Читать книгу Mond der Ewigkeit - Kim Landers - Страница 10
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ОглавлениеAmber schloss den Koffer, bevor sie sich zu Aidan umdrehte. „So, geschafft“, sagte sie lächelnd. Das Lächeln blieb ihr im Hals stecken, als sie seine düstere Miene sah. „Hermit ist dir wohl egal?“ Er verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich an den Schrank hinter sich.
Wie konnte er nur so etwas behaupten? Jeden Tag hatte sie am Krankenbett verbracht, war mit Hermit im Garten des Krankenhauses spazieren gegangen, als es ihm besser ging. Der alte Druide hatte sich erholt und wirkte vitaler als je zuvor.
„Was soll dieser Vorwurf? Er ist mein Freund. Ich bin jeden Tag bei ihm gewesen und es geht ihm besser. Du schiebst Hermit nur vor, weil dir meine Reise nicht passt. Sag es doch freiheraus.“
Aidan sog geräuschvoll die Luft ein. „Ja, verdammt, ich will nicht, dass du nach London fährst.“
Er packte sie am Arm. Seine Finger krallten sich in ihr Fleisch, dass sie aufschrie. Sein finsterer Blick machte sie wütend. Es war nur eine kurze Reise, die Tage würden wie im Flug vergehen. Er musste doch verstehen, wie wichtig es ihr war, mehr über ihren wirklichen Vater herauszufinden. Caroles Angebot, sie zu unterstützen, war eine einmalige Gelegenheit. Und was Hermit betraf, war sie froh, wie gut er allein wieder zurechtkam.
Carole arbeitete im historischen Museum in London und besaß gute Kontakte nach Glastonbury, der Ort, an dem sich ihre Eltern begegnet waren. Durch ihre Hilfe versprach sich Amber viel. Diese Chance konnte und wollte sie sich auf keinen Fall entgehen lassen.
„Aidan, lass los, du tust mir weh.“ Amber wehrte sich gegen den festen Griff. Nur widerwillig ließ er von ihr ab und schnaubte wütend. „Versteh doch endlich, wie wichtig mir das ist. Mach keinen Aufstand wegen der paar Tage. Außerdem könntest du mitkommen.“
„Auf gar keinen Fall! Ich werde Gealach nicht verlassen, nicht mal für eine Stunde.“
So sehr sie sich auch bemühte, ihn zu verstehen, es fiel ihr schwer. Sein ständiges Aufbrausen, seine Launen … Er verschwieg ihr etwas, das spürte sie. „Warum denn? Deine Starre wird niemand bemerken, wenn du in der Zeit auf dem Hotelzimmer bleibst. Und jagen …“
„Na, super! Und wenn mich das Zimmermädchen entdeckt? Wie willst du das erklären? Und hast du nicht eine Kleinigkeit vergessen? Meinen Blutdurst? Soll ich dann vielleicht nachts durch den Hydepark schleichen und jemanden anfallen? Auf die höfliche Art: Entschuldigung, darf ich mal bitte einen Schluck aus ihrer Halsschlagader nehmen? Was wäre, wenn mich jemand beobachtet? Nein, mein Platz ist in Gealach, wo ich jeden Winkel kenne, in dem ich mich verbergen kann und das Moor, in das mir niemand folgt.“
„Es gibt doch in London genügend Tiere …“
„Eichhörnchen oder was läuft da noch im Park rum? Genug! Schluss damit!“, donnerte er.
An seiner entschlossenen Miene erkannte sie, dass ihn nichts und niemand umzustimmen vermochte. Dabei hatte sie gestern gehofft, ihn doch noch überreden zu können. Ein paar unbeschwerte Tage mit ihm zu verbringen, fernab von Clava Cairn und Revenants Einfluss, ein Traum, der einer bleiben würde.
„Fahr, aber ich bleibe hier. Das ist mein letztes Wort.“ Aidan sah zur Seite.
Dieser Sturkopf. „Du bist der störrischste, verbohrteste Vampir, der mir je begegnet ist!“ Wie gern hätte sie mit ihm auf der Reise die Ergebnisse ihrer Recherche geteilt.
„Ich bin auch der Einzige, den du kennst“, antwortete er, und sie konnte am Zucken seiner Mundwinkel erkennen, dass ihn ihr Vorwurf offensichtlich amüsiert hatte.
Es war schon lange her, dass er gelächelt oder sie zusammen gelacht hatten. Zu lange. Stattdessen umgab seinen sinnlichen Mund oft ein bitterer Zug. Vermisste er die anfängliche Unbeschwertheit ihrer Beziehung so wie sie?
„Bilde dir bloß nicht ein, Aidan MacFarlane, eine Ausnahme zu sein. Und wenn auch in London attraktive Vampire existieren?“, neckte sie ihn, wie sie es früher immer getan hatte. Doch statt eines humorvollen Konters verschlossen sich seine Lippen und sein Blick wurde starr. Nach den vergangenen Wochen hätte sie es besser wissen müssen. Sobald sie einen anderen Mann nur erwähnte, verstand er keinen Spaß. Wenn sie eben geglaubt hatte, sich ihm ein Stück zu nähern, war sie einem Irrtum erlegen. Die Kluft zwischen ihnen schien unüberwindbar.
„Gibt es nicht. Ich wüsste das. Fahr, wenn es dich glücklich macht. An mich brauchst du keinen Gedanken zu verschwenden. Du wirst in London sicher genügend Männer kennenlernen.“
Amber wollte etwas erwidern, als er fortfuhr: „Normale Männer.“
„Du und deine Eifersucht. Jedes Mal wirfst du mir vor, mich irgendeinem Mann an den Hals zu werfen, als wenn ich sexuelles Notstandsgebiet wäre. Das macht mich verrückt. Ich kann so nicht leben, wenn du mir ständig misstraust. Ich will dich und keinen anderen! Mit diesen dauernden Unterstellungen machst du mein Leben zur Hölle und unsere Beziehung kaputt.“ Sofort bereute sie ihre Worte. Aber es war zu spät, sie zurückzunehmen.
Betroffenheit lag in seiner Miene, als er zurückwich. Sie hatte gewusst, dass es mit ihm nicht leicht sein würde. Aber so schwer hatte sie es sich nicht vorgestellt.
„Wenn du so empfindest, sollten wir uns besser trennen“, sagte er leise.
Amber zuckte zusammen, als hätte er ihr die Faust in den Magen gerammt. Bevor sie etwas erwidern konnte, klingelte ihr Handy. Sie hatte den Alarm eingestellt, um nicht den Zug zu verpassen. Ausgerechnet jetzt, wo sie keine Zeit hatte, mussten sie sich streiten. Sie stöhnte innerlich auf und lenkte ein. „Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, zwischen Tür und Angel. Lass uns in Ruhe darüber reden, wenn ich zurück bin.“
„Falls du zurückkommst.“
„Aidan, bitte vertrau mir endlich, so wie ich dir.“ Amber trat auf ihn zu, um sich zu verabschieden und erschrak, wie abweisend er sie ansah. „Willst du wirklich, dass wir im Streit auseinandergehen?“ Sie schluckte gegen den Kloß in ihrem Hals an und kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen. Es gelang ihm immer, ihr schlechtes Gewissen zu wecken.
„Du hast dich entschieden.“ Es fehlte nur noch, dass er die Worte ‚gegen mich‘ ergänzte, aber sie folgten nicht.
„Für dich, auch wenn ich nach London fahre. Ich akzeptiere, dass du nicht mitwillst. Aber versuch bitte auch, mich zu verstehen. Ich muss es tun, sonst würde ich mir mein Leben lang vorwerfen, die Möglichkeit vertan zu haben, mehr über meine Wurzeln herauszufinden.“
Seine Mundwinkel zogen sich nach unten. Er wollte sie scheinbar nicht verstehen, sondern biss sich in seiner verdammten Eifersucht fest. Wortlos griff Amber nach dem Koffer und ging zur Tür. Ihr wurde das Herz schwer bei diesem lieblosen Abschied. Hoffentlich konnte sie die Tränen bis zum Wagen zurückhalten. Als sie die Klinke niederdrückte, fasste er ihren Arm. Es bedurfte keiner Worte mehr. Der Koffer glitt aus ihrer Hand. Amber wirbelte herum, um sich in seinen Armen zu einem Kuss wiederzufinden. Sie umschlang seinen Nacken und presste sich an ihn. Seine Kälte war ihr so vertraut, dass sie fast vergessen hatte, wie sich sein lebendiger Leib angefühlt hatte. Sie liebte ihn mit jeder Faser ihres Herzens, gleichgültig, ob er ein Vampir oder ein Mensch war. Wann würde er das begreifen? Spürte er nicht die Hingabe, die sie in diesen Kuss legte, und die einzig ihm galt? Aidans Kuss hingegen war fordernd, fast grob. Er presste sie so fest an sich, dass sie kaum noch Luft bekam.
„Amber, ohne dich ist für mich alles bedeutungslos“, flüsterte er an ihrem Ohr. „Ich liebe dich und könnte es nie ertragen, wenn du mich verlässt.“
Sie nahm sein Gesicht in beide Hände und sah ihm tief in die Augen. „Ich verlasse dich nicht, sondern fahre nach London und nach Glastonbury.“ Sanft löste sie sich aus der Umarmung. „Ich muss jetzt los. Der Zug wartet nicht. Bist du sauer, wenn ich dich nicht bitte, mich zum Bahnhof zu bringen? Abschiede auf Bahnhöfen und Flughäfen hasse ich.“
Aidan nickte. „Ist schon okay. Aber wenn du mich brauchst …“
„Dann schicke ich dir eine mentale Botschaft, ich weiß.“ Sie küsste ihn ein letztes Mal, bevor sie das Schloss verließ.
Sie verließ Gealach und Aidan mit gemischten Gefühlen. Immer wieder schaffte er es, sie zu Worten zu provozieren, die sie nicht sagen wollte.
Sie atmete erst auf, als sie im Zug nach London saß. Gealach war manchmal ein Gefängnis oder ein Grab. Am Anfang hatte ihr das Aidans wegen wenig ausgemacht, aber in letzter Zeit verspürte sie das immer stärker werdende Verlangen, aus diesem Leben auszubrechen. Sicherlich spürte Aidan ihre Sehnsüchte und reagierte deshalb mit Eifersucht. Dennoch wollte sie sich jetzt durch ihn die Vorfreude auf London und Carole nicht nehmen lassen. Die Freundin würde sie sicher auf andere Gedanken bringen. Manchmal half Abstand in der Beziehung, sich wieder näherzukommen.