Читать книгу Mond der Ewigkeit - Kim Landers - Страница 9

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Amber griff nach den Wagenschlüsseln, die auf der Kommode neben der Garderobe lagen und setzte den Fuß auf die Treppe, als das Telefon klingelte. Das nicht auch noch! Sie war mal wieder spät dran und konnte nicht rangehen. Am besten, sie ignorierte das Klingeln. Sie hatte keine Lust, erneut von Munro gerügt zu werden. Erst letzten Monat hatte sie ein Pfund in die Strafkasse gezahlt. Zum Glück trug der Intendant ihr das nicht lange nach, jedoch nur, weil sie der Publikumsmagnet in seinen Aufführungen war. Aber auch das konnte sich schnell ändern. Es klingelte permanent weiter. Der Anrufer war hartnäckig. Und wenn es Carole war, die erfahren wollte, wann ihr Zug in London eintraf? Seufzend machte sie auf dem Absatz kehrt.

„Hallo?“ Ambers Puls beschleunigte sich. Eine Ärztin aus dem Raigmore Hospital meldete sich am anderen Ende der Leitung.

„Ms. Stern?“

„Am Apparat. Ist etwas mit Mr. Hornby?“ Amber lehnte sich an die Wand, während ihre Hand den Hörer fester umklammerte. Fast glaubte sie, ihre Gesprächspartnerin könnte ihr Herzklopfen hören.

„Mr. Hornby verlangt die ganze Zeit nach Ihnen.“

Wenn Hermit sie sehen wollte, ging es ihm entweder schlechter oder er wollte das Krankenhaus auf eigenen Wunsch verlassen.

„Hat sich sein Zustand verschlechtert? Bitte, sagen Sie mir die Wahrheit.“

„Es geht ihm nicht gut, aber er ist stabil. Hat verdammtes Glück gehabt. Wenn Sie ihn nicht rechtzeitig gefunden hätten … Er nervt das Personal, fragt jede Stunde nach Ihnen. Weil er Ihnen etwas Wichtiges mitteilen möchte. Könnten Sie herkommen?“

Hermit brauchte sie, das besaß höchste Priorität. Aber sie empfand auch Mitleid mit dem Pflegepersonal. Hermit hasste Krankenhäuser und war ein schwieriger Patient. Ade Probe. Munro würde ausflippen, wenn sie schon wieder fehlte. Egal, wenn ein Freund Hilfe benötigte, war sie für ihn da.

„Ja, natürlich. Ich mache mich sofort auf.“

Nach einem knappen Telefonat mit Munro, der auf ihre Absage wie befürchtet ungehalten reagierte, saß sie im Wagen auf dem Weg nach Inverness.

Spürte Hermit sein Ende nahen? Amber fröstelte. Kalter Schweiß lief ihren Rücken hinab. Sie schickte ein Stoßgebet zum Himmel, das Orakel möge sich geirrt haben. Hermit durfte nicht sterben. Sie liebte ihn wie einen guten Freund, fast wie einen Vater. Wie sollte sie es ertragen, wenn auch er sie verließ?

Der graue Himmel spiegelte ihre Stimmung wider. Amber eilte ins Raigmore Hospital. Der Geruch nach Desinfektionsmittel und Bohnerwachs stieg ihr in die Nase. Sie musste gestehen, Krankenhäuser zu meiden, weil sie sie an die Endlichkeit des Lebens erinnerten.

Nachdem sie das Zimmer an der Information erfragt hatte, fuhr sie mit dem Fahrstuhl in den fünften Stock. Sie zögerte, die Klinke zum Krankenzimmer niederzudrücken. Nach einem tiefen Atemzug trat sie ein. Das Zimmer war hell erleuchtet, aber die Luft zum Schneiden dick. Bestimmt war lange nicht gelüftet worden und die Heizung lief auf Hochtouren. In der Ecke lief stumm der Fernseher. Bleich, mit eingefallenen Wangen lag Hermit auf dem Rücken und schien zu schlafen. Deutlicher als sonst zeichneten sich die Konturen seines Schädels wie bei einem Skelett ab. Das erschreckte sie. Er sah nicht auf, als sie nähertrat, sondern lag still da. Vielleicht hatten sie ihm Beruhigungsmittel verabreicht. Noch vor wenigen Tagen hatte sie ihn in seinem Garten besucht und mit ihm gescherzt. Seine Haut war von der kalten Luft gerötet gewesen, aber jetzt war er blass.

Als sie neben seinem Bett stand und ihn betrachtete, hob er die Lider. Sie beugte sich über ihn und fing seinen Blick auf, der stumpf und müde wirkte.

„Amber! Endlich.“

„Hallo, Hermit. Wie geht es dir?“ Sie nahm seine Hand. Die Haut sah wächsern aus wie bei einem Toten.

„Passt schon. In meinem Alter darf man keine Wunder mehr erwarten. Aber die Schwestern sind hier alle knackig.“ Er zwinkerte ihr zu.

Auch wenn er scherzte, fühlte Amber seine Erschöpfung und dass ihn etwas belastete.

Hermits Lippen zitterten, als er fortfuhr. „Es ist gut, dass du da bist. Ich muss dringend mit dir reden. Mir bleibt nicht mehr viel Zeit, bis ich aus dieser Welt scheide.“

„Ach, was redest du da? Du hast doch Glück gehabt und alles gut überstanden.“ Als sie seine Hand tätschelte, schüttelte er den Kopf.

„Hör mir bitte zu, du musst mir was versprechen.“

Eine Ahnung stieg auf und sie verspürte Druck in ihrem Magen. „Alles, was du willst, das weißt du doch.“

„Wenn ich nicht mehr bin, musst du die Wächterin des Schattentores sein.“

„Jetzt rede keinen Quatsch. Du bist bald wieder auf dem Damm, hat dieÄrztin gesagt. Bestimmt sitzen wir am Wochenende in deinem Garten und trinken gemütlich Tee.“

Abwehrend hob er die Hand. „Ich weiß, dass es bald zu Ende geht. Ich möchte mit der Gewissheit sterben, dass du diese Welt vor Revenant schützt.“

„Das kannst du nicht von mir verlangen. Ich bin noch nicht so weit“, protestierte sie und brach ab, als sie seine enttäuschte Miene erkannte. Sie fühlte sich dieser Aufgabe nicht gewachsen, auch wenn sie außergewöhnliche Fähigkeiten besaß und Weiße Magie beherrschte. Aber von einer Druidin und Magierin wurde mehr Weisheit und Wissen erwartet, das sie erst in Jahren erlangen würde. Amber richtete sich auf und drehte sich zum Fenster um, weil sie seinen flehenden Blick nicht länger ertragen konnte. Es brach ihr das Herz, ihn enttäuschen zu müssen. Energisch zupfte er anihrem Ärmel.

„Amber, bitte. Ich kann nur beruhigt an den Tod denken, wenn du meine Nachfolgerin wirst.“

Seine Worte wühlten sie auf und eigentlich hatte sie tief in ihrem Inneren damit gerechnet, dass er sie eines Tages darum bitten würde. Aber erst irgendwann, wenn sie sich sicher fühlte und ihre Fähigkeiten vollends zu kontrollieren vermochte. Durfte sie die Bitte abschlagen? War es nicht ihre Pflicht, in seine Fußstapfen zu treten? Was, wenn sie versagte? Wie sollte sie mit dem Gedanken leben, diese Welt nicht retten zu können? Andererseits gab es niemanden mit ähnlichen Fähigkeiten. Sie hatte Dämonen besiegt, ihr Geist war unbeschadet aus der Schattenwelt zurückgekehrt und sie hatte Revenant verbannt. Aber alles mit Hermits Hilfe. Sie wandte sich um und suchte seinen Blick.

„Wenn ich deine Bitte erfüllen könnte, ich würde es tun, aber ich kann das nicht.“ Der Alte schnappte vor Aufregung nach Luft. „Ich werde einen anderen finden. Bestimmt“, versuchte sie, ihn zu besänftigen, aber die Worte klangen selbst in ihren Ohren unglaubwürdig. Sie wusste so gut wie er, dass es keinen Druiden gab, der das Wissen um das Schattentor besaß und die Magie, es zu schützen. Als Hermit seufzend die Augen schloss, wurde sie traurig. Er war von ihr enttäuscht und das schmerzte. Der Alte entzog ihr seine zittrige Hand.

„Dann wird diese Welt untergehen.“

„Wie denn, wenn das Schattentor geschlossen …“

„Nicht mehr lange“, fiel er ihr ins Wort.

Erschrocken trat Amber einen Schritt zurück. „Was meinst du damit? Hat dir das etwa das Runenorakel prophezeit?“

„Nein, er ist bei mir gewesen.“ Hermits Miene verdüsterte sich.

„Wer? Wer ist hier gewesen?“ Fassungslos sah Amber auf ihn hinab. Immer wieder fielen ihm die Augen zu.

„Ich bin jetzt müde“, sagte er leise.

„Bitte, Hermit, sag mir wenigstens, wer da gewesen ist und wer das Tor öffnen will.“ Amber rüttelte ihn sanft an der Schulter.

„Er hat es mir gesagt. Er will das Tor öffnen. Du kennst ihn nicht“, stammelte Hermit, bevor sein Kopf kraftlos zur Seite kippte.

„Was?“

Sein Oberkörper bäumte sich auf und er keuchte. Sofort drückte Amber den Knopf für das Verstellen des Bettes. Langsam fuhr das Kopfteil nach oben, um Hermit das Atmen zu erleichtern. Schweiß perlte von seiner Stirn. Als seine Lippen sich bläulich verfärbten, stieg Angst auf. „Ich rufe einen Arzt.“ Sie wollte den Klingelknopf drücken, aber Hermit hielt sie zurück.

„Was kann der Arzt schon helfen? Mein Herz ist schwach. Es ist nur eine Frage der Zeit.“

Amber ließ die Hand sinken. Eine Weile stand sie schweigend neben seinem Bett, bis sich seine Atmung wieder beruhigt hatte und der Teint blasser wurde.

„Er hat mir die Lebenskraft ausgesaugt“, flüsterte er.

„Wer?“

„Der Schwarzmagier.“

„Hermit, lass dir doch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen. Welcher Schwarzmagier?“ Die zähe Weitergabe der Informationen machte sie verrückt.

„Er darf nicht die Magie aus dem Baum der Finsternis ziehen. Es wäre das Ende der Welt. Öffnet sich das Tor … Der Baum … er saugt das Licht auf. Die ewige Dunkelheit bereitet … den Weg für Revenant … und sein Gefolge. Halte sie auf.“

Er sank tiefer in die Kissen und schloss die Augen. Amber brauchte einen Moment, um seine Worte sacken zu lassen. Wenn das stimmte, übertraf es ihre schlimmsten Befürchtungen. Wie sollte sie einem Schwarzmagier entgegentreten? Sie besaß keine Erfahrung, nur ihr theoretisches Wissen. Es war äußerst schwierig, dessen magische Kräfte einzuschätzen. Schwarzmagier hüteten ihr Wissen. Die schwarzen Kräfte waren außerdem unberechenbarer und mächtiger. Sie ließen sich nur schwer beherrschen. Wer sich der Schwarzen Magie verschrieb, war ihr für immer ergeben.

Sie umfasste seine Schultern. „Wer? Nenn mir seinen Namen, Hermit“, forderte sie und verspürte ein schlechtes Gewissen, als der Druide wieder schneller atmete.

„Versprich mir, die Wächterin zu sein“, flüsterte Hermit. Er streckte den Arm nach ihr aus und sah sie flehend an.

Amber rang noch immer mit sich. Sie wollte Hermit nicht noch mehr aufregen, da floss es ihr über die Lippen. „Ich verspreche es.“ Die Worte hallten in ihr nach. Sie konnte es kaum glauben. Ein Lächeln erhellte das runzlige Gesicht des alten Druiden und die Anspannung wich aus seinem Körper.

„Das ist gut. Danke. Ich muss schlafen. Kommst du morgen wieder?“

„Natürlich.“ Eine Weile betrachtete sie Hermit, der jetzt ruhig dalag. Seine gleichmäßigen Atemzüge verrieten, dass er eingeschlafen war.

Mond der Ewigkeit

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