Читать книгу "Brender ermittelt" - Kim Scheider - Страница 5

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Polizeipräsidium Köln Kalk, ca.14 Uhr

„Meine Güte, ist das grauenhaft!“

Christoffer Frey starrte noch immer mit einer Mischung aus Abscheu und Faszination auf den Monitor vor sich, obwohl dort schon lange nichts mehr zu sehen war und kämpfte gegen seinen vor Übelkeit rebellierenden Magen an.

„Meine Güte, wie grauenhaft,“ wiederholte er leise und sah mit müden Augen zu den ihn umgebenden Ermittlern des LKA, des Landeskriminalamtes Köln, auf. „Wer zum Teufel macht so etwas?“

„Vielleicht der, der sich den ganzen Mist überhaupt ausgedacht hat?,“ meinte Kriminalhauptkommissar Torsten Herwig sarkastisch und sah Frey herausfordernd an. „Wäre doch möglich, dass da jemand mal ernst machen wollte, statt immer nur so zu tun als ob!“

Frey war zuvor schon blass gewesen – nach knapp einer Stunde des Betrachtens von Videomaterial, auf dem brutale Foltermorde zu sehen waren, wohl auch kein Wunder. Herwigs Worte trafen ihn wie Peitschenhiebe und jeglicher Rest von Blut in seinem Kopf schien sich in Richtung Zehenspitzen zu verflüchtigen. Er konnte kaum noch einen klaren Gedanken fassen, wie Nebelschwaden waberten sie formlos in seinem schmerzenden Schädel umher. Verständnislos sah er von einem zum anderen, zurück zum Bildschirm und wieder zu Herwig, dessen Schatten einem Racheengel gleich auf ihn fiel. Dann endlich kam ihm die Erkenntnis.

Sie wollten ihm das anhängen!

„Sie meinen... Sie denken, das...dass ich das getan habe?“

„Sagen Sie es uns, Herr Frey. Haben Sie es getan?“

Katharina Grzyek, die einzige Frau im Raum, wirkte trotz ihrer schlanken Figur und der geringen Größe nicht minder einschüchternd als Herwig. Die Arme vor der Brust verschränkt lehnte sie an der Kante ihres Schreibtischs und fixierte Frey misstrauisch mit ihren glasklaren grauen Augen. Er löste den Blick von ihr und sah Herwig empört an.

„Wie, zum Henker, kommen Sie darauf?“

„Nun, fassen wir für Sie einmal zusammen, was wir an Fakten haben.

Da wäre zum einen eine erfolgreiche Fernsehserie, deren Drehbücher von Ihnen stammen, die von Ihnen produziert wird und deren Hauptrolle, den Hobbykriminologen Lars Brender, Sie dann auch gleich selber spielen. Vermutlich, damit es auch „was wird“, nehme ich an?“ Grzyeks Stimme ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie Frey für einen äußerst selbstverliebten Menschen hielt.

„Und das macht mich zum Mörder?“ Frey war sich einen Moment lang unsicher, ob er kurz vor einem Lachkrampf stand, so absurd war diese ganze Angelegenheit oder ob er in Tränen ausbrechen sollte. In Anbetracht der ernsten Lage, in der er sich aber befand, schlug er die Hände vor das Gesicht und rieb seine müden Augen.

„Wir sind noch nicht fertig, Herr Frey.“ Herwig griff hinter sich und nahm einen Schnellhefter mit Dokumenten von dem mit Akten überladenen Schreibtisch. „Wir haben da also im wahrsten Sinne des Wortes Ihre Serie – „Brender ermittelt“, wie originell. Fakt ist, dass Ihnen enorm daran gelegen ist, dass die in Kürze startende neue Staffel ein großer Erfolg wird.“ Demonstrativ blätterte der Kommissar in den Unterlagen. „Wie man sieht, scheint da auch eine Menge dran zu hängen. Kredite, Produktionskosten, Gagen... Da käme ganz schön was auf Sie zu, wenn die Serie floppt! Oder sehe ich das falsch, Herr Frey?“

„Das Risiko besteht bei jeder Filmproduktion!,“ schnappte Frey, bei dem allmählich die Wut die Oberhand gewann. „Ich sehe nicht, wie mich das zum Mörder klassifiziert. Woher wissen Sie überhaupt, dass die Aufnahmen echt sind und nicht gestellt, wie in meinen Filmen? Da sieht es ja dann am Ende auch echt aus, sonst bräuchte man keine Krimis mehr drehen!“

Noch während Frey sich ereiferte, lud Ben Müllenbeck, der dritte Ermittler im Team der SoKo „Brender ermittelt“, wie sie ihre Sonderkommission aus naheliegenden Gründen getauft hatten, eine Reihe Fotos hoch und deutete auf den Monitor.

„Da!,“ sagte er nur.

Frey getraute sich kaum hinzusehen. Die Bilder zeigten insgesamt drei verschiedene tote Frauen, jede auf einem metallenen Tisch in einem gekachelten Raum liegend. Ganz offensichtlich war das die Pathologie und ebenfalls ganz offensichtlich waren es die bedauernswerten Opfer aus dem Filmmaterial, das man ihm zuvor zugemutet hatte. Eine von ihnen erkannte er sofort, auch wenn man die verkohlte Leiche kaum noch als menschliches Wesen identifizieren konnte. Sie war ihm in besonderer Erinnerung geblieben, weil sie noch so jung war. Wahrscheinlich hatte sie nicht einmal die Volljährigkeit erreicht.

Freys eben noch wiederauferstandenes Selbstbewusstsein schmolz bei diesem Anblick merklich in sich zusammen.

„Man hat sie gefunden“, erläuterte Müllenbeck.

Als hätte es dieser Erklärung bedurft!

„Spaziergänger und spielende Kinder haben sie gefunden. War nicht so angenehm für die Leute. Eine fand man in Rostock, eine in einem Vorort von München und eine hier – in Köln.“

Frey konnte nur noch hilflos mit den Schultern zucken.

„Fahren wir also fort mit dem was wir so haben und kommen dabei auch zu Ihrer Frage, was uns dazu bringt, Sie zu verdächtigen, Herr Frey,“ fuhr Herwig unbarmherzig mit seinen ungeheuren Anschuldigungen fort. Sein ewiges „Herr Frey“ ging dem Schauspieler langsam gehörig auf die Nerven. Was sicher nicht ganz unbeabsichtigt war.

„Die Premiere der dritten Staffel steht kurz bevor, das Fernsehen wiederholt noch einmal die alten Staffeln als Appetithappen und siehe da; kurz nach der Ausstrahlung tauchen diese Videos im Netz auf und bald darauf auch die Leichen der dazugehörigen Opfer. Dank einiger Ihrer aufrichtigen Fans - selbst bei der Polizei, haben Sie bislang Fans gehabt, Herr Frey - war schnell klar, dass da jemand Ihre Filme nachahmt. Leider nur allzu realistisch! Vermutlich der selbe Jemand“ - ein fragender Blick zu Frey - „involviert gezielt die Presse, genauer gesagt, Herrn Özkilic, den Sie ja auch kennen dürften, er arbeitet ja schließlich für Ihren Haussender.“

Herwig ließ seine Worte kurz wirken, dann wendete er sich in vertraulicherem Ton an den zunehmend demoralisierten Schauspieler. „Die Presse einzubeziehen, war an und für sich ein kluger Schachzug, Herr Frey.“ Mit einer unwirschen Handbewegung schob er Freys Einwände beiseite und sprach unbeirrt weiter.

„Dumm nur, dass es sich bei Herrn Özkilic um einen verantwortungsbewussten Journalisten handelt, der nicht rücksichtslos die „Story seines Lebens“ daraus gemacht hat, wie er aufgefordert wurde, sondern mit seinen Informationen zu uns gekommen ist.“

„Die kostenlose Werbeaktion ist also nach hinten losgegangen,“ warf Grzyek ein.

„Sparen Sie sich Ihre theatralischen Ausbrüche, Frey!,“ fuhr Herwig den Schauspieler an, als dieser zu lautstarkem Protest ansetzte.

„Sie werden später Gelegenheit bekommen, sich zu äußern. Zuvor möchte ich Ihnen aber noch sagen, welcher kleine dumme Fehler Ihrerseits uns dann am Ende sicher sein ließ, dass Sie beteiligt sind. Aber den kennen Sie ja schon, nicht wahr, Herr Frey, weil Sie es schließlich waren, der Özkilic über Ihren Firmen PC die Links zu den Videos zugespielt hat!“

Herwig brauchte nur seine massige Hand erheben, um Freys Widerstand im Keim zu ersticken. Dieser riesige Mann schien nur aus Muskeln zu bestehen und hatte auf das sitzende Häufchen Elend, mehr war von Frey eigentlich nicht mehr zu erkennen, eine ziemlich einschüchternde Wirkung. Selbst wenn man sich nichts vorzuwerfen hatte, was der Schauspieler ihm nur zu gerne erklärt hätte.

„Überlegen Sie sich sehr gut, was Sie uns dazu zu sagen haben und versuchen Sie am besten gar nicht erst, uns an der Nase herumführen zu wollen. Ihr gottgegebener Charme wird Ihnen bei uns nicht viel nutzen. Wir haben hier jeden Tag mit Schauspielern wie Ihnen zu tun, die auf Kommando losheulen oder dem Wahnsinn verfallen können. So etwas zieht hier nicht.“

Wie auf einen geheimen Wink verließen die drei Kriminalbeamten den Raum und ließen Frey einigermaßen ratlos zurück. Schon halb zur Tür heraus, drehte Grzyek sich noch einmal zu ihm um.

„Wir werden uns jetzt mit einer Tasse Kaffee den fahlen Geschmack aus dem Mund spülen gehen und Sie sollten die Zeit gut nutzen, sich zu überlegen, was Sie zu unseren Vorwürfen zu sagen haben, Herr Frey. Oder sollte ich besser Herr Lenz sagen...?“

Die ersten Minuten nachdem man ihn alleine in dem kargen Büro zurück gelassen hatte, saß Frey einfach nur da und versuchte dem Gedankenchaos in seinem Kopf Herr zu werden. Heute Morgen hatte er noch nichts ahnend mit Walter Haferkorn, dem Haupteigentümer der Produktionsfirma und Bernd Breckerfeld, ihrem Steuerberater und Pressesprecher, im Besprechungsraum der Firma gesessen, um die Vorpremiere der dritten Staffel von „Brender ermittelt“ im Kölner Cinedom zu besprechen.

Kein idealer Termin an einem Ostersonntag und nur mit Leuten zu machen, die keine auf den Osterhasen wartenden Kinder zu Hause hatten. Mitten in die Sitzung hinein waren Herwig und seine Leute marschiert, hatten ihn und sein halbes Büro in Polizeifahrzeuge gepackt und mitgenommen. Und nun saß er – zwar in einem Büro und nicht in einer Zelle, immerhin – und wurde verdächtigt drei Frauen bestialisch ermordet zu haben, um besagter neuen Staffel einen makaberen Werbefeldzug zu verschaffen.

Das konnte doch alles nicht wahr sein. War hier womöglich eine Kamera versteckt?

Er ertappte sich dabei, wie er verstohlen nach Hinweisen auf einen versteckten Guido Cantz schielte. Selbst wenn es ein sehr bösen Scherz wäre: Immer noch besser, bei der „Versteckten Kamera“ gelandet zu sein, als des Mordes beschuldigt zu werden!

Da lief irgendwo ein Irrer durch die Gegend und folterte Frauen vor laufender Kamera zu Tode und -

und das war das eigentlich Schlimme daran -

er hatte ja tatsächlich sozusagen die Drehbücher dazu geschrieben. Die drei ihm zur Last gelegten Morde hatten ganz klaren Bezug zu der von ihm geschaffenen Fernsehserie. Soweit musste er den Beamten der Kripo ja noch recht geben. Jede der Frauen war auf eine der Arten ums Leben gekommen, wie die Opfer der ersten Staffel. Die erste Frau war über mehrere Tage hinweg elendig verdurstet, in einem schummrigen Kellerraum angekettet und den rettenden Krug voll Wasser ganz knapp, aber dennoch unerreichbar vor sich stehend.

Wie in der allerersten Folge „Durst nach Liebe“.

Dort hatte ein mit Minderwertigkeitskomplexen beladener Dauerversager auf eben diese Weise an verschiedenen Frauen Rache genommen, die seine Liebe einst nicht erwidern wollten. Sie hatten verdursten müssen, so wie er am Durst nach ihrer Liebe verdurstet war. Lars Brender, dem Held der Serie, war es dann gelungen, den Irren ausfindig zu machen und sein letztes Opfer noch rechtzeitig zu befreien.

Im Gegensatz zur Polizei, die bei „Brender ermittelt“ weniger gut weg kam, was vielleicht auch einen Teil der ganz offensichtlichen Abneigung der Polizeibeamten gegenüber Frey erklärte. Aber selbst wenn er die Rollen der Polizisten etwas dümmlich angelegt hatte und die Fälle zugegebenermaßen recht blutrünstig und brutal waren, so machte einen das doch noch nicht zum Mörder!

Man konnte ihm vielleicht eine kranke Fantasie vorwerfen, doch das hieße noch längst nicht, dass diese auch seinem Wesen entsprach. Da müsste man ja bald jeden Schriftsteller in Sicherheitsgewahrsam nehmen.

Aus dem Augenwinkel nahm Frey eine schwache Bewegung wahr und er suchte nach ihrem Ursprung. Augenblicklich drehte sich ihm wieder der Magen um. Müllenbeck hatte vor dem Verlassen des Raumes die Videosequenzen neu gestartet und erneut wurde Frey Zeuge, wie eine Frau das durchleiden musste, was er sich als Geschichte ausgedacht hatte.

Um zu unterhalten und nicht als Gebrauchsanweisung zum Mord!

Dort auf dem Monitor wurde gerade eine Frau mit einer Stacheldrahtpeitsche systematisch blutig geschlagen. Frey wusste, wie es weiterging, er selbst hatte es so geschrieben.

Nachdem er sich an der Frau ausgetobt hatte, wickelte der Mörder ihren nackten geschundenen Körper in Militärstacheldraht ein und lud sie in irgendeinem abgelegenen Waldstück ab, wo sie noch stundenlang oder schlimmstenfalls sogar noch Tage so gelegen hatte, bevor der Tod sie erlöste und man ihre Leiche gefunden hatte.

Wie in Folge zwei – „Läuterung tut weh“.

Wütend stoppte Frey das Video und schlug die Hände vor das Gesicht. Darauf, nun noch einmal „Die Hexenverbrennung“ aus dem nächsten Fall nachgestellt zu sehen, konnte er gut verzichten. Zumal dies das junge Mädchen war, dessen Tod ihn schon zuvor so berührt hatte.

Sie wollten ihm das also anhängen.

Zusätzlich zu der nach wie vor anhaltenden Übelkeit wurde ihm nun auch noch schwindelig.

In lebensbedrohlichen Situationen zieht das ganzes Leben wie im Zeitraffer an einem vorüber – so hatte Frey es erzählt bekommen. Anscheinend befand sein Körper die gegenwärtige Situation als lebensbedrohlich. Er begann zu zittern und konnte nicht verhindern, dass Szenen seines bisherigen Lebens in Sekundenschnelle vor seinem inneren Auge vorbeizogen.

Geboren im Juli 1980 hatte er eine sehr glückliche Kindheit erlebt, mit fürsorglichen Eltern, die ihm Liebe und Geborgenheit im Überfluss schenkten. Er sah vor sich, wie seine Mutter den hübschen und charmanten Knirps mit offenen Armen auffing, ihn lachend herumschwenkte und vor seinen Verehrerinnen „beschützte“, denn er war allgemein beliebt und hatte schon in der Grundschule so manches Herz gebrochen. Was seinem Ansehen jedoch erstaunlicherweise keinen Abbruch tat. Er hatte schon früh gelernt, die Sonnenseiten des Lebens auszukosten.

Bis zu jenem grauenhaften Tag, an dem seine Eltern umgekommen waren und den er selbst nur knapp überlebt hatte.

Bis heute saß er des Nachts im Traum wieder als 10jähriger auf der Rückbank des Autos, hörte den Regen auf das Dach prasseln und seine Eltern vorne lachend und scherzend über den Kinofilm reden, den sie gerade noch zusammen gesehen hatten.

Dann der Wagen, der sie überholte.

Das laute Wummern der Lautsprecher, das bis zu ihm herüber drang und alle anderen Geräusche übertönte.

Die Grimassen schneidenden Jugendlichen in dem Fahrzeug.

Der entgegenkommende Wagen, quietschende Bremsen und kreischendes Metall, während er durch die Luft segelte und beim Aufschlag jeden einzelnen Knochen im Leib brechen hörte.

Die Flammen.

Und die Schreie der Eltern, die sich mit dem Wagen um den nächsten Baum gewickelt hatten und in dem Wrack verbrannten, lange bevor Polizei und Rettungsdienste überhaupt eingetroffen waren. Da war der Fahrer des Unfall verursachenden Fahrzeugs aber schon kilometerweit entfernt gewesen.

Nach monatelangem Krankenhausaufenthalt war Frey als Vollwaise ohne nähere Verwandtschaft durch verschiedene Kinderheime gereicht worden, bis er schließlich zu Pflegeeltern kam, die ihn bei sich aufnahmen. Sie versorgten ihn mit allem was er brauchte und wachten besonders über seine Schullaufbahn, die unter den vorherigen Ereignissen etwas gelitten hatte, so dass er ein Schuljahr wiederholen musste, um weiterhin das Gymnasium besuchen zu können. Das ansonsten kinderlose Ehepaar meinte es sicher gut mit ihm und ihm mangelte auch materiell an nichts, aber wirkliche Geborgenheit und Liebe konnten sie ihm nicht geben, trotz ihrer innigen Gläubigkeit, die vor allem in der Pubertät für größere Differenzen zwischen ihnen gesorgt hatte.

Immerhin gehörte er wieder irgendwo hin und er hatte Unterstützung in ihnen, als er vor Gericht mit seiner Aussage maßgeblich dafür sorgte, dass der Fahrer des Unfall verursachenden Wagens für ein paar Jahre ins Gefängnis kam.

Tom Lorenz.

Niemals würde Frey diesen Namen vergessen. Den Namen des Mannes, der durch sein rücksichtsloses Verhalten im besoffenen Kopf dafür verantwortlich war, dass Frey seine Familie, sein ganzes bisheriges Leben verloren hatte.

Erst jetzt, mitten in diesem Horrorrückblick, wurde Frey bewusst, wie sehr er diesen Kerl immer noch hasste und wie sehr dieser immer noch sein Leben beeinflusste. Warum war ihm das nicht schon vorher aufgefallen?

Tom Lorenz – Tom Lenz.

War das keinem aufgefallen, nicht einmal Walter? Der kannte ihn schließlich in und auswendig.

Hatte Grzyek ihn gerade deshalb so angesprochen? War es ausgerechnet ihr ins Auge gesprungen?

„Oder sollte ich besser Herr Lenz sagen...?“, hatte sie im Rausgehen gefragt.

Tom Lenz, so hatte er den Oberbösewicht seiner Krimiserie getauft. Das Phantom, der führende Kopf, der hinter all den dramatischen Vorkommnissen stand, in die Lars Brender so hinein geriet. Den ultimativen Endgegner, dem Brender am Ende der dritten Staffel hatte gegenübertreten müssen, worauf die Fans noch bis zum Sendetermin hinfiebern mussten. Sozusagen den „Moriarty“ der Brender-Serie.

Doch noch während Frey sich über all dies klar wurde, lief der begonnene Lebensrückblick einfach weiter und es gelang ihm kaum einen Gedanken zu fassen und festzuhalten, weil unaufhörlich weitere Bilder auf ihn einströmten.

Tom Lorenz selbstherrliche Visage, als er vor Gericht befragt worden war.

Das Versprechen an Frey in Lorenz Augen nach der Urteilsverkündung, dass sie noch nicht miteinander fertig wären.

Weitere Bilder, manche wie Schnappschüsse, andere wie Videoausschnitte zogen an ihm vorbei; wechselnde Bezugspersonen, Streitigkeiten mit den Pflegeeltern, besonders wenn es um seine Freundschaft zu Walter Haferkorn ging, schulische Erfolge wie Misserfolge, die erste Liebe, der erste Liebeskummer, seine zunehmende Bindung an Walter, der bis heute für ihn Mentor und väterlicher Freund war und in dessen Firma „HFP“, „Haferkorns-Film-Produktionen“, Frey kürzlich als Geschäftspartner eingestiegen war. Walter war es auch gewesen, der Freys Talente in der Schauspielerei und der Schriftstellerei erkannte und förderte und durch den sein Leben heute so lief, wie es nun mal lief.

Er war erfolgreich, sah unverschämt gut aus mit seinen stets etwas zu langen dunklen Haaren, die ihm wie zufällig, tatsächlich aber mit großer Sorgfalt drapiert ins Gesicht fielen, den warmen braunen Augen, die ihm einen leicht südländischen Touch verliehen und deren Blick schon so manches Frauenherz zum Schmelzen gebracht hatte. Und das nicht erst, seit er ein gefeierter Star geworden war.

Er war allerdings auch dafür bekannt, kein Kostverächter zu sein und noch war es keiner Frau gelungen, ihn länger als ein paar Wochen oder Monate an sich zu binden.

Ein Psychologe hatte ihm erklärt, es sei völlig verständlich, dass er Bindungsängste habe, bei den Verlustängsten, die er aufgrund seiner kindlichen Traumata mitbringe. Auch wenn ihm da zu viel von Ängsten und dergleichen die Rede gewesen war, fand Frey die Erklärung für sich völlig schlüssig und genoss sein Männerdasein in vollen Zügen. Er konnte ja schließlich gar nichts dafür!

Erst in der letzten Zeit hatte er sich öfter dabei ertappt, dass er sich sehr wohl ein bisschen mehr Halt und Vertrauen in einer Partnerschaft gewünscht hätte, als er es in seinen oberflächlichen Liebeleien bislang zugelassen hatte.

Doch alles in allem war er, je erfreulicher sich sein Leben entwickelt hatte, zum narzisstischen „Rundum-Genießer“ mutiert, der die sich ihm bietenden Möglichkeiten in vielerlei Hinsicht zu nutzen wusste. Soweit hatte Grzyek ihn schon ganz richtig eingeschätzt, ebenso wie sie völlig richtig lag mit ihrer Vermutung, er habe Lars Brender vor allem deshalb selber gespielt, weil er wollte, dass es „auch was wird“, wie sie sich ausgedrückt hatte. Aus jenem Grund hatte er auch direkt selbst Regie geführt, das war der Ermittlerin bei ihrer zynischen Auflistung seiner Verwicklungen in die Serie offenbar entfallen. Und im Gegensatz zu ihr konnte er auch nichts Verwerfliches daran finden.

Er hielt beruflich immer gern alle Zügel in der Hand – kein Grund, ihn zu verurteilen.

Mit diesem Gedanken kam Frey wieder im Hier und Jetzt an.

Ihm war immer noch übel, wenn nicht sogar noch mehr als zuvor.

Er hätte einiges dafür gegeben, sich jetzt auch mit irgendetwas den Mund ausspülen zu können, vorzugsweise mit einem guten Whisky.

Für den Moment wäre er jedoch schon für ein Pinnchen mit Leitungswasser dankbar gewesen.

Suchend sah er sich im Büro um.

Vielleicht war ja irgendwo ein Waschbecken angebracht.

Nein, außer Pinnwänden, Fahndungsfotos, Ermittlerkauderwelsch und einem großen Spiegel, auf dessen Rückseite Herwig sicher mit seiner Truppe stand und ihn beobachtete, befand sich nichts an den Wänden. Frustriert lehnte er sich zurück, knöpfte sich das Hemd auf und fächerte sich mit der Hand etwas Luft zu. Der Sauerstoffgehalt in dem Raum schien sich rapide zu verringern. Er brauchte dringend sogar deutlich mehr als nur ein Pinnchen Wasser!

So bescheiden seine Situation auch war, er konnte es doch nicht sein lassen, den hinter dem Spiegel vermuteten Polizeibeamten freundlich zuzuwinken, anschließend machte er mit der Hand eine Geste, die andeutete, dass er etwas zu Trinken benötigte.

Erwartungsgemäß passierte nichts.

Das fehlte jetzt noch, dass er hier zusammenbrach, weil sein Kreislauf verrückt spielte. Er sah die Schlagzeilen schon vor sich. Wie die Aasgeier würde sich die Boulevardpresse darauf stürzen, wenn er, der große TV-Held, einen Kreislaufkollaps bekäme, kaum dass er mal echten Stress hatte.

Er solle sich gut überlegen, was er zu den Vorwürfen zu sagen hätte, hatten sie ihm geraten. Also fing er besser mal langsam damit an. Was hatte er ihnen denn zu sagen?

Nichts!

Außer, dass er es grauenhaft fand, was den bedauernswerten Opfern zugestoßen war. Wofür sie ihn aber nun wirklich nicht verantwortlich machen konnten, bloß weil er sich Geschichten ausgedacht hatte, die irgendein Psychopath als Vorlage für das Ausleben seiner perversen Fantasien genutzt hatte.

Und was sollte diese Anrede als Herr Lenz? Und die völlig absurde Behauptung, er habe von seinem PC aus irgendwem irgendwas zugeschickt, um die Presse auf seine angeblichen Untaten aufmerksam zu machen?

Er wusste ihnen nichts zu sagen, außer, dass er mit alledem überhaupt nichts zu tun hatte. Ob sie ihm nun glauben wollten oder nicht.

Im angrenzenden Raum standen Herwig und Grzyek, wie Frey ganz richtig vermutet hatte, auf der Rückseite des speziellen Spiegels und beobachteten sein Verhalten. Bisher war jedoch nichts von Belang passiert. Frey saß nahezu regungslos auf seinem Stuhl, starrte vor sich hin und schien sich in einer anderen Dimension zu befinden. Lediglich ein Mal hatte er eine Regung gezeigt, als er den laufenden Monitor bemerkt hatte. Grzyeks Körper spannte sich, als Freys geballte Faust sich dem Computer näherte. Sie rechnete mit einem Wutausbruch und machte sich bereit, nach nebenan zu stürmen, aber der Schauspieler hatte nur energisch die Stopptaste gedrückt und verschwand danach wieder in seinem Kopfkino.

Kein nervöses Auf- und Abtigern, keine Tobsuchtsanfälle, ja noch nicht einmal der Versuch, einfach zu gehen. Nicht, dass es ihm etwas genutzt hätte. Vor der Tür standen selbstverständlich zwei Beamte Wache. Aber Frey saß einfach nur da und stierte traurig vor sich hin.

Fragend sah sie ihren Vorgesetzten an, der mit den Händen in den Hosentaschen den Verdächtigen beobachtend dastand und in dessen Gesicht sich nicht im Mindesten abzeichnete, was er dachte. Dennoch kannte sie ihn lange genug, um zu wissen, dass er mit dem bisherigen Verlauf unzufrieden war.

„Du glaubst, er war es wirklich selbst?,“ fragte sie ihn.

Ein tiefer Seufzer drang aus seinem mächtigen Brustkorb.

„Was glaubst du?,“ warf er ihr den Ball zurück.

„Ich glaube nicht, dass er es war. Man kann ja von ihm halten was man will, aber ich glaube nicht, dass er dazu fähig wäre.“ Katharina Grzyek sah ihm direkt ins Gesicht. „Ich glaube, du verrennst dich da in was!“

„Weißt du, Rina, wahrscheinlich hast du Recht. Aber es passt halt alles so schön zusammen. Er weiß genau, dass er sich mit der Beteiligung an der Firma finanziell übernommen hat, sollte die neue Staffel nicht die gewünschten Einkünfte erbringen. Leute haben schon für weniger gemordet. Und dass er einen Hang zu theatralischen Auftritten hat, kann man auch nicht bestreiten. Dann die Mail von seinem PC an Özkilic...“

„...und die Tatsache, dass du ihn einfach nicht ausstehen kannst!,“ vollendete Grzyek den Satz. „Glaubst du wirklich, er wäre so blöd, das von seinem eigenen PC aus zu machen? Wo er sich vorher so viel Mühe gegeben haben muss, um die Videos ins Netz zu bekommen? Das ist mir irgendwie zu einfach. Das sieht für mich eher danach aus, als wolle jemand, dass wir auf Frey kommen.“

Die Tür öffnete sich und Müllenbeck kam mit drei Bechern dampfenden Kaffees herein.

„Na, den hast du aber ganz schön rangenommen,“ lachte er, mit einem Blick auf Frey, der von Minute zu Minute mehr in sich zusammenschrumpfte und reichte Grzyek und Herwig ihre Getränke.

„Ich glaub' aber nicht, dass er es wirklich war. Ich glaub', du hast da ziemlich hoch gepokert, mein Lieber!“

„Jetzt fang du auch noch an,“ knurrte Herwig strubbelte sich nervös über seine fast schon ergrauten Haarstoppeln und starrte wieder durch die abgedunkelte Scheibe.

Aber im Grunde wusste er, dass die Beiden recht hatten. Es wäre viel zu einfach, wenn sie in Frey schon den Schuldigen festgemacht hätten. Er hatte sich da doch zu sehr von seinen persönlichen Abneigungen gegenüber Frey leiten lassen. Und trotzdem... Er traute diesem erfolgsverwöhnten Schnösel einfach nicht, mochte er auch noch so eine traurige Vergangenheit haben.

Nicht, dass er Frey seinen Erfolg geneidet hätte, ganz gewiss nicht. Er war mit seiner kleinen Familie und seinem Job als Kriminalhauptkommissar und leitender Ermittler der SoKo durchaus zufrieden. Er hätte nicht mit Frey tauschen wollen.

Aber mal ehrlich, wie selbstverliebt konnte ein Mensch sein? Schrieb die Bücher, inklusive der Drehbücher, produzierte die Serie über die eigene Firma, spielte die prestigeträchtige Hauptrolle und führte selbst Regie, wie Herwig und die anderen im Team sehr wohl wussten.

Und dann gab der Erfolg diesem Menschen auch noch recht! Etliche Preise hatte die Serie abgeräumt, selbst international. Fanclubs hatten sich gegründet und auf dutzenden Fanseiten posteten die Brender-Jünger oder Brenderianer, wie sie sich selbst nannten, im Internet ihre neuesten Hypothesen, wie es denn nun in der dritten Staffel mit Brender und Lenz weiter gehen müsste, luden unscharfe Handyfotos und verwackelte Videos von zufällig entdeckten Dreharbeiten im Netz hoch und lieferten sich erbitterte Glaubenskriege, welcher der Nebendarsteller denn nun der wichtigste sei und welche der vielen wechselnden Damenbekanntschaften für Brender die beste gewesen wäre.

Es gab sogar einen polizeiinternen Fanclub!

Dabei bediente die Serie nur einfachste Bedürfnisse der Fernsehzuschauer. Die Folgen waren, dem modernen Zeitgeist entsprechend, recht blutrünstig und reißerisch, ein bisschen Sex, ordentlich Crime, mit einfach gestrickten Geschichten, die nicht viel Neues zu bieten hatten. Ok, die Themen waren sauber recherchiert, die Figuren hatten Charisma und dank Frey gab es wohl nur wenige Frauen, die nicht infiziert waren vom Brenderschen Charme. Doch hatte die Serie nicht auch eine beachtliche Zahl männlicher Fans? Nur an Freys Konterfei konnte es also doch nicht liegen.

Herwig hingegen konnte diesen ganzen Hype um „Brender ermittelt“ einfach nicht begreifen.

Doch nicht einmal zu Hause konnte er sich dem entziehen, weil seine eigene Frau sich offen als Brenderianerin bekannte und er so unfreiwillig selber zum Spezialisten der Serie wurde. Das war das erste Mal in ihrer langjährigen Beziehung gewesen, dass seine Frau für ihn ein fremdes Wesen darstellte. Selbst ihren Tick, die beiden Kinder nach den Orten zu benennen, denen sie ihre Zeugung verdankten, Lucca und Giuliano, hatte er noch klaglos mitgemacht. Obwohl ihm das schon so manchen Spott eingebracht hatte.

„Zum Glück wart ihr nicht gerade in Brüssel. Oder in Istanbul,“ hatte ein Kollege noch kürzlich gewitzelt, als Rina, die olle Tratschtante, es ihm erzählt hatte. Wenn Herwig ehrlich zu sich selbst war, hatte er Ähnliches auch schon gedacht, aber seiner Frau zuliebe hatte er sich angemessen echauffiert.

Wenn sie gewusst hätte, wen er da verhaftet hatte, sie würde vermutlich augenblicklich die Scheidung einreichen.

Er betrachtete seinen Verdächtigen nachdenklich und je mehr Zeit verstrich, desto sicherer wurde er, dass seine beiden Kollegen recht hatten. Das war nicht der Mörder. Zumal es sich um drei verschiedene Täter zu handeln schien, doch da liefen die Analysen der Spezialisten noch. Viel gaben die Videos aus dem Netz jedoch nicht her. Umfangreiche Vermummung und geschickt gewählte Standorte der Täter, so sie denn überhaupt mal im Visier der Kamera auftauchten, ließen da noch keine eindeutige Aussage zu. Hauptsächlich sah man sowieso nur die Frauen und ihr Leiden.

Frey wurde jedoch vor allem verdächtigt, Koordinator und Hintermann der Taten zu sein. Verschiedenes deutete darauf hin, dass es auch hier wie in der Serie war. Es gab den bösen Superschurken, der alle diese Verbrechen steuerte. Und alle Indizien führten bislang mehr oder minder direkt zu Frey. Die E-Mail, die an den Journalisten Özkilic gegangen war, war mit Tom Lenz unterzeichnet worden und wurde über Freys PC verschickt, das hatte Müllenbeck am Computer zurückverfolgen können.

Özkilic hatte einfach nur drei Links zugeschickt bekommen mit dem Hinweis, dass er daraus die Story seines Lebens machen solle.

Was er zum Glück nicht getan hatte.

Stattdessen hatte er umgehend die Kripo informiert, die sofort überprüfte, ob es sich um echte oder um gestellte Aufnahmen handelte. Da war dann auch schon die erste Leiche aufgetaucht. Die beiden anderen waren nur noch eine traurige Bestätigung des zu erwarteten Verlaufs gewesen.

Trotz der bundesweiten Fundorte hatte man ihnen die Fälle gesamt übertragen, da der Zusammenhang schnell deutlich wurde, und sie hatten die SoKo „Brender ermittelt“ gegründet. Selten im Leben war Herwig etwas schwerer gefallen, als diesem ansonsten einstimmigen Vorschlag der Kollegen zuzustimmen.

Sie hatten Informationen über die Opfer, die Serie, die Rolle Tom Lenz und über ihren Schöpfer gesammelt, waren über die „finanzielle Anspannung“ auf Freys Konto gestolpert und als Müllenbeck dann in einer eingelegten Nachtschicht herausfand, von wo die E-Mail kam, war alles ziemlich schnell gegangen. Sie hatten den völlig überrumpelten Mann mitten aus einer wichtig aussehenden Sitzung herausgeholt und nun saß er nebenan und war mit dem ihm zur Last gelegten Vorwurf konfrontiert worden.

Ein Schnellschuss, zugegeben, aber ein durchaus berechtigter, wie er nach wie vor fand.

Eine junge Beamtin betrat forsch den Raum und überreichte Herwig einen Stapel Papiere. „Der Bericht zu den Schriftproben, Chef. Freys passt auf keine, das glaubt Meyer mit Sicherheit sagen zu können. Außerdem sagt er, dass die drei verschiedenen Ursprungs sind, auch wenn sie sich so ähneln.“

„Danke, Tina, das bringt uns ein ganzes Stück weiter,“ sagte Herwig. Das tat es tatsächlich. Es bestätigte ihre Theorie, dass es sich um mehrere Täter handelte und dass Frey zumindest nicht als Mörder der drei Frauen in Frage kam.

Die Frauen hatten, jeweils an ihrem rechten Zeh, einen kleinen, mit einer Schnur befestigten Notizzettel getragen. Mit kindlich verstellter Schrift hatte dort stets das gleiche gestanden: „Ein Geschenk für Tom Lenz!“

Auch da wieder dieser verfluchte Tom Lenz. Jemand, der sich für diesen fiktiven Superschurken hielt, trieb hier ein ganz mieses Spiel mit Ihnen. Und Herwig gedachte diesen Jemand ausfindig zu machen!

„Torsten, sieh mal, da tut sich was.“ Müllenbeck stupste Herwig an und deutete mit dem Kopf in Richtung Nebenraum.

Tatsächlich, Frey schien aus seiner Parallelwelt zurückgekehrt zu sein. Suchend sah er sich im Raum um, schien aber nicht zu finden, wonach er suchte. Stattdessen blickte er direkt in den Spiegel, winkte ihnen zu, als wolle er grüßen und deutete dann an, etwas zu Trinken haben zu wollen.

„Besorg' dem Mann mal einen Kaffee, Tina,“ bat er die junge Frau, die immer noch neben ihm stand und die Unterlagen über die Schriftproben sortierte, wobei sie immer wieder verstohlene Blicke zu Frey hinüber warf. “Wir sollten ihn nicht mehr allzu lange zappeln lassen.“

Als Tina mit dem angeforderten Kaffee zurück kam, beschlossen sie zu Frey zurückzugehen und sich seine Version der Ereignisse anzuhören, auch wenn mittlerweile keiner von ihnen mehr glaubte, dass es sie noch weiterführen würde.

Frey zeigte sich äußerst dankbar für das mitgebrachte Getränk, auch wenn es schon fast kalt war, bis er vor lauter Unschuldsbekundungen überhaupt dazu kam, davon zu trinken.

Gerade als sie mit der genaueren Befragung beginnen wollten, überschlugen sich auf einmal die Ereignisse.

Die Tür wurde aufgerissen und hereingepoltert kam die äußerst raumgreifende Gestalt von Walter Haferkorn, gefolgt von zwei aufgeregten Polizeibeamten, die mit der Aufgabe, ihn zurückzuhalten, sichtlich überfordert waren.

„Lassen Sie ihn in Ruhe,“ dröhnte Haferkorns tiefer Bass über das aufgeregte Geschimpfe der Beamten hinweg. „Lassen Sie ihn. Ich habe die Mail an Özkilic geschickt!“

„Um Himmels Willen, Walter! Was erzählst du denn da?“ Entsetzt starrte Frey seinen Freund an. „Warum sagst du so etwas?“

„Und warum weiß er davon?,“ ließ Müllenbeck sich vernehmen.

„Weil es die Wahrheit ist!“ Trotzig reckte Haferkorn das Kinn vor.

Herwig und seine Leute hatten sich schnell von der unerwarteten Wendung erholt.

„Darf man fragen, wer Sie sind, wie Sie dazu kommen, hier einfach so hereinzuplatzen und was Sie damit meinen, Sie hätten die Mail an Özkilic geschickt?“

„Haferkorn, Walter. Ich bin Christoffers Freund und Geschäftspartner, wie Sie sicher wissen. Diese Mail...ja also wissen Sie...!“

Noch während Haferkorn herumdruckste und einiges von seinem anfänglichen Elan eingebüßt zu haben schien, flog die Tür erneut auf und Tina kam in das mittlerweile ziemlich überfüllte Büro gestürmt.

„Sie haben noch eine gefunden, Chef,“ rief sie aufgeregt. „Noch eine Tote. Wieder hier in Köln. Und ich soll Ihnen von der Spurensicherung sagen, das wäre diesmal echt richtig gruselig!“



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