Читать книгу Black Heart - Die gesamte erste Staffel - Kim Leopold - Страница 28

Kapitel 9

Оглавление

Düsseldorf, 2018

Louisa

Ich warte im Auto, während Alex mir ein paar Schuhe aus dem nächstgelegenen Laden besorgt. Es dauert keine fünf Minuten, da ist er wieder zurück und wirft mir einen Schuhkarton auf den Schoß. Ich öffne die Schachtel einer Sportmarke und stelle erleichtert fest, dass er mir einfache schwarze Sportschuhe besorgt hat.

Nichts mit Glitzer.

Glück gehabt.

»Eigentlich wollte ich dir Schuhe mit Absatz besorgen, aber ich glaube, du hast heute schon genug Schmerzen ertragen«, witzelt er, während ich die Schuhe anziehe. Ich unterdrücke den Wunsch, ihm erneut die Zunge rauszustrecken, bevor wir das Auto umparken und gemeinsam zurück zur Flughalle gehen. Am Düsseldorfer Flughafen kann man hervorragend einkaufen gehen, auch wenn ich immer das Gefühl habe, dass die Kleidung hier teurer ist als in der Innenstadt.

Alex und ich schlendern durch das Gebäude, bis er mich schließlich dazu auffordert, mir einfach einen Laden auszusuchen.

»Aber ich hab überhaupt kein Geld«, widerspreche ich.

Er seufzt. »Ich aber. Und es ist nicht mein eigenes, also hör auf, dir darüber Gedanken zu machen und kauf dir ein paar neue Sachen.«

»Na gut«, grummle ich und widme mich den Geschäften mit neuer Aufmerksamkeit. Ich brauche tatsächlich einige Sachen, um die nächsten Tage zu überstehen. Unterwäsche, Kosmetik, ein paar Hosen und Shirts, Schlafzeug. Und am besten einen Koffer, in dem ich all das verstauen kann. Ich zähle ihm die Liste auf, und er nickt verständig, als würde er sich im Geiste Notizen machen.

»Hier.« Er deutet auf einen extravaganten Unterwäscheladen. »Da können wir anfangen.«

Unsicher zucke ich mit den Schultern, bevor ich den Laden betrete – Alex dicht auf den Fersen. »Willst du nicht lieber draußen warten?«, raune ich ihm zu und laufe knallrot an.

Er lacht leise auf. »Tut mir leid, aber ich lass dich nicht aus den Augen.«

»Herzlich willkommen!« Eine Verkäuferin rauscht auf uns zu und breitet die Arme aus. »Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«

Ich reiße die Augen und weiche einen Schritt zurück, aber Alex’ Hand liegt an meinem Rücken und schiebt mich wieder nach vorn. »Unwsche«, murmle ich also.

»Meine Freundin sucht ein paar Unterwäsche-Sets«, spricht er unseren Wunsch in klarem Deutsch aus. Gott, kann mich der Erdboden nicht einfach verschlucken?

»Ah, selbstverständlich.« Die Verkäuferin blinzelt ihn an, bevor sie mich begutachtet. »Haben Sie spezielle Wünsche?«, fragt sie dann an Alex gewandt.

»Hallo?« Ich wedle empört mit der Hand vor ihrem Gesicht. »Das ist immer noch meine Entscheidung.«

Alex fängt an zu lachen und löst seine Hand von meinem Rücken. »Ich warte da vorne.«

»Danke.« Erleichtert schaue ich ihm hinterher, bevor sich die Verkäuferin bei mir entschuldigt und mich fragt, was mir am liebsten wäre. Ich suche mir ein paar schlichte Sets aus und verkrümle mich in der Umkleide, um die Stücke anzuprobieren. Schließlich entscheide ich mich für sieben Sets, damit ich wenigstens eine Woche überstehe, und drücke sie der Verkäuferin in die Hand, damit sie die Sachen schon mal einpacken kann.

Als ich mich wieder angezogen habe und die Umkleide verlasse, steht Alex an der Kasse und quatscht mit der Verkäuferin, die in aller Seelenruhe meine Unterwäsche vor ihm einpackt. Mann, der er ist, fällt es ihm scheinbar sehr schwer, nicht hinzugucken.

Ich stelle mich neben ihn und räuspere mich übertrieben. Das hilft der Verkäuferin dabei, ihr Tempo anzukurbeln. Wenigstens etwas.

Sie plaudert mit Alex, während ich mich mit den Polsterungen und Strümpfen an der Kasse auseinandersetze. Wozu zum Teufel braucht eine Frau sowas? Wo steckt man das überhaupt hin? Ich lege den Kopf schief und versuche nachzuvollziehen, wie man dieses Polster benutzt. Immer wieder erstaunlich, was manch eine Frau für ihre Schönheit in Kauf nimmt.

Die Kassiererin ist fertig und hält mir die Tüte mit einem breiten Lächeln entgegen. »Ich wünsche Ihnen ganz viel Spaß mit der neuen Wäsche.«

»Eh«, mache ich verwundert. »Danke.«

Alex unterdrückt ein Lachen und legt seine Hand auf meine Schultern, eine warme Hand, die gerne häufiger dort liegen könnte – Mist, wieso denke ich sowas?

Ich löse mich von ihm und verschränke die Arme vor der Brust. Der Dolch pikst mich in die Seite. Schnell löse ich meine Arme wieder und ruckle etwas am Holster herum, bevor mir die Klinge doch noch ins Fleisch schneidet. Auf dem Flughafen zu verbluten wäre keine besonders gute Strategie, um nicht aufzufallen.

»Und jetzt?« Alex reibt sich über den Nacken.

Ich zucke mit den Schultern. »Irgendwas zum Anziehen. Und eine Zahnbürste.«

Wir klappern ein paar Geschäfte ab, bis wir schließlich so viele Tüten haben, dass wir sie kaum mehr tragen können. Im vorletzten Geschäft ziehe ich mir ein paar der neuen Sachen an, um nicht mehr in Alex’ Sachen rumzulaufen. Zum Schluss entdecken wir einen Koffer, der gerade stark heruntergesetzt ist, und schlagen zu. Wir suchen uns eine freie Bank und packen alles hinein, damit wir die Hände frei haben. Nachdem wir damit fertig sind, haben wir immer noch Zeit, bevor die anderen kommen.

»Wie wär’s mit Kaffee?«

Ich stehe auf und streiche mir die Haare aus der Stirn. »Hört sich super an.«

Wir besorgen uns einen Kaffee zum Mitnehmen und schlendern zur Flughafenterrasse, um den Flugzeugen beim Starten und Landen zuzusehen. Normalerweise hebt das meine Stimmung, aber heute denke ich daran, dass ich in den nächsten Jahren vermutlich nicht mehr in einem Flugzeug sitzen werde. Vielleicht kann ich meinen Flugschein nachholen, wenn ich zurück bin. Aber wann wird das sein? Und werde ich das Fliegen dann noch genauso sehr lieben wie jetzt?

Ich lasse meinen Blick über die leere Terrasse gleiten. Sie schließen in einer Stunde, aber es liegt wohl eher an der Kälte, dass heute nicht so viel los ist. In der Nähe steht lediglich ein Vater mit seinem Sohn und steckt eine Münze in ein Fernrohr, bevor den Jungen hochhebt, um ihn durchgucken zu lassen. Ein paar Meter weiter haben Tauben ein Nest gebaut und füllen die Luft mit ihrem Gurren.

Alex und ich gehen auf die andere Seite der Terrasse und stellen uns ans Geländer, beide einen dampfenden Becher in der Hand. Er stellt den Koffer neben sich und schiebt den Griff herunter, bevor er sich mit dem Rücken an das Geländer lehnt und die Umgebung aufmerksam beobachtet.

Mir wird klar, dass die Dachterrasse kein besonders sicherer Ort für uns ist. Vor allem, weil wir nahezu allein hier sind.

»Wir können auch wieder reingehen«, biete ich an, aber er schüttelt den Kopf.

»Schon gut.« Seine Lippen umspielt ein sanftes Lächeln, das mein Herz schneller schlagen lässt. »Genieß die Aussicht.«

Mir wird warm ums Herz, als ich meine Aufmerksamkeit wieder der Start- und Landebahn widme, weil ich ihm vertrauen kann. Noch nie in meinem Leben habe ich mich so beschützt gefühlt wie jetzt. Ich finde es beinahe schade, dass sich alles ändern wird, wenn wir erst im Palast angelangt sind und in unsere neuen Rollen schlüpfen müssen. Werden wir dann genauso weitermachen können wie jetzt oder bin ich für ihn nur eine weitere Schülerin neben all den anderen?

»Jetzt ist mein Kaffee kalt«, murmle ich in meinen neuen Schal und verziehe das Gesicht. Die Zeit auf der Dachterrasse ist so schnell vergangen, dass ich nicht mal daran gedacht habe, meinen Kaffee zu trinken. Mittlerweile sind wir allein hier.

Alex schmunzelt. »Du bist eine Hexe. Kalter Kaffee sollte dir keine Probleme bereiten.«

»Wohl wahr.« Ich seufze und schaue in die hellbraune Flüssigkeit, während ich mir vorstelle, wie der Kaffee immer wärmer wird. »Gibt es dafür auch einen tollen Zauberspruch?«

»Schließ deine Augen«, fordert er mich auf. Ich gehorche, und kurz darauf spüre ich, wie er seine Hände auf meine legt. Mit einem Flattern in meiner Magengrube lecke ich mir über die Lippen. »Und jetzt stellst du dir vor, wie du eine kleine Flamme unter den Becher hältst, die die Flüssigkeit erwärmt. Dabei sagst du deoch teas.«

Sein Finger gleitet über meinen Daumen, eine winzige Bewegung nur, der Hauch einer Berührung, aber es reicht, um mich vollkommen aus der Bahn zu werfen. Statt dass der Becher sich erwärmt, zerplatzt er plötzlich, ohne dass ich einen Piep von mir gegeben habe.

Alex und ich fahren auseinander, die Hände voll mit kaltem Kaffee. Er schaut erst den Boden an, auf dem die Überreste des Bechers in einer Pfütze brauner Flüssigkeit liegen, dann mich. In seinen Gesichtszügen sehe ich seine Überraschung.

»Ups?«, mache ich mit hochgezogenen Schultern.

»Da warst du wohl nicht ganz bei der Sache.« Er lacht leise auf und holt mit spitzen Fingern eine Packung Taschentücher aus seiner Jackentasche. Er reicht mir eins, bevor er seine eigenen Hände saubermacht, den Becher aufhebt und ihn mitsamt den benutzten Taschentüchern zum nächsten Mülleimer bringt.

Ich schaue ihm hinterher und frage mich, ob er gemerkt hat, dass er es ist, der mich aus der Fassung bringt. Hoffentlich nicht.

Wie peinlich es wäre, als die Schülerin an die neue Schule zu kommen, die Hals über Kopf in den Lehrer verknallt ist.

Abgesehen davon bin ich nicht verknallt.

Nur ein bisschen verwirrt.

Rein biologisch gesehen wäre er ja auch ein Prachtexemplar, um sich fortzupflanzen. Kein Wunder, dass mein Körper ein Eigenleben entwickelt, wenn er in der Nähe ist.

»Worüber denkst du so angestrengt nach?«, fragt er grinsend und ich vergesse besser sehr schnell, woran ich gerade gedacht habe.

»Nichts«, krächze ich. Na toll. Ich räuspere mich und versuche es noch einmal. »Nichts Besonderes. Ich habe nur gerade über … über …« Hilflos starre ich ihn an und werde knallrot. »Über die Kaffeeflecken auf deinem Mantel nachgedacht«, rette ich mich schließlich.

Er schaut an sich herab und begutachtet die winzigen, beinahe unsichtbaren Spritzer. »Nichts, was eine Waschmaschine nicht wieder rausbekommen würde.«

»Hm«, mache ich und finde allmählich wieder zu meiner alten Form zurück. »Sowas macht ihr nicht mit Magie?«

»Nicht, wenn jemand seine Magie noch nicht unter Kontrolle hat.« Er zwinkert mir zu, und ich muss mich stark zusammenreißen, nicht wieder rot anzulaufen.

Aber dazu bleibt mir auch keine Zeit, denn in dem Augenblick zischt etwas an unseren Köpfen vorbei und landet auf dem Dach. Ein Vogel!

Das denke ich zuerst, aber dann wird der Vogel größer und verwächst sich irgendwie. Die Flügel werden zu Pfoten, der Schnabel zu einem Maul mit scharfen Reißzähnen.

»Gestaltwandler«, murmelt Alex und schiebt sich vor mich. So schnell, wie er sein Messer gezückt hat, könnte ich noch nicht einmal das Wort Gestaltwandler sagen.

Es dauert keine zehn Sekunden, da greift der Tiger an. Wenn ich nicht damit beschäftigt wäre, meinen Mantel aufzuknöpfen, um meinen Dolch aus dem Holster zu holen, wäre ich vermutlich schreiend weggerannt.

Aber so schaffe ich es, meine aufkeimende Angst zu unterdrücken, und blicke erst auf, als der Tiger und Alex ringend auf dem Boden liegen. Sein Messer liegt meilenweit entfernt, und es sieht nicht aus, als hätte Alex die Überhand. Im Gegenteil – es sieht aus, als hätte er in diesem unfairen Kampf keine Chance!

Panisch wedle ich mit den Händen. »Hey, du Mistkerl! Hier bin ich!«

Der Tiger hebt seinen Blick für einen Moment, aber das reicht, damit Alex sich aus seinen Fängen befreien und zur Seite rollen kann. Noch in der Bewegung greift er nach dem Dolch in seinem Holster, doch es ist zu spät. Der Tiger stürzt sich mit einem lauten Brüll auf ihn und ich stürze hinterher, um meinen eigenen Dolch in das Tier zu rammen.

Nur verletzen, hat Alex gesagt.

Der Dolch gleitet durch das Fell wie ein Messer durch weiche Butter. Der Tiger jault und bricht über Alex zusammen.

Ich warte einen Moment lang mit vor Angst geschlossenen Augen ab, aber er rührt sich nicht mehr. Ich wage es, die Augen wieder zu öffnen, ziehe den Dolch zurück und lasse mich auf den Boden fallen. »Alex?«

»Mir geht’s gut«, presst er hervor.

Der Tiger flackert und verwandelt sich in einen nackten Mann, kaum älter als wir, mit dunkelblondem Haar und blauen Augen. Stöhnend stößt Alex den leblosen Körper von sich. Nicht nur ich habe mit meinem Dolch getroffen. Alex’ Dolch steckt in seiner Brust, mitten im Herzen.

Präzise.

Ich wende meinen Blick ab, um nicht zu sehr darüber nachzudenken, was wir gerade getan haben, und schaue zu Alex, der sich langsam aufrichtet. Seine Hand gleitet zu seinem Hinterkopf.

»Nicht schon wieder«, murmelt er und holt seufzend die Packung Taschentücher aus seiner Tasche, um seine Finger vom Blut zu säubern. »Kannst du mal gucken, wie schlimm es ist?«

Ich nicke irritiert und stehe auf, um nach der Wunde zu schauen. Glücklicherweise ist es harmloser, als es auf den ersten Blick wirkte.

»Hast du Schmerzen?«

»Noch nicht«, murmelt er und lässt sich von mir aufhelfen. »Aber das gibt sicher eine schöne Gehirnerschütterung.«

»Kommt das häufiger vor?«

»Berufsrisiko.« Er zuckt mit den Schultern. »Aber jetzt zu dir: Hast du dir wehgetan?«

Ich schüttle den Kopf und verschränke zitternd die Arme vor der Brust.

Denk nicht drüber nach, rede ich mir ein, doch es fällt mir schwer, zu ignorieren, dass wir gerade einen Menschen … ein Lebewesen getötet haben, ohne mit der Wimper zu zucken. Auch wenn es vielleicht nicht mein Dolch war, der ihm letztendlich den tödlichen Stoß gegeben hat – es fühlt sich an, als würde sein Blut an meinen Händen kleben.

»Er hätte uns getötet, wenn wir es nicht getan hätten.« Alex sammelt seine Messer ein und steckt sie zurück in den Holster, bevor er seine Jacke anzieht. Die Leiche flackert ein paar Mal auf, bevor sie langsam unsichtbar wird und schließlich ganz verschwindet.

Allein das sollte mir zeigen, dass dieses Wesen nicht menschlich war.

Aber ist das Grund genug für seinen Tod? Wer sind wir, diese Entscheidung zu fällen?

Black Heart - Die gesamte erste Staffel

Подняться наверх