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Demut
ОглавлениеBeugst du das Haupt und fühlst dich erhoben -
so ist es wahre Demut.
Beugst du das Haupt und fühlst dich erniedrigt -
so ist es falsche Demut.
(aus: Die Antwort der Engel, Gitta Mallasz, Daimon Verlag)
Demütig zu sein erscheint uns in der heutigen Zeit reichlich antiquiert. Dabei ist Demut eine wichtige Eigenschaft, die es zu kultivieren gilt, wenn wir ernsthaft an der Veredelung unseres Charakters arbeiten wollen, denn Demut bewahrt uns vor Überheblichkeit, Selbstüberschätzung, Arroganz, Egozentrik und Zynismus.
Ich rede von der Demut, die uns erlaubt, Menschen mit offenem Herzen und mit Empathie zu begegnen, ohne sie zu bewerten oder zu verurteilen. Egobefreite Demut, die es uns ermöglicht, bescheiden im Hintergrund zu wirken, ohne uns devot zu verhalten. Demut, die uns befähigt, flexibel auf Veränderungen zu reagieren, weil wir bereit sind, uns hinzugeben und die Notwendigkeit von Veränderungen sowie geistige Führung nicht in Frage stellen.
Folgende Synonyme lassen sich u. a. für das Wort „Demut“ finden:
Bescheidenheit, Opferbereitschaft, Unterwürfigkeit, Fügsamkeit, Hingabe, Gehorsam, Duldsamkeit, Mäßigkeit, Bedürfnislosigkeit, Nachgiebigkeit, Willfährigkeit, Ehrfurcht, Treue, Ergebenheit, Entsagung, Hingebung, Einfachheit, Genügsamkeit, Selbstbescheidung, Zufriedenheit, Zurückhaltung.
Kein Wunder also, dass wir „Demut“ zumeist in einen religiösen Zusammenhang stellen. Bei den Worten: „Opferbereitschaft, Unterwürfigkeit, Gehorsam, Bedürfnislosigkeit, Ehrfurcht, Entsagung, Selbstbescheidung und Zurückhaltung“ sind die Assoziationen zu „kalten Klosterzellen, Zölibat, harter Arbeit, strengen Regeln und spartanischem Essen“ naheliegend. Klingt nicht gerade erstrebenswert und auch nicht unbedingt zeitgemäß, oder?
Fehlt es uns aber an Demut, präsentieren wir uns unseren Mitmenschen mit genau den gegensätzlichen Eigenschaften von Demut: Mit Gier und Mangeldenken, statt mit Bescheidenheit, Opferbereitschaft und Genügsamkeit. Mit Wollen, Druck und Zwang, statt mit Zurückhaltung, Nachgiebigkeit und Duldsamkeit. Mit Unzufriedenheit, statt mit Einfachheit und Zufriedenheit. Mit Zweifeln, mangelndem Vertrauen und Kontrollzwang, statt mit Ergebenheit, Fügsamkeit und Hingebung.
Demut wird uns zumeist nicht in die Wiege gelegt. Jeder Mensch muss sie erst erlernen. Auch eine Alte Seele, die aufgrund der in vielen Inkarnationen gemachten Erfahrungen bereits das Potential zur Demut in sich trägt, muss sich ihrer erst wieder erinnern. Denn gerade in jungen Jahren erfährt sich auch eine Alte Seele zunächst einmal in den Themen „Geld, Macht, Kontrolle, Materie“, weil sie, wie bereits in „Praktische Spiritualität für Ungeduldige“ ausführlich beschrieben, spirituell erst wieder bis zu dem Punkt reifen muss, an dem sie ihr vorhergehendes Leben beendet hat.
Doch wie kann ein Mensch Demut erlangen bzw. sich an sie erinnern?
Nur dadurch, dass er selbst schwierige, leidvolle Lebenssituationen zu meistern hat. So lernt er, dass jeder Mensch Fehler macht und Schuld auf sich lädt, sowohl Opfer als auch Täter ist, nur an seinen Erfahrungen wachsen und reifen kann und kein Mensch mehr Wert ist als ein anderer. In der Bibel steht bei Hebräer 12: 6: „Denn wen der Herr liebt, den züchtigt er; er schlägt mit der Rute jeden Sohn, den er gern hat.“ 12/7: „Haltet aus, wenn ihr gezüchtigt werdet.“ 12/1: „Jede Züchtigung scheint zwar für den Augenblick nicht Freude zu bringen, sondern Schmerz; später aber schenkt sie denen, die durch diese Schule gegangen sind, als Frucht den Frieden und die Gerechtigkeit.“
Haben wir selbst Zeiten erlebt, in denen wir finanziell abhängig und unvermögend waren, werden wir einen Menschen nicht mehr danach beurteilen, ob er viel oder wenig Geld besitzt. Waren wir selbst schon krank und mussten Schmerzen erleiden, haben aber erkannt, dass wir aufgrund unserer unbearbeiteten Themen krank wurden und uns durch die Bearbeitung derselben selbst heilen konnten, so werden wir einem Kranken nicht länger mit Mitleid, sondern mit Mitgefühl begegnen. Wenn wir erfahren haben, dass wir uns mit ungeduldigen Wollen, mit Druck und Zwang selbst in Schwierigkeiten gebracht haben, wird unsere Erwartungshaltung Menschen gegenüber einer gesunden Widerstandslosigkeit und einem Einverstandensein weichen. Zu erleben, dass auch der größtmögliche Luxus, ein wundervoller Partner, intelligente Kinder etc. letztlich nicht für unser Glück verantwortlich sind und uns auch nicht vor Fehlern oder Schaden bewahren können, hilft, die positiven Elemente des Lebens zu genießen, ohne uns von ihnen abhängig zu machen, oder andere um ihr scheinbares Glück zu beneiden. Haben wir bereut, dass wir anderen Menschen Schmerz zugefügt oder sie ungerecht oder unangemessen behandelt haben, werden wir milde mit denen umgehen, die gerade ähnliche Erfahrungen machen.
Ohne Demut können wir kein tragendes Urvertrauen und zweifelsfreies Gottvertrauen aufbauen. Demut lässt uns unsere ganz persönliche Aufgabe und unseren Platz in der Einheit erkennen. Dank ihrer wird es uns gelingen, Hingabe, Widerstandslosigkeit, Einverstandensein und bedingungslose Liebe zu leben. Mit ihrer Hilfe werden wir unsere Herzqualitäten wie Mitgefühl, Mut, Toleranz, Empathie und Hingabefähigkeit entwickeln können. Nur wenn wir demütig sind weicht unser Ego zurück und schafft Raum für geistige Führung und das Göttliche. Und dann nimmt unser Verstand automatisch den ihm angemessenen Platz ein, indem er dem Geist dient und nicht umgekehrt.