Читать книгу Ömmes auf der krummen Straße - Klaus Blochwitz - Страница 7
Kapitel 5
ОглавлениеEs wurde Herbst, das schlechte Wetter kam, es wurde kühler und die Kinder spielten nur noch im Haus. Die Männer und die Frauen fuhren zur Arbeit und die Alten passten auf die Kinder auf.
Im November war der Tag des Fahrverbotes für alle Autos wegen der Ölkrise!
Prinzessin Anne heiratete ihren Mark und wieder war Krieg im Nahen Osten.
Und dann hatte die krumme Straße doch noch ihr ureigenes Knallbonbon!
Rudi bekam Besuch. Ein großer Wagen fuhr bei Rudi vor und eine große, schlanke Frau stieg aus. Rudi wieselte um sie herum, strahlte wie hundert Laternen, schleppte die Koffer, Taschen und Kartons ins Haus, winkte Hildegard zu und verschwand mit der Frau im Haus.
Ein Auto mit einer ausländischen Nummer erregte natürlich sofort Interesse und es schwirrten sofort die tollsten Vermutungen durch die Straße.
Hans war noch immer nicht so richtig auf der Reihe,seinen Eltern ging es von Tag zu Tag schlechter und er konnte nichts dagegen machen, er konnte noch nicht einmal –aus beruflichen Gründen – zu seinen Eltern fahren und ihn plagten immer noch die furchtbaren Geschichten, die sein Vater zwar sehr selten und sparsam erzählt hatte.
Ende des Monats fuhr er dann mit seinen Kollegen von der technischen Hilfsorganisation in ein Krisengebiet, er war inzwischen ein richtiger Fachmann für die Trinkwasser-Aufbereitung geworden und er war gerne dabei, obwohl man es ihm gar nicht ansah und er machte da auch kein großes Theater darum.
Es hat sowieso lange gedauert, bis seine Tätigkeit bei der Hilfsorganisation bekannt wurde.
Danach war Hans wie umgewandelt,die düsteren Gedanken waren fort, selbst von seinen alten Eltern konnte er jetzt lockerer sprechen. Abends bei Ömmes gab er dann sichtlich stolz bekannt, dass er jetzt Montageleiter ist und dadurch selbst nicht mehr so viel und so oft raus fahren muss, er organisiert jetzt den Einsatz der Montagetrupps.
Es gab anschließend ein Riesenhallo, alle freuten sich für Hans und als er dann auch noch bekannt gab, dass er da jemand kennen gelernt hat, war die Stimmung auf dem Höhepunkt.
Wilhelm grinste etwas und sagte dann laut in dieRunde: „Mensch, Hans, solche Neuigkeiten und Beate ist nicht mit dabei.“
Die ganze Runde grölte vor Begeisterung und etwas Schadenfreude. Wilhelm, Hermann und Franz gingen das kurze Stück von Ömmes bis zu ihren Häusern gemeinsam, es kamen noch ein paar Bemerkungen in Richtung Hans.
Ein Auto bog in die krumme Straße ein und hielt dann vor Rudis Haus, Rudi rief zu Hermann: „Ist noch jemand bei Ömmes?“ Als Hermann verneinte, sagte Rudi: „Na dann bis nächste Woche, schlaf gut.“
Auch so, kam es von Hermann zurück.
Wilhelm schloss die Haustür auf und ging ins Haus. Er freute sich immer wieder, wie gut die vielen Arbeiten ausgeführt worden waren, es war ein richtiges Schmuckkästchen geworden.
Von oben kam die leise Frage von Hildegard: „Bist du es?“ Leise gab Hermann Antwort und lächelte dabei still in sich hinein. Seit ihrer Hochzeit kam diese Frage regelmäßig,wenn er von Ömmes zurück kam oder spät von der Arbeit.
Wilhelm goss sich im Wohnzimmer einen Weinbrand ein und ging dann mit dem Glas in der Hand leise in sein Zimmer.Seit seine Nachbarn die Bücherregale darin aufgebaut hatten und er dann einen Schreibtisch hinein gestellt hatte,hieß es nur noch sein Zimmer. Er schaltete die Stereoanlage ein und legte eine Platte auf. Wilhelm genoss immer wieder diese ruhigen Momente.
Das Glas war leer, die Musik ging zu Ende, Wilhelm machte das Licht aus und ging nach oben. Als er in sein Bett wollte, merkte er, dass da schon jemand schlief.Er tastete sich vorsichtig ins Bett und fand seine kleine Tochter.„Papa“, murmelte sie im Schlaf und Wilhelm schloss unendlich zufrieden seine Augen.
Nach seinem Abitur ging Wilhelm auf eine Universität in Süddeutschland, es war eine harte Zeit für ihn und seine Eltern,es fehlten immer ein paar Mark. Es wurde etwas besser,als Wilhelm eine Aushilfsarbeit fand, aber es war halt alles teuer, die Studentenbude, das Essen, die Heimfahrten.
Deswegen fand er auch nicht so den Kontakt zu den anderen Studenten, er konnte keine Party schmeißen und ging deswegen auch zu keiner, das eine oder andere Mädchen guckte dann schon mal etwas enttäuscht.
Aber Wilhelm war ehrgeizig und schaffte seinen Abschluss schnell und hatte dann noch viel Glück mit seiner Lehrerstelle zu Hause.
Wilhelm tankte immer wieder auf, wenn er dann doch mal nach Hause fahren und seine alten Kumpels treffen konnte.
In Sekundenschnelle war er wieder mittendrin und vergaß Uni, das Pauken und all die anderen Probleme. Abends saßen sie mit einer Flasche Bier in der Hand auf der alten Parkbank, die seit Ewigkeiten im Bogen der krummen Straße stand.
Manchmal redeten alle wild durch einander und manchmal herrschte eine angenehme Ruhe.
Oft wurde von früher erzählt, ihre Streiche waren lange Gesprächsstoff in der Siedlung.
Es waren noch erbärmliche Zeiten, als die vier Jungs gerade mal so alt waren, eingeschult zu werden. Die Menschen sahen alle dünn und klapperig aus, mit alten und geflickten Klamotten,der Hunger und die Existenzangst waren allgegenwärtig.
Dauernd sah man Hamstergruppen, die aufs Land zogen, um irgend etwas bei den Bauern gegen Esswaren ein zu tauschen.Meistens kamen sie mit leeren Händen zurück und viele mussten hungrig ins Bett.
Auf dem riesigen Trümmerfeld entlangder Hauptstraße stromerten die Jungs herum, immer auf der Suche nach etwas Brauchbarem. Jürgen zeigte dann auf einen riesigen Trümmerhaufen, die Ziegelsteine waren gut zu erkennen.
Am nächsten Nachmittag trafen sich die vier Jungs und kloppten die Ziegelsteine aus den Trümmern und pickten anschließend den Mörtel ab. Das war für die Kinder eine Knochenarbeit, aber sie wussten auch, dass ein Handwagen Ziegelsteine ein Essen bedeutete.
Leider war diese gute Stelle ein paar Tage später von größeren und älteren Jungen besetzt, frech wurden sie verjagt. Die vier waren zwar stinksauer,aber sie kannten das schon, sie würden schon wieder eine neue Stelle finden,
Trümmer gab es ja genug.
Die Hauptstraße ging ein Stück weiter in eine kleine Senke über und hier lag auf der rechten Seite ein seltsam geformter Trümmerhaufen.Die großen Trümmerstücke waren so komisch über einander gekracht, dass sie kleine Nischen, wie Zimmer, geschaffen hatten.
Beim Herumstöbern fanden sie einen engen Durchschlupf, der wohl zum Keller ging. Keiner wollte da hinein kriechen. Der Gang war gefährlich, Eisenstücke ragten aus den Mauerstücken, alle guckten Herbert an, er war von den Dünnen der Dünnste.
Er nickte ergeben und kroch inden Gang. Herbert kroch mit einem mulmigen Gefühl in dem schummrigen und staubigen Gang herum, es fiel gerade soviel Licht durch die Spalten in den Trümmerstücken, dass er sehen konnte, wohin er kroch.
Plötzlich war der Gang zu Ende und Herbert konnte aufstehen. Er hörte seine Kumpelsrufen: „Was ist, hast du was gefunden?“
„Nee, noch nichts“,rief Herbert zurück und ging den Kellergang weiter und sah dann etwas glänzen und entdeckte fast das Paradies. Ein großer Kellerraum, völlig intakt, an den Wänden standen Regale und die waren voll mit Einmachgläsern. Wurst, Fleisch, Marmelade, Obst und Gemüse konnte Herbert erkennen, einige Sachen kannte er nicht.
Herbert konnte vor lauter Freude undAufregung gar nicht richtig rufen, er dirigierte seine Freunde an das Kellerfenster und ließ sie in den Keller klettern. Es machte sich ehrfürchtiges Staunen breit, so viel zu essen hatten sie noch nie gesehen.
Sie überlegten, wie sie diese Kostbarkeiten nach Hause schaffen könnten. Alleine war das unmöglich und so beschlossen sie, dass zwei von ihnen nach Hause rennen und alle Männer und Frauen mitbringen sollten, die sie finden konnten.
Mit Bollerwagen, ja mit Kinderwagen und Schubkarren kamen die Männer und Frauen von der krummen Straße und räumten den Keller leer. Bei Wilhelms Eltern wurden dann die vielen Einmachgläser gerecht unter allen Anwohnern der krummen Straße verteilt, auch die zwei Flüchtlingsfamilien, die seit einiger Zeit neben Hermann und Brigitte wohnten, erhielten ihren Anteil.
Gegen Abend meinte man, das Geschmatze der ganzen Straße hören zu können.Die vier Jungs waren für ein paar Tage die großen Helden in der krummen Straße.
Wilhelm lernte dann doch noch ein Mädchen kennen und er wehrte sich dagegen, weil er sofort wusste, dass das Mädche aus einer Gesellschaftsschicht kam, in der er nicht zu Hause war. Sie war zu gut und zu schick angezogen, hatte eine tolle Studentenbude mit einer kleinen Küche und einem eigenen Bad und das tollste, sie hatte ein Auto!
Sie war hübsch, sie war Klasse, nett dazu, Wilhelm stürzte in ein Riesen Chaos.
Er ging ihr aus dem Weg, wo es nur ging, aber dann klappte es nicht mehr, er hatte einfach keine Ausreden mehr. Am Samstagabend holte sie ihn mit ihrem schicken Auto ab und sie fuhren zu ihren Eltern.
Sie fuhren eine gute Stunde und sie versuchte nett und freundlich, Wilhelm auf zu heitern.
Als sie vor ihrem Elternhaus den Wagen anhielt, fiel Wilhelm das Herz endgültig in die Hose. Er kam sich in seinen einfachen Klamotten so fehl wie nur irgend etwas vor und die Vorstellung ihrer Eltern, deren etwas erstaunte Blicke, sie waren abe rhöflich, schaffte Wilhelm restlos.
Die Tochter des Hauses gab ihr kleines Konzert und die Musik beruhigte Wilhelm erstaunlich und er fand Gefallen daran. Der Abend ging zu Ende und die Rückkehr war dann etwas angenehmer, Wilhelm konnte sich jetzt mit dem Mädchen lockerer unterhalten und fragte sie wissbegierig über diese Musik aus.
Ende des Semesters sah Wilhelm das Mädchen nicht mehr, aber Wilhelm nahm Musik als Studienfach dazu.
Ein Bundeskanzler trat zurück und ein neuer kam, aber es begann auch die Fußball-Weltmeisterschaft und die deutsche Mannschaft wurde Fußball-Weltmeister gegen Holland!
Nach der Nachkriegs-Weltmeisterschaftwar es endlich mal wieder geschafft.
In der krummen Straße hatten sich die jungen Familien eingerichtet,sie wohnten mit ihren Eltern zusammen, der Nachwuchs lernte laufen, Hermanns und Brigittes Tochter flitzte schon ganz schön herum und ihr Sohn tapste auch schon los.
Wilhelms und Hildegards Sohn war jetzt schon fast schulpflichtig und ihre Tochter fing an zu krabbeln.
Bei Franz und Selma tat sich noch nichts, genau so wie bei Jürgen und Inge.
Bei Herbert und Elli tobten zwei Jungs durch das Haus, beide waren schon in der Schule auf der Friederikenstraße und waren so richtige Lausebengel.
Hans, Beate und Rudi waren immer noch ledig und Beate und Rudi waren immer noch mächtig dabei, den bzw. die Richtige zu finden, wobei Rudi der aktivste war.
Der amerikanische Präsident stolperte über Watergate und Cassius Clay schlug Foremann
Seit Rudi in der krummen Straße wohnte, kannten alle seine Damenbesuche oder seine mehrtägigen Gegenbesuche. Und es waren tolle Frauen dabei, aber es hielt nie lange, die Frauen merkten wohl zu schnell, dass Rudi nicht zu halten war und machten früh genug Schluss. Rudi war den Mädchen nicht böse, es gab ja genug andere. Die Mädchen machten es Rudi aber auch leicht, obwohl er nicht unbedingt der bestaussehendste Bursche in der Gegend war, aber irgend etwas hatte Rudi, was die anderen Jungs nicht hatten.
Schon in der Lehre war das deutlich zu sehen, die Mädchen verdrehten ihre Augen,wenn Rudi erschien, vielleicht war es seine angeborene Freundlichkeit und Höflichkeit.
Er war kein Schmecklecker, er war einfach nett und sympathisch.
Nach der Lehre bekam Rudi ein Angebot von seiner Lehrfirma, in der Zentrale des Konzerns zu arbeiten, er kam in den Einkauf und machte dort fast eine Blitzkarriere. Rudi hatte ein sagenhaftes Händchen bei Verhandlungen mit Lieferanten, Großhändlern und Herstellern.
Durch seine Arbeit bedingt, war er viel auf Reisen,zu Lieferanten, Messen, selbst bis Asien gingen seine Einkaufstouren. Bei aller lockeren Lebensart war Rudi ein sagenhaft sparsamer Mensch, das konnte man schon daran sehen, dass er bereits in jungen Jahren das Haus in der krummen Straße kaufen konnte, hinzu kamen ja noch die Kosten für den Umbau und die Renovierung.
Jetzt scheint Rudi ruhiger zu werden. Seit seinem letzten Urlaub in Schweden fiel es auf, erst die regelmäßige Post und nun der Einzug der jungen Frau aus Schweden. Einen Abend bei Ömmes ließ Rudi ausfallen, aber dann kam er aus dem Haus, lieb verabschiedet von seiner hübschen Schwedin und traf mit Hermann, Jürgen und Hans zusammen, Herbert und Wilhelm warteten an der Ecke vor Ömmes Kneipe.Gemeinsam betraten sie die Kneipe, Beate und Franz saßen schon am Stammtisch und schauten Rudi erwartungsvoll an.
Rudi tat so, als wenn nichts Besonderes passiert sei, Beate konnte es nicht mehr aushalten und sagte in Richtung Rudi:„Mensch, jetzt erzähl schon!“
Rudi ruckelte auf seinem Platz gemütlich hin und her und begann: „Wie ihr wisst, war ich im letzten Urlaub in Skandinavien, ich hatte mir einen Campingbus geleast und fuhr kreuz und quer durch die Lande. Ungefähr in der Mitte meines Urlaubes fuhr ich eine unendlich erscheinende, lange Straße entlang, es dämmerte schon und ich guckte nach einem Campingplatz.“
Hermann grinste Rudi an: „Dein Campingbus war sicher so groß wie ein Linienbus.“
Rudi lachte schallend, ganz so schlimm sei es nicht gewesen!
Beate zischte giftig: „Mensch, sei still, lasst ihn weiter erzählen.“
Rudi nahm den Faden wieder auf und fuhr fort: „Endlich tauchte rechts ein Schild auf, Caravaning. Ich bog nach einem kurzen Stück rechts ein und polterte einen grottenschlechten Waldweg lang. Aber nur kurz, dann tauchte ein erstaunliches großes Haus auf, ganz aus Holz und ein Mann winkte mich um das Haus auf einen exzellenten Stellplatz.
Komfort pur, mit Wasser- und Stromanschluss und Abwasser.Ich wurde auf Englisch-Deutsch-gemischt angesprochen, ein Willkommen und die Hinweise für den Gebrauch des Stellplatzes. Abendessen gibt es ab zwanzig Uhr, falls ich das wolle.“
Beate rutschte äußerst nervös hin und her und hätte Rudi am liebsten das Wichtigste aus ihm heraus geschüttelt. Aber nicht nur Beate war zum Platzen neugierig, die ganze Runde wartete gespannt, dass es mit der Geschichte weiter ging. „Ich räumte den Campingbus etwas auf, dann ging ich duschen und war dann gegen halb neun im Haus. Mir fiel fast die Kinnlade herunter, ich habe ja bestimmt schon viel gesehen,aber hier war ich platt, das Haus war ein Prachtstück aus dicken Baumstämmen, gegenüber vom Eingang stand ein riesiger Kamin hoch bis unters Dach. Der ganze Eingangsbereich war offen bis zum Dach. Links vom Eingang, unauffällig, die Anmeldung und da stand sie, lachte mich an und sagte: ‚So schauen alle, die zum ersten Mal unsere Eingangshalle sehen.Vater wollte einfach mal etwas Besonderes für seine Familie bauen und so entstand ein riesiges Haus für uns drei Personen.‘
Ich stand da und schaute die junge Frau an, bis sie mich dann fragte, ob alles in Ordnung sei. Ich wurde langsam wieder wach und legte etwas verlegen meine Papiere für die Anmeldung auf den Tisch. Die junge Frau sah mich freundlich an und wies mir den Weg zum Abendessen.
Ich betrat einen großen Raum mit vielleicht zehn oder fünfzehn Tischen, einige waren schon besetzt, ich grüßte und setzte mich an einen freien Tisch.
Die Speisekarte wurde mir gereicht und ich schaute wieder in das Gesicht der jungen Frau. Sie lachte freundlich über meinen verwirrten Gesichtsausdruck und empfahl mir ein Gericht.“
Den restlichen Urlaub verbrachte Rudi dann bei der jungen Frau, lernte die Eltern kennen, staunte über die gewaltige Größe des Mannes und fühlte sich wohl wie noch nie. Erst war es nur ein herum schäkern, dann wurde es doch ein heftiges und dann ein ernsthaftes Flirten und Werben um die junge Frau.
Anfangs schäkerte sie mit, aber als sie merkte, dass es für Rudi ernst wurde, zog sie sich ein wenig zurück, abwartend.
Rudi blieb beharrlich, ja hartnäckig und überzeugte das Mädchen.In der folgenden Nacht kam Seske warm und weich in Rudis Arme.
„Der Vater von Seske hat als Holzfäller in den riesigen Wäldern von Schweden begonnen, mit enormem Fleiß und arbeiten wie wild Tag und Nacht schaffte er sich das Anfangskapital für seine eigene Firma. Er konnte günstig die wichtigsten Maschinen ersteigern und hatte mit viel Glück ein relativ flaches Waldgebiet erwischt, dass den Holzabbau sehr erleichterte.
So konnte Seskes Vater in der ersten Saison so viel verdienen,dass er fast schuldenfrei war. Er schlug selbst dann noch Holz, als alle anderen Unternehmen schon in die Winterpause gegangen waren. Kurz darauf konnte er schon zwei Holzfäller einstellen und es ging langsam aber sicher aufwärts.
In einer Winterpause, als wirklich gar nichts mehr ging, lernte er ein Mädchen kennen und er fand, dass dieses Mädchen genau das richtige für ihn war. Nach vielen Monaten hatte er das Mädchen überzeugt und sie kam zu ihm in die armselige Hütte, inder er hauste, und half ihm beim Papierkram.
Schnell übernahm sie die komplette Büroarbeit, was ihn unwahrscheinlich entlastete. Jetzt konnte er sich voll und ganz der Arbeit vor Ort widmen und das tat seiner kleinen Firma sehr gut. Irgend wann machte er dem Mädchen einen Heiratsantrag undversprach ihr dabei, ihr ein schönes Haus zu bauen, sobald es ihm möglich war.
Die Frau nahm den Heiratsantrag an und im kommenden Winter war es so weit. Im Laufe der ersten Ehejahre hat er für seine Frau und für sich ein kleines und bescheidenes Haus gebaut, gemütlich und kuschelig, aber er sagte seiner hübschen Frau immer wieder: ‚Ich baue uns ein Haus, ich habe es nicht vergessen.‘
Was seine Frau nicht ahnte,er lagerte schon die besten Baumstämme für sein Traumhaus ein. Und in einem der nächsten Winter, die sie wie fast immer in der kleinen Stadtwohnung verbrachten, fragte er dann seine Frau, welche Wünsche und Vorstellungen sie für ihr gemeinsames Haus hätte.
Da sprudelte es vor lauter Freude nur so aus ihrem Mund, er lachte und sagte: ‚Langsam,langsam, ich muss mir doch deine Wünsche aufschreiben können.‘
‚Ein großes Wohnzimmer, ein Esszimmer und ein schöne große Küche, Badezimmer, eine Sauna und viele Kinderzimmer‘,strahlte sie ihren Mann an, der alles gewissenhaft aufgeschrieben hatte und den Notizzettel gut weg gesteckte.
Seskes Vater hatte schon früh, sehr früh begonnen, Nutzholzplantagen anzulegen, von vielen seiner Kollegen wurde er ausgelacht, aber beharrlich ließ er weiter Bäume pflanzen.
Dasv ersprochene Haus baute er auf einem leichten Hügel mit felsigem Untergrund, wegen des Schmelzwassers im Frühjahr.
Es war ein schönes Stück Erde, das er als Baugrund ausgesucht hatte, ein paar hundert Meter von der Überlandstraße entfernt. Es war himmlisch ruhig, rings herum ein alter Baumbestand, ein Wildbach durchfloss das Grundstück, vor dem Haus war ein großer freier Platz zum Spielen vorgesehen.
Die Nachricht, dass sie Nachwuchs erwarteten, platzte mitten in die Bauarbeiten. Seskes Vater sprang vor Freude wie ein Verrückter herum und sagte dann laut lachend zu seiner Frau:‚Jetzt sind wir eher zu dritt, als dass das Haus fertig wird."
Seske war noch ein Baby, als ihr Vater seiner kleinen Familie das Haus zeigte, das er für sie gebaut hatte. Ein großes, ein riesengroßes Haus stand vor ihr, aus riesigen, nein, gewaltigen Baumstämmen zusammen gefügt. Trotz aller Masse war es trotzdem ein elegantes, stimmiges Haus mit den passenden Proportionen.
Die Eingangshalle mit dem riesigen, offenen Kamin, die Galerie um die erste Etage, die elegant geschwungene Treppe. Seine Frau brach vor lauter Freude und Überraschungin Tränen aus, sie konnte sich bei der Besichtigung noch nicht beruhigen, alles war da, so wie sie es sich gewünscht hatte.
Seske wuchs in den ersten Jahren wie ein kleiner Wildfang auf, erst als sie zur Schule musste, wurde sie etwas ruhiger und sie lernte leicht und mit viel Spaß. Seske wurde größer, ging nach der Schule auf die Uni, sie wurde ein hübsches Mädchen und ein kluges dazu. Sie war der Schwarm der Studenten, aber sie blieb solo.
Im Laufe der Jahre kamen die Nutzholzplantagen von Seskes Vater zum Tragen, er hatte inzwischen einen der Mitarbeiter als Leiter seiner Firma eingesetzt,hatte jetzt viel Zeit für seine Frau und beide lebten rundum zufrieden in ihrem Haus.
Seskes Vater hatte in derZeit, während Seske auf der Uni war, seinen zweiten Traum verwirklicht.
Am Bach, der durch das Grundstück floss, hatte er mehrere, große Becken angelegt und eine Fischzucht begonnen,mit durch schlagendem Erfolg, so dass er auch noch eine Räucherei dazu baute.
In den Semesterferien stellte Seskes Mutter fest, dass ihre Tochter mit ihrem Vater auffallend häufig leise tuschelte.Wenn die beiden von ihr erwischt wurden, strahlten sie sie beide an wie Honigkuchenpferde. Seskes Vater hatte nie seinen Hochzeitstag vergessen, so auch dieses Jahr nicht. Er schenkte seiner Frau ein kleines, flaches Kuvert. Sie schaute etwas erstaunt, weil sie in all den Jahren immer recht große Geschenke erhalten hatte. Aber sie sah ihre kleine Familie strahlen und daher öffnete sie das Kuvert, es war eine Kreuzfahrt im Mittelmeer!