Читать книгу Klausurenkurs im Arbeitsrecht I - Kerstin Tillmanns - Страница 120
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Repetitorium
I. Anspruchsgrundlagen im Arbeitsrecht
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Im Arbeitsrecht ist mehr noch als im allgemeinen Zivilrecht zu beachten, dass sich Ansprüche des Arbeitnehmers aus unterschiedlichen geschriebenen und ungeschriebenen Rechtsquellen ergeben können. Diese werden hier nach Rangordnung genannt:
1. | a) Aus dem Grundgesetz, insbesondere den Grundrechten, lassen sich grundsätzlich keine Ansprüche ableiten. Grundrechte sind in erster Linie Abwehrrechte gegen den Staat. Im Zivilrecht, also auch im Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer, entfalten sie nur mittelbare Wirkung b) Ansprüche aus unmittelbar anwendbarem Unionsrecht (Primärrecht, Verordnungen) Das Rangverhältnis zwischen beiden Rechtsquellen ist ungeklärt. |
2. | Ansprüche aus dem einfachen Gesetzesrecht |
3. | Ansprüche aus Tarifvertrag |
4. | Ansprüche aus Betriebsvereinbarung |
5. | a) Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag, auf dieser Rechtsquellenebene stehen auch: b) Gesamtzusage, vertragliche Einheitsregelung c) Ansprüche aus dem (ungeschriebenen) arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz; dieser setzt jedoch insbesondere eine kollektive Maßnahme des Arbeitgebers voraus d) Ansprüche aus betrieblicher Übung |
Im Rahmen der gutachterlichen Falllösung müssen sämtliche Anspruchsgrundlagen gefunden und geprüft werden. Dann ist zu entscheiden, in welchem Konkurrenzverhältnis die Anspruchsgrundlagen zueinander stehen.
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In der allgemeinen Rechtsquellenlehre gilt zunächst das Rangprinzip, danach geht die ranghöhere der rangniedrigeren Rechtsquelle vor.
Existieren zwei (selten mehr) Anspruchsgrundlagen auf dem gleichen Rang (z. B. kommen zwei unterschiedliche tarifvertragliche Anspruchsgrundlagen in Betracht), gelten zwei Prinzipien:
• | das Ablösungs-/Ordnungsprinzip, nach dem neue Regelungen ältere bei gleichem Regelungsgegenstand verdrängen (lex posterior derogat legi priori), und |
• | das Spezialitätsprinzip, nach dem eine speziellere Regelung einer allgemeineren vorgeht (lex specialis derogat legi generali). |
Auf der arbeitsvertraglichen Ebene ist das Rangverhältnis durch Auslegung der Parteivereinbarung zu ermitteln. Grundsätzlich kann ein vertraglicher Anspruch nur durch beide Arbeitsvertragsparteien geändert werden.
Existieren zwei oder mehr Anspruchsgrundlagen auf unterschiedlichen Rängen, gilt im Arbeitsrecht das Günstigkeitsprinzip. Ausdrücklich ist dies nur in § 4 III TVG geregelt; es handelt sich jedoch um einen allgemeinen Grundsatz, der aus dem Schutzzweck des Arbeitsrechts folgt. Im Verhältnis zwischen Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen (§§ 77 III, 87 I BetrVG) besteht eine wichtige Ausnahme zum Günstigkeitsprinzip.
II. Prüfungsschema AGB-Kontrolle
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Das folgende Schema stellt nur die wichtigsten Stufen der AGB-Prüfung dar. Im Einzelfall können sich Abweichungen ergeben; insbesondere können auch Prüfungsschritte entfallen. Grundsätzlich sind die „im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten“ gem. § 310 IV 2 BGB angemessen zu berücksichtigen.
1. | Vorliegen von AGB (§ 305 I BGB) a) vorformulierte Vertragsbedingungen b) für eine Vielzahl von Verträgen (oder Verbrauchervertrag gem. § 310 III Nr. 2 BGB) c) vom Verwender gestellt (nicht bei Verbrauchervertrag, § 310 III Nr. 1 BGB) |
2. | Einbeziehung in den Vertrag a) nach allg. rechtsgeschäftlichen Regeln (§ 310 IV 2 BGB) b) Vorrang von Individualabreden (§ 305b BGB) c) keine überraschende Klausel (§ 305c I BGB) |
3. | Auslegung der Allgemeinen Vertragsbedingungen a) nach allgemeinen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) b) Unklarheitenregel (§ 305c II BGB) |
4. | Inhaltskontrolle a) uneingeschränkte Kontrollfähigkeit (§ 307 III 1 BGB, sonst S. 2 der Norm) b) Klauseln ohne Wertungsmöglichkeit (§ 309 BGB) c) Klauseln mit Wertungsmöglichkeit (§ 308 BGB) d) Generalklausel (§ 307 I und II BGB, bei Verbrauchervertrag § 310 III Nr. 3 BGB), insbesondere auch Transparenzgebot (§ 307 I 2 BGB) |