Читать книгу Rachedurst - Kerstin Schwarz - Страница 5

Оглавление

2

Mittlerweile war es schon später Nachmittag. Die Sonne stand noch hoch am Himmel und es war kaum ein Wölkchen in Sicht. Sicherlich waren es noch mehr als 25 °C und selbst im Schatten war es sehr warm. Da Lilly nicht gleich ihre ganzen Ersparnisse am ersten Tag aufbrauchen wollte, hatte sie geplant, die ersten Nächte im Freien zu verbringen. Das sollte in den warmen Julinächten kein Problem sein.

Noch immer stand Lilly vor dem Bahnhofsgebäude und wusste nicht, in welche Richtung sie gehen sollte. Dieser Ort war noch verschlafener als ihr Heimatdorf. Sicher würde Lilly bald Aufsehen erregen, wenn sie noch länger planlos herumstand. Sie ging zu den Schaukästen mit den Fahrplänen. Auf jeden Fall würde sie morgen den nächsten Zug nehmen und ihre Reise fortsetzen. Lilly hatte keine Eile. Es war ihr egal, wann sie Berlin erreichen würde. Wichtig war nur, irgendwann dort anzukommen.

Lilly lief nach rechts und mied vorsorglich die Hauptstraße. Die kleinen Nebenstraßen halfen ihr niemandem zu begegnen. Sie fand sogar eine Straße, die direkt in einem Feldweg endete. Es ging bergab, bergauf und der Weg führte sie weg von jeglicher Zivilisation. Es war so idyllisch hier. Die meisten Felder waren bereits abgeerntet und sie war umgeben von Stoppelfeldern. Nur der Mais und die Sonnenblumen wuchsen noch weiter dem Himmel entgegen. Es war ein wunderschönes Tal, in dem Lilly weder Angst noch Unbehagen verspürte. In der Ferne waren leichte Anhöhen und kleine Hügel zu sehen. Sie fühlte sich wohl und wusste, hier draußen könnte sie die Nacht verbringen. Alles war so friedlich, als ob sich hier noch Fuchs und Hase ‚Gute Nacht’ sagen würden. Der Wind wehte sanft über die Grashalme und ließ die Blätter leise rascheln.

Lilly lief weiter und genoss ihre Freiheit. Mit jedem Schritt und jedem Atemzug drang diese immer tiefer in ihr Bewusstsein ein. Sie war beschwingt und voller Glückseligkeit. Es fühlte sich an, als hätte sie Flügel, die sich nun zum ersten Mal vollends entfalteten. Wie ein Schmetterling, der sich gerade aus einer Raupe entpuppt und aus seinem Kokon geschlüpft war. Ab und an wehte eine leichte Brise, die ihr langes schwarzes Haar um ihr Gesicht flattern ließ. Die richtige Erfrischung für ihre Wanderung. Auf einer leichten Anhöhe stand ein alter Apfelbaum, dessen gewaltige Krone einen schattigen Platz spendete.

Lilly war so entzückt, dass sie geradewegs auf diesen Baum zusteuerte. Der ideale Platz für eine kurze Pause, dachte sie und ließ sich darunter im saftigen Gras nieder. Neben ihr wuchsen ein paar rosa Blümchen, die einen wohltuenden Duft verströmten. Es war herrlich! Sie streckte die Beine aus und lehnte sich mit dem Rücken an den alten Baum. Eine Wohltat nach diesem langen Tag. So langsam verspürte Lilly Hunger und ein leises Rumoren in ihrem Bauch erinnerte sie daran, dass ihre letzte Mahlzeit schon mehrere Stunden zurücklag.

Lilly suchte in ihrem Rucksack nach den belegten Broten, die sie heute Mittag noch zubereitet hatte. Herzhaft biss sie hinein und verschlang das Brot mit wenigen Bissen. Nachdem sie auch ihren Durst gestillt hatte, wollte Lilly sich noch ein bisschen ausruhen. Sie war müde von dem anstrengenden Tag.

Sie benutzte ihren Rucksack als Kopfkissen und starrte hinauf in das schöne Blau des Himmels. Vereinzelt zogen kleine Schleierwölkchen vorbei, die sie freudig beobachtete. Mittlerweile stand die Sonne schon weiter im Westen. Lange würde es nicht mehr dauern, bis sie hinter den Hügeln in der Ferne verschwinden würde. Während Lilly so friedlich unter dem Baum lag, senkten sich ihre Augenlider immer weiter. Der leichte Wind spielte sanft mit ihren Haaren, die ihr Gesicht sachte streichelten. Schließlich fielen ihre Augen ganz zu und Lilly war eingeschlafen.

Rachedurst

Подняться наверх