräte (ABC-Ausrüstung), die die elementaren Ausrüstungsgegenstände des Sporttauchens darstellen, wird entscheidend im 19. Jh. vorangetrieben, aber erst mit der modernen Serienproduktion nach dem 2. Weltkrieg sind Materialien verfügbar, die auch von Kindern und Jugendlichen genutzt werden können. Die Vielfalt der Entwicklungen für diese recht einfachen Ausrüstungsteile des Tauchens ist immer wieder erstaunlich. Damit sollen der Aufenthalt und die Fortbewegung im Wasser erleichtert werden, um möglichst vielen Menschen einen Einblick in die Unterwasserwelt zu ermöglichen. Sieht man sich manche Kombinationen von Maske und Schnorchel an, die selbst heute immer wieder auf den Markt gebracht werden, so wird klar, dass hier wohl oft „nur“ das Schwimmen an der Oberfläche, aber nicht das Tauchen erleichtert werden soll.

2.2 Tauchen mit Atemgerät

Die Geschichte des Tauchens mit Atemgerät lässt sich bis in die Antike zurückverfolgen. In dieser Zeit werden Tauchglocken beschrieben, die aber mit den modernen Tauchgeräten wenig zu tun haben. Aber auch die Idee, Atemluft mit unter Wasser zu nehmen, um sich dann frei bewegen zu können, lässt sich schon in dieser Zeit nachweisen. Der Bedarf an Rettungsgeräten, sowohl für Menschen unter Tage, aber auch in Unterwasser-Booten, und Atemgeräten zur Durchführung von Unterwasserarbeiten vielfältiger Art einschließlich militärischer Zwecke haben die Entwicklung der offenen Atemgeräte als auch die der Kreislaufgeräte maßgeblich beschleunigt.

Die Entwicklung der Atemgeräte, die heute im Sporttauchen angewendet werden, ist wie die Entwicklung der ABC-Ausrüstung mit der Industrialisierung Mitte des 19. Jh. verbunden. Bernhard und Heinrich Dräger stellten 1912 in Lübeck den ersten frei tragbaren schlauchlosen Sauerstoff-Kreislauf-Tauchapparat vor. Erst die industrielle Serienproduktion erlaubte es, Tauchgeräte auch für sportliche Zwecke zu nutzen. Frankreich darf hier als Ausgangspunkt verstanden werden, weil hier die Firma La Spirotechnique die ersten Atemgeräte seriell produzierte.

Es ist sicherlich schwierig nachzuverfolgen, wann erstmals Kinder und Jugendliche mitgetaucht sind. Der Zugang zu ABC-Ausrüstung und Atemgeräten bildet aber sicher die entscheidende Grundlage. Die organisierte Entwicklung in dieser Altersgruppe ist zumindest in Deutschland mit der Gründung von Sporttauchvereinen verbunden. Eltern als Vorbild, Berichte über die abenteuerliche Unterwasserwelt (s.o.) waren sicher schon in den 1950er Jahren Anreiz für Jugendliche, das Schnorcheln zu erlernen und dann Möglichkeiten zu suchen, mit Atemgerät zu tauchen. Solche Möglichkeiten boten sich auch in Tauchvereinen, in denen sich Erwachsene organisierten und die dann 1954 zur Gründung des Verbandes Deutscher Sporttaucher e.V. (VDST) führte.

2.3 Altersgrenzen für Kinder und Jugendliche

Tauchmedizinische Aspekte spielen offensichtlich frühzeitig eine gewichtige Rolle auch beim Sporttauchen. Ehm/Seemann (1965) legen das 16. Lebensjahr als Grenze für das Tauchen mit Atemgerät im Freigewässer fest. Allerdings beschreiben Sie das günstigste Alter für eine Tauchausbildung in der Alterspanne „… zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr“.

Ohne explizit auf jüngere Taucher einzugehen, beschreiben Ehm/Seemann die Notwendigkeit einer ärztlichen Untersuchung auch für das Schwimmbad. Während im VDST bereits 1967 durch ein Deutsches Jugend-Tauchsportabzeichen (DJTSA) die Tauchausbildung für jüngere Taucher ab 12 Jahren im Schwimmbad entwickelt wurde, bleibt unter Medizinern das Thema umstritten. Interessant ist hierbei, dass nicht die physiologisch-anatomischen Aspekte im Mittelpunkt stehen, sondern psychologische Gründe als entscheidend genannt werden, wenn es um Tauchgänge im Freigewässer geht.

2.4 Konzepte und Voraussetzungen für die Ausbildung von Kindern und Jugendlichen für das Tauchen im Freigewässer

Durch die Tatsache, dass Kinder offensichtlich bei qualifizierter Begleitung auch sicher unter bestimmten Voraussetzungen tauchen können, wird die Altersgrenze immer wieder kritisch hinterfragt. Es wurden differenzierte Konzepte entwickelt, die die Ausbildung und die Bedingungen beschreiben, unter denen Kinder und Jugendliche das Tauchen lernen und dann auch tauchen sollten. Dabei wurde auch der Schulsport einbezogen. So werden z.B. in den Richtlinien für den Schulsport in NRW 1980 differenziert die Möglichkeiten der Schwimmbadangebote beschrieben. Allgemein wurde eine untere Altersgrenze von 8 Jahren für das Tauchen mit Atemgerät akzeptiert, was auch heute noch Bestand hat.

Dass Kinder nur im Freigewässer tauchen können, wenn sie von besonders qualifizierten Erwachsenen unter Wasser geführt und begleitet werden, stand und steht wohl für alle Ausbildungsanbieter im Sporttauchen außer Frage. Weitere Aspekte wie Umwelt- und Ausrüstungskriterien wurden schon frühzeitig berücksichtigt. Die maximal vertretbaren Tiefen- und Zeitgrenzen für Tauchgänge im Freigewässer werden immer wieder seit den 1980er Jahren diskutiert. Drei entscheidende Gründe für relativ strikte Grenzen werden herausgearbeitet: Das Risiko eines Lungenbarotraumas, die mögliche Gefährdung durch Blasenbildung während der Dekompression und die zeitlich begrenzte Konzentrationsfähigkeit. Das Ergebnis war u.a. die alters- und erfahrungsabhängige Limitierung der Tauchtiefe und der Tauchdauer, die jede Organisation für sich regelte. In „10 Goldenen Regeln zur Gestaltung der Ausbildung für Kinder und Jugendliche“ wurde 1994 zusammengefasst, welche Aspekte neben diesen Tiefen- und Zeitgrenzen zu beachten sind. Diese 10 Regeln bildeten dann auch die Grundlage der „Eisenacher Erklärung“, die von zahlreichen Ausbildungsorganisationen und Firmen der Tauchbranche 2015 unterzeichnet wurde (siehe Anlage 1).

Die zunehmende Verbreitung des Sporttauchens auch bei Kindern motivierte die Tauchindustrie in den 1990er Jahren, vermehrt besondere Ausrüstungsteile, wie z.B. Jackets und Atemregler mit kleinen Mundstücken, für Kinder zu entwickeln und anzubieten. Parallel dazu wurden die Ausbildungsangebote von den Organisationen wie z.B. VDST/CMAS, PADI oder SSI weiterentwickelt. Diese bilden bis heute die Grundlage der Tauchausbildung für Kinder und Jugendliche. Einen Schritt zur Normung der Rahmen und Inhalte für die Ausbildung im Sinne der Vorgaben für „Sicherheitsrelevante Mindestanforderungen an die Ausbildung von Freizeit-Gerätetauchern“ (DIN/EN/ISO 24801), die seit 2005 in Kraft sind, hat es für Kinder und Jugendliche nicht gegeben. So gibt jede Organisation ihre eigenen Rahmenbedingungen für das Tauchen mit Kindern und Jugendlichen vor (siehe Kindertauchausbildung in Kapitel 13.4, Tiefenbegrenzung nach Ausbildung Tabelle 16.3, nach Alter Tabelle 16.4).

2.5 Tauchtauglichkeit

Obwohl immer wieder darauf hingewiesen wurde, dass besondere medizinische Tauchtauglichkeitskriterien für Kinder und Jugendliche fehlen, wurde erst 2009 im CAISSON ein Vorschlag für einen neuen GTÜM-Untersuchungsbogen veröffentlicht (C Beyer, B Winkler, CM Muth, K Tetzlaff, Caisson 24.Jg/2009/Nr.2). Der Bogen wurde online zur Diskussion gestellt. Das Thema Tauchen von Kindern und Jugendlichen wurde in den Tauchzeitschriften als Schwerpunktthema erkannt (Tauchen/August 2002). Die Tauchmedizin hielt nicht mehr Schritt mit der Tauchpraxis in Deutschland und dem Ausland, wo Tausende von Kindern und Jugendlichen Tauchen praktizierten. Dass es dabei zu katastrophalen Unfällen kam (durch Nicht-Beachtung jeglicher Regeln), sollte nicht verschwiegen werden (Fehmarn, Juli 2010). Die GTÜM gab das erste Schwerpunktheft zum Thema „Tauchen mit Kindern“ im Dezember 2012 heraus. 2013 wurde dann der ursprüngliche Untersuchungsbogen der GTÜM durch die Arbeitsgruppe Kinder- und Jugendtauchen der Gesellschaft für pädiatrische Sportmedizin e. V. modifiziert und auf der Homepage als Empfehlung zur Durchführung der Untersuchung veröffentlicht. In den tauchmedizinischen Handbüchern (Bove und Davis, Edmonds et al., Ehm et al.) wurde über das Tauchen von Kindern und Jugendlichen bis zum Erscheinen der „Modernen Tauchmedizin“ (Hrsg. Klingmann, Tetzlaff, 1. Auflage 2007) nur allgemein und über wenige Seiten geschrieben. Auch im Tauchtauglichkeits-Manual (Wendling et al.) gab es nur einen kurzen Text. Das Thema Tauchen von Kindern und Jugendlichen wurde nun intensiv unter Taucherärzten diskutiert. Ein Ergebnis war die Veröffentlichung der Eisenacher Erklärung (2015), die von vielen Tauchorganisationen unterstützt wurde. Die GTÜM veranstaltete am 7. März 2015 ein Symposion in Wiesbaden mit dem Thema „Tauchen von Kindern und Jugendlichen“. Durch den Wunsch der über 200 Teilnehmer entstand die Idee zu einer Zusammenfassung der bisherigen Erkenntnisse in Buchform, die Ihnen jetzt vorliegt.


Abb. 2.2: Poster Tauchmedizinisches Symposion in Wiesbaden 2015 (Grafik: Fabiane Seeger, Hamburg)

Moderne Tauchmedizin im Kindes- und Jugendalter

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