Читать книгу Schattenspiele - Klara Kraus - Страница 5
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Zum Wintersemester 1987 kam die Zusage aus München. Die Vorstellung, die Heimatstadt und das Elternhaus zu verlassen, machte ihr Angst. Nie war sie wirklich länger von ihrer Familie getrennt und der Gedanke nicht mehr auf die Schnelle den Rat des Vaters einholen zu können, das eine oder andere Problem mit der Mutter oder der Schwester bereden zu können, war ihr unheimlich.
Judith sollte fürs Erste bei der Schwester Ihres Vaters wohnen, die ein Haus am Stadtrand von München bewohnte.
Mitte September zog sie bei ihrer Tante ein und hatte so noch etwas Zeit um die Stadt kennen zu lernen. In den ersten Tagen ihres Aufenthaltes kümmerte sie sich um die Formalitäten, die an der Uni zu erledigen waren, besorgte sich ein Ticket für die S-Bahn und streifte durch die Stadt, besuchte Museen, Ausstellungen und verbrachte viel Zeit im Englischen Garten. Das Wetter war noch sehr schön, die Tage warm und Judith genoss es am Strand der Isar zu liegen und das Treiben der Badenden zu beobachten.
Die Tante nahm Ihre Pflichten als Aufsichtsperson sehr ernst.
„Ich habe deinem Vater versprochen auf dich aufzupassen und ich möchte mir im Bezug auf meine Aufsichtspflicht keinen Fehler erlauben.“
Judith versuchte sich anzupassen, pünktlich zu den Mahlzeiten zu Hause zu sein um keinen Unmut bei der Tante aufkommen zu lassen. Ihr war bewusst, dass diese Unterkunft ein Glück für Sie war. Sie hatte sich mit einigen anderen Studenten der Erstsemester an der Uni unterhalten die noch immer auf der Suche nach einer Unterkunft waren oder die nur für kurze Zeit eine Zusage für ein Zimmer im Studentenwohnheim hatten und dann wieder nicht wussten wohin.
Das Semester begann und Judith war damit beschäftigt sich in den Unibetrieb einzufinden.
Am Abend fiel sie todmüde ins Bett. Doch bevor sie sich in ihr Zimmer zurückziehen konnte war Abendessen mit der Tante Pflicht.
„Ich habe heute mit deinem Vater telefoniert und mache mir etwas Sorgen, er schien mir etwas abwesend und ich hatte das Gefühl, dass er dem Gespräch nicht wirklich folgen konnte. Wann hast du das letztemal mit deiner Mutter telefoniert?“
„ Vor zwei Tagen, sie hat nicht erwähnt, dass es Vater nicht gut geht. Sicher hast du dich getäuscht. Vielleicht war er nur müde.“
Sie nahm sich vor, die Mutter beim nächsten Telefonat darauf anzusprechen.
Tante Marie war Witwe und kinderlos. Ihr Bruder Hans und dessen Familie waren die einzigen Menschen die ihr nahe standen.
Nach einigen Wochen hatte Judith sich gut orientiert, nette Bekanntschaften gemacht und es stellte sich Routine ein.
Sie hatte sich mit einem Mädchen aus ihrem Semester angefreundet. Rosalie, eine Italienerin, die ihr italienisches Temperament oft nur schwer unter Kontrolle halten konnte. Sie erinnerte Judith an ihre Mutter und sie empfand gleich Sympathie für Rosalie. Sie hatte feuerrote Haare die ihr kreuz und quer vom Kopf abstanden und war unentwegt am reden.
Judith, die eher zurückhaltend war, und Rosalie ergänzten sich perfekt. Rosalie hatte ein Zimmer im Studentenwohnheim, musste da aber in den nächsten Wochen ausziehen.
„Lass uns eine WG gründen“,
lag Rosalie Judith ständig in den Ohren.
Der Gedanke war für Judith verlockend aber sie wollte ungern den Eltern finanziell mehr auf der Tasche liegen als unbedingt notwendig und die Unterkunft bei Tante Marie war kostenlos. Außerdem graute ihr vor dem Gedanken Tante Marie zu sagen sie würde ausziehen.
„Rosalie, ich weiß nicht ob es so einfach sein wird eine passende Wohnung zu finden. Vor allem Mitbewohner die zu uns passen und mit denen wir klar kommen.“
„Ach Judith sieh das Ganze doch positiv, wir haben unsere Freiheit, können kommen und gehen wann wir wollen und keiner hat uns was zu sagen.“
Ein reizvoller Gedanke, das musste Judith zugeben.
„Wir werden einen Aushang am schwarzen Brett machen und nach zwei Mitbewohnerinnen suchen. Wenn sich jemand meldet der zu uns passt machen wir den nächsten Schritt und suchen nach der passenden Wohnung. Was hältst du davon?“
„ In Ordnung, wir werden es versuchen aber lass uns das in Ruhe angehen und nichts überstürzen, versprich mir das.“
Rosalie nahm Judith lachend in den Arm
„Keine Angst ich werde dich nicht überrumpeln.“
Die Resonanz auf ihren Aushang war groß aber sie konnten sich nicht wirklich für eine der Bewerberinnen entscheiden.
Kurz vor Semesterende, Judith saß gerade mit einer Tasse Tee in der Mensa und las sich das Skript der letzten Vorlesung nochmals durch, kam Rosalie mit einem jungen Mann an den Tisch.
„Judith, darf ich dir unseren künftigen Mitbewohner vorstellen?“
Judith musste trotz aller Überraschung lachen. Da stand Rosalie mitten in der Mensa, die Haare standen wirr vom Kopf und an der Hand hatte sie einen jungen Mann der von den Ereignissen wohl auch etwas überrollt wurde.
Sören Kippar, ein junger Schwede mit blondem Haar, das ihm, ähnlich wie Rosalies Haar, wild vom Kopf stand.
Judith hatte ihn schon einige Male auf dem Unigelände gesehen und fand ihn ganz sympathisch.
„Hallo Sören, hat Rosalie dir denn schon erzählt wie wir das ganze angehen wollen?“
„In groben Zügen weiß ich Bescheid und da ich mein Zimmer im Wohnheim nur noch bis zum Semesterende haben werde wäre das für mich natürlich die ideale Lösung.“
„Sören ist handwerklich sehr begabt und somit hätten wir schon eine große Unterstützung wenn wir renovieren müssten. Außerdem kann er gut kochen und putzen macht ihm wirklich Spaß.“
Rosalie lobte Sören in den höchsten Tönen und Judith war sicher, dass Rosalie den Jungen keine Stunden länger oder besser kannte wie sie selbst.
„Sören, sicherlich wirst du verstehen, dass ich das nochmals in Ruhe mit Rosalie besprechen muss, da wir bisher von einer reinen Mädchen WG gesprochen haben. Von männlichen Mitbewohnern war noch keine Rede.“
„Ich habe vier Schwestern und bin es gewohnt mit Mädchen unter einem Dach zu wohnen.“ warf Sören ein.
Judith sah ein, dass hier wohl ein Einwand von Ihrer Seite noch etwas bringen würde.
Rosalie hatte sie mal wieder überrannt. Warum nicht, der Junge ist ganz nett und einen Mann im Haus zu haben ist ja vielleicht gar nicht so schlecht, dachte Judith.
„In Ordnung Sören, aber wir müssen noch eine weitere Mitbewohnerin finden sonst bekommen wir das mit den Kosten nicht in den Griff. Der Preisunterschied von kleinen zu großen Wohnungen ist nicht erheblich und wir dachten eine Wohnung in einem Altbau mit vier Zimmern, Küche und Bad ist leichter zu finden als eine kleine Wohnung in einer Neubausiedlung.“
„Werde mich unter meinen Kommilitonen nochmals umhören, vielleicht sucht noch jemand ein Zimmer“, versprach Sören.
Einige Tage später stellte Sören ihnen ein Mädchen vor, das ihnen auf Anhieb sympathisch war. Hanne kam aus Dortmund, studierte ebenfalls Kunstgeschichte im zweiten Semester und war eher zurückhaltend in ihrer Art. Eine gute Mischung dachte Judith und willigte ein.